Entscheidungsdatum
03.07.2019Index
L55057 Nationalpark Biosphärenpark TirolNorm
NationalparkG Hohe Tauern Tir 1991 §6 litdText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.11.2018, Zahl *****, betreffend eine Übertretung nach dem Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:
„Sie haben am 09.07.2018 gegen 09.00 Uhr mit dem Mountainbike in Z, CC-Berg, den öffentlichen Interessentschaftsweg „DD-Tal“ in Richtung EE-Hütte und damit einen nicht für die Zwecke des Fahrradfahrens bestimmten Fahrweg befahren und sohin das Mountainbike im Nationalparkgebiet Hohe Tauern verwendet, obwohl im gesamten Gebiet des Nationalpark Hohe Tauern die Verwendung von Fahrrädern, ausgenommen auf den für die Zwecke bestimmten Fahrwegen, verboten ist.“
Dadurch habe er gegen § 6 lit d Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern verstoßen und sei gemäß § 32 Abs 1 lit a leg cit mit einer Geldstrafe in Höhe von € 150,- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Stunden) zu bestrafen. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Behördenverfahrens in Höhe von € 15,- verpflichtet.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.12.2018 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und zusammengefasst vorgebracht, dass er den „DD-Weg“ in Ausübung eines land- und forstwirtschaftlichen Bringungsrechtes nach dem Güter- und Seilwege-Landesgesetz benützt habe.
Am 22.05.2019 hat das Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.
II. Sachverhalt:
FF, geboren am XX.XX.XXXX, ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***, KG Z, mit der die Mitgliedschaft an der mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 19.10.1993, Zahl *****, gemäß § 14 Güter- und Seilwege-Landesgesetz gebildeten „Bringungsgemeinschaft DD-Weg“ verbunden ist. Der Beschwerdeführer AA, geb am XX.XX.XXXX, ist Vater des FF und Angehöriger dessen Haushalts.
Am 09.07.2018 hat der Beschwerdeführer im Gebiet des Nationalparks Hohe Tauern im Auftrag seines Sohnes um 09.00 Uhr mit einem Fahrrad die – nicht explizit als Fahrradweg gekennzeichnete – Bringungsanlage „DD-Weg“ benützt, um die nur über diese Bringungsanlage erreichbaren Weideflächen seines Sohnes im Bereich „GG“ oberhalb der „EE-Hütte“ sowie eine Gemeinschaftshirtenhütte für den bevorstehenden Almsommer zu kontrollieren.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem behördlichen Akt sowie aus der Einvernahme des Beschwerdeführers und seines Sohnes im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht.
IV. Rechtslage:
Die relevanten Bestimmungen des Tiroler Nationalparkgesetzes Hohe Tauern lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 6
Verbote
Im gesamten Gebiet des Nationalparks sind verboten:
(…)
d) die Verwendung von Fahrrädern ausgenommen auf den für diese Zwecke bestimmten Fahrwegen;
(…)
§ 32
Strafbestimmungen
(1) Wer
a) einem Verbot nach § 5 Abs. 4, § 6, § 8 Abs. 1 oder § 11 Abs. 2 zuwiderhandelt,
(…)
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirkshauptmannschaft Lienz in den Fällen nach lit. a bis d mit einer Geldstrafe bis zu 30.000,- Euro, in den Fällen nach lit. e mit einer Geldstrafe bis zu 15.000,- Euro zu bestrafen.
(…)“
Die relevanten Bestimmungen des Güter- und Seilwege-Landesgesetzes (GSLG 1970) lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 1
Begriffsbestimmungen
(1) Ein Bringungsrecht im Sinne dieses Gesetzes ist das zugunsten von Grundstücken, die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmet sind, eingeräumte Recht, Personen und Sachen über fremden Grund zu bringen.
(…)
§ 4
Bringungsanlagen
(1) Bringungsanlagen im Sinne dieses Gesetzes sind nichtöffentliche Wege (Güterwege), Materialseilwege, nicht aber Materialseilbahnen mit beschränkt öffentlichem Verkehr (Seilwege), und sonstige zur zweckmäßigen Bewirtschaftung erforderliche, der Bringung dienende Anlagen.
