TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 I413 2125486-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I413 2125486-2/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. IRAK, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, vom XXXX, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 08.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er bei seiner Ersteinvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.05.2015 damit begründete, seine Heimat wegen dem Krieg verlassen zu haben und Angst zu haben, im Krieg zu sterben.

2. Am 14.11.2017 führte die belangte Behörde die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch. In dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer, befragt zu seinen Fluchtgründen, an, dass sein Problem im Jahr 2014 begonnen habe. So seien Milizen zu ihm und seiner Familie nach Hause gekommen und haben diese seinen Vater und seine Brüder mitnehmen wollen; es sei nur sein Vater zuhause gewesen und haben sie diesen mit Gewalt mitgenommen. Am nächsten Tagen in der Nacht seien sie wiedergekommen und haben auf das Haus des Beschwerdeführers geschossen und eine Nachricht auf der Hauswand hinterlassen ("Sie werden gesucht"). Die Mutter des Beschwerdeführers habe diesen angerufen und gesagt, dass er nicht nach Hause kommen solle; er solle ausreisen, da er persönlich gesucht werde. Daraufhin sei er zum Freund seines Vaters gegangen und zwei Tage später sei er in die Türkei geflüchtet.

3. Mit dem Bescheid vom XXXX, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen dem Beschwerdeführer am 27.12.2017 zugestellten Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene vollumfängliche Beschwerde vom 18.01.2018 (bei der belangten Behörde eingelangt am 18.01.2018).

5. Mit Schriftsatz vom 19.01.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.01.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Mit Beschluss des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der gegenständliche Bescheid vom XXXX insofern berichtigt, als der Name des Beschwerdeführers XXXX zu lauten hat.

7. Mit Schreiben vom 31.10.2018 teilte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit, dass dieser geheiratet habe und übermittelte eine Mitteilung der Eheschließung.

8. Am 04.12.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer als Partei sowie dessen Ehefrau als Zeugin einvernommen wurden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer heißt XXXX, geb. am XXXX ist kinderlos, Staatsangehöriger des Irak, stammt aus Bagdad und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer heiratete am 29.10.2018 zum Schein die ihm bis dahin persönlich unbekannte finnische Staatsangehörige XXXX, um auf diese Weise ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu erlangen. Er lebt mit Frau XXXX in keinem gemeinsamen Haushalt und führt keine umfassende Lebensgemeinschaft mit ihr. Frau XXXX kam lediglich zum Zwecke der Eheschließung kurz nach Österreich und kehrte unmittelbar nach erfolgter Eheschließung am 29.10.2018 wieder nach Finnland zurück. Es besteht kein maßgebliches Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste legal mit gültigem Reisedokument aus dem Irak in die Türkei aus und gelangte schlepperunterstützt nach Österreich. Er hält sich seit (mindestens) 08.05.2015 in Österreich auf.

Die Familie des Beschwerdeführers lebt in Finnland, wo diese über einen Asylstatus verfügt. Im Irak lebt noch ein Onkel des Beschwerdeführers. In Österreich verfügt er über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer besuchte 11 Jahre lang die Schule. Er hat keinen Beruf erlernt, hat jedoch im Fotostudio seines Vaters gearbeitet und verfügt somit über berufliche Erfahrung, weshalb er eine Chance hat, auch hinkünftig im irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Er geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer nahm am "Werte- und Orientierungskurs" des Österreichischen Integrationsfonds und darüber hinaus am "Open Learning Center" des BFI Tirol teil. Er nahm weiters an gemeinnützigen Projekten teil und verrichtete gemeinnützige Tätigkeiten. Der Beschwerdeführer spricht Deutsch zumindest auf Niveau A2, eine Deutschprüfung hat er allerdings nicht abgelegt. Darüber hinaus weist er in Österreich jedoch keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Irak aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wird.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr in den Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung und keiner existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit dem Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der Stadt MOSUL, Hauptstadt der Provinz NINAWA, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit den schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von MOSUL.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS, auch in diesen Gebieten, besiegt sei. Seitdem befindet sich der IS in einem taktischen Wandel, indem er sich auf die ländlichen Regionen des Landes fokussiert und dort versucht die Kontrolle zurückzuerlangen. Zugleich verstärkt er seine Konfrontation mit Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden IS-Angriffe vermehrt in Bagdad statt, wobei eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben festzustellen ist (Joel Wing 6.10.2018). Mit Stand Oktober 2018 waren irakische Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang, mit dem Ziel, eine Etablierung des IS zu verhindern und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Betreffend vormals von IS kontrollierte ländliche Gebiete, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu IS-Angriffen (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018) und zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. In vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung bezüglich der Frage der Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und seit 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen.

Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt, mit sich brachte.

Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen sollte, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten ebenso wenig, wie Hinweise auf eine Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebieten.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung bzw Verfolgung durch die in BAGDAD aktiven schiitischen Milizen ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihm - bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Beim Unabhängigkeitsreferendum bezüglich der Frage der Loslösung Irakisch Kurdistans (KRI) vom irakischen Staat stimmten am 25.09.2017 92,7 Prozent der Stimmberechtigten für einen eigenen Staat (Wahlbeteiligung: 72 Prozent) (ORF 27.9.2017). Irakische Regierungskräfte haben als Reaktion auf das Kurdenreferendum beinahe alle Gebiete eingenommen, die zu den sogenannten "umstrittenen Gebieten" zählen, einschließlich Kirkuk und die dort befindlichen Ölquellen. Neben den militärischen Maßnahmen fasste die Zentralregierung in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum eine Reihe weiterer Maßnahmen, darunter: Die Sanktionierung kurdischer Banken, das Einfrieren von Fremdwährungstransfers, sowie das Einstellen von Flugverbindungen und mobilen Kommunikationsnetzen. Im Nachgang zum Unabhängigkeitsreferendum hat die zentral-irakische Armee die zwischen Kurden und Zentralregierung umstrittenen Gebiete größtenteils wieder unter die Kontrolle Bagdads gebracht (AA 12.2.2018).

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren.

In den südlichen Provinzen ist der Großteil der Gewalt, die dort stattfindet, nicht terroristischer Natur, sondern krimineller und "tribaler" (d.h. stammesbezogener) Natur. Die Provinz BASRA war nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen und sind dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen festzustellen gewesen. Es wird zwar über Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Stämmen berichtet, jedoch finden sich keine Berichte über Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten. Auch wird über kriminelle Banden berichtet, die für Entführungen zur Erpressung von Lösegeld, einen Anstieg von Gewalttaten, von Diebstahlt, von bewaffneten Raubüberfällen, Tötungen und Drogenhandel verantwortlich gemacht werden (OSAC 07.03.2017). Die Bestrebungen der ISF gehen dahin, die Sicherheit in der Stadt und Provinz BASRA aufrecht zu erhalten, während bewaffnete Gruppen um die vorhandenen Ressourcen kämpfen/rivalisieren (OSAC 07.03.2017).

Die Verfassung des Iraks gewährt das Recht auf freie Meinungsäußerung, sofern die Äußerung nicht die öffentliche Ordnung oder die Moral verletzt, Unterstützung für die Baath-Partei ausdrückt oder das gewaltsame Verändern der Staatsgrenzen befürwortet. Der größte Teil der Einschränkungen dieses Rechts kommt durch Selbstzensur auf Grund von glaubhafter Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden zustande. Bestimmte Berufsgruppen sind im Irak einem hohen Risiko, Opfer konfessioneller oder extremistischer Gewalt zu werden, ausgesetzt. Zu diesen Berufsgruppen zählen Künstler, Schriftsteller, Musiker und Poeten. Der Beschwerdeführer übt keinen Beruf aus, der ihm einem Risiko aussetzen würde, Opfer konfessioneller oder extremistischer Gewalt zu werden.

