Entscheidungsdatum
27.05.2019Norm
AsylG 2005 §7 Abs1Spruch
W182 1261908-3/ E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, Zl. 740467005-190158145/BMI-BFA_STM_AST_01, gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und ist muslimischen Glaubens.
Er stellte am 17.03.2004 in Österreich einen Asylantrag, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes abgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 26.09.2006, Zl. 261.908/5-IX/25/06, stattgegeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG 1997 zuerkannt. Begründend wurde festgehalten, der BF sei an beiden Tschetschenienkriegen beteiligt gewesen, russische Milizen hätten ihn als Widerstandskämpfer behandelt und ihn folglich inhaftiert und gefoltert. Der BF, seine Ehegattin und ein gemeinsames Kind wären HIV infiziert, er müsse sich einer HIV Therapie in einem spezialisierten HIV Zentrum mit begleiteter Kontrolle unterziehen.
2. Der BF wurde in Österreich mehrmals straffällig. Mit Urteil eines Landesgerichts vom November 2004 wurde er wegen § 83 Abs. 1 StGB, und §§ 15, 105 Abs.1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die unter Verhängung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Mit Urteil eines Landesgerichts vom Mai 2006 wurde er wegen § 87 Abs. 1 StGB, §§ 15, 229 Abs. 1, StGB, §§ 127, 15 StGB, §§ 130, 15 StGB und § 146 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom November 2008 wurde er wegen § 15, 127 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen zu je 2,00 EUR verurteilt. Mit Urteil eines Landesgerichts vom Juli 2009 wurde er wegen § 105 Abs. 1 StGB und § 127 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Mit Urteil eines Landesgerichts vom Juli 2010 wurde er wegen § 87 Abs. 1 StGB, § 107 Abs. 1 und 2 StGB, § 109 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit Urteil eines Landesgerichts vom Jänner 2013 wurde er rechtskräftig wegen § 178 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, welche unter Verhängung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde und einer Geldstrafe von 240 Tagssätzen zu je 4,00 EUR verurteilt. Mit Urteil eines Landesgerichts vom März 2014 wurde er wegen § 178 StGB zu keiner Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB verurteilt. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom Oktober 2014 wurde er wegen § 127 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 200 Tags zu je 4,00 EURO verurteilt. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom April 2016 wurde er rechtskräftig wegen § 229 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 220 Tags zu je 4,00 EUR verurteilt. Mit Urteil eines Bezirksgerichts vom Dezember 2016 (rechtskräftig im Jänner 2017) wurde er wegen einer Straftat im September 2016 gemäß § 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 160 Tags. zu je 4,00 EUR verurteilt.
3. Am 20.11.2018 wurde ein Abschlussbericht einer Stadtpolizei vom 19.11.2018 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) zugestellt betreffend der Anzeige gegen den BF wegen des Verdachts des Gebrauches von verfälschten Kennzeichne im Rechtsverkehr iSd. § 223 Abs. 1 und 2 StGB iVm. § 224 StGB - besonders geschützte Urkunden (Kennzeichen).
Der BF wurde daraufhin am 28.12.2018 zu einer niederschriftlichen Befragung für den 15.01.2019 geladen, zu welcher er jedoch nicht erschien. Am 16.01.2019 erhielt die Behörde ein Schreiben einer XXXX betreffend des Nicht-Erscheinens des BF, in welcher diese ersuchte, den BF aufgrund seiner Erkrankung in XXXX einzuvernehmen. Dazu wurde ein Konvolut an Arztbefunden beigefügt.
Dem BF wurde daraufhin schriftlich Parteiengehör gewährt und ihm eingeräumt betreffend die Einleitung eines Asyl-Aberkennungsverfahrens und zu den Länderfeststellungen zur Russischen Föderation binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen.
