TE Vwgh Beschluss 2019/7/26 Ra 2019/02/0124

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Veröffentlicht am 26.07.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §52
B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §5 Abs2
StVO 1960 §99 Abs1 litb
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des S S in L, vertreten durch Mag. David Rosenberger, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 17. April 2019, Zl. LVwG- 1-148/2019-R17, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe sich als Lenker eines bestimmten Fahrzeuges zu einem konkreten Zeitpunkt an einem näher angeführten Ort nach Aufforderung eines besonders geschulten Organes der Bundespolizei geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Wegen der damit begangenen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO wurde über den Revisionswerber gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.260,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 386 Stunden) verhängt. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Das Verwaltungsgericht stellte nach durchgeführter Verhandlung fest, der Revisionswerber habe zu einem näher genannten Zeitpunkt an einem konkret genannten Ort ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug gelenkt und sei von Polizeibeamten zur Durchführung eines "Alkovortests" aufgefordert worden, welcher ein Ergebnis von 0,69 mg/l (Alkoholgehalt der Atemluft) ergeben habe. Aufgrund des positiven Ergebnisses des Vortests sei der Revisionswerber zur Durchführung eines Alkomattests aufgefordert worden. Der Polizeibeamte habe dem Revisionswerber erklärt, dass eine Wartezeit von 15 Minuten einzuhalten sei und er in dieser Wartezeit nichts essen, nichts trinken, nichts rauchen, keinen Kaugummi kauen und kein Bonbon zu sich nehmen dürfe, ansonsten stelle dies eine Verweigerung des Alkoholtestes dar. Der Revisionswerber habe bestätigt, die Belehrung verstanden zu haben. Der Polizeibeamte habe dem Revisionswerber gestattet, die Wartezeit in seinem Fahrzeug zu verbringen. Der Revisionswerber habe sich daraufhin auf den Fahrersitz seines Fahrzeuges gesetzt. Kurze Zeit später habe er nach einer neben dem Fahrersitz befindlichen Plastikflasche, in welcher sich Wasser befunden habe, gegriffen, habe die Plastikflasche zu seinem Mund geführt, diese gekippt und einen bis zwei Schluck Wasser aus der Plastikflasche getrunken. Aufgrund dessen sei in der Folge kein Alkomattest durchgeführt worden. Der Revisionswerber habe - nachdem ihm die Polizeibeamten erklärt hätten, dass sein Verhalten eine Verweigerung sei - mehrfach gebeten, den Test doch noch durchführen zu dürfen.

Diese Feststellungen stützte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend auf die Aussage des Revisionswerbers, die Einvernahme der Zeugen Chefinspektor K und Revierinspektor P sowie den Akteninhalt.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zunächst aus, die Bedienungsanleitung des für die Atemluftuntersuchung vorgesehenen Atemalkoholmessgerätes der Marke "Dräger" halte Folgendes fest:

"3.1.1. Vorbedingungen für die Atemalkoholmessung Grundsätzlich zu beachten:

? Messung erst durchführen, wenn sichergestellt ist, dass die Testperson in einer Zeitspanne von mindestens 15 Minuten keine Flüssigkeiten, Nahrungsmittel und/oder Genussmittel, Medikamente oder dergleichen (zB Mundsprays) zu sich genommen hat." Voraussetzung für eine Atemalkoholmessung mit dem verwendeten Testgerät sei, dass der Proband u.a. mindestens für 15 Minuten keine Flüssigkeit zu sich nehme. Trotz ausdrücklicher Belehrung habe der Revisionswerber einen bis zwei Schluck Wasser getrunken. Er habe durch das Trinken von Wasser ein Verhalten gesetzt, das zu einer Verfälschung des Testergebnisses führen könne. In der Bedienungsanleitung sei ausdrücklich normiert, dass in der 15- minütigen Wartezeit u.a. keine Flüssigkeiten vom Probanden eingenommen werden dürften. Das gesetzte Verhalten stelle eine Verweigerung der Durchführung eines Alkoholtestes dar. Da kein Test durchgeführt worden sei, liege kein Ergebnis eines Alkomattests vor, das auf seine Richtigkeit hin von einem Sachverständigen überprüft werden könnte. Der Revisionswerber habe ein Verhalten gesetzt, das nach der zitierten Bedienungsanleitung des Alkomaten zu einer Verfälschung des Ergebnisses hätte führen können. Die beantragten Beweismittel seien nicht geeignet, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Der Revisionswerber habe den Tatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 Z 1 StVO verwirklicht. Nach weiteren rechtlichen Ausführungen begründete das Verwaltungsgericht die Höhe der verhängten Strafe.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob durch das Trinken von einem oder zwei Schluck Wasser überhaupt eine Verfälschung des Messergebnisses möglich sei und damit überhaupt den Tatbestand der Verweigerung der Untersuchung des Atemluftalkohols erfüllen könne. Diese Rechtsfrage sei vom Verwaltungsgericht unrichtig beantwortet worden, zumal der Hersteller, die Fa. "Dräger", selbst angebe, dass durch Wasser eine Verfälschung der Messergebnisse bei diesem Gerät unmöglich sei. Weiters sei die Revision zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen sei, abgewichen sei. Der Revisionswerber habe die Einholung eines Gutachtens und einer Stellungnahme des Geräteherstellers "Dräger" zum Beweis dafür, dass eine Verfälschung des Messergebnisses durch das Trinken von einem oder zwei Schluck Wasser unmöglich sei, beantragt. Diesen Beweisanträgen sei das Verwaltungsgericht nicht nachgekommen. 8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargelegt:

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt als Weigerung, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen, ein Verhalten des Untersuchten, das das Zustandekommen des vorgesehenen Tests verhindert. Ein solches ist auch darin zu erblicken, dass der Proband - trotz vorheriger Belehrung - ein Verhalten setzt, das zu einer Verfälschung des Messergebnisses führen kann. Der Betroffene hat die von den Organen der Straßenaufsicht erforderlichen Anordnungen, soweit dies nicht unzumutbar ist, zu befolgen. Wenn derartigen zumutbaren Anordnungen nicht unverzüglich Folge geleistet wird, bedeutet dies eine Verweigerung der im Gesetz normierten Pflicht, sich dem besagten Test zu unterziehen (vgl. VwGH 11.5.2016, Ra 2016/02/0077, mwN).

