TE Bvwg Beschluss 2019/5/21 W212 2207158-1

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W212 2207158-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft in Islamabad vom 03.09.2018, Zl.:

Islamabad-OB/KONS/0722/2018, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX , geb. XXXX , StA. von Afghanistan, über ihre Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Islamabad vom 27.06.2018, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge: BF), eine Staatsangehörige aus Afghanistan, stellte am 06.02.2018 unter Anschluss diverser Unterlagen bei der österreichischen Botschaft in Islamabad (ÖB Islamabad) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 AsylG. Begründend führte die BF aus, dass sie die Ehegattin des XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, sei. Diesem wurde mit Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.09.2014 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

In der Folge übermittelte die ÖB Islamabad den Antrag und Sachverhalt an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG.

Mit Schreiben vom 19.04.2018 erstattete das BFA eine solche Stellungnahme und führte darin aus, dass die Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen sei, da die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe und die Antragstellerin damit nicht als Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG festgestellt werden kann.

Mit Schreiben vom 13.06.2018, zugestellt am 19.06.2018, wurde die BF seitens der ÖB Islamabad aufgefordert, sich zur gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA zu äußern.

Mit Schriftsatz vom 19.06.2018 wurde eine Stellungnahme eingebracht und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass mit 01.11.2017 das BGBl. I Nr. 145/2017 in Kraft getreten sei, mit welchem hinsichtlich der Familienzusammenführung, im Asylgesetz die österreichische Rechtslage an die rechtlichen Erfordernisse der Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG vom 22.09.2003) angepasst worden wäre. Das Gesetz erfordere nunmehr nicht mehr, dass ein Eheleben bzw. eine gültige Ehe im Herkunftsland, sondern nur mehr vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich bestanden haben muss. Diese Kriterien wären erfüllt, da die Ehe bereits vor der Flucht der Bezugsperson in Afghanistan geschlossen worden wäre und die Ehe somit vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich am 12.06.2010 bestanden habe. Die Prognoseentscheidung des Bundesamtes sei nicht begründet und stelle dies eine Verletzung des Parteiengehörs dar.

Die Stellungnahme wurde dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung zugeleitet.

Mit Eingabe vom 26.06.2018 teilte das BFA mit, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin keine Änderung der ursprünglichen Wahrscheinlichkeitsprognose bewirke.

Mit Bescheid vom 27.06.2018 wies die ÖB Islamabad den Antrag der BF auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG zur Begründung wurde auf die Stellungnahme des BFA vom 19.04.2018 verwiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 21.07.2018 fristgerecht Beschwerde. Diese deckt sich im Wesentlichen mit der Stellungnahme vom 19.06.2018 und wird ausgeführt, dass ein Familienleben iSd Artikel 8 EMRK nach Rechtsprechung des EGMR jedenfalls die Beziehung umfasse, die aus einer rechtmäßigen und aufrechten Eheschließung entstehe. Dies sei auch dann der Fall, wenn das Eheleben noch nicht im vollen Umfang geführt hätte werden können. Es sei nach dieser Rechtsprechung nicht auf die bisherige Dauer der Ehe abzuzielen. Die Eheleute hätten sich erst bei der Hochzeit kennengelernt, allerdings hätten sie danach einige Zeit zusammen verbracht und hätten ein Familienleben begründet. Auch nach der Flucht der Bezugsperson wären die Eheleute weiterhin in Kontakt geblieben, und solle das Familienleben nun nach der Einreise der Beschwerdeführerin weitergeführt werden.