Quellen:

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

Joel Wing, 30.11.2018, Security In Iraq Nov 22-28, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/11/security-in-iraq-nov-22-28-2018.html

-

Joel Wing, 16.11.2018, Security In Iraq Nov 8-14, 2018, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/11/security-in-iraq-nov-8-14-2018.html

-

CIA Factbook, Iraq,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html Länderinformationsblatt für den Irak

-

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 25.10.2018)

-

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 25.10.2018)

-

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, letzter Zugriff am 25.10.2018.

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben.

Ferner sind die Provinzen MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR mehrheitlich bzw. ausschließlich von sunnitischen Moslems besiedelt.

Es ist nicht hervorgekommen, dass es dem Beschwerdeführer - bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Quellen:

-

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018).

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 09.08.2018).

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen:

-

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 09.08.2018).

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Seit dem Jahr 2003 nahm die Dominanz der schiitischen Gemeinschaft in Bagdad stets zu. Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert. In Hinblick auf BAGDAD kam es seitdem verstärkt zur Spaltung BAGDADS in konfessionelle Linien, zu interkonfessioneller Gewalt und zu Vertreibungen und schließlich zur Bildung von separaten sunnitischen und schiitischen Vierteln. In Bezug auf BAGDAD ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die dort lebenden Sunniten einer Gruppenverfolgung bzw. einer systematischen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt wären.

Quellen:

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 06.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

-

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Letzter Zugriff am 07.08.2018).

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht.

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, sie sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

In BAGDAD gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere ADHAMIYA, MANSOUR und ABU GHRAIB genannt.

Quellen:

-

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 07.08.2018)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018).

-

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 08.08.2018)

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens von Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden. Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person.

Quellen:

-

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 08.08.2018).

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 08.08.2018).

Eine in den Irak zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Beweis zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts wurde aufgenommen durch Einsicht in den Verwaltungsakt, dem Erstbefragungsprotokoll durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 09.05.2015, dem Einvernahmeprotokoll des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde vom 14.11.2017, in den bekämpften Bescheid vom 20.12.2017, den Beschwerdeschriftsatz vom 18.01.2018, in das Strafregister, durch Abfrage des Zentralen Melderegisters, des Betreuungsinformationssystems über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich und in den aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation für den Irak sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei und der Zeugin XXXX in der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Identität, seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit, Herkunft, Glaubens- und Volkszugehörigkeit sowie seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde (Protokoll vom14.11.2017, S. 3 ff.) und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018. Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten Personalausweises zweifelsfrei fest.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, basiert auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2018 und aufgrund des persönlich gewonnenen Eindrucks durch das Bundesverwaltungsgericht im Zuge dieser Verhandlung.

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers und zum Beginn seines Aufenthalts in Österreich beruhen auf seinen Aussagen im Zuge der Erstbefragung am 09.05.2015, vor der belangten Behörde am 14.11.2017 und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018.

Die Feststellungen zur Familie des Beschwerdeführers basieren auf seinen diesbezüglich glaubhaften Aussagen im Rahmen seiner Einvernahme vor dem erkennenden Gericht am 04.12.2018. Danach steht zweifelsfrei fest, dass ein Teil der Familie des Beschwerdeführers als Asylberechtigte in Finnland lebt und er nach wie vor einen im Irak lebenden Onkel hat. Dass er in Österreich über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen verfügt, geht aus seiner diesbezüglichen Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 zweifelsfrei hervor.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit der finnischen Staatsangehörigen XXXX ist durch folgende vorgelegte Urkunden belegt: Auszug aus dem finnischen Heiratsregister vom 28.11.2018, Beurkundung über Ehenamenserklärung des Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbandes Fulpmes vom 29.10.2018, Zahl 001843/2018, Auszug aus dem Heiratseintrag vom 29.10.2018, Zahl 001894/2018. Dass es sich hierbei um eine Scheinehe handelt, welche er lediglich zum Erhalt eines unionsrechtlichen Aufenthaltstitels einging, resultiert aus nachstehenden Überlegungen:

