TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/23 VGW-251/082/8884/2019/VOR

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Veröffentlicht am 23.07.2019
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Entscheidungsdatum

23.07.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VVG §5 Abs1
VVG §5 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Trefil über die Beschwerde des A. B., vertreten durch Rechtsanwälte, vom 15.5.2019 gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Erhebungs- und Vollstreckungsdienst, vom 30.4.2019, Zl. …, mit dem gemäß § 5 VVG eine wegen Nichterfüllung einer Leistung (Abgabe des österreichischen Reisepasses) angedrohte Zwangsstrafe in der Höhe von 100 Euro verhängt wurde, aufgrund Vorstellung des Beschwerdeführers gemäß § 54 VwGVG vom 8.7.2019 gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 13.6.2019, …,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gemäß § 25a VwGG ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Ausgehend vom unstrittigen Akteninhalt ergibt sich folgender Sachverhalt (zur näheren Darstellung der gesamten Vorgeschichte wird auf das in diesem Beschwerdeverfahren ergangene Erkenntnis der zuständigen Rechtspflegerin des Verwaltungsgerichts Wien vom 13.6.2019 verwiesen):

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 62, vom 28.6.2016, Zl. …, bestätigt durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 1.9.2017, …, war dem Beschwerdeführer unter anderem sein österreichischer Reisepass mit der Nummer …, ausgestellt am 17.8.2006, entzogen und ihm gleichzeitig aufgetragen worden, dass entzogene Dokument binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei der Passbehörde vorzulegen bzw. für deren Vorlage Sorge zu tragen.

Die gegenständliche Zwangsstrafe wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.4.2019 gemäß § 5 VVG verhängt, nachdem der Magistrat der Stadt Wien, MA 6 - Erhebungs- und Vollstreckungsdienst (belangte Behörde), diese für den Fall des Nichtnachkommens der mit Bescheid vom 28.6.2016 auferlegten Verpflichtung (Abgabe des österreichischen Reisepasses) mit Schreiben vom 12.3.2019 angedroht hatte. Mit Verhängung der Zwangsstrafe in Höhe von 100 Euro wurde zugleich eine weitere Zwangsstrafe in Höhe von 350 Euro angedroht.

Unwidersprochen steht fest, dass das entzogene Reisedokument nicht bei der Passbehörde vorgelegt wurde. Der Beschwerdeführer legte im Zuge seiner am 8.7.2019 erhobenen Vorstellung die Verlustmeldung vom 3.7.2019 vor, wonach der Reisepass unter der Referenznummer … als verloren gemeldet wurde.

Die Verhängung der Zwangsstrafe ist eine Vollstreckungsverfügung. Auf das Vollstreckungsverfahren sind gemäß § 10 Abs. 1 VVG, soweit sich aus dem VVG nichts anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden. Derartige Zwangsstrafen sind keine Strafen im Sinne des VStG, das auf das diesbezügliche Verfahren daher nicht anzuwenden ist (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), § 5 VVG E 18 (Seite 1358)). Bei der Bemessung bzw. Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 VVG geht es nicht um die zwangsweise Einbringung einer Geldleistung, bei der der notwendige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen hat, nicht gefährdet werden darf. Dem Verpflichteten steht es jederzeit frei, durch Erbringung der unvertretbaren Handlung die Vollstreckungsmaßnahme hintanzuhalten (VwGH 21.10.2009, 2009/06/0130).

Nach § 5 Abs. 2 zweiter Satz VVG ist bei der Vollstreckung einer Verpflichtung zur Bewirkung einer unvertretbaren Handlung das angedrohte Zwangsmittel beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Eine Zwangsstrafe zur Bewirkung einer unvertretbaren Handlung dient dazu, den Verpflichteten zur Erfüllung dieser Verpflichtung zu bewegen, sie stellt aber keine Strafe für in der Vergangenheit gelegenen Ungehorsam des Verpflichteten dar. Wurde die unvertretbare Handlung bereits (wenn auch mit Verzug) bewirkt, besteht kein Grund mehr für die Verhängung von Zwangsstrafen (VwGH 26.2.2002, 2001/11/0281).

Die Unmöglichkeit der Erfüllung einer unvertretbaren Leistung - um eine solche handelt es sich bei der Ablieferung eines Reisepasses (VwGH 17.12.1984, 84/11/0129) - hat die Unzulässigkeit der Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 VVG zur Folge (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014), Rz. 1323, insbesondere Z 2). Da die dem Beschwerdeführer aufgetragene Erfüllung einer unvertretbaren Leistung aufgrund des (nunmehr belegten) Verlusts seines Reisepasses nicht mehr in Betracht kommt, ist die Erbringung dieser Leistung und damit die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 5 VVG unzulässig.

Der angefochtene Bescheid mit der Verhängung einer Zwangsstrafe ist daher aufzuheben. Von einer (beschwerdeführerseitig nur zweitrangig beantragten) Verhandlung konnte im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden, weil die Akten nunmehr erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Vollstreckung einer Zwangsstrafe (insbesondere bei Unmöglichkeit der aufgetragenen Leistung) zu beurteilen war.

Schlagworte

unvertretbare Leistung; Zwangsstrafe; Vollstreckungsverfügung; Unmöglichkeit der Erfüllung; Verlust des Reisepasses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.251.082.8884.2019.VOR

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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