In der Folge hat die ÖB Islamabad mit Bescheid vom 03.09.2018 eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit welcher die Beschwerde gem. § 14 Abs. 1 VwGVG abgewiesen wurde. Begründend führte die Botschaft im Wesentlichen aus, dass die BF einen Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG gestellt habe, und hiezu eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ergangen sei. Die BF sei ordnungsgemäß zur Stellungnahme aufgefordert worden und sei erst nach Verstreichen der Stellungnahmefrist bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung des von der BF gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG 2005 sei somit nur in Betracht gekommen, dass nach der Mitteilung des BFA die Erfolgsaussichten eines Antrages der BF auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden. Auch unabhängig der angeführten Bindungswirkung vermöge die Beschwerde die Beweiswürdigung nicht zu entkräften, da die von den Eltern arrangierte traditionelle Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson in Afghanistan unbestritten nicht registriert worden wäre, demnach die Ehe auch nach staatlichem afghanischen Recht ungültig sei und die Ehegatteneigenschaft zweifellos nicht gegeben wäre.

Dagegen brachte die BF mit Schriftsatz vom 12.09.2018 und somit fristgerecht einen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht ein, in welchem hinsichtlich der Begründung auf die Beschwerde vom 21.07.2018 verwiesen wurde.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde am 08.10.2018 dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt dem Verwaltungsakt übermittelt.

In einer Beschwerdeergänzung vom 15.05.2019 bringt die Beschwerdeführerin vor, dass nach der Hochzeit ein zweimonatiges Eheleben stattgefunden habe und sie zwar nicht alleine in einem gemeinsamen Haushalt jedoch sehr wohl im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern der Bezugsperson gelebt hätten. Außerdem werde auf ein näher bezeichnetes Gutachten eines Sachverständigen verwiesen, wonach insbesondere bei Schiiten, wenn es keine Möglichkeit nach gängiger Regeln gebe, eine Ehe zu schließen, die Brautleute auch einander das Ja-Wort geben können, was ebenfalls, wenn sie es später vertrauten Freunden berichten, als Ehe gelte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Feststellungen:

Die BF stellte am 06.02.2018 bei der ÖB Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, genannt, welcher der Ehemann der BF sei. Diesem wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 01.09.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Nach Antragstellung wurde vom BFA mitgeteilt, dass eine Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen sei.

Nach Einbringung einer Stellungnahme der BF erfolgte eine neuerliche Prüfung des Sachverhaltes durch das BFA und teilte dieses in der Folge in seiner Stellungnahme vom 26.06.2018 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe.

2.) Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich insbesondere aus dem eigenen Vorbringen der BF in Zusammenhalt mit den von ihr vorgelegten Urkunden und dem Akt der ÖB Islamabad.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt {§ 1 leg.cit). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß Abs. 3 leg. cit. im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

§ 26 FPG lautet:

Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asyl berechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.

§ 35 AsylG lautet:

(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.-gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.-das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.-im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Die Vertretungsbehörden haben nicht das AVG anzuwenden; für sie sind die in § 11 FPG enthaltenen besonderen Verfahrensvorschriften (...) maßgeblich; (...) (VwGH 13.12.2012, 2012/21/0070).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (siehe zu dem ganzen BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1ua).

Die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens erfordern, dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist; (...) (VwGH 24.10.2007, 2007/21/0216).

Im vorliegenden Fall fällt auf, dass das BFA in seiner Mitteilung vom 19.04.2018 davon spricht, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin auch keine Familienangehörige iSd des vierten Hauptstücks des Asylgesetztes 2005 sei. In einer späteren Stellungnahme des BFA vom 26.06.2018 wird der Fokus darauf gelegt, dass die Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin niemals ein tatsächliches Eheleben geführt habe, sodass die Behörde erneut zu einer negativen Prognose komme.

In der erstgenannten Stellungnahme wies das BFA überdies ausdrücklich darauf hin, dass aus Sicht der Behörde auch keineswegs davon ausgegangen werden könne, dass die Eheschließung als erwiesen anzunehmen sei, da es möglich wäre, jegliches Dokument mit jedem nur erdenklichen Inhalt auch entgegen der wahren Tatsachen auch widerrechtlich zu erlangen, möglich wäre.