Im Zusammenhang mit der Problematik von sogenannten "Aufenthalts- oder Scheinehen" stehen Behörden und Gerichte vor der Schwierigkeit, im höchstpersönlichen Bereich der Beteiligten ermitteln zu müssen. Ungeachtet der geltenden Offizialmaxime stößt die amtswegige Ermittlungspflicht oftmals an ihre Grenzen, sodass der Mitwirkungspflicht besondere Bedeutung zukommt; auch muss man dabei regelmäßig von äußeren Umständen Rückschlüsse auf das wahre Gefühlsleben der Eheleute ziehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch der indizielle Beweis ein Vollbeweis. Er besitze insoweit einen logischen Aufbau, als Folgerungen auf das zu beweisende Tatbestandsmerkmal mit Hilfe von Erfahrungstatsachen gezogen werden würden. Der Indizienbeweis erfordere damit zum einen Indizien (sogenannte Hilfstatsachen), zum anderen allgemeine Erfahrungssätze und schließlich Denkgesetze und logische Operationen, um auf das Vorhandensein der Haupttatsache folgern zu können. Der Grundsatz freier Beweiswürdigung schließe es daher nicht aus, Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung typisch sind, Gewicht beizumessen (vgl VwGH 26.05.1993, 90/13/0155).

Vor diesem Hintergrund sind im Zusammenhang mit der am 29.10.2018 erfolgten Eheschließung des Beschwerdeführers mit der finnischen Staatsangehörigen XXXX folgende Umstände hervorzuheben:

Der Beschwerdeführer hat seine Ehefrau im April 2018 über Facebook kennengelernt. Das erste Mal persönlich sahen sich die Eheleute am 23.10.2018, also nur wenige Tage vor der Heirat am 29.10.2018. Ansonsten besteht der einzige Kontakt in Videoanrufen (Protokoll vom 04.12.2018, S. 4 ff.) Hieraus ist klar zu erkennen, dass der Beschwerdeführer kurzfristig, um nicht zu sagen überhastet, eine Ehe mit XXXX eingegangen ist, obwohl er diese (und sie ihn) nicht wirklich kennen konnte. Es ist für das Bundesverwaltungsgericht schwer vorstellbar und lebensfremd, dass eine Ehe unter solchen Umständen - kein persönliches Treffen, sondern lediglich Videoanrufe - in Erwägung gezogen, geschweige denn geschlossen wird. Dennoch verheirateten sich die beiden, die letztlich für einander Fremde sind. Zudem ist der "Zufall" der Eheschließung in zeitlicher Nähe zur mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 bemerkenswert und auch zu würdigen.

Hinzu kommt, dass die Ehefrau finnische Staatsangehörige ist und in Finnland lebt; der Beschwerdeführer hat seine Frau dort noch nie besucht und auch umgekehrt ist die Ehefrau das erste Mal aufgrund ihrer Ladung als Zeugin zur Verhandlung am 04.12.2018 nach Österreich gereist. Zusammengelebt haben die Eheleute nicht. Sie haben noch nie einen für eine Ehe erforderlichen gemeinsamen Haushalt geführt; sie konnten dem Bundesverwaltungsgericht in der Verhandlung am 04.12.2018 auch keinerlei sonstige Existenz einer umfassenden Lebensgemeinschaft glaubhaft machen. Die Ehefrau ist auch nach Verehelichung wieder nach Finnland zurückgekehrt. Bemerkenswert ist auch, dass die Ehefrau, als sie zur Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 01.12.2018 wieder nach Österreich anreiste, die Nächte bis zur Verhandlung am 04.12.2018 nicht beim Beschwerdeführer, sondern bei dessen Freund verbrachte. Eine gemeinsame Sprache sprechen die Eheleute auch nicht. Da der Beschwerdeführer in Österreich lebt und seine Ehefrau in Finnland, besteht auch kein gemeinsamer Wohnsitz und hat ein solcher auch noch nie bestanden. Da der Beschwerdeführer in Österreich um Asyl ansucht, ist auch nicht davon auszugehen, dass ein gemeinsamer Wohnsitz jemals geschaffen werden soll und ist hiervon auch in der gesamten Verhandlung nie die Rede gewesen. Eine umfassende Lebensgemeinschaft, wie sie die Ehe darstellt, ist damit ohne Zweifel nicht gegeben, zumal es nicht einen Funken an Wahrscheinlichkeit gibt, dass sich diese Situation in nächster Zeit ändern wird (Protokoll vom 04.12.2018, S. 4 ff. und Zeugeneinvernahme S. 18).