Am 06.02.2019 langte eine Stellungnahme ein, in welcher der BF vorbrachte, dass er mit seiner Frau XXXX nach muslimischen Recht verheiratet sei und sie bereits einen Antrag beim Standesamt für die Eheschließung gestellt hätten. Sie hätten die gemeinsame Obsorge über 12 Kinder, sieben davon wären seine eigenen, von seiner ersten Frau sei er geschieden. Sein Bruder lebe auch bei ihm, dieser benötige Dialyse und habe nur ein Bein. In Tschetschenien würden nach wie vor seine Mutter und fünf Geschwister leben, ein weiterer Bruder lebe in XXXX . Der BF beherrsche die deutsche Sprache gut und nehme sein Sprachniveau bei ca. 80 % an, wegen seiner Invalidität habe er keinen Deutschkurs bekommen. Auf Grund seiner vielen Krankheiten sei er nicht arbeitsfähig, diesbezüglich lege er ein Bestätigungsschreiben einer Universitätsklinik vom 31.01.2019 bei, außerdem habe er einen Behindertenpass, er sei zu 100 % behindert. Da er sehr oft stationär aufgenommen werde und sich um die Kinder kümmere, könne er keine Kurse besuchen. Er leide an einer chronischen HIV-Infektion die zu einer Immunschwäche führe und die lebenslange Einnahme von Medikamenten erfordere, um Krankheit und Tod zu vermeiden. Es sei richtig, dass er bereits mehrfach strafrechtlich verurteilt worden sei, wobei er jedoch nie ein besonders schweres Verbrechen iSd § 6 AsylG begangen habe. Sollte die Behörde das dennoch bejahen, sei festzuhalten, dass seine letzte Verurteilung im Jänner 2017 gewesen sei und er sich seither nichts mehr zu Schulden habe kommen lassen, er bereue seine Taten sehr und es sei ihm bewusst, dass sie ein großer Fehler gewesen wären. Er halte sich bereits seit 2004 in Österreich auf und sei für zwölf Kinder obsorgeberechtigt, eine Trennung würde jedenfalls Art. 8 EMRK widersprechen. Insbesondere sei auf die damaligen Gründe für die Asylzuerkennung abzustellen, wonach der Unabhängige Bundesasylsenat davon ausging, dass der BF von staatlicher Seite aus politischen Gründen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit als Gegner angesehen bzw. eine solche Gegnerschaft oder Sympathie und tatkräftige Unterstützung in Verbindung mit seiner ethnischen Herkunft unterstellt würde. Diese Gründe wären noch aufrecht und habe sich seine gesundheitliche Situation deutlich verschlechtert, eine regelmäßige und ununterbrochene Einnahme seiner Medikamente sei unbedingt notwendig und wäre in der Russischen Föderation in seiner Situation nicht gewährleistet. Seine Exfrau habe ihn darüber hinaus bei den tschetschenischen Behörden mit falschen Anschuldigungen belastet, weshalb zusätzliche Gefahr bei einer Rückkehr bestehe. Da die Voraussetzungen für eine Asylaberkennung und eine Rückkehrentscheidung nicht vorliegen würden, sei das Aberkennungsverfahren einzustellen.
