TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/24 LVwG-2018/25/1127-11

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Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Index

L78107 Starkstromwege Tirol
83 Natur- und Umweltschutz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StarkstromwegeG Tir 1969 §7
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
AVG §38

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, BB, CC, DD, EE, FF, GG, JJ, KK, LL, MM, NN, OO, PP, QQ, RR, SS, TT, UU, VV, WW, XX, YY, alle vertreten durch Rechtsanwalt ZZ, Adresse 1, Z, vom 07.05.2018, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 03.04.2018, Zl *****, betreffend Erteilung einer starkstromwegerechtlichen Bewilligung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 03.04.2018, *****, hat die Tiroler Landesregierung (belangte Behörde) gemäß § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Tiroler Starkstromwegegesetz 1969 der AB GmbH (AB) die starkstromwegerechtliche Bau- und Betriebsbewilligung für den 2. Abschnitt (Mast-Nr *** bis Mast-Nr *** und Mast-Nr *** bis zum UW W) der 110kV-Leitung UW Y – UW X unter Auflagen erteilt.

Die Einwendungen der betroffenen Grundeigentümer wurden abgewiesen (soweit diesen nicht durch Projektänderungen entsprochen wurde). Die Forderung einer Erdverkabelung wurde als unzulässig abgewiesen (richtig wohl: zurückgewiesen).

Begründend führte die Tiroler Landesregierung zusammengefasst aus:

Grundeigentümer hätten nach § 7 Abs. 2 Tiroler Starkstromwegegesetz 1969 nur die Möglichkeit, geringfügige Änderungen zu verlangen, wie z.B. die Erhöhung oder die Verschiebung eines Mastes, wenn dadurch das Vorhaben nicht wesentlich erschwert wird. Änderungen und Verschiebungen von Masten und des Leitungsverlaufes dürften auch nicht in einem Ausmaß erfolgen, dass der mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10.12.2014 im Vorprüfungsverfahren nach § 4 Tiroler Starkstromwegegesetz 1969 festgelegte Trassenkorridor nicht mehr eingehalten werden könnte.

–      Bei der Prüfung des öffentlichen Versorgungsinteresses ist auf rein private Interessen, wie beispielsweise eine Grundwertminderung samt befürchteter negativer Baulandentwicklung, nicht Bedacht zu nehmen.

–      Zur Forderung der Verkabelung der Stichleitung zum UW W hält die Tiroler Landesregierung fest: Nach der Rechtsprechung des VwGH komme den betroffenen Grundeigentümern kein Recht zu, unter dem Gesichtspunkt von Interessen des Naturschutzes eine Verkabelung zu verlangen, wenn die eingereichte Freileitung die öffentlichen Interessen erfüllt. Die Freileitung entspreche dem Stand der Technik und den öffentlichen Interessen.

–      Wurde eine Freileitung zur starkstromwegerechtlichen Bewilligung eingereicht, dann dürfe weder eine andere Trassenführung noch die Ausführung als Erdkabel vorgeschrieben werden. Demzufolge bestehe kein Anspruch betroffener Grundeigentümer auf eine Verkabelung der gegenständlichen Freileitung.

–      Von den betroffenen Grundeigentümern sei darüber hinaus keine Gesundheitsgefährdung geltend gemacht worden. Dennoch hält die belangte Behörde fest, dass die derzeit wissenschaftlich gesicherten Grenzwertempfehlungen für Beeinflussungen durch elektromagnetische Felder sichergestellt seien. Die Größe der an den Einwirkungsorten (bewohnte Objekte) zu erwartenden elektrischen Feldstärke durch die 110 kV-Leitung sei aufgrund des räumlichen Abstandes der projektierten LeitungRe zu den nächstliegenden Objekten vernachlässigbar. Die Feldstärke liege deutlich unterhalb der im normalen Haushalt auftretenden Feldstärken durch übliche Elektroinstallationen und Haushaltsgeräte. Eine Gesundheitsgefährdung sei daher für die im 2. Abschnitt in Leitungsnähe befindlichen Objekte im Hinblick auf die wissenschaftlich gesicherten Referenzwerte aus fachlicher Sicht auszuschließen. Bei Ausführung und Betrieb der Leitungsanlage nach dem Stand der Technik könne somit jegliche Gesundheitsbeeinträchtigung ausgeschlossen werden.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde der in der Einleitung genannten Grundeigentümer. Diese bringen durch ihren Rechtsvertreter zusammengefasst zunächst vor, dass die belangte Behörde unzuständig gewesen sei, weil eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen gewesen wäre. Der UVP-Feststellungsbescheid entfalte ihnen gegenüber keine Bindungswirkung.

Der negative UVP-Feststellungsbescheid vom 09.11.2016 sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden. § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 verlange eine dreifache Kundmachung des UVP-Feststellungsbescheides (Kundmachung in geeigneter Form, Auflage zur öffentlichen Einsichtnahme und Veröffentlichung des Bescheides auf der Internetseite der UVP-Behörde). Im vorliegenden Fall habe bloß die öffentliche Auflage sowie die Veröffentlichung im Internet, nicht aber die Kundmachung in geeigneter Form stattgefunden. Der UVP-Feststellungsbescheid entfalte daher keine Rechtswirkungen.

Darüber meinen die Beschwerdeführer, dass das Beschwerderecht des § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot und Äquivalenzgrundsatz widerspreche. Von Nachbarn würde das tägliche Abrufen der für die Veröffentlichung vorgesehenen Internetseite erwartet, um die volle Beschwerdefrist zu wahren. Dies sei unzumutbar.

Akteneinsicht stehe Nachbarn erst mit Veröffentlichung des Feststellungsbescheides im Internet zu. Die Nachbarn könnten sich sohin erst während der laufenden Beschwerdefrist vom geplanten Vorhaben sowie vom durchgeführten Ermittlungsverfahren umfassend Kenntnis verschaffen. Dies verstoße gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art 47 GRC sowie gegen das Effektivitätsgebot.

Die fehlende Beteiligung von Nachbarn im verwaltungsbehördlichen UVP-Feststellungsverfahren verstoße gegen den unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz und den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz.

