Entscheidungsdatum
16.05.2019Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W182 2214508-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Mag. Hubert WAGNER LLM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zl. 760889000 - 180733584/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, behoben und die Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, stellte am 25.08.2006 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 06.12.2007, Zl. 305.533-3/6E-XIII/65/07, wurde dem BF nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.12.2007 gemäß § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
Der Entscheidung lagen folgende Feststellungen zugrunde:
"Der Berufungswerber war im ersten Tschetschenienkrieg als Kämpfer aktiv, im zweiten Krieg beschränkte sich sein Engagement auf Unterstützungsleistungen für seinen Cousin. Dieser wurde wegen seiner Tätigkeiten als Rebell im ersten und zweiten Tschetschenienkrieg im XXXX von Kadyrov-Leuten ermordet. Nach dem Berufungswerber, welcher seit einer Festnahme durch russische Militärs im Jahr XXXX versteckt lebte, wurde von russischen und tschetschenischen Kräften gesucht, einerseits wegen seiner aktiven Beteiligung am ersten Tschetschenienkrieg, andererseits wegen einer Feindschaft mit einem Tschetschenen namens XXXX , welcher für eine russische Geheimdienststruktur arbeitet. Diese Feindschaft geht auf einen Vorfall im ersten Krieg zurück, als XXXX , der damals auf russischer Seite kämpfte, von der Gruppe, in der der Berufungswerber kämpfte, gefangen genommen wurde und bei seiner Freilassung Rache schwor. Zehn Kameraden aus der Gruppe des Berufungswerbers wurden von XXXX bereits ermordet."
Dazu wurde in der Begründung u.a. ausgeführt, dass der persönliche Rachefeldzug eines für den russischen Geheimdienst arbeitenden Tschetschenen die ohnehin schon bestehende Gefährdungslage des BF verschärfe, wobei insbesondere auch unter Beachtung der ernsten Möglichkeit "illegaler" Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass es dem BF mit hinreichender Wahrscheinlichkeit möglich sein würde, einem Zugriff dieser Kräfte zu entgehen. Eine innerstaatliche Schutzalternative könne auch im Hinblick auf eine Zusammenarbeit respektive einem Informationsaustausch zwischen den Kadyrov-Kräften und föderalen russischen Staatsorganen auf Basis der vorhandenen Erkenntnisquellen pro futuro weiterhin nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
1.2. Der BF wurde in der Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) anlässlich eines eingeleiteten Aberkennungsverfahrens am 10.10.2018 im Wesentlichen zu seinen Verhältnissen in Österreich sowie zu Familienangehörigen im Herkunftsland befragt. Seinen Angaben zufolge lebe er in Österreich mit seiner Frau und fünf Kindern im gemeinsamen Haushalt zusammen und beziehe derzeit Notstandshilfe. Seine Familie lebe von der Erwerbstätigkeit seiner Gattin und der Notstandshilfe. In Tschetschenien würden sich die Mutter sowie ein Onkel und eine Tante des BF aufhalten. Sie würden alle von der Pension leben und hätten es finanziell schwer. Vom BF wurde ein Konvolut an Lohnzetteln, die im Wesentlichen den Zeitraum von 2009 bis 2012 betreffen, sowie diverse Deutsch- und sonstige Kursteilnahmebestätigungen vorgelegt. Der BF verneinte die Frage, ob sich zu seinen früher dargelegten Ausreisegründen bzw. Rückkehrbefürchtungen sowie zu jenen seiner Familienangehörigen etwas verändert habe. Dem BF wurde im Anschluss vorgehalten, dass ihm sein Asylstatus wegen seiner angeblichen aus einer aktiven Beteiligung am Krieg in Tschetschenien resultierenden Verfolgung im Jahr 2007 zuerkannt worden sei und sich mittlerweile die (allgemeinen) Verhältnisse geändert hätten und vorherige Widerstandskämpfer und deren Angehörige ungeachtet der Amnestiegesetze auch tatsächlich nicht mehr verfolgt werden würden, weshalb ihm der Status des Asylberichtigten abzuerkennen sei. Dies wurde vom BF bestritten, wobei er auf gegenteilige Informationen von Bekannten verwies. Der BF wurde darüber hinaus nicht weiter zu Fluchtgründen oder Rückkehrbefürchtungen befragt. Ihm wurden aktuelle Erkenntnisquellen des Bundesamts zur Russische Föderation zur Kenntnis gebracht.