Über persönliche Fragen des erkennenden Richters wie etwa nach Hobbys und den Tagesabläufen des jeweils anderen Ehepartners, gaben sowohl der Beschwerdeführer als auch die Zeugin XXXX lediglich belanglose und vage Antworten, die auf jede beliebige Person zutreffen könnten; außerdem wirkten die Antworten auf den erkennenden Richter einstudiert (Protokoll vom 04.12.2018, S. 6 und Zeugeneinvernahme S. 18).

All das führt nahezu zwingend zum Schluss, dass diese Eheschließung einem einzigen Zweck diente, nämlich der "Aufenthaltsverfestigung" durch die Ehe mit einer Unionsbürgerin. Aufgrund dieser Erwägungen ist das Bundesverwaltungsgericht daher zur Auffassung gelangt, dass der Beschwerdeführer die besagte Ehe mit der finnischen Staatsangehörigen XXXX nur zum Schein und nur deshalb einging, weil ihm diese Eheschließung ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht vermittelt.

Die Feststellungen zu seinem Bildungs- und Berufswerdegang basieren auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde (Protokoll vom 14.11.2017, S. 3) und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 (Protokoll vom 04.12.2018, Seite 7 f.). Danach steht zweifelsfrei fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Berufserfahrung im Irak Erfahrungen am Arbeitsmarkt sammeln konnte und daher eine Chance hat, auch hinkünftig im irakischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht vorbestraft ist, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keiner Beschäftigung nachgeht und Leistungen von der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erhobenen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung von vorübergehender Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Grundversorgung bezieht, ergibt sich zweifelsfrei die Feststellung seiner mangelnden Selbsterhaltungsfähigkeit.

Dass der Beschwerdeführer am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds und am Open Learning Center des BFI Tirol teilnahm, ergibt sich aus den vorgelegten Teilnahmebestätigungen des ÖIF vom 12.07.2018 und des BFI XXXX vom 17.05.2017 und vom 12.10.2017. Die Feststellungen zu seinen hauptsächlich gemeinnützigen Tätigkeiten ergibt sich aus folgenden Unterlagen: Dienstnachweis XXXX, Bestätigung des Stadtmagistrates XXXX über die gemeinnützige Teilnahme am Projekt "Innuferreinigung 2016", Bestätigung der XXXX Sozialen Dienste über Erledigung gemeinnütziger Tätigkeiten bei den Gebietskörperschaften vom 07.11.2017.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers machen; so war es möglich, sich mit ihm in der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 ein wenig auf Deutsch zu unterhalten. Mangels Vorlage entsprechender Unterlagen kann aber weder das Niveau seiner Sprachkenntnisse, noch die Absolvierung einer Sprachprüfung nicht festgestellt werden. Die darüber hinausgehende mangelnde Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht beruht auf den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers und dem vom Bundesverwaltungsgericht gewonnenen persönlichen Eindruck im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, wonach er seinen Herkunftsstaat aufgrund von Angriffen der Milizen auf sein Haus verlassen habe, erachtet der erkennende Richter als nicht glaubhaft.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist nämlich davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend und gleichbleibend schildert, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist.