Die behauptete Unionsrechtswidrigkeit führe dazu, dass der negative UVP-Feststellungsbescheid keine Bindungswirkung für das gegenständliche materienrechtliche Bewilligungsverfahren entfalte. Die UVP-Pflicht des gegenständlichen Vorhabens könne daher im materienrechtlichen Verfahren nach dem Tiroler Starkstromwegegesetz 1969 ungeachtet des rechtskräftigen negativen UVP-Feststellungsbescheides neuerlich geltend gemacht werden. Die Zulässigkeit dieses Vorbringens ergebe sich aus dem EuGH-Urteil vom 16.04.2015, C-570/13 Gruber sowie aus der VwGH-Entscheidung vom 20.12.2017, Ro 2016/04/0009.

Die UVP-Pflicht selbst ergebe sich aus folgenden Tatbeständen des Anhang 1 des UVP-G 2000:

–      Z 16 Spalte 3 lit b: Starkstromfreileitungen in schutzwürdigen Gebieten der Kategorien A und B mit einer Nennspannung von mindestens 110 kV und einer Länge von 20 km.

–      Z 46 Spalte 2 lit a: Rodungen auf einer Fläche von mindestens 20 ha.

–      Z 46 Spalte 2 lit b: Erweiterungen von Rodungen, wenn das Gesamtausmaß der in den letzten zehn Jahren genehmigten Flächen und der beantragten Erweiterung mindestens 20 ha und die zusätzliche Flächeninanspruchnahme mindestens 5 ha beträgt.

–      Art 12 des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Energie, BGBl Nr. III 237/2002 idF BGBl Nr. 110/2005.

Der angefochtene Bescheid treffe nach Ansicht der Beschwerdeführer nicht die erforderlichen Feststellungen, um das Vorliegen dieser Tatbestände beurteilen zu können. Diese seien von Amts wegen durch das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Zu untersuchen sei auch, ob hinsichtlich des ersten und den dritten Teilabschnitts der Hochspannungsleitung eine Kumulierung im Sinne des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 vorliege.

Die Beschwerdeführer stellten ergänzend den Antrag auf Verfahrensaussetzung bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache EuGH C-329/17 Prenninger ua (Berücksichtigung von Trassenaufhieben).

Weiters führen die Beschwerdeführer aus, es liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor, weil die Erstbehörde dem Antrag auf Übermittlung der ergänzenden elektrotechnischen Stellungnahme nicht nachgekommen sei. Es werde ein neuerlicher Antrag auf Übermittlung gestellt.

Auch hätten die Beschwerdeführer mit einer Kurzstudie von AC einen Alternativvorschlag hinsichtlich einer Erdkabelvariante für ein 4 km langes Teilstück unterbreitet. Die Behörde hätte daher prüfen müssen, ob diese Variante den öffentlichen Interessen gleich oder mehr entspricht und Beschwerdeführer geringer belastet. Das Argument des Amtssachverständigen, dass der Alternativvorschlag nicht hinreichend ausgearbeitet sei, wäre unzulässig, da die Mitwirkungspflicht der Parteien nicht so weit gehe, eine detaillierte Projektbeschreibung darzutun. Das Erdkabel entspreche dem öffentlichen Interesse besser und führe zu einer Verringerung der Substanzbeeinträchtigung, weshalb gegenständlicher Projektantrag als unbegründet abzuweisen sei.

Die Erdkabelvariante sei auch aufgrund des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Energie zu berücksichtigen. Die Behörde hätte untersuchen müssen, ob Erdkabel die Belastung von Bevölkerung und Umwelt geringer halten als beantragtes Projekt. Dafür hätte die Behörde die Alternativvariante umfassend prüfen müssen.

Die Behörde habe zu prüfen, ob das eingereichte Projekt dem Stand der Technik entspricht. Dies treffe auf das Freileitungsprojekt im Gegensatz zum Erdkabel nicht zu. AC habe in seiner Kurzstudie dargelegt, dass die Zuverlässigkeit einer Erdkabelvariante gegenüber einer Freileitungsvariante nur dann erheblich geringer sei, wenn keine Zusatzmaßnahmen an der Kabelanlage vorgenommen würden. Durch Mitführen eines Reservekabels oder Reservesystems mit Umschaltmöglichkeit an den Endpunkten sei die Nichtverfügbarkeit der Kabelverbindung genauso gering wie bei der Freileitung, je nach Ausführung noch weitaus geringer. So könne die Versorgungssicherheit gegenüber der Freileitung geringfügig erhöht werden. Der Amtssachverständige gestehe dies bei Errichtung eines Reservesystems in Stahlrohren selbst ein. Eine Erdkabelvariante entspreche laut AC dem öffentlichen Interesse besser. Die Stellungnahme des Amtssachverständigen erfülle nicht die verfahrensrechtlichen Anforderungen an Befund und Gutachten.

Laut AC bewirke die Teilverkabelung auf 4 km eine Kostenanhebung um 4 bis 10 %. Der Amtssachverständige habe es unterlassen, die Behauptung, es handle sich um einen nicht bloß geringen Mehraufwand, durch Berechnungen zur untermauern. Den Beschwerdeführern obliege es nur, einen Alternativvorschlag aufzuzeigen.

Bei Erdkabeln seien geringere Leistungsverluste als bei einer Freileitung zu erwarten. Dafür entstehe ein höherer Aluminiumeinsatz. Der Amtssachverständige unterlasse darzulegen, welchen Anteil der Materialpreis des einzusetzenden Aluminiums im Verhältnis zu den Gesamtkosten bildet. Nur so könne die Kostenschätzung des Privatsachverständigen widerlegt werden. Die belangte Behörde hätte den Amtssachverständigen oder den Projektwerbern eine Detailplanung der vorgeschlagenen Erdkabelvariante aufzutragen gehabt, um einen Kostenvergleich anstellen zu können.

Der elektrotechnische Amtssachverständige besitze keine Kompetenz, über Fragen des Landschaftsbildes zu urteilen. Er unterlasse es, die Beeinträchtigung dem Entfall der talquerenden Freileitung gegenüberzustellen. Das Gutachten sei unvollständig. Es entstehe der Eindruck, der Amtssachverständige würde die Interessen des Projektwerbers vertreten. An seiner Objektivität bestünden Zweifel. Die belangte Behörde habe es unterlassen, einen fachlich kompetenten Amtssachverständigen für Landschaftsschutz, Naturschutz, Raumplanung mit einer Gegenüberstellung beider Varianten zu beauftragen. Auch über die Frage einer Beeinträchtigung des Erholungswertes des Gebietes V-See besitze der elektrotechnische Amtssachverständige keine Fachkompetenz. Nicht berücksichtigt seien die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes des Freileitungsprojektes auf den Tourismus. Die Erdkabelvariante könne zu Umsatzsteigerungen im Tourismus führen.