Der Stellungnahme wurde ein Konvolut an Unterlagen beigelegt:
* Schreiben einer Universitätsklinik vom 31.01.2019 wonach der BF an einer chronischen HIV Infektion leide, die zur Immunschwäche führe und eine lebenslange Einnahme von Medikamenten erfordere, die regelmäßige ununterbrochene Einnahme sei notwendig, um Krankheit und Tod zu verhindern, eine Rückkehr in sein Heimatland sei nur vertretbar, wenn der BF an einer Spezialambulanz angebunden werden könne und die korrekte und ununterbrochene Versorgung mit HIV Medikamenten sichergestellt werde;
* Bestätigungsschreiben einer Universitätsklinik vom 31.01.2019 über die Arbeitsunfähigkeit des BF;
* Diverse Schreiben über stationäre Behandlungen des BF;
* Unterstützungsschreiben;
* Passkopien der Konventionsreisepässe der Kinder.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019 wurde der dem BF mit Bescheid 26.09.2006, Zahl: 261.908/5-IX/25/06, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, aberkannt und gemäß § 7 Absatz 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem BF gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde festgehalten, dass der BF mehrmals von Landesgerichten wegen der Begehung von strafrechtlichen Delikten zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt worden sei, unter anderem zu 2 Jahren wegen §§ 87 Abs. 1, 15, 107 Abs. 1 und 2, 125, 109 Abs.1 und Absatz 3 Z 1 StGB. Seit seiner illegalen Einreise im März 2004 habe er Haftstrafen wegen der Begehung von gerichtlich strafbaren Handlungen in der Höhe von insgesamt vier Jahren verbüßt. Er sei auch mehrmals von Bezirksgerichten zu Geldstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt worden (insgesamt 470 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Aufgrund seiner Verurteilungen sei er jenem Personenkreis zuzurechnen, die eine Gefahr für die Sicherheit der in der Republik Österreich aufhältigen Menschen darstelle. Betreffend die Gefährdungslage ehemaliger Rebellen im Tschetschenienkrieg werde festgestellt, dass eine solche generelle Bedrohung zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr bestehe und im konkreten Einzelfall eine solche Bedrohung auch nicht festgestellt werde. Seine Familie, darunter seine Mutter, drei Schwestern und drei Brüder würden problemlos in Tschetschenien leben. Seine vier Kinder aus erster Ehe hätten zumindest 1 1/2 Jahre in Tschetschenien verbracht. Der BF habe sich im August 2012 einen Reisepass für die Russische Föderation ausstellen lassen.
Der BF habe seine Ehefrau durch ungeschützten Geschlechtsverkehr auch der Gefahr ausgesetzt an HIV zu erkranken. Auch eines seiner Kinder sei an HIV erkrankt und befinde sich seit Dezember 2009 in Behandlung. Eine nachhaltige Integration des BF habe nicht festgestellt werden können. Aus den Länderfeststellungen gehe hervor, dass es gegen seine Erkrankungen (HIV, Hepatitis C, Nierenerkrankung und Drogensucht) medizinische Behandlungseinrichtungen und Medikamente in der Russischen Föderation und speziell in Tschetschenien gebe. Eine von seinem behandelnden Arzt angeführte Spezialambulanz sei laut Informationen der Staatendokumentation in Moskau als auch Grozny vorhanden. Auch seiner Familie, seiner Ehefrau und seinen sieben Kinder, wobei vier davon von seiner Ex-Ehefrau wären, wäre es zumutbar und möglich mit dem BF gemeinsam in der Russischen Föderation zu leben. Seine vier Kinder aus erster Ehe hätten bereits von März 2011 bis September 2012 in Tschetschenien gelebt, von Problemen wäre nicht berichtet worden.