Die vollkommen allgemein gehaltenen, vagen und unsubstantiierten Angaben zum Fluchtmotiv des Beschwerdeführers waren jedoch nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die ihn dazu getrieben hätte, sein Heimatland zu verlassen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers erschöpften sich zumeist in oberflächlichen und undetaillierten Angaben, die der Beschwerdeführer erst nach mehrfachem und näher präzisiertem Nachfragen auszuführen vermochte (Protokoll vom 14.11.2017, S. 7 ff. und vom 04.12.2018, S. 11 ff.). Ein spätes, gesteigertes Vorbringen kann aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes als unglaubwürdig qualifiziert werden, denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Genau das liegt hier vor.

Des Weiteren verstrickte sich der Beschwerdeführer in seinem Fluchtvorbringen in Ungereimtheiten und Widersprüche. So gab der Beschwerdeführer bei seiner Ersteinvernahme am 09.05.2015 befragt zu seinen Fluchtgründen an, seine Heimat wegen dem Krieg verlassen zu haben und Angst zu haben, im Krieg zu sterben (Protokoll vom 09.05.2015). In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 gab er hingegen an, bei der Erstbefragung nicht nach seinen Fluchtgründen befragt worden zu sein und dass es sich beim unterschriebenen Protokoll vom 09.05.2015 nicht um seine Unterschrift handle (Protokoll vom 04.12.2018, S. 10 f.). Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 14.11.2017 steigert der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen, indem er ausführt, das Haus seiner Familie sei von Milizen angegriffen und sein Vater von ihnen mit Gewalt mitgenommen worden. Weiters widersprüchlich sind die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14.11.2017, wenn er zuerst angibt, dass seine Mutter, ein Bruder und die drei Schwestern im Haus waren, als auf dieses geschossen wurde und nur wenige Fragen danach behauptet, dass niemand zu Hause gewesen sei, als auf das Haus geschossen wurde (Protokoll vom 14.11.2017, S. 7 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei gleichbleibenden Verhältnissen im Herkunftsland bei gesteigertem Vorbringen des Asylwerbers die Wertung des Vorbringens als unglaubwürdig schlüssig nachvollzogen werden kann (VwGH 27.04.2006, 2002/20/0170), weshalb - im Einklang mit dieser Rechtsprechung das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubhaft zu qualifizieren ist.

Generell schildert der Beschwerdeführer jenen Tag, als er und seine Familie von Milizen angegriffen worden seien, sehr vage und emotionslos (Protokoll vom 04.12.2018, S. 11 ff.).

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht schlüssig nachvollziehbar, dass die belangte Behörde dieses Fluchtvorbringen als unplausibel und unglaubhaft einstuft. Dieser Beurteilung tritt auch die Beschwerde in keiner Weise entgegen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte der Beschwerdeführer keine schlüssigen und nachvollziehbaren Gründe angeben, die eine ernstliche Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers im Irak glaubhaft machen können. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte ebenfalls aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer und den oben angegebenen Gründen zur Überzeugung, dass keine Gründe gegeben sind, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers im Irak von staatlichen und/oder privaten Gruppen aus politischen, rassischen, religiösen Gründen oder aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe glaubhaft erscheinen ließen.

In seiner Beschwerde tritt zudem der Beschwerdeführer den diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde nicht substantiiert entgegen. Da sich seine Beschwerdebegründung darin erschöpft, seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und sie in seiner Beschwerde geltend zu machen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht schlüssig aufzeigen, weshalb ihm keine innerstaatliche Fluchtalternative offen gestanden wäre. Es wäre ihm nämlich möglich gewesen, innerhalb des Irak einen anderen Ort aufzusuchen, hätte er sich bedroht gefühlt.

In einer Gesamtbetrachtung der zuvor genannten Umstände, erachtet das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde die vom Beschwerdeführer behauptete politisch motivierte Verfolgung durch schiitische Milizen als nicht glaubhaft.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für den Irak samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat im Irak ergeben sich zweifelsfrei aus den folgenden Meldungen und Berichten:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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