Wenn der elektrotechnische Amtssachverständige die dauernde Rodefläche einer Freileitungsvariante mit ca 1.360 m² und jene einer Erdverkabelung mit ca 8.000 bis 9.000 m² beziffere, überschreite er die Grenzen seines Fachgebietes. Ein forstfachliches Gutachten sei von der belangten Behörde nicht eingeholt worden. Der elektrotechnische Amtssachverständige habe den Trassenaufhieb nicht berechnet. Die Breite des Trassenaufhiebes betrage durch das Auspendeln der Leitung bis zu 60 m. Da die Kabeltrasse überwiegend über landwirtschaftlich genütztes Gebiet verlaufen würde, wäre nach Abschluss der Bauarbeiten diese Nutzung weiter möglich. Die Kabeltrasse könne auch entlang öffentlicher Straßen und Wege geführt werden. Zur Vermeidung der Unterfahrung des U-Flusses könnte das Kabel entlang der bestehenden U-Brücke T-W geführt werden.

Das Gutachten des Amtssachverständigen sei unvollständig und unschlüssig, weshalb der Antrag auf Heranziehung eines anderen Sachverständigen gestellt werde.

Die Behörde habe den Antrag zur Gänze abzuweisen, wenn das beantragte Projekt nicht dem öffentlichen Interesse gemäß § 7 Tiroler Starkstromwegegesetzes 1969 entspricht. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn es nicht dem Stand der Technik entspreche.

Das Landesverwaltungsgericht habe den von den Beschwerdeführern präsentierten Alternativvorschlag nach ergänzenden Ermittlungen auf seine Machbarkeit zu prüfen, ob er dem öffentlichen Interesse gleichkommt oder besser entspricht oder eine geringere Substanzbeeinträchtigung des Eigentums der Beschwerdeführer bewirkt.

Dass die projektierte FreileitungRe kostengünstiger zu realisieren ist, sei rechtlich nicht entscheidend. In umweltrelevanten Bereichen sei der Vermeidung von übermäßigen Beeinträchtigungen des öffentlichen Interesses der Vorzug gegenüber der bloßen Kostenersparnis zu geben.

Es ergehen deshalb folgende Anträge an das Landesverwaltungsgericht:

–      Nach Verfahrensergänzung Durchführung der Beurteilung, ob das Projekt zu einer geringeren, gleichen oder höheren Belastung von Bevölkerung und Umwelt führt als die Erdkabelvariante.

–      Unter Anhörung der in § 7 Tiroler Starkstromwegegesetz 1969 genannten Stellen das öffentliche Interesse an der Freileitung jenem an einer Erdleitung gegenüber zu stellen.

–      Den maßgeblichen Sachverhalt zur Frage zu ermitteln, ob das beantragte Projekt dem Stand der Technik entspricht.

–      Der Antragstellerin die Detailplanung und Kostenschätzung für die von den Beschwerdeführern vorgeschlagene Erdkabeltrasse aufzutragen sowie mehrere alternative Kabeltrassenvarianten.

Hinsichtlich der Einwendung von OO solle das Landesverwaltungsgericht der Antragstellerin mittels Auflage vorschreiben, dass ein allenfalls zu errichtender Weg zu Mast Nr *** so situiert wird, dass die Grundstücke **1 und **2 miterschlossen werden.

Zur Einwendung des NN werde die Zusicherung der Antragstellerin verlangt, vor Fundierungsarbeiten eine genaue Lagefeststellung der bestehenden Trinkwasserleitung vorzunehmen und bei Bedarf den Mast nach Osten abzurücken, was als Auflage seitens des Landesverwaltungsgerichtes vorgeschrieben werden sollte. Weiters sollte das Landesverwaltungsgericht ein Ermittlungsverfahren führen, ob durch das beantragte Projekt die Wasserquellen auf Grundstücken **3, **4 und **5 in irgendeiner Form gefährdet werden. Bejahendenfalls bedürfe es einer Auflage zur Änderung von Maststandort bzw zur Vorgehensweise bei der Masterrichtung.

Zur Einwendung von PP ergehe der Antrag auf Änderung der Leitungsanlage nach Norden (M*** bis M***), da diese Alternative technisch problemlos möglich wäre. Diese Variante greife geringer in die Substanz seines Eigentums ein. Zu Lasten der dadurch anderen betroffenen Grundeigentümer könnten Zwangsrechte eingeräumt werden.

Zur Einwendung des RR werde beantragt, dass die Einigung in der mündlichen Verhandlung mit der AD, dass diese für die bestehende Quellfassung mit Quellstube bei Mast M*** ein Beobachtungsprogramm zusammenstellt und beauftragt und solle aus Gründen der Rechtssicherheit dies als Auflage vorgeschrieben werden.

Hinsichtlich TT solle der Mast M*** an der nordwestlichen Grundgrenze des Gst **6 positioniert werden. Dadurch werde das Projekt nicht wesentlich erschwert oder eingeschränkt, öffentliche Interessen würden nicht berührt. Es gehe damit eine geänderte Betroffenheit anderer Grundstückeigentümer einher. Das Behördenargument, das für die Verschiebung keine Notwendigkeit gesehen werden, sei irrelevant. Es sei unklar, was damit gemeint ist, dass eine Verschiebung leitungsbautechnisch nicht zweckmäßig wäre.

Es werde somit ersatzlose Bescheidbehebung beantragt, in eventu Abweisung des Antrages, in eventu Bescheidaufhebung und Zurückverweisen zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde, in eventu Bescheidabänderung dahingehend, dass der Projektwerberin die aufgezeigten Auflagen vorgeschrieben werden.

Dagegen erstattete die Rechtsvertretung der Antragstellerin die Beschwerdebeantwortung vom 04.07.2018, in welcher den Beschwerdeargumenten entgegen getreten und Beschwerdeabweisung beantragt wurde.

Zu diesem Schriftsatz erstatteten die Beschwerdeführer ihre Gegenäußerung vom 11.09.2018, in welcher die Ausführungen der Antragstellerin bestritten und sämtliche Beschwerdeanträge aufrechterhalten werden.

Vom Landesverwaltungsgericht wurde daraufhin der elektrotechnische Amtssachverständige zur Erstellung eines Ergänzungsgutachtens unter konkreter Stellung von vier Fragen beauftragt.