In einer schriftlichen Stellungnahme des BF vom 19.10.2018 wurde ausgeführt, dass die Länderinformationen zur Russischen Föderation und die darin enthaltenen Berichte im Wesentlichen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen würden, wobei dazu insbesondere festzustellen sei, dass die Situation in Tschetschenien im Hinblick auf die Menschenrechtslage nach wie vor als prekär angesehen werden könne und ein Klima der Straffreiheit entstanden sei. Verfolgungsmaßnahmen - insbesondere aus politischen Gründen - von Seiten der tschetschenischen Machthaber und der russischen Sicherheitskräfte haben zugenommen. Dazu wurden Passagen aus den Länderinformationen zur Russischen Föderation zitiert. Dazu wurde weiters angemerkt, dass zuletzt auch der EGMR festgestellt habe, dass es in Tschetschenien zu zahlreichen schweren Menschenrechtsverletzungen komme, wobei sich Familien auch Vergeltungsmaßnahme für (angebliche) Vergehen von Familienmitgliedern gegenübersehen würden. Viele Fälle würden meistens mit dem Verweis auf unbekannte Täterschaft geschlossen werden. Die tschetschenischen Behörden würden Untersuchungen sabotieren. Tschetschenen hätten aufgrund der Russischen Registrierungsvorschriften defacto keine Möglichkeit, sich außerhalb der tschetschenischen Republik niederzulassen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe nicht offen und wäre es dem BF nicht zumutbar, in anderen Landesteilen der Russischen Föderation Aufenthalt zu nehmen, zumal infolge der oftmaligen Verweigerung der sogenannten Registrierung vielfach keine Möglichkeit bestehe, in anderen Landesteilen legal bzw. komplikationslos Aufenthalt zu nehmen und den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Hinzu komme eine vielfach ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber Nordkaukasiern. Weiters wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden für den BF vorgelegt, die Diagnosen hinsichtlich einer Degeneration
von Wirbelsäulenabschnitten, chronische Kopfschmerzen, rezidiv. Schwindelanfälle sowie Bluthochdruck enthalten.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde dem BF der ihm mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 06.12.2007, Zl. 305.533-3/6E-XIII/65/07, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetztes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Zu den Gründen für die Aberkennung (Spruchpunkt I.) wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben, nicht mehr vorliegen. Dazu wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass die Asylgewährung im Jahr 2007 grundsätzlich darauf beruht habe, dass der BF im ersten Tschetschenien-Krieg als Kämpfer aktiv gewesen wäre und nach Rückkehr zum damaligen Zeitpunkt zumindest unmenschlicher Behandlung ausgesetzt gewesen wäre und für ihn auch keine Relokationsmöglichkeit bestanden hätte. Aufgrund der geänderten Lage in der Teilrepublik Tschetschenien treffe dies heute nicht mehr zu. Es seien viele ehemalige Widerstandskämpfer in Tschetschenien an der Macht. Es könne daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgehalten werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr keine Verfolgungsgefahr drohe. Das Bundesamt verkenne nicht, dass es in Tschetschenien zu Menschenrechtsverletzungen komme oder kommen könne, jedoch sei trotzdem eine wesentliche Verbesserung der Sicherheitslage in Tschetschenien seit der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten erkennbar. Die Zahl der bewaffneten Auseinandersetzungen sei über die Jahre hinweg deutlich gesunken. Der allgemeine Umfang und die Intensität des Konfliktes seien rückläufig, weshalb es zu einem Rückzug russischer Truppen aus Tschetschenien gekommen sei. Wie aus den Feststellungen ersichtlich, gebe es derzeit keine Hinweise, dass russische Behörden tschetschenische Kämpfer der beiden Kriege suchen würden. Hinweise darauf, dass Verwandte von Tschetschenien-Kämpfern durch russische Behörden zu deren Aufenthaltsort befragt würden, haben ebenfalls nicht gefunden werden können. Aufgrund dieser Tatsache gehe die Behörde auch davon aus, dass dem BF eine Rückkehr in die Russische Föderation möglich sei, da im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat und Niederlassung im Herkunftsstaat in Zukunft realistischer Weise keine Verfolgungen oder Bedrohungen zu erwarten seien. Der BF habe nicht glaubhaft darzulegen vermocht, dass er im Fall der Rückkehr keine Lebensgrundlage mehr hätte, weil ihm nach Ansicht des Bundesamtes jedenfalls zugemutet werden könne, dass er im Falle der Rückkehr in sein Heimatland selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen könne. Außerdem verfüge er in der Russischen Föderation über familiäre Anknüpfungspunkte, seine Mutter sowie Onkel und Tante leben in der Russischen Föderation. Somit sei davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr in die Russische Föderation von seinen Angehörigen Unterstützung erwarten könne.
