TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/15 95/05/0043

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Veröffentlicht am 15.12.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §15 Abs1;
AWG 1990 §15 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VStG §22;
VStG §30;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Unterweger KG in Dölsach, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian Partnerschaft in 1060 Wien, Linke Wienzeile 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie vom 15. Dezember 1994, Zl. 06 3526/230-V/6/94-Str, betreffend Erlaubnis zum Sammeln gefährlicher Abfälle und Altöle, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 17. Juni 1993 ersuchte die Beschwerdeführerin um die Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung des Gewerbes Sonderabfallsammler und -beseitiger, Altölsammler und -verwerter, eingeschränkt auf das Abholen und Entgegennehmen von Sonderabfällen sowie das Abholen und Entgegennehmen von Altölen sowie weiters eingeschränkt auf 48 Sonderabfalltypen, die im Antrag einzeln nach Schlüsselnummern der ÖNORMen S 2100 und S 2101 angeführt sind. Über Aufforderung durch die Behörde ergänzte die Beschwerdeführerin ihr Ansuchen am 15. Dezember 1993 dahingehend, daß die Bestellung des H.U., geboren am 1. August 1960, zum Geschäftsführer genehmigt werde. Weiters wurde der Standort des beabsichtigten Zwischenlagers angegeben. Schließlich erfolgte eine Modifikation hinsichtlich einzelner Schlüsselnummern.

Mit Schreiben vom 11. April 1994 teilte die Bezirkshauptmannschaft Lienz der Abfallbehörde mit, daß in einer von der Beschwerdeführerin angemieteten Garage 30 Kühlschränke, 5 Stück 200 Liter Fässer, teilweise befüllt mit unbestimmtem Inhalt, zwischengelagert wurden. Diesbezüglich sei ein Strafverfahren eingeleitet und mit Verfahrensordnung gemäß § 360 Abs. 1 Gewerbeordnung die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, diese gefährlichen Abfälle unverzüglich einem befugten Sonderabfallsammler und -beseitiger, Altölsammler und -verwerter zu übergeben. Der von der Abfallbehörde erster Instanz beigezogene Amtssachverständige ihrer Abteilung Umweltschutz berichtete am 12. April 1994, daß die Beschwerdeführerin neben gemäß § 4 der Abfallnachweisverordnung ordnungsgemäß gemeldeten Abfällen auch andere Abfälle in nicht unerheblicher Menge einer Entsorgung zugeführt habe. Es seien nach den Erhebungen des Amtssachverständigen verschiedene Abfälle gesammelt worden, die aber entweder überhaupt nicht oder in einer anderen, meist geringeren Menge einem Entsorger weitergegeben worden seien. In einem weiteren Aktenvermerk vom 20. April 1994 stellte der Amtssachverständige unter Bezugnahme auf einzelne Urkunden fest, daß der Verdacht bestehe, daß eine Sammlertätigkeit ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 15 AWG ausgeübt werde und daß eine Verwaltungsübertretung nach § 39 Abs. 1 lit. a Z. 1 AWG begangen werde.

Mit Bescheid vom 7. Juni 1994 wies der Landeshauptmann von Tirol gemäß § 15 Abs. 1 und 3 AWG den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Erlaubnis zum Sammeln von im Bescheidspruch durch 51 Schlüsselnummern präzisierten gefährlichen Abfällen ab; gleichzeitig wurde gemäß § 15 Abs. 5 AWG der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis für die Bestellung des H.U. zum abfallrechtlichen Geschäftsführer abgewiesen. In ihrer Begründung verwies die Behörde darauf, daß die Beschwerdeführerin während des anhängigen Verfahrens verschiedene gefährliche Abfälle gesammelt hätte, obwohl sie hiefür über keine Erlaubnis verfügt habe. Sie habe auch gefährliche Abfälle ohne entsprechende behördliche Genehmigung zwischengelagert. Es seien Verwaltungsübertretungen gesetzt worden, für die der persönlich haftende Gesellschafter, der als Geschäftsführer namhaft gemacht worden sei, verantwortlich sei. Er verfüge in keiner Weise über die gemäß § 15 Abs. 1 AWG erforderliche Verläßlichkeit.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung der Beschwerdeführerin. Sie verwies darin auf ihre seit 1987 bestehende Erlaubnis zur Sammlung gefährlicher Abfälle. Sie hätte auch selbst ein Zwischenlager bauen wollen, dessen Errichtung am Widerspruch mehrerer Gemeinden scheiterte, sodaß eine von der Behörde vorgeschriebene Frist versäumt wurde. Während des anhängigen Verfahrens hätte die Beschwerdeführerin wenigstens als Transporteur für den Zwischenlagerer tätig sein sollen, um eine Liquidation der Firma zu vermeiden. Die vorgefundenen fünf Fässer seien leer gewesen, es hätte sich lediglich ein gewisser Bodensatz darin befunden. Die 30 Kühlschränke seien aufgrund einer Überkapazität zwischengelagert worden, wobei aber eine Abholung in den nächsten Tagen vereinbart gewesen sei.