Das Sachverständige erstattete daraufhin sein Gutachten vom 02.04.2019, welches folgendermaßen lautet:

„Von do. erging der Auftrag zur Erstattung eines Gutachtens im gegenständlichen Beschwerdeverfahren gemäß § 7 Abs. 1 und 2 Tiroler Starkstromwegegesetz zum 2. Abschnitt der 110 kV Leitung UW Y – UW X der AD AG, Z, vertreten durch die AB GmbH (im Folgenden AB).

Bezugnehmend auf das Beschwerdevorbringen der von Rechtsanwalt ZZ vertretenen 23 Beschwerdeführer wurden 4 konkrete Fragestellungen mit der Bitte um Aufnahme eines Beweises durch einen elektrotechnischen Sachverständigen zur Beantwortung übermittelt.

Diesem Auftrag entsprechend wird nachfolgende Stellungnahme erstattet:

I. Eingangsfeststellungen:

1. Allgemeines: Für die 110 kV-Leitungsverbindung zwischen dem Umspannwerk Y und dem Umspannwerk X besteht nach ca. 80-jähriger Nutzungsdauer ein Sanierungsbedarf und die Notwendigkeit der Anpassung an die heutigen und künftigen Anforderungen für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb in der Region W-X-Y. Es ist daher der Ersatzneubau dieses Leitungsabschnittes erforderlich. Die Leitungsführung erfolgt auf großteils geänderter Trasse und in an den aktuellen Stand der Technik angepasster und heutigen Anforderungen entsprechender Ausführung. Es kommen also keine neuen Leitungen hinzu. Die Bestandsleitung wird nach Errichtung der neuen Verbindung abgetragen. Dies gilt sowohl für die Hauptleitung zwischen den beiden erwähnten Umspannwerken als auch für den Leitungsabzweig zur Versorgung des auf der Strecke liegenden Umspannwerkes UW W.

2. Verfahrensstand:

Für den Ersatzneubau der gegenständlichen Leitung wurde ein starkstromwegerechtliches Vorprüfungsverfahren abgeführt und mit Bescheid der Landesregierung vom 10.12.2014, Zl. *****, positiv abgeschlossen.

Mit UVP-Feststellungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 9.11.2016, Zl. *****, wurde festgestellt, dass für das Vorhaben „Ersatzbau 110 kV-Leitung UW Y – UW X“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

Mit Rücksicht auf leitungsbautechnische und versorgungstechnische Hintergründe wurde der gesamte Leitungszug in 3 Teilabschnitte unterteilt und soll in diesen 3 Teilabschnitten der starkstromwegerechtlichen Bau- und Betriebsbewilligung unterzogen werden.

Für den ersten, östlichen Abschnitt der Neubaustrecke (Mast Nr. *** bis zum Portal des UW

X) wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22.5.2017, Zl. *****, die starkstromwegerechtliche Bewilligung erteilt. Für diesen Leitungsabschnitt liegt die luftfahrtechnische Ausnahmebewilligung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21.9.2017, Zl. *****, vor.

Die Ausführung des ersten Teilabschnittes wurde zum überwiegenden Teil bereits fertiggestellt.

Für den zweiten Leitungsabschnitt von Mast Nr. M*** bis Mast Nr. M***, wo der Anschluss an den schon genehmigten und bereits großteils ausgeführten Abschnitt 1 erfolgt, sowie für die Stichleitung zum UW W, die von den beiden Abzweigmasten mit den Nr. M*** und M*** ausgeht und beim Leitungsabspannportal beim UW W endet, wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3.4.2018, Zl. *****, die starkstromwegerechtliche Bewilligung erteilt.

Gegen diesen Bescheid wurde die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht.

Für den verbleibenden dritten Abschnitt vom Leitungsportal im Umspannwerk UW Y bis zum Mast Nr. M*** (Abschnitt 3) steht die Einreichung zur starkstromwegerechtlichen Bewilligung noch aus.

3. Kurzbeschreibung und Hauptkenndaten des Vorhabens:

Der Ersatzneubau der 110 kV-Doppelleitung vom UW Y zum UW X erstreckt sich über eine Gesamtlänge von 25,7 km, wobei die Hauptleitung eine Länge von 21,7 km aufweist und die Länge der Stichleitung zum UW W 4,2 km beträgt.

Der Abschnitt 2 bezieht sich auf eine Länge von 6,6 km Hauptleitung und auf die 4,2 km lange Stichleitung zum UW W, umfasst daher in Summe 10,8 km Leitungsneubaustrecke.

In schutztechnischer Hinsicht ist der Leitungszug Teil der Netzform „gelöschtes Netz“.

Die Leitung weist eine Nennspannung von 110 kV auf (max. Betriebsspannung 123 kV) und wird in der Nennisolationsreihe 110 N nach ÖNORM EN50341 ausgeführt. An den Gestängen werden zwei Drehstromsysteme mit 50Hz Betriebsfrequenz geführt.

Als Tragwerke kommen geschraubte, feuerverzinkte und beschichtete Stahlgittermasten (Farbe Braun-Grün RAL6008) der Mastbilder „AE“(lediglich bei Unterkreuzung der 220 kV Leitung), „AF“ und „AJ“ zur Ausführung. Die Fundamentierung erfolgt über Betonfundamente bzw. über Sondergründungen mit Pfählen, je nach statischem Erfordernis. Als Leiterseile werden Aluminium/Stahl bzw. Aluminium/Stahlumseile mit einem Querschnittsverhältnis von 550/70 mm² nach aktuellem Stand der Technik mit einer Regel-Ausgangszugspannung von 6,5daN/mm aufgelegt. An der Mastspitze wird ein Erdseil mit integriertem Lichtquellenleiter geführt. Als Isolatoren kommen Doppelketten mit je 2GFK Isolatoren oder alternativ Langstabisolatoren zur Ausführung. Als Armaturen zur Abspannung der Leiterseile gelangen Keilabspannklemmen oder alternativ Pressabspannklemmen zum Einsatz.

Die Abspannung des Erdseiles erfolgt über Abspannspiralen.

Das überwiegend im Abschnitt 2 ausgeführte Mastbild entspricht dem Mastbild „AJ“.

Aus Gründen der Aufrechterhaltung der Stromversorgung sind sowohl für die Hauptleitung als auch für die Stichleitung zum UW W Provisorien notwendig.