Zum Privat- und Familienleben und dem Aufenthalt des BF in Österreich wurde im Wesentlichen festgestellt, dass sich in Österreich auch noch die Ehegattin sowie fünf minderjährige Kinder des BF aufhalten. Diesen sei mit XXXX der Flüchtlingsstatus aberkannt worden und seien diese im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EU" bzw. einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005. Der BF gehe derzeit in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nach und könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe. Er sei in Österreich mehrfach rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden. Dazu wurde begründend unter anderem ausgeführt, dass der XXXX Jahre alte BF den überwiegenden Teil seines Lebens in Tschetschenien verbracht habe und nicht davon auszugehen sei, dass ihm eine Rückkehr und Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unzumutbar und unmöglich wäre. Abgesehen von geringen Deutschkenntnissen seien keine Anhaltspunkte für eine nachhaltige berufliche und soziale Integration ersichtlich. Anhand des erstellten Versicherungsdatenauszuges lasse sich erkennen, dass der BF nicht besonders arbeitswillig gewesen sei bzw. sei. Er gehe keiner geregelten Beschäftigung nach und lebe von staatlichen Zuwendungen. Was die in Österreich lebenden Familienangehörigen (Ehefrau und fünf Kinder) betreffe, so sei festzuhalten, dass durch die Rückkehrentscheidung die Kontaktaufnahme zwischen dem BF und ihnen zweifellos erschwert werde, es jedoch im Zeitalter moderner Medien möglich sei, diese zu nutzen, um den Kontakt aufrecht zu erhalten. Angesichts der Straffälligkeit des BF könne kein Zweifel darin bestehen, dass die zwingende Rückkehr dringend geboten und daher zulässig sei.
Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes wurde festgestellt, dass der BF zuletzt mit Urteil eines Landesgerichts vom Juni 2014 nach den §§ 83 (1), 84 (1) 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden sei. Davor seien eine Verurteilung durch ein Bezirksgericht im Dezember 2011 nach § 127 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Wochen sowie durch ein Bezirksgericht im Juni 2010, ebenfalls nach § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je Euro 4,- erfolgt. Dazu wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des BF, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte im Zuge der vom Bundesamt vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben habe, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom BF ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.
Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 11.01.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
3. Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist durch einen rechtsfreundlichen Vertreter des BF Beschwerde erhoben. Darin wurde unter anderem hervorgehoben, dass in Tschetschenien ein Klima von Angst und Gewalt herrsche sowie eine Kultur der Straflosigkeit. Tschetschenische Sicherheitsbehörden unter direkter Kontrolle von Kadyrov könnten mit Straffreiheit rechnen, wobei der Großteil der Menschenrechtsverletzungen im Nordkaukasus Sicherheitskräften zugeschrieben werde. In Tschetschenien seien sowohl föderale russische als auch lokale tschetschenische Sicherheitskräfte tätig. Im Klima absoluter Straffreiheit unter dem tschetschenischen Präsidenten komme es weiterhin zu Fällen von Verschwindenlassen, Folter und extralegalen Hinrichtungen durch russische und tschetschenische Sicherheitskräfte. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass die letzte Straftat des BF bereits sechs Jahre zurückliege, dieser eine Auseinandersetzung am Arbeitsplatz mit einem anderen Arbeiter zugrunde liege, der ebenfalls wegen einer Rauferei verurteilt worden sei. Wer den Streit begonnen habe, könne heute nicht mehr festgestellt werden. Ausgehend davon könne schwerlich gesagt werden, dass die Verurteilung geeignet sei, eine schwerwiegende Gefahr für die Ordnung oder Sicherheit von Seiten des BF zu begründen. Insbesondere sei allerdings festzuhalten, dass nach leichteren Delikten Abschiebungen der GFK widersprechen und daher der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig sei. Weiters stelle die Rückkehrentscheidung einen schwerwiegenden Eingriff in das Familienleben des BF da, der in Österreich mit seiner Gattin und fünf aufenthaltsberechtigten eigenen Kindern zusammen wohne. Durch diese Entscheidung wäre der Familie die Existenzgrundlage entzogen. So gesehen erweise sich die gegenständliche Entscheidung als äußerst schwerwiegender Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK, die nicht ohne weiteres mit einer Verurteilung vor fünf Jahren gerechtfertigt werden könne. Vielmehr hätten zur Lebenssituation des BF konkret Erhebungen getätigt werden müssen, die in den allgemein gehaltenen Ausführungen des angefochtenen Bescheides nicht zu finden seien. Im Übrigen sei festzuhalten, dass es keinesfalls richtig sei, dass ein Kontaktrecht zur eigenen Familie in annähernd ähnlicher Form über moderne Medien aufrechterhalten werden könne, zumal es sich ja um ein Zusammenleben handle und keine getrennten Wohnsitze vorliegen würden. Durch die gegenständliche Entscheidung werde die Familie zerrissen, womit die gesamte Familienexistenz in Frage gestellt werde und ein gemäß Art. 8 EMRK untragbarer Zustand hergestellt werde. U.a. wurde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen. Dazu wurde als Beweis die Einvernahme des BF, seiner Gattin sowie seiner Kinder beantragt.