Rechtlich wurde festgehalten, dass gegen den BF mehrere rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen gegen Leib und Leben, Eigentum und wegen vorsätzlicher Gefährdung von Menschen mit übertragbaren Krankheiten vorliegen würden, darüber hinaus habe er mehrfache Verwaltungsübertretungen begangen, aktuell werde gegen den BF wegen des Verdachts des Gebrauchs von verfälschten Kennzeichen ermittelt. Es liege keine generelle Verfolgung oder Bedrohung ehemaliger Rebellen des Tschetschenienkrieges mehr vor, dagegen spreche auch, dass seine gesamte Familie problemlos in Tschetschenien lebe. Zudem habe sich der BF im August 2012 einen Reisepass der Russischen Föderation ausstellen lassen. Dem BF sei daher gem. § 7 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten abzuerkennen gewesen. Die Gewährung subsidiären Schutzes sei auch ausgeschlossen, da ein Aberkennungsgrund gem. § 9 Abs. 2 AsylG vorliege, so sei der BF von mehreren Landesgerichten rechtskräftig zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG würden ebenfalls nicht vorliegen. Der BF lebe mit seinen sieben eigenen Kindern und seiner zweiten Ehefrau zusammen, welchen es zumutbar sei aufgrund der aktuellen Länderfeststellungen nach Tschetschenien zu reisen, seine vier erstgeborenen Kinder hätten zumindest eineinhalb Jahre in Tschetschenien gelebt. Es sei auch zumutbar, dass seine Kinder bei seiner zweiten Ehefrau bleiben würden, die in Österreich Asylstatus habe, den sie aufgrund der glaubhaften Bedrohung durch ihren Exmann erhalten habe. Es sei aber auch seiner Ehefrau ohne weiteres möglich mit dem BF gemeinsam nach Tschetschenien zu reisen. Der BF habe in Österreich keine Schule oder Kurse besucht, er habe Haftstrafen nach rechtskräftigen Urteilen von Landesgerichten wegen gerichtlich strafbarer Handlungen verbüßt, wegen seiner Erkrankungen (Behinderungsgrad von 100 Prozent) habe er keiner Arbeit nachgehen können. Bis auf seine Nachbarn habe er in Österreich keine Freunde oder Bekannten. Die Rückkehrentscheidung sei im gegenständlichen Fall daher zulässig. Da auch sonst keine Gründe gegen die Rückkehr in die Russische Föderation vorliegen würden, sei die Rückkehrentscheidung durchsetzbar.
5. Gegen den Bescheid wurde durch die Rechtsvertretung des BF binnen offener Frist gegen alle Spruchpunkte, mit Ausnahme der Spruchpunkte
III. und VI. Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF im Falle seiner Rückkehr jedenfalls mit Verfolgung sowie mit "real risk" für sein Leben und die Gesundheit wie auch mit unmenschlicher Behandlung in Russland rechnen müsse. Bei einer Abschiebung käme es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer gravierenden Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK. Dies stelle ein Abschiebungshindernis dar. Weiters wurde auf einen Artikel der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung vom 19.02.2018 verwiesen, wonach eine der wesentlichen Schwachstellen der staatlichen Aids-Politik in Russland der mangelnde Zugang zu medizinischer Versorgung für Menschen mit HIV Infektionen sei. Der Prozentanteil liege zwischen 17 und 26 Prozent der Menschen, die Zugang zu einer antiretroviralen Therapie hätten, was sogar deutlich geringer als der weltweite Durchschnitt von 46 Prozent sei. Besonders Drogennutzer und andere Randgruppen der Gesellschaft hätten es schwer einen Platz im staatlichen Behandlungsprogramm zu bekommen, obwohl die kostenlose Behandlung von HIV in Russland gesetzlich festgeschrieben sei. In vielen russischen Regionen komme es regelmäßig zu Versorgungsengpässen in staatlichen Behandlungszentren, die dazu führen, dass die Betroffenen ihre Behandlung aussetzen oder abbrechen müssten. Durch den geringen Zugang zur Behandlung steige auch die Sterblichkeitsrate durch HIV und Aids in Russland. Dazu wurde weiters auf einen im März 2019 gesendeten TV-Bericht des MDR "Die verdrängte Seuche - Aids in Russland" verwiesen, wonach über 900.000 bis 1,2 Millionen HIV-infizierte Personen in Russland leben würden. Laut eines gleichfalls zitierten Artikels der Frankfurter Rundschau vom April 2018 gelte HIV in Russland weiter als Randgruppenkrankheit, als etwas Unanständiges, Fremdartiges. Der BF geriete somit in eine ausweglose und existenzbedrohende Lage und würde jedenfalls mit einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung konfrontiert. Darüber hinaus greife diese Entscheidung auch massiv und unverhältnismäßig in das Familienleben des BF und in seine durch Art. 8 EMRK geschützten Rechtsgüter ein. Der BF befinde sich bereits seit August 2004 in Österreich, er habe seine jetzige Frau im Jahr 2012 kennengelernt und lebe mit ihr im gemeinsamen Haushalt, sie hätten gemeinsam die Obsorge für 12 Kinder, die alle anerkannte Flüchtlinge wären. Der BF spreche sehr gut Deutsch und habe sich in XXXX sehr gut eingelebt. Es werde nicht bestritten, dass der BF mehrmals strafrechtlich verurteilt worden sei, jedoch bereue er diese Taten sehr und habe die Schuld der österreichischen Gesellschaft gegenüber bereits beglichen. Die Behörde verkenne ein ausgeprägtes Familienleben und hätte daher jedenfalls die Entscheidung zu treffen gehabt, dass eine Rückkehr des BF nach Russland auf Dauer unzulässig sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchteil A):
2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063):
"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."