10 Für das Zustandekommen eines gültigen, nicht verfälschten Messergebnisses ist die Einhaltung der Betriebsanleitung des Messgerätes erforderlich. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Proband auf jeden Fall während des Zeitraums von 15 Minuten vor Beginn der ersten Messung vom Exekutivorgan beobachtet werden muss; maßgebend ist vielmehr, dass er während dieser Zeit die in der Zulassung durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und die in der Betriebsanleitung angeführten Handlungen, die zu einer Verfälschung des Messergebnisses geführt hätten, unterlässt (vgl. zur Bestimmung des § 5 Abs. 1 StVO, VwGH 29.5.2015, Ra 2015/02/0018, mwN).

11 Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, wonach der Revisionswerber entgegen der Anordnung des Organes der Straßenaufsicht während der 15-minütigen Wartezeit einen bis zwei Schluck Wasser getrunken hat, sowie die beweiswürdigenden Erwägungen hierzu werden in der vorliegenden Revision nicht bestritten. Ausgehend davon steht zunächst fest, dass der Revisionswerber mit seinem Verhalten der Anordnung des Organs der Straßenaufsicht nicht Folge geleistet hat.

12 Mit seinem Verhalten (Trinken von Wasser) setzte der Revisionswerber auch eine Handlung entgegen die Betriebsanleitung des vorgesehenen Atemalkoholmessgeräts, welche als Vorbedingung für die Atemalkoholmessung u.a. vorsieht, dass die Testperson in einer Zeitspanne von 15 Minuten vor der Messung keine Flüssigkeiten zu sich genommen hat.

13 Das Verwaltungsgericht führte im Einklang mit der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 25.11.2005, 2005/02/0254) aus, dass für die Beurteilung der Verweigerung maßgeblich ist, ob der Proband ein Verhalten setzt, das das Zustandekommen des vorgesehenen Testes verhindert. Dies wurde vom Verwaltungsgericht in zutreffender Weise - gestützt auf die Tatsache, dass der Revisionswerber ein der Betriebsanleitung und der Anordnung des Organs der Straßenaufsicht entgegenstehendes Verhalten gesetzt hat - bejaht.

14 Ob das Verhalten des Revisionswerbers tatsächlich das Messergebnis beeinflusst hätte oder hätte beeinflussen können, ist im vorliegenden Fall - mangels durchgeführter Messung - hingegen nicht relevant. Aus diesem Grund geht die in der Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob durch das Trinken von einem oder zwei Schluck Wasser überhaupt eine Verfälschung des Messergebnisses möglich sei, ins Leere, weil es auf die Beantwortung dieser Frage nicht ankommt. Im gegenständlichen Fall ist allein entscheidend, dass der Revisionswerber - trotz vorheriger Belehrung - mit seinem Verhalten unstrittig den Verwendungsbestimmungen der Betriebsanleitung des vorgesehenen Atemalkoholmessgerätes sowie der diesen Rechnung tragenden, zumutbaren Anordnungen des Organes der Straßenaufsicht zuwider gehandelt hat, wodurch das Zustandekommen des vorgesehenen Testes vereitelt wurde (vgl. zu einem vergleichbaren Fall VwGH 26. Juli 2019, Ra 2019/02/0113, mwN).

15 Das Verwaltungsgericht hat das Verhalten des Revisionswerbers somit zutreffend als Verweigerung der im Gesetz normierten Pflicht, sich dem Atemalkoholtest zu unterziehen, gewertet (vgl. idS erneut VwGH 26. Juli 2019, Ra 2019/02/0113, sowie zum Kauen eines Fruchtkaugummis während der Wartezeit VwGH 24.2.2012, 2011/02/0353, oder zum Rauchen einer Zigarette während der Wartezeit VwGH 11.5.2016, Ra 2016/02/0077, und VwGH 25.11.2005, 2005/02/0254).

16 Soweit zur Zulässigkeit der Revision weiter ausgeführt wird, es wäre ein Sachverständigengutachten bzw. die Einholung einer Stellungnahme des Geräteherstellers zum Beweis dafür, dass eine Verfälschung des Messergebnisses durch das Trinken von Wasser unmöglich sei, einzuholen gewesen, ist auf die hg. Rechtsprechung hinzuweisen, wonach es für die Beurteilung der Verweigerung des Atemalkoholtests iSd § 5 Abs. 2 StVO nicht der Beiziehung eines Sachverständigen zur Klärung der Frage, ob doch entgegen der Betriebsanleitung ein verwertbares Resultat beim Atemalkoholtest zu erzielen gewesen wäre, bedarf (vgl. VwGH 25.11.2005, 2005/02/0254; 24.2.2012, 2011/02/0353).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juli 2019

Schlagworte

Alkotest VerweigerungSachverständiger Entfall der Beiziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020124.L00

Im RIS seit

06.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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