4. Seitens des Bundesamtes wurde ein rechtskräftiges Urteil eines Landesgerichtes vom XXXX 2019 übermittelt, wonach der BF als Mittäter wegen des Vergehens des versuchten schweren (Versicherungs-) Betruges (Tatzeit XXXX 2016) gemäß § 15 StGB, §§ 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 2 Monaten verurteilt wurde. Als mildernd wurden das reumütige Geständnis, der untergeordnete Tatbeitrag, der Umstand des Versuches, als erschwerend 2 einschlägige Vorstrafen (wenn auch lange zurückliegend) gewertet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrundegelegt.
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere dem vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akt zur im Spruch genannten Zahl sowie der Beschwerdeschrift.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063):
"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."
Gemäß § 18. Abs. 1 AsylG haben das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Zu Spruchteil A):
2.2. Das Bundesamt stützte die Aberkennung des dem BF zuerkannten Status des Asylberechtigten auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.
Gemäß § 7 Abs. 2 AsylG 2005 ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist.
Das Bundesamt kann gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt - wenn auch nicht rechtskräftig - nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z 5 der der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen.
Art. 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK entspricht Art. 11 Abs. 1 lit. e iVm Abs. 3 StatusRL, der zufolge ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr Flüchtling ist, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf einen Flüchtling, der sich auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, abzulehnen.
Die Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. e Status-RL aF, der der aktuellen Rechtslage entspricht, erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 lit. c der Richtlinie genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 lit. c der Richtlinie haben muss (EuGH vom 2.3.2010, Rs C-175/08 ua, Abdulla ua, Rz 76). Die Umstände müssen sich auf grundlegende, in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 GFK angeführte Fluchtgründe beziehen, auf Grund deren angenommen werden kann, dass der Anlass für die - begründete - Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht (VwGH vom 25.6.1997, 95/01/0326).
Die Bestimmung des Art. 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK stellt primär auf eine grundlegende Änderung der (objektiven) Umstände im Herkunftsstaat ab, kann jedoch auch die Änderung der in der Person des Flüchtlings gelegenen Umstände umfassen, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, § 7 Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9).
Die Änderungen im Herkunftsstaat müssen nachhaltig und nicht bloß von vorübergehender Natur sein (VwGH vom 22.4.1999, 98/20/0567; VwGH vom 25.3.1999, 98/20/0475). Nach Einhaltung eines längeren Beobachtungszeitraumes wird auch der bloße "Haltungswandel" des bisherigen Verfolgers, ohne dass ein politischer Machtwechsel stattgefunden hat, eine asylrechtlich maßgebliche Änderung der Umstände ergeben und in Folge Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention zum Tragen kommen (VwGH vom 21.11.2002, 99/20/0171).
Der Wegfall der Verfolgungsgefahr ist maßgeblich für die Anwendung von Art. 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention. Ob die allgemeine wirtschaftliche Lage im Herkunftsstaat schlecht ist oder familiäre beziehungsweise emotionelle Bindungen zum Aufnahmestaat bestehen, ist für den Eintritt der Ziffer 5 grundsätzlich irrelevant.