Die verwaltungsgerichtliche meritorische Entscheidungszuständigkeit hält grundsätzlich hintan, dass die Erledigung eines von einer Verwaltungsbehörde eingeleiteten Verfahrens erst nach einem längeren Zeitraum hinweg in einer Art eines "Pingpongspiels" erfolgenden Wechsels zwischen verwaltungsgerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Entscheidungen erfolgen kann. Zudem wird nur ein solches Verständnis der mit der Etablierung der Verwaltungsgerichte erfolgenden Zielsetzung gerecht, den Anforderungen der EMRK sowie denen des Rechts der Europäischen Union im Bereich des Verwaltungsrechtsschutzes zu entsprechen. Zum einen ist aufgrund dieser Anforderungen bei der Interpretation der sich aus § 28 Abs 3 VwGVG für die meritorische Entscheidungskompetenz ergebenden Ausnahmen ohnehin auch das grundsätzlich zu einer restriktiven Sicht dieser Ausnahmen führende Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Zum anderen ist nicht zu übersehen, dass auf dem Boden der meritorischen Entscheidungskompetenz getroffene Entscheidungen der Verwaltungsgerichte grundsätzlich eine verlässliche Gewähr dafür bieten, dass den von diesen Vorgaben an die behördliche Entscheidungskompetenz gerichteten Anforderungen entsprochen wird (vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründungen hinwegsetzen (vgl. VwGH 10.04.2013, 2011/08/0169).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, etwa in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Pflicht zur Durchführung notwendiger Ermittlungen des Sachverhalts nicht nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:
2.2. Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor.
Das Bundesamt hat es unterlassen, nachvollziehbare Feststellungen zum Familienleben des BF in Österreich zu treffen, sondern sich ausschließlich auf die strafrechtlichen Verurteilungen des BF beschränkt. Der ermittelte Sachverhalt stellt keine annähernd ausreichende Grundlage für eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK dar.
Nach den dazu vom EGMR aufgestellten Kriterien kommt in Konstellationen wie der hier vorliegenden u.a. der Art und Schwere der begangenen Straftaten, der Dauer des Aufenthalts, der familiären Situation, dem Alter der Kinder sowie dem Interesse und Wohl der Kinder, insbesondere den Schwierigkeiten, die sich die Gattin bzw. Lebensgefährtin und die Kinder im Heimatland stellen würden, bei der Interessensabwägung besonderes Gewicht zu (vgl. dazu etwa EGMR 16.10.2014, Adeishvili v. Rußland, Zl. 43.553/10; EGMR 10.01.2017, Salija v. Schweiz , Zl. 55470/10; EGMR 25.04.2017, Krasniqi v. Österreich, Zl. 41697/12; EGMR 16.05.2017, Kemal Hansevic v. Dänemark, Zl. 25748/15).
In diesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass es das Bundesamt vollkommen unterlassen hat, sich näher mit der familiären Situation des BF in Österreich - im Hinblick auf die angesprochenen Kriterien (vgl. zu den Kriterien insbesondere EGMR 02.08.2001, Boultif v. Schweiz, Zl. 54273/00, Rz. 48; EGMR 18.10.2006, Üner v. Niederlande, Zl. 46410/99, Rz. 57) - auseinanderzusetzen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. So wurde nicht einmal das Alter der Kinder, geschweige denn - abgesehen von einem eineinhalbjährigen Aufenthalt eines Teils der Kinder - deren Bindungen zum Herkunftsland in irgendeiner Form ermittelt. Auch die Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides, wonach es der Gattin bzw. Lebensgefährtin des BF, die aufgrund der "glaubhaften Bedrohung ihres Ex-Mannes" über einen Asylstatus in Österreich verfüge, "in Zusammenschau mit der aktuellen Sicherheitslage in der Russische Föderation" ohne weiteres möglich wäre, mit den BF gemeinsam nach Tschetschenien zu reisen, keinen nachvollziehbaren Ermittlungshintergrund erkennen. Weder der BF noch dessen Gattin bzw. Lebensgefährtin wurden dazu befragt, noch ergeben sich die konkreten Asylgründe letzterer aus dem Akteninhalt.
Hinzu kommt, dass es das Bundesamt auch verabsäumt hat, sich mit den konkreten strafrechtlichen Verurteilungen des BF und den zugrundeliegenden Straftaten in einer nachvollziehbaren Form auseinanderzusetzten, sondern sich offenbar mit dem Inhalt der Strafregisterauskunft begnügt hat. Aber gerade der Art und Schwere der verübten Straftaten - insbesondere bei einem langjährigen und wie hier legalen Aufenthalt des BF kommt hinsichtlich der Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK eine zentrale Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr in Fällen, wo auch - wie hier - das Wohl durch die Entscheidung mitbetroffener Kinder zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch VwGH 17.04.2013, Zl. 2013/22/0088).
Weiters ist dem BF zuzustimmen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.09.2006 (unter anderem) auch mit der schlechten Versorgungslage von HIV-positiven Personen in der Russischen Föderation begründet wurde. Die mangelnde Ermittlungstätigkeit der Behörde äußert sich daher nicht zuletzt auch darin, dass sie sich kaum erkennbar mit den vom BF vorgelegten, umfangreichen Befunden und der indizierten Therapie (samt konkreten Medikamentenplan) auseinandergesetzt hat, sondern sich mit einer Anfragebeantwortung vom Mai 2017 begnügt hat, wonach es sowohl in Moskau als auch in Grosny ein Aids-Zentrum gibt, wobei auch "diverse Medikamente" verfügbar seien. Dies reichte allerdings unter Zugrundelegung der Ernsthaftigkeit der Erkrankung, der Ausführungen in der Stellungnahme vom 06.02.2019, wonach der BF als multimorbider 100% Invalide (in Folge des Fehlens einer Niere und einer Missbildung an der verbleibenden Niere) auf die Betreuung in einer Spezialambulanz angewiesen sei, sowie insbesondere im Hinblick auf die im Rahmen der Beschwerde vorgelegten aktuelleren Berichte, die offenbar signifikante Engpässe in der Versorgungslage von HIV-infizierten Personen im Herkunftsland aufzeigen, als Grundlage für eine Beurteilung im Hinblick auf eine reale Gefahr nach Art. 3 EMRK nicht aus (vgl. dazu insbesondere EGMR, 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff). In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuwiesen, dass auch dem Gesundheitszustand des BF im Hinblick auf die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK eine entsprechende Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 28.01.2016, Zl. Ra 2015/21/0199, vgl. dazu aber auch VwGH 06.11.2018, Zl. 2018/01/0106).
Letztlich kommt aber noch hinzu, dass das Bundesamt auch das Vorbringen des BF in der Stellungnahme vom 06.02.2019, wonach ihm seine Ex-Frau bei den Behörden in Tschetschenien mit falschen Anschuldigungen belastet habe und deshalb eine zusätzliche Gefahr bei der Rückkehr bestehe, vollkommen ignoriert hat.