Im Detail wird auf die vorliegenden Einreichunterlagen und die Befundung im starkstromwegerechtlichen Bewilligungsverfahren ergänzend verwiesen.

Ausdrücklich festzuhalten ist zudem, dass im Zuge der starkstromwegerechtlichen Bewilligungsverhandlung eine ganze Reihe von kleinräumigen Änderungswünschen betroffener Grundbesitzer bereits behandelt wurde. Diesbezüglich wird auf die im starkstromwegerechtlichen Bewilligungsbescheid enthaltene elektrotechnische und leitungsbautechnische Stellungnahme des Gefertigten verwiesen (vergleiche Bescheid Seite 45 bis 50 sowie Seiten 53 und 54).

Ebenso verwiesen wird auf die diese Änderungen schon berücksichtigende Nachreichung aktualisierter Tekturpläne (Planungsstand 31.10.2017, 07. und 08.11.2017, 25. und 31.01.2018; vergleiche Aktenstand Erstbehörde), die dem Genehmigungsbescheid bereits zu Grunde lagen.

Beantwortung der Fragestellungen gemäß Beweisthemenvorgabe

Aus Sicht des elektrotechnischen und leitungsbautechnischen Amtssachverständigen wurde bereits im starkstromwegerechtlichen Bewilligungsverfahren auf praktisch alle in Beschwerdeschriftsatz wiederum angeführten, facheinschlägig relevanten Fragestellungen eingegangen und eine ausführliche Stellungnahme zu den damals schon vorliegenden Einwänden abgegeben. Auf diese im beeinspruchten Bescheid auf den Seiten 38 bis 62 vollinhaltlich wiedergegebene Stellungnahme wird daher eingangs verwiesen. Dort wurde auch die Forderung nach Verkabelung der Stichleitung zum UW W fachlich soweit geboten behandelt. Ob insbesondere dieser Einspruchs- und nun Beschwerdeinhalt unter Hinweis auf die Parteienrechte im Sinne des Tiroler Starkstromwegegesetzes statthaft ist, ist eine Rechtsfrage, die vom entscheidenden Gericht zu bewerten ist.

Zum Beweisthema 1)

„Ergänzende Feststellungen zur Fragestellung des Standes der Technik im Vergleich zwischen

Freileitung und Erdleitung für die Spannungsebene 110 kV unter Berücksichtigung der Netzform.“

Hinsichtlich der Ausführung von Freileitungen und Kabeln für die Netzebene 110 kV sind eine Reihe von Parametern wesentlich und zu berücksichtigen.

Dies betrifft insbesondere die Netzstruktur und die Behandlung des Sternpunktes im 110 kV Übertragungsnetzsystem. Weitere wichtige zu berücksichtigende Parameter sind Überlegungen zur Störungsbehebung im Fehlerfall, zur Wartung und Instandhaltung, zur Fehlerortung, die technischen und physikalischen Randbedingungen und vor allem auch die Betriebseigenschaften in Zusammenhang mit Zuverlässigkeitsanforderungen, Verfügbarkeit und Betriebssicherheit.

Das 110 kV-Netz der AB wird mit Erdschlusskompensation betrieben.

Dieser gelöschte Betrieb ermöglicht eine optimale Versorgungsqualität, weil die häufigsten auftretenden Fehler, das sind einpolige Erdschlussfehler, beim nächsten Nulldurchgang der Spannung in der Regel von selbst verlöschen und damit keinen Einfluss auf die Netzkunden haben. Selbst im Falle eines weiter anstehenden Erdschlusses bei Versagen der „Selbstheilung“ (z.B. wegen Baumberührung) liegt nur eine gegenüber von Erdkurzschlüssen stark reduzierte Gefährdung vor und die Leitung kann bis zur Fehlereingrenzung weiter betrieben werden. Wegen eines solchen einpoligen Erdschlusses muss die Leitung nicht abgeschaltet und außer Betrieb genommen werden, sondern sie kann ihre Versorgungsaufgabe weiter erfüllen.

Dies wird dadurch erreicht, dass der Erdschlussreststrom durch eine zwischen Sternpunkt und Erde zwischengeschaltete Petersenspule begrenzt wird und dadurch auch die unmittelbare Gefährdung im Nahbereich der Fehlerstelle. Durch die Kompensation erfolgt eine gravierende Reduktion des Erdschlussreststromes und damit eine deutlich verminderte Potentialanhebung am Fehlerort (Problematik Berührungs- und Schrittspannungen).

Freileitungen haben aufgrund ihrer geringen Kapazität gegenüber Erde nur einen kleinen Beitrag zum Erdschlussstrom, und es ist möglich, auch ausgedehnte Netzstrukturen erdschlusskompensiert zu betreiben. Die begrenzende Größe ist der zulässige Erdschlussreststrom, der nicht zu hoch sein darf, damit die Lichtbogenlöschung im Fehlerfall sichergestellt werden kann und das gelöschte Netz selbst bei einpoligem Fehler für kurze Zeit weiter betrieben werden kann.

Kabel hingegen leisten wegen ihrer großen Kapazität gegen Erde einen wesentlich größeren Beitrag zum Erdschlussreststrom als Freileitungen. Von 110 kV Kabeln wird aufgrund ihrer Konstruktion ein ca. 30 mal so hoher Erdschlussreststrom wie bei einer 110 kV Freileitung gleicher Länge bewirkt. Dies bedeutet aber umgekehrt, dass in gemischten Netzen (Freileitungsnetz über Land, Kabelstrecken z.B. innerhalb von Umspannanlagen, im stark verbauten städtischen Bereich und in speziell indizierten Sonderfällen) durch diese zwingend notwendigen Systemkabel bereits ein großer Einfluss auf die Erdschlusskompensation ausgeübt und die sogenannte „Kabelreserve“ großteils in Anspruch genommen wird. Wenn die Kabellänge im Netz eine bestimmte Länge überschreitet, kann der Fehlerstrom nicht mehr ausreichend kompensiert werden und die gelöschte Betriebsweise des Netzes ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr zulässig. Im bestehenden und gelöscht betriebenen 110 kV-Netz der AB muss die „Kabelreserve“ den schon genannten Anwendungsfällen von Anlagenkabeln und Kabeln im innerstädtischen Bereich vorbehalten bleiben.