(…)“
Die relevante Bestimmung der mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 19.10.1993, Zahl *****, erlassenen Satzung der „Bringungsgemeinschaft DD-Weg“ lautet auszugsweise wie folgt:
„Rechte und Pflichten der Mitglieder
§ 3
(1) Das Recht der Benützung der Bringungsanlage steht den Eigentümer, Pächtern und Fruchtnießern der an der Bringungsgemeinschaft beteiligten Liegenschaften, sonstigen Nutzungsberechtigten, Hausangehörigen und Arbeitskräften dieser Personen sowie allen jenen Personen zu, welche die Vorangeführten zu sich kommen lassen, soweit es sich nicht um Gäste von Gast- und Schankgewerbebetrieben handelt.
(…)“
V. Erwägungen:
Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, im Nationalpark einen nicht für die Zwecke des Fahrradfahrens bestimmten Bringungsweg nach dem GSLG 1970 mit dem Fahrrad benützt zu haben und damit gegen das Verbot des § 6 lit d Nationalparkgesetz verstoßen zu haben.
Wie das vom Landesverwaltungsgericht durchgeführte Ermittlungsverfahren jedoch unbestritten ergeben hat, hat der Beschwerdeführer die inkriminierte Fahrradfahrt im Nationalpark unternommen, um die nur über den gegenständlichen Bringungsweg erreichbare Alm seines an der Bringungsgemeinschaft beteiligten Sohnes für die bevorstehende Weidesaison zu kontrollieren.
Nach stRsp ist die Nutzung einer GSLG-Bringungsanlage für Tätigkeiten, die selbst nicht zur Land- und Forstwirtschaft zählen, aber dennoch dem Kernbereich landwirtschaftlicher Tätigkeit zuzuordnen sind, vom Bringungsrecht umfasst. Die Kontrolle der Almflächen für die bevorstehende Weidesaison steht jedenfalls im Zusammenhang mit der landwirtschaftlichen Urproduktion und ist zum Kernbereich landwirtschaftlicher Tätigkeit zu zählen. Sie rechtfertigt somit die Benutzung einer Bringungsanlage (vgl VwGH 28.02.2019, Ra 2019/07/0014).
Nachdem der Beschwerdeführer im Auftrag seines im selben Haushalt wohnhaften Sohnes gehandelt hat, ist die Fahrt auch von § 3 Abs 1 der Satzung der Bringungsgemeinschaft gedeckt. Es liegt somit eine zulässige Ausübung der Bringungsberechtigung nach dem GSLG 1970 vor.
Weder das GSLG 1970 noch der Bescheid vom 19.10.1993, Zahl *****, mit dem die Bringungsgemeinschaft gebildet wurde, sehen eine Einschränkung hinsichtlich der auf der Bringungsanlage zu verwendenden Fahrzeuge vor. Da das Bringungsrecht aber mit Kraftfahrzeugen ausgeübt werden darf, muss sich aus einem Größenschluss ergeben, dass eine zulässige Benützung der Bringungsablage auch mit Fahrrädern möglich ist.
Es kann nicht die Intention des Gesetzgebers und nicht im Interesse des Nationalparks und des Naturschutzes sein, im Nationalpark die Verwendung von Kraftfahrzeugen gegenüber von Fahrrädern zu priorisieren. Damit verbietet sich eine Auslegung des § 6 lit d Nationalparkgesetz, wonach ein Landwirt im Nationalpark gezwungen wäre, mit einem Kraftfahrzeug statt mit einem Fahrrad auf seine Alm zu fahren.
Auch wenn der gegenständliche Bringungsweg nicht explizit als Fahrradweg gewidmet wurde, umfasst sein Zweck somit auch die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Fahrradfahrt. Es liegt somit kein Verstoß gegen § 6 lit d Nationalparkgesetz vor, weshalb der Beschwerde Folge zu geben ist.
VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt nämlich eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zweckwidmung von Radwegen iSd § 6 lit d Tiroler Nationalparkgesetz Hohe Tauern.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Fahrrad;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.44.2664.4Zuletzt aktualisiert am
09.08.2019