Das Bundesamt hat es darüber hinaus aber auch unterlassen, dem BF zumindest einmal persönlich im Rahmen einer Einvernahme zu befragen. Indem die belangte Behörde diesen (letztlich für alle Spruchpunkte ihres Bescheides) grundlegenden Ermittlungsschritt im Verwaltungsverfahren nicht gesetzt hat, leidet die angefochtene Entscheidung in ihrer Gesamtheit unter einem gravierenden Ermittlungsmangel, der auch durch die Gewährung schriftlichen Parteiengehörs nicht geheilt wird. Insbesondere war es dem BF möglich, sein Nichterscheinen zur geladenen ersten Einvernahme nachvollziehbar zu begründen, indem er anführte, der Einvernahme in der XXXX aus gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen zu können und in einem um eine Einvernahme in XXXX ersuchte.
Hierbei wird auch nicht verkannt, dass aufgrund des kontinuierlich rückfälligen straffälligen Verhaltens des BF, ein sehr gewichtiges öffentliches Interesse an einer zügigen Umsetzung einer gegen ihn gerichteten aufenthaltsbeendenden Maßnahme besteht. Dies entbindet die Behörde aber auch nicht davon, im Hinblick auf ihrer Ermittlungspflicht ein angemessenes und mangelfreies Verfahren durchzuführen, wobei a priori nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Vermeidung der genannten Verfahrens- bzw. Ermittlungsmängel unter Berücksichtigung der zitierten Judikatur in der Sache ein anderes, für den BF günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
2.3. Im gegenständlichen Fall erweist sich daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Die entscheidenden Ermittlungshandlungen, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen. Die Durchführung oder Wiederholung einer Einvernahme erscheint unvermeidlich. Die dargetanen Mängel lassen sohin im Ergebnis nur die Feststellung zu, dass das Bundesamt völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt bzw. bloß ansatzweise ermittelt hat, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist.
Die Behörde hat somit im konkreten Fall in gravierender Weise gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. § 18 Abs. 1 AsylG 2005 verpflichtet das Bundesamt, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; 06.10.1999, 98/01/0311; 14.10.1998, 98/01/0222; 21.09.2000, 98/20/0361; 04.05.2000, 99/20/0599).
Unter Zugrundelegung des bisher Ausgeführten und insbesondere des Umstandes, dass der BF vom Bundesamt nicht einmal einvernommen wurde, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass zur Behebung der Mängel (lediglich) "ergänzende" Ermittlungen durch das Bundesverwaltungsgericht vorzunehmen wären (vgl. etwa VwGH 15.11.2018, Zl. Ra 2018/19/0268-9).
Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichtes gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Vielmehr ist angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde vom Gegenteil auszugehen.
Auch vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG macht das Bundesverwaltungsgericht von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch.
Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit an das Bundesamt zurückzuverweisen.
Die Behörde wird in der Folge den BF zumindest einmal persönlich einzuvernehmen und zu sämtlichen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung entscheidungsmaßgeblichen Umstände zu befragen haben. Dabei wird auch im Hinblick auf eine allfällige Rückkehrentscheidung nach Erhebung der konkreten den strafrechtlichen Verurteilungen des BF zugrundeliegenden Straftaten die familiäre Situation des BF in Österreich insbesondere im Hinblick auf die unter Punkt II.2.2. angesprochenen Kriterien unter der Befragung der Gattin bzw. Lebensgefährtin des BF und allenfalls dessen Kinder zu ermitteln sein. Weiters wird sich die Behörde mit den in der Beschwerde dargetanen Berichten zur Versorgungssituation von HIV-infizierten Personen im Herkunftsland auseinanderzusetzen und individuell auf die vom BF vorgelegten Befunde und der daraus resultierenden indizierten Therapie abgestimmte aktuelle Recherchen zum Zugang zu medizinisch indizierten Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland anzustellen haben.
2.4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insbesondere die unter den Punkten II.2.1. f. zitierte Judikatur).
Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W182.1261908.3.00Zuletzt aktualisiert am
09.08.2019