Ansonsten wäre es erforderlich, dass man die Betriebsweise von Erdschlusskompensation auf „starre, niederohmige Sternpunktserdung“ umstellt oder dass man das gelöschte Netz in Teilnetze aufteilen muss. Beide Möglichkeiten sind mit einem hohen Aufwand und Kosten von Maßnahmen bei der Umstellung verbunden. Eine Umstellung der Betriebsweise auf starre Erdung ist systembedingt mit einer sinkenden Versorgungsqualität verbunden, weil hier auftretende einpolige Erdschlussfehler (hier fließt der volle Erdkurzschlussstrom) zwangsweise aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden müssen (erforderlich Schnellabschaltung <125 ms). Diese Leitungsabschaltung führt zumindest zu Spannungseinbrüchen bei den Endkunden und damit zu einer deutlichen Verschlechterung der Versorgungsqualität und Spannsenkung bis hin zum Spannungsausfall mit allen dadurch bewirkten Nachteilen für die Verbraucheranlagen (Stromausfälle und Störungen von elektrischen Verbrauchern, Licht- und Kraftstrom, IT-Einrichtungen, PC’s, Steuerungen etc.).

Zudem wäre die Umstellung der Betriebsweise von gelöschtem Netz auf starre Erdung mit hohen Zusatzaufwendungen verbunden, weil Beeinflussungsfragen durch die Potentialanhebung am Fehlerort berücksichtigt werden müssen und zusätzliche Schutzmaßnahmen bei anderen Infrastrukturmaßnahmen (Gasleitungen, Ölleitungen, Telekommunikationsleitungen oder auch bei Wohnobjekten und Betriebsobjekten) im unmittelbaren Nahbereich von Masterdungen der 110 kV Freileitung notwendig werden würden.

Diese rein elektrotechnisch begründeten Argumente sprechen eindeutig gegen die Verkabelung der Stichleitung zum UW W, wie dies von den Beschwerdeführern gefordert wird.

Die Leitungslänge dieser Stichleitung mit 4,2 km würde bei Kabelausführung einen deutlichen Teil der noch bestehenden Kabelreserve im gelöschten 110 kV Netz der AB verbrauchen und kann daher aus elektrotechnischer und energiewirtschaftlicher Sicht mit Rücksichtnahme auf die bestehende Betriebsweise „gelöschtes Netz“ und die damit verbundenen Vorteile nicht positiv beurteilt werden.

Ergänzend ist auszuführen, dass die von den Beschwerdeführern vorgebrachte Argumentation, dass 110 kV-Freileitungen nicht dem Stand der Technik entsprächen und daher die Kabelvariante mit Rücksicht auf öffentliche Interessen praktisch notwendig und geboten wäre, in keiner Weise zutrifft.

Vielmehr ist festzustellen, dass die Errichtung von Freileitungen der Spannungsebene 110 kV jedenfalls dem Stand der Technik entspricht.

Vielmehr sind Freileitungen im Hoch- und Höchstspannungsnetz die ausgereifte und bewährte Technik zur Herstellung einfacher, robuster, kostengünstiger, leicht zu reparierender, langlebiger und betrieblich vorteilhafter Leitungsverbindungen und Versorgungsstrukturen. Nicht zuletzt deshalb sind sie im Spannungsbereich größer-gleich 110 kV die weitaus dominierende Übertragungsmethode.

Dass sie dem Stand der Technik entsprechen ist allein schon dadurch dokumentiert, dass es für diese Art der Leitungsführung sowohl europäische als auch nationale Normen und Vorschriften gibt. Die in Österreich dafür derzeit (via ETG und ETV) rechtsverbindliche Vorschrift ist die ÖVE/ÖNORM EN 50341,

Ausgabe: 2011-01-01, Freileitungen über AC 45 kV,

Teil 1: Allgemeine Anforderungen-gemeinsame Festlegungen,

Teil 2: Index der nationalen normativen Festlegungen (NNA) (eingearbeitet),

Teil 3-1: nationale normative Festlegungen (NNA) für Österreich (eingearbeitet).

Die zitierte nationale Errichtungsvorschrift für Hochspannungsfreileitungen über 45kV Nennspannung fußt auf der europäischen Norm EN 50341: 2001+A1: 2009 und gilt in allen CENELEC Mitgliedsländern und damit praktisch fast im gesamten europäischen Raum mit jeweils geringen nationalen Abweichungen. Sie stellt den Stand der Technik dar. Die Behauptung, dass Freileitungen nicht dem Stand der Technik entsprächen, wie dies im Beschwerdeschriftsatz mehrfach behauptet wird, entbehrt der sachlichen Grundlage.

Dies gilt auch und insbesondere dahingehend, dass die geplante Ausführung als Doppelfreileitung alle sicherheitstechnischen, elektrotechnischen, leitungsbautechnischen und netzbetrieblichen Anforderungen und das (n-1)-Netzsicherheitskriterium vollinhaltlich und dem Stand der Technik entsprechend erfüllt und einhält, somit dem öffentlichen Interesse der Versorgung der Bevölkerung oder von Teilen davon voll entspricht. Es bleibt dabei unbestritten, dass auch eine Kabelvariante hinsichtlich der Ausfallsicherheit durch zusätzliche redundante Systeme (drei Kabeldrehstromsysteme als Ersatz für eine Doppelfreileitung) und durch weitere Zusatzmaßnahmen (z.B. durchgehende Verlegung aller neun Einzelkabel der drei Systeme in Kabelschutzrohren aus Stahl, Umschaltsysteme an der Übergangsstelle von der Freileitung auf die Kabelstrecke odgl.) weiter ertüchtigt werden kann und dass mit solch aufwändigen Zusatzmaßnahmen bessere Verfügbarkeiten erzielbar wären.

Die netzbetrieblichen Einschränkungen für Kabelstrecken im gelöschten 110 kV-Netz können damit aber nicht beseitigt werden, und dieses gewichtige und hier ausschlaggebende Argument kann durch bessere statistische Verfügbarkeitsdaten nicht entkräftet werden.