2.3. Das Bundesamt stützte seine Entscheidung in der Begründung des bekämpften Bescheides im Wesentlichen ausschließlich auf die herangezogenen Länderberichte, wonach es derzeit keine Hinweise dafür gebe, dass russische Behörden tschetschenische Kämpfer der beiden Kriege suchen würden. Diese allgemeine Begründung lässt jedoch einen nicht unwesentlichen Aspekt des individuellen fluchtrelevanten Sachverhaltes, der der Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 06.12.2007, Zl. 305.533-3/6E-XIII/65/07, zugrundegelegt wurde, demzufolge auch eine relevante Verfolgungsgefahr des BF aufgrund eines individuellen, subjektiven Rachemotives besteht (vgl. dazu Punkt I.1.1.), völlig unberücksichtigt. Aus dem Akteninhalt geht auch sonst nicht hervor, dass das Bundesamt sich in seiner Einschätzung auf das gesamte individuelle - vom Unabhängigen Bundesasylsenat als asylrelevant und glaubwürdig erachtete - Vorbringen des BF bezogen hat. Eine diesbezügliche nachvollziehbare Auseinandersetzung und Würdigung ist - insbesondere auch im Hinblick auf die offenbar den Feststellungen zufolge nach wie vor bestehende Praxis von Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien - dem bekämpften Bescheid nicht zu entnehmen. Die Einvernahme am 10.10.2018 beschränkte sich - hinsichtlich der Aberkennungsgründe - im Wesentlichen ausschließlich auf die Länderberichte, wobei die daraus abgeleitete (pauschale) Einschätzung des Bundesamtes vom BF zudem bestritten wurde. Der BF wurde dazu weder zu seinem individuellen Vorbringen noch zu konkreten Rückkehrbefürchtungen oder einer inländischen Fluchtalternative befragt, wobei letztere auch sonst nicht thematisiert wurde.
Hinzu kommt, dass es das Bundesamt auch völlig verabsäumt hat, sich mit den konkreten strafrechtlichen Verurteilungen des BF und den zugrundeliegenden Vergehen in einer nachvollziehbaren Form auseinanderzusetzten. Angesichts des Umstandes, dass dem Akteninhalt weder die Urteile in Kopie noch sonst eine Auseinandersetzung mit deren Inhalt - etwa in Hinblick auf die Art und Schwere der begangenen Straftaten - zu entnehmen ist, kann nur davon ausgegangen werden, dass das Bundesamt diesbezüglich keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt, sondern sich offenbar mit dem Inhalt der Strafregisterauskunft begnügt hat. Eine derartige Vorgehensweise widerspricht zumindest hinsichtlich des Einreisverbotes jedenfalls den Vorgaben der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefährdungsprognose (vgl. dazu etwa VwGH 20.10.2016, Zl. Ra 2016/21/0198, Rz. 11). Unabhängig davon kommt aber gerade der Art und Schwere der verübten Straftaten - insbesondere bei einem langjährigen und wie hier legalen Aufenthalt des BF - auch hinsichtlich der Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK und sohin der Rückkehrentscheidung eine zentrale Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr in Fällen, wo auch - wie hier - das Wohl durch die Entscheidung mitbetroffener Kinder zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch VwGH 17.04.2013, Zl. 2013/22/0088).
Nach den dazu vom EGMR aufgestellten Kriterien kommt in Konstellationen wie der hier vorliegenden u.a. der Art und Schwere der begangenen Straftaten, der Dauer des Aufenthalts, der familiären Situation, dem Alter der Kinder sowie dem Interesse und Wohl der Kinder, insbesondere den Schwierigkeiten, die sich den Kindern im Heimatland stellen würden, bei der Interessensabwägung besonderes Gewicht zu (vgl. dazu etwa EGMR 16.10.2014, Adeishvili v. Rußland, Zl. 43.553/10; EGMR 10.01.2017, Salija v. Schweiz , Zl. 55470/10; EGMR 25.04.2017, Krasniqi v. Österreich, Zl. 41697/12; EGMR 16.05.2017, Kemal Hansevic v. Dänemark, Zl. 25748/15). In diesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass es das Bundesamt zudem vollkommen unterlassen hat, sich näher mit der familiären Situation des BF in Österreich - im Hinblick auf die angesprochenen Kriterien (vgl. zu den Kriterien insbesondere EGMR 02.08.2001, Boultif v. Schweiz, Zl. 54273/00, Rz. 48; EGMR 18.10.2006, Üner v. Niederlande, Zl. 46410/99, Rz. 57) - auseinanderzusetzen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. So wurde nicht einmal das Alter der Kinder, geschweige denn deren Bindungen zum Herkunftsland in irgendeiner Form ermittelt. Auch die Zeiten der Erwerbstätigkeit des BF wurden nicht in einer erkennbaren und nachvollziehbaren Weise erhoben. Ein Versicherungsdatenauszug ist - entgegen der Ausführungen im bekämpften Bescheid - dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Der Vollständigkeit halber ist noch klarzustellen, dass die Aufrechterhaltung des Familienlebens durch elektronische Medien oder Besuche jedenfalls eine Einschränkung darstellt, deren Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den Schutzweck des Art. 8 EMRK sich im Einzelfall erst aus einer Abwägung anhand der zuvor angeführten, von der Judikatur des EGMR dazu entwickelten Kriterien ergeben kann (vgl. dazu etwa VwGH 17.04.2013, Zl. 2013/22/0088). Somit fehlt es angesichts der dargestellten Ermittlungssäumnisse an einer auch nur annähernd nachvollziehbaren Grundlage zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme und des Einreiseverbotes.