Hiezu ist auszuführen, dass die Frage, ob die behauptete Ehe im Herkunftsstaat Gültigkeit erlangt hat, eine unabdingbare Voraussetzung für die Beurteilung des vorliegenden Falles darstellt. Die Behörde hat jedoch keine Feststellungen darüber getroffen, ob und wann nach den Formvorschriften des Ortes der Eheschließung die Ehe als gültig zustande gekommen anzusehen ist. Die Bezugsperson gab in ihrer Einvernahme vom 15.06.2010 an, dass es zur Heirat nur eine handgeschriebene Bestätigung eines Mullahs gebe.

Dem Antrag beigelegt wurde eine Urkunde über eine traditionelle Eheschließung am 22.03.2009.

Nachdem keine fundierten Feststellungen über die afghanische Eherechtslage hinsichtlich der Form der Eheschließung getroffen wurden, ist es für das erkennende Gericht nicht möglich die Rechtsgültigkeit der Eheschließung zu beurteilen. Somit ist einem ersten Schritt abzuklären, ob inhaltliche Vorbehalte gegen die Eheschließung, die eine Verletzung des ordre public begründen könnten (wie etwa eine Verletzung des Verbotes der Kinderehe oder des Ehezwangs) vorliegen, und gegebenenfalls ob und wann die Ehe als gültig zustande gekommen anzusehen ist.

Mit 01.11.2017 (BGBl. I 145/2017) ist die angewandte Bestimmung des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 dahingehend novelliert worden, dass die Familieneigenschaft nicht bereits im Herkunftsstaat, sondern lediglich vor der Einreise der Bezugsperson bestanden haben muss. Aufgrund der fehlenden Übergangsbestimmung zu § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ist die aktuelle Rechtslage auf alle laufenden Verfahren, demnach auch auf das gegenständliche Verfahren, anzuwenden.

Sollte sich ergeben, dass es sich um eine nach afghanischem Recht gültige Ehe, die auch sonst nicht gegen die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung verstößt, handelt, so hat eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Vorbringen hinsichtlich des (Nicht)Bestehens eines Familienlebens der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson zu erfolgen. Aus der gesamten Konzeption des Familienverfahrens kann gefolgert werden, dass nur jene Personen begünstigt werden sollen, welche bereits ein Familienleben iSd des Artikel 8 EMRK geführt haben. Für das erkennende Gericht ist jedoch nicht nachvollziehbar, aus welchen konkreten Gründen im vorliegenden Fall davon ausgegangen wurde, dass kein (relevantes) Familienleben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson in der Heimat bestanden haben soll.

Es fehlen Abklärungen hinsichtlich des angegebenen Familien- bzw. Ehelebens und kann der Begründung der belangten Behörde, die sich allein auf das Zusammenleben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson im Haushalt der Eltern der Bezugsperson und auf die Tatsache, dass ein Zusammenleben nur für zwei Monate stattgefunden habe, stützt, und demnach von keinem aufrechten Familienleben gesprochen werden könne, nicht gefolgt werden. Zur Beurteilung sowie zur Berücksichtigung des Artikel 8 EMRK sind andere bzw. ergänzende Nachweise heranzuziehen, etwa die ergänzende Befragung der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson zur angegebenen Eheschließung bzw. zur Ausgestaltung des bisherigen

gemeinsamen Familien- bzw. Ehelebens.

Nur auf Basis von ergänzenden und konkretisierten Abklärungen und Feststellungen können weitergehende Erwägungen hiezu getroffen werden.

Die Begründung der getroffenen negativen Entscheidung des angefochtenen Bescheides erweist sich somit in seinen verfahrenswesentlichen Punkten als aus dem vorliegenden Verwaltungsakt selbst heraus nicht nachvollziehbar. Damit sind die tragenden Entscheidungsgründe im gegenständlichen Verfahren auch für das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des gegenwärtig vorliegenden Akteninhaltes nicht überprüfbar, bzw. kann das Bundesverwaltungsgericht aufgrund des Akteninhaltes selbst keine Einschätzung betreffend des Vorliegens der Voraussetzungen des gegenständlichen Antrages vornehmen.

Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufzuheben und der ÖB Islamabad die Erlassung eines neuen Bescheides nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im den vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W212.2207158.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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