Die auf Basis von Störungsstatistiken durchgeführten Zuverlässigkeitsberechnungen liefern Ausfallswahrscheinlichkeitsgrößen als Prognosewerte, die auch AC in seiner Kurzstudie angibt und auf die sich die Beschwerdeführer beziehen. Diese statistischen Kenngrößen sind allerdings im konkreten Fehlerfall wenig hilfreich. Kabelfehlerstellen sind nicht prognostizierbar, treten aber trotzdem reell immer wieder auf. Sollte zufällig grade die Stichleitung zum UW-W – wäre sie als Kabelstrecke realisiert – von einem solchen Fehler betroffen sein, so kämen alle bekannten Nachteile der Störungsbehebung (aufwändige Fehlerortung, lange Reparaturdauern, umfangreiche Erdarbeiten, kompliziertes Reparaturverfahren mit zusätzlichen Kabelmuffen als Schwachstellen beim Reparaturkabel) voll zum Tragen.

Diese Faktenlage wurde auch im Gutachten im erstinstanzlichen Verfahren bereits dargelegt. Insofern gehen die im Beschwerdeschriftsatz diesbezüglich angezogenen Argumente, der Sachverständige hätte sich mit der als Alternative verlangten Ausführung der Stichleitung zum UW W als Kabelvariante verkürzt und unzureichend auseinandergesetzt, ja sogar von den Beschwerdeführern aufgezeigte Fakten ignoriert, aus fachlicher Sicht ins Leere.

In die damaligen Betrachtungen einbezogen wurde die Reserveader bzw. das Reservesystem, weil damit die geforderte (n-1)-Sicherheit annährend gleichwertig zur Doppelfreileitung erzielbar ist (Verfügbarkeit von 0,982; siehe Folie 6 AC „Tabelle zum Vergleich der Nicht-Verfügbarkeit einer Doppelfreileitung zu verschiedenen Kabelausführungs- und Ausstattungsvarianten).

Eine höhere Ausfallsicherheit ist nicht gefordert, selbst wenn theoretisch durch statistische Betrachtungen (vergleiche Präsentation AC) bessere Verfügbarkeitsdaten bei Ausführung durch zusätzliche Schutzmaßnahmen (z.B. durchgehende Stahlrohrverlegung) belegbar wären. Im Lichte dessen, dass – wie im Übrigen die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz mehrfach ausführen – das öffentliche Interesse eine ausreichende, sichere, preiswerte Stromversorgung inkludiert, schießen diese Darlegungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der darüberhinausgehenden Zusatzmaßnahmen über das zu erfüllende Ziel hinaus und sind argumentativ unerheblich.

Zu den behaupteten geringen Mehrkosten der (gleichwertigen) Kabelvariante:

Fest steht, dass die behaupteten „geringfügigen Kostenmehrbelastungen“ bei einer derartig aufwendigen Variante mit Sicherheit nicht aufrechterhalten werden können. Insbesondere ist die Behauptung, dass der Kostenvergleich für eine solche Ausführung lediglich dem Faktor 1,3 bis 1,7 im Vergleich zur Freileitungsausführung entspreche (siehe Schriftsatz der Beschwerdeführer Seite 33) in keiner Weise belegt und unter den genannten Randbedingungen nicht haltbar.

Aus sachverständiger Sicht ist zu wiederholen, dass seriöse Kostenschätzungen für einen derartigen Alternativvorschlag nur in Kenntnis von dezidierten Projektsangaben zur Ausführung möglich sind. Es bedürfte daher zunächst konkreter Planungen und der Trassenfestlegung mit entsprechender Bodenerkundung, um belastbare Aussagen zu den Kosten der Kabelvariante tätigen zu können.

Grobschätzungen – wie sie von den Beschwerdeführern laufend ins Spiel gebracht werden – sind ohne weitere Planungsbasis insbesondere auch zu den aufwändigen notwendigen Querungen von unterirdischen Einbauten und Infrastruktureinrichtungen (Straßen und Wege, Wasserver- und Wasserentsorgungsleitungen, andere Starkstromkabel, Telekommunikationskabel und -leitungen, AK Unterinntaltrasse als Hochleistungsbahnverbindung, U, Unterinntalautobahn, etc.) untauglich für einen seriösen Kostenvergleich.

In seiner Kurzfassung zur Präsentation wird von AC, AL, als privates Konsulting- und Beratungsunternehmen für Kabellösungen in der Funktion als Berater der Beschwerdeführer ausgeführt und betont, dass seine Kostenangaben nur ersten Abschätzungen entsprechen, die im Bedarfsfall im Hinblick auf die exakte Trassenwahl, die vorliegende Topographie und Bodenverhältnisse, die Auslastung, die optimierte Kabelauswahl und –anordnung, die Ausführung der Übergangsfelder, die Kosten der Kabel- und Erdarbeiten, Bohrungen etc. tatsächlich in Abstimmung mit dem Netzbetreiber zuverlässig festzulegen und zu treffen wären. Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen. Diese Schlussaussage von AC entspricht technisch-inhaltich genau dem, was auch der Amtssachverständige bis dato festgestellt und zu Protokoll gegeben hat.

Diese Kernaussage ACs bleibt allerdings im vorliegenden Beschwerdeschriftsatz offensichtlich unbeachtet.

Im Übrigen irren die Beschwerdeführer, wenn sie vermeinen, dass es Aufgabe der Behörde und der ihr beigegebenen Sachverständigen wäre, den Alternativvorschlag „Kabelvariante“ durch eigene Bewertungen und Berechnungen dezidiert bis ins Detail zu prüfen. Diese Meinung ist aus Sicht des ASV praxis- und rechtsfremd, bedürfte sie doch der planerischen Tätigkeit und Ausarbeitung genauerer Details zur Ausführung, was aber nicht unter die Behördenaufgaben subsumiert werden kann.

Im Starkstromwegeverfahren als antragsgebundenes Verfahren bestimmt in erster Linie der Antragsteller, was Gegenstand des Verfahrens ist – „Sache des Genehmigungsverfahrens“. Die entscheidende Behörde und damit auch die ihr beigegebenen Sachverständigen sind an den Inhalt des Antrages gebunden. Eine andere Trassenführung (vergleiche Präsentation AC Folie 3 „Trassenvariante“) oder sogar ein Systemwechsel (statt Doppelfreileitung Ausführung mit drei Kabelsystemen) kann ex ante daher nicht als Gegenstand des konkreten Genehmigungs- und Beurteilungsverfahrens gesehen werden, wenn eine Doppelfreileitung beantragt ist.