Hierbei wird auch nicht verkannt, dass aufgrund des kontinuierlich rückfälligen straffälligen Verhaltens des BF, der vier Mal wegen Vergehen gerichtlich rechtskräftig verurteilt wurde, ein entsprechendes öffentliches Interesse an einer zügigen Umsetzung einer gegen ihn gerichteten aufenthaltsbeendenden Maßnahme besteht. Dies entbindet die Behörde aber auch nicht davon, im Hinblick auf ihrer Ermittlungspflicht ein angemessenes und mangelfreies Verfahren durchzuführen, wobei a priori nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Vermeidung der genannten Verfahrens- bzw. Ermittlungsmängel unter Berücksichtigung der zitierten Judikatur in der Sache ein anderes, für den BF günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
2.4. Zusammengefasst ist festzustellen, dass sich das Bundesamt in unzureichender und im Ergebnis untauglicher Weise mit der Frage des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 bzw. Art. 1 Abschnitt C Z 5 der der Genfer Flüchtlingskonvention auseinandergesetzt hat. Indem sich das Bundesamt nicht mit dem gesamten individuellen fluchtrelevanten Sachverhalt, auf dem die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 06.12.2007, Zl. 305.533-3/6E-XIII/65/07, beruht, auseinandergesetzt und klar erkennbar als Ausgangspunkt hinsichtlich einer entscheidungsrelevanten Änderung der Verhältnisse zugrundgelegt hat, erweisen sich die Ermittlungen dazu als von Anfang an ungeeignet. Hinzu kommen die dargestellten massiven Ermittlungsdefizite hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung einer Rückkehrentscheidung bzw. eines Einreiseverbotes im Hinblick auf Art. 8 EMRK.
Im gegenständlichen Fall erweist sich daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Die entscheidenden Ermittlungshandlungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme erscheint unvermeidlich. Die dargetanen Mängel lassen sohin im Ergebnis nur die Feststellung zu, dass das Bundesamt völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist.
Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Aberkennungsverfahren ist im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde geboten erscheint, wobei sich im konkreten Fall erst nach einem nachvollziehbaren, neuen Ermittlungsverfahren ergeben wird, ob im vom Bundesamt eingeleiteten Aberkennungsverfahren die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 tatsächlich vorliegen und die (allfällige) Erlassung eines neuen Bescheides zulassen. Diesbezüglich erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde jedenfalls noch als völlig ungeklärt.
Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Vielmehr ist angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde vom Gegenteil auszugehen.
Auch vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch.
Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit an das Bundesamt zurückzuverweisen.
Infolge der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird sich das Bundesamt mit dem diesbezüglichen gesamten individuellen fluchtrelevanten Sachverhalt, auf dem im Ergebnis die Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 06.12.2007, Zl. 305.533-3/6E-XIII/65/07, beruht, vertraut zu machen und unter konkreter Befragung des BF auseinanderzusetzen haben. Weiters wird auch im Hinblick auf eine allfällige Rückkehrentscheidung nach Erhebung der konkreten den strafrechtlichen Verurteilungen des BF zugrundeliegenden Vergehen die familiäre Situation des BF in Österreich insbesondere im Hinblick auf die unter Punkt II.2.3. angesprochenen Kriterien (vgl. dazu auch EGMR 12.06.2012, Bajsultanov v. Österreich, Zl. 54131/10, Rz. 83 ff.) unter der beantragten Befragung der Gattin bzw. allenfalls der Kinder des BF zu ermitteln sein.
2.5. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in der Begründung unter Punkt 2. wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W182.2214508.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.08.2019