Die Berufungsbehörde ließ sich von der Bezirkshauptmannschaft Lienz das Straferkenntnis vom 16. Juni 1993 übermitteln. Es handelt sich dabei um eine Niederschrift gemäß § 44 Abs. 3 lit. b VStG; der persönlich haftende Gesellschafter der Beschwerdeführerin, H.U., wurde wegen Übertretungen nach 1. § 9 Abs. 1 VStG in Verbindung mit

§ 39 Abs. 1 lit. a Z. 1 AWG, 2. § 9 Abs. 1 VStG in Verbindung mit

§ 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung, 3. § 9 Abs. 1 VStG in Verbindung

mit § 366 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung und 4. § 9 Abs. 1 VStG in Verbindung mit § 366 Abs. 1 Z. 3 zweiter Tatbestand Gewerbeordnung mit Geldstrafen von 1. S 50.000,--, 2. S 10.000,--, 3. S 10.000,-- und 4. S. 20.000,-- bestraft. Er erklärte in der Niederschrift nach erfolgter Rechtsmittelbelehrung, auf die Ausfolgung einer Bescheidausfertigung und die Einbringung einer Berufung zu verzichten. Die belangte Behörde hielt mit Schreiben vom 21. Oktober 1994 der Beschwerdeführerin u.a. vor, daß ein Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Lienz vom 1. Juli 1993 (gemeint: wohl 16. Juni 1993) wegen der Übertretung des § 39 Abs. 1 lit. a Z. 1 AWG und des § 366 Abs. 1 Z. 1 und 3, 2. Tatbestand, Gewerbeordnung 1983 vorliege, wobei eine Geld- und eine Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen wurde. Weiters wurde in dem Vorhalt auf Überprüfungen am 24. März 1993, 21. und 23. April 1993, 25. März 1994 und 14. Juni 1994 verwiesen, wonach jeweils bestimmte, im einzelnen angeführte Abfälle auf dem Betriebsgelände der Beschwerdeführerin bzw. einem von ihr angemieteten Gelände vorgefunden worden wären.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes Tirol vom 7. Juni 1994 keine Folge. Hinsichtlich einer Gruppe von 14 Typen gefährlicher Abfälle und Altöle, die mit den Schlüsselnummern bezeichnet wurden, sprach die belangte Behörde unter Hinweis auf den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 16. März 1987 mit Hinweis auf § 11 Sonderabfallgesetz in Verbindung mit der Übergangsbestimmung des § 45 Abs. 2 AWG aus, daß hier eine rechtskräftig entschiedene Sache vorliege. Insofern sei eine Verläßlichkeitsprüfung nicht möglich.

Hinsichtlich 13 weiterer, nach Schlüsselnummern präzisierter Abfalltypen wurde ausgesprochen, daß keine gefährlichen Abfälle im Sinne des AWG vorlägen, sodaß einem diesbezüglichen Berufungsantrag keine Folge zu geben war.

Hinsichtlich der restlichen 24 Abfalltypen wurde auf die Verläßlichkeitsprüfung eingegangen und ausgeführt, daß schon aus den vorliegenden Bestrafungen des H.U. wegen Übertretungen eines Gesetzes zum Schutz der Umwelt und unter Anwendung des § 15 Abs. 3 zweiter Satz AWG beim namhaft gemachten Geschäftsführer keine Verläßlichkeit gemäß § 15 Abs. 3 AWG gegeben sei. Außerdem sei bei mehreren Betriebsüberprüfungen festgestellt worden, daß die dort gelagerten Abfälle nicht sachgerecht im Sinne des AWG gelagert worden seien und zumindest für die Sammlung von Laugenabfällen und Abfällen aus Laugengemischen, Altautobatterien, Fetten, Speiseölen, Leuchtstoffröhren, Kühlschränken bzw. -geräten, Quecksilber, quecksilberhaltigen Rückständen, Werkstättenabfällen sowie Altmedikamenten keine aufrechte Erlaubnis zum Sammeln gefährlicher Abfälle vorliege. Eine Zwischenlagerung der Abfälle sei ohne Erlaubnis erfolgt und es werde von der Beschwerdeführerin keine Tätigkeit als Transporteur ausgeübt. Diese Vorkommnisse habe H.U. als alleinvertretungsbefugtes Organ der Beschwerdeführerin und als abfallrechtlicher Geschäftsführer gemäß dem § 11 Sonderabfallgesetz-Bescheid zu vertreten, weshalb er nicht als verläßlich im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG anzusehen sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht darauf verletzt, daß sie bzw. die gemäß § 15 Abs. 5 AWG als ihr Geschäftsführer tätige Person als verläßlich im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG angesehen und ihr die beantragte Sammlererlaubnis erteilt werde.

Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wer gefährliche Abfälle oder Altöle sammelt (abholt oder entgegennimmt) oder behandelt (verwertet, ablagert oder sonst behandelt), bedarf nach § 15 Abs. 1 AWG hiefür einer Erlaubnis des Landeshauptmannes. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Verläßlichkeit in bezug auf die auszuübende Tätigkeit nachgewiesen werden.

Nach § 15 Abs. 3 AWG ist verläßlich im Sinn dieses Bundesgesetzes eine Person, deren Qualifikation und bisherige Tätigkeit die Annahme rechtfertigen, daß sie die beantragte Tätigkeit sorgfältig und sachgerecht ausüben und die gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfüllen wird. Keinesfalls als verläßlich gilt eine Person, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, solange die Verurteilungen nicht getilgt sind, die mindestens dreimal wegen einer Übertretung von Bundes- oder Landesgesetzen zum Schutz der Umwelt, wie insbesondere dieses Bundesgesetzes, der Gewerbeordnung 1973 oder des Wasserrechtsgesetzes 1959 oder der durch dieses Bundesgesetz aufgehobenen Rechtsvorschriften (§ 42 Abs. 1) bestraft worden ist oder die gemäß der Gewerbeordnung 1973 von der Ausübung der betreffenden Tätigkeit ausgeschlossen ist.

Ein Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften begründet nicht nur dann einen Mangel der Verläßlichkeit, wenn der Betreffende mindestens dreimal wegen solcher Verwaltungsübertretungen bestraft wurde. Im Falle einer mindestens dreimaligen Bestrafung wegen der Begehung bestimmter Verwaltungsübertretungen ist die Verläßlichkeit keinesfalls mehr gegeben, ohne daß es noch einer Prognose darüber bedarf, ob die betreffende Person die Tätigkeit eines Abfallsammlers sorgfältig und sachgerecht ausüben und die gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfüllen wird (hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 95/07/0195).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/07/0075, ausgesprochen hat, enthält § 15 Abs. 3 AWG keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Tatbestand der dreimaligen Bestrafung wegen bestimmter Übertretungen nur dann erfüllt ist, wenn diese Bestrafungen in drei voneinander getrennten Strafverfügungen oder Straferkenntnissen ausgesprochen wurden. Dem § 15 Abs. 3 leg. cit ist nicht zu entnehmen, daß zwischen den einzelnen Bestrafungen - oder auch zwischen den einzelnen Tatzeitpunkten - ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Entscheidend für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 15 Abs. 3 zweiter Satz (2. Alternative) AWG ist das Vorliegen von drei Bestrafungen wegen der in § 15 Abs. 3 AWG genannten Verwaltungsübertretungen (hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/07/0102). Es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, wenn einer Person, die in getrennten Straferkenntnissen oder Strafverfügungen bestraft wurde, die Verläßlichkeit abgesprochen würde, während einer anderen Person, die wegen gleichartiger Verwaltungsübertretungen, die sie zu denselben Tatzeiten begangen hat, die Verläßlichkeit nur deswegen erhalten bliebe, weil die Behörde sich entschlossen hat, sämtliche Verwaltungsübertretungen in einem einzigen Straferkenntnis zu ahnden (siehe das schon genannte Erkenntnis vom 20. Juli 1995).

Das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom 16. Juni 1993 enthielt vier Bestrafungen und verweist zu jedem Strafausspruch auf einen Tatbestand eines der im § 15 Abs. 3 AWG genannten Gesetze. Dieses Straferkenntnis erwuchs in Rechtskraft. Damit liegt aber im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der zweite Tatbestand des § 15 Abs. 3 zweiter Satz AWG vor, weil es allein auf die Mehrheit von Bestrafungen, nicht aber auf die Anzahl allfälliger Strafbescheide ankommt. Die Person, die die Beschwerdeführerin als Geschäftsführer gemäß § 15 Abs. 5 AWG namhaft gemacht hat, ist somit keinesfalls als verläßlich anzusehen, weshalb es eines Eingehens auf die übrigen Vorwürfe nicht bedarf.

Die Beschwerde erwies sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995050043.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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