Ungeachtet dessen wurde schon im erstinstanzlichen Verfahren in Abstimmung mit der entscheidenden Behörde eine ausführliche sachverständige Auseinandersetzung mit dem Kabelvariantenvorschlag durchgeführt, obwohl diese Variante im Sinne der gängigen Rechtsprechung als „anderes Projekt“ zu klassifizieren ist. Ein „anderes Projekt“ kann aber aus der bisherigen Verwaltungserfahrung des Gefertigten in einem Antragsverfahren weder vorgeschrieben noch im Sinne einer Interessensabwägung als zu bevorzugen erkannt werden. Dies ist aber eine Rechtsfrage, die das Gericht im Beschwerdeverfahren und nicht der Sachverständige zu klären hat.

Ergänzend zu Beweisthema 1 und zur Darlegung der Unterschiede wird auf die folgende, stichwortartige technische Gegenüberstellung von wesentlichen Aspekten der Ausführungsvarianten 110 kV Freileitung versus 110 kV-Kabelausführung verwiesen:

Tabelle 1:

Technische und betriebliche Aspekte im Vergleich zwischen Freileitungsausführung und Kabelausführung im gelöscht betriebenen Netz

Aspekt

110 kV Freileitung

110 kV Kabel

Ausbaumöglichkeiten,

zusätzliche Leitungslängen

Ein Netzausbau ist nahezu

unbeschränkt möglich

Ein Netzausbau ist nur sehr

eingeschränkt möglich (siehe

Kabelreserve)

Ausfallzeit nach Störungen

Wegen einfacher Fehlerortung und Fehlerbehebung kürzer als bei Kabeln, meist nur wenige Stunden

Ohne besondere Ersatz- und

Schutzmaßnahmen deutlich höher als bei Freileitungen; die unmittelbare Nichtverfügbarkeit ist im Vergleich um den Faktor 60 bis 400 höher (vergleiche Folie 3 Präsentation AC)

Automatische

Wiedereinschaltung bei

Störung

Automatische Wiedereinschaltung möglich; im gelöschten Netz überwiegend „Selbstheilung“ der Fehlerstelle; deutlich reduziertes Gefahrenpotenzial am Fehlerort und Weiterbetrieb bei Fehlern möglich

Kabel am Fehlerort zerstört;

bleibender Schaden, keine automatische Wiedereinschaltung möglich

Bauliche Maßnahmen

Errichtung der Maste und Auflegen der Seile (Mastfundamente, Mastmontage, Seilzug)

Baumaßnahmen nur kleinräumig am Maststandort; in Waldbereichen Schlägerungen je nach Überspannungshöhe

Umfangreiche Tiefbauarbeiten mit Erdaushub auf der gesamten Trassenlänge als gravierender Eingriff in die Umwelt; Kabellegung und Bettung, Garniturenmontage,

Muffenbauwerke, zusätzliche

Bauwerke bei Überführung von der Freileitung auf die Kabelstrecke sowie bei sämtlichen Querungsstellen (Straßen, Wege, Wasserläufe, Autobahn, U, AK)

Betriebseigenschaften

Größere Leitungsimpedanz bei

Freileitungen mit höheren Spannungsabfällen entlang der

Leitung; kleinere Kurzschlussströme und damit geringere Anforderung an Anlagenkurzschlussfestigkeit

Zur Übertragung gleicher Leistung viel höhere Querschnitte erforderlich und damit kleinere Impedanz und kleinere Spannungsabfälle entlang der Leitung; Kurzschlussströme vergleichsweise höher und damit höhere Anforderungen an

Anlagenkurzschlussfestigkeit

Bodenaustrocknung

Keine Auswirkungen

Durch Strombelastung Wärmeentwicklung im Erdreich, ohne Sondermaßnahmen Gefahr der Bodenaustrocknung; unter Umständen Kabeltemperaturüberwachungen

notwendig

Erdschlussstrombeitrag

Geringe Kapazität gegenüber Erde und damit deutlich kleinerer Beitrag zum Erdschlussstrom als bei Kabeln; Vorteil bei Erdschlusskompensation im gelöschten Netz

Große Kabelkapazität (ca. 30-fach!); großer Beitrag zum

Erdschlussstrom; begrenzend für die Netzform gelöschtes Netz

Erdung

Erdungsanlagen beim Masten; meist Strahlenerder kombiniert mit den Erderringen oder Tiefenerdern

Je nach Behandlung der Kabelmäntel und Schirme Erdungsanlagen bei den Muffenbauwerken

Fehlerortung

Fehlerortung sehr einfach Fehlerstelle bei Freileitung sofort ersichtlich

Fehlerortung aufwendig

Instandhaltung Wartung

der Trasse

Wartung aufwendiger; Korrosionsschutz bei Masten,

Kontrolle bei Seilen und Isolatoren, Trassenfreihaltung

(Sicherheitsabstände, Auslastungen etc.); Trassenbreite bei Mastbild

„AJ“ ca. 30 m; keine Nutzungseinschränkung im Freiland bzw. Grünland im überspannten Bereich, Einschränkungen bei Trasse im Wald

Bei Trasse selbst keine Wartung

Trassenfreihaltung zwingend notwendig, keine Überbauung und keine tiefwurzelnden Gewächse auf der Trasse inkl. Seitlichem Schutzstreifen (Gesamtbreite bei drei Systemen 110 kV Kabel ca. 6 bis 9 m)

Instandsetzung nach

Störungen

Fehlerbehebung selbst bei Schädigungen von Masten einfach und innerhalb weniger Stunden möglich. In vielen Fällen durch Kontrollen sind Fehler und Störungen proaktiv vermeidbar (z.B. rechtzeitiger Isolatortausch usw.)

Langandauernde Reparaturen, Fehlerbehebung nimmt Tage bis Wochen in Anspruch; keine proaktive Kontrolle möglich

Kabelreserve

Vollkommen unproblematisch

Auf die Kabelreserve ist unbedingt zu achten. Netzerweiterungen sind aufgrund der großen Kabelkapazitäten stark beschränkt. Bei Überschreitung der Kabelreserve kein gelöschter Netzbetrieb mehr möglich und Umstellung auf starr geerdetes System bzw. Aufteilung in Teilnetze notwendig; Auswirkung auf (n-1)–Kriterium umfangreiche netztechnische Maßnahmen bei

Umstellung erforderlich

Blindstromkompensation

Nicht erforderlich

Erforderlich bei größerer Ausdehnung

Kompensation der

Erdschlussströme

Unproblematisch; gelöschtes Netz

Technisch wegen Kabelkapazität

begrenzt

Kumulierter

Energiea

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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