TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/11 W234 2219626-1

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Veröffentlicht am 11.06.2019
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Entscheidungsdatum

11.06.2019

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W234 2219626-1/4Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Dr. Joachim Rathbauer gegen Spruchpunkt V des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2018, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ersatzlos aufgehoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 29.09.2018 mit seinem Bruder XXXX in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der polizeilichen Erstbefragung am 30.09.2018 brachte er vor, er sei Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der Volksgruppe der Inguschen. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass seine Cousine, deren Mann und sein Bruder XXXX im April 2017 in die Stadt Naltschik (Kabardino-Balkarien) gefahren seien. An der Grenze zu Nordossetien seien sie von Grenzpolizisten aufgehalten und mitgenommen worden. Sie seien verdächtigt worden, illegal Waffen zu besitzen. Einige Tage seien sie eingesperrt gewesen. Die Familie des Beschwerdeführers hätte eine Wohnung und ein Haus verkauft, um den Bruder des Beschwerdeführers freizukaufen. Daraufhin hätten der Beschwerdeführer und sein Bruder beschlossen, nach Österreich auszureisen. Im Fall einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass er - wenn sein Bruder nicht greifbar wäre - an dessen Stelle von den Behörden mitgenommen werden würde.

3. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 14.11.2018 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er aus Angst, dass ihm im Heimatland etwas zustoßen könnte, geflohen sei. Er selbst habe eigentlich keine Probleme gehabt, aber sein Bruder sei im April 2017 zwei bis drei Wochen in Haft gewesen. Der Bruder des Beschwerdeführers sei mit seiner Cousine nach Nasran (Inguschetien) unterwegs gewesen. Ihrem Cousin sei damals vorgeworfen worden, er würde eine illegale Waffe besitzen. Sein Bruder sei nur aus der Haft entlassen worden, weil die Mutter des Beschwerdeführers eine Kaution hinterlegt hätte. Das Geld habe sie aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung erhalten. Im Fall einer Rückkehr befürchte er, dass er das Gleiche wie sein Bruder erleben würde.

In Österreich lebe er mit seinem Bruder zusammen. Weiters würden sein Onkel mütterlicherseits samt Familie, sein Cousin und seine Tante in Österreich leben.

4. Mit Bescheid vom 19.11.2018 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz für die Zuerkennung des Status des Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten ab, erkannte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Weiters erließ das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot. Unter einem erkannte das Bundesamt einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 und 6 BFA-VG ab (Spruchpunkt V).

Den letztgenannten Spruchpunkt zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer allfälligen Beschwerde begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Ausreisegründe keinerlei Asylrelevanz entfalten würden. Der Beschwerdeführer habe keine persönliche Verfolgung behauptet. Für ihn bestehe keine reale Gefahr, dass ihm bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine schwere Menschenrechtsverletzung drohe. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich für die gesamte Dauer des Asylverfahrens trete hinter das öffentliche Interesse an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

5. Der Beschwerdeführer erhob am 10.12.2018 durch seinen Rechtsvertreter gegen diesen Bescheid vollinhaltlich das Rechtsmittel der Beschwerde und bekämpfte damit auch den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aussprechenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids.

6. Mit Schriftsatz vom 14.02.2019 urgierte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, dass dessen Beschwerde noch nicht behandelt worden sei; insbesondere sei noch keine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Denn im nahezu zeitgleich eingeleiteten Beschwerdeverfahren des Bruders des Beschwerdeführers, der gegen einen mit dem hier angefochtenen Bescheid im Wesentlichen übereinstimmenden Bescheid des Bundesamts vom 19.11.2018 Beschwerde führe, sei schon mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2018 aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

7. Mit Aktenvermerk vom 29.05.2019 vermerkte das Bundesamt, dass die Beschwerde vom 10.12.2018 nicht an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet worden sei.

8. Letztlich wurde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und langte am 03.06.2019 hier ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der inguschetischen Volksgruppe.

1.2. Er stellte am 29.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass er die Russische Föderation zusammen mit seinem Bruder verlassen hätte, weil dieser von Grenzpolizisten angehalten und inhaftiert worden sei und er im Falle einer Rückkehr Angst habe, dass ihm aufgrund der Verwandtschaft zu seinem Bruder dies ebenso passieren würde. Mit Bescheid vom 19.11.2018 wies das Bundesamt diesen Antrag für die Zuerkennung des Status des Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 und 6 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt V) und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

1.3. Der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX , stellte ebenso am 29.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen das Bundesamt für den Status des Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 19.11.2018 abwies. Unter einem wurde auch XXXX ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Gegen XXXX wurde ebenso ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V).

Gegen diesen Bescheid führt der Bruder des Beschwerdeführers Beschwerde, welche nach wie vor (teilweise) beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (und zu W234 2211188-1 protokolliert ist).

Mit (Teil-)Erkenntnis vom 20.12.2018 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde von XXXX aufschiebende Wirkung zu, indem es Spruchpunkt V des an ihn adressierten Bescheids des Bundesamts vom 19.11.2018 ersatzlos aufhob. Dieses (Teil-)Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer wie sein Bruder XXXX leben in Österreich in einem Haushalt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers und zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der vorliegenden Verwaltungsakte des Bundesamtes zu den Verfahren des Beschwerdeführers sowie seines Bruders XXXX .

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer und XXXX in Österreich in einem Haushalt wohnen, folgt deren Angaben in den Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren und Auszügen aus dem Melderegister der Republik Österreich vom 11.06.2019.

3. Rechtliche Würdigung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.1. Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging: In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

3.3.1. Der Beschwerdeführer stellte in seiner Beschwerde unter anderem den Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus den Ausführungen und dem Aufbau des Beschwerdeschriftsatzes geht klar hervor, dass es sich dabei nicht um einen gesonderten Antrag handelt, der nach der dargestellten Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre; vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer im Rahmen eines eigenen Beschwerdepunkts unter Hinweis auf eine ihm in der Russischen Föderation drohende Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK und insbesondere Art. 8 EMRK im Falle seiner Rückführung dorthin auch gegen Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 19.11.2018 bzw. die darin verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr in Abspruch über die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt darüber zu entscheiden, ob der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist oder nicht.

3.3.2. Die belangte Behörde erkannte der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung mit der Begründung ab, dass die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Ausreisegründe keinerlei Asylrelevanz entfalten würden und keine persönliche Verfolgung behauptet worden sei (§ 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG).

Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrags auf internationalen Schutz im Verfahren vor dem Bundesamt vor, dass er die Russische Föderation zusammen mit seinem Bruder verlassen habe, weil dieser von Grenzpolizisten angehalten und inhaftiert worden sei und er im Falle einer Rückkehr Angst habe, dass ihm aufgrund der Verwandtschaft zu seinem Bruder dies ebenso passieren würde. Weiters behauptet der Beschwerdeführer im Beschwerdeschriftsatz, dass er in der Heimat nicht selbsterhaltungsfähig wäre, sondern von seinem Bruder abhängig sei, mit dem er nach wie vor zusammenlebe, und dessen Asylverfahren in Österreich noch anhängig sei. Zudem verweist der Beschwerdeführer darauf, dass er in Österreich daher ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führe.

Nach der derzeitigen Aktenlage kann im Rahmen einer Grobprüfung (dh. auch einer grundsätzlichen fallspezifischen Bezugnahme; vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284, 0285; 29.11.2017, Ro 2017/18/0002, 0003) eine Verletzung der in § 18 Abs. 5 BFA-VG erwähnten Rechte bei einer Rückführung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Beschwerdeausführungen (vgl. VwGH 29.11.2017, Ro 2017/18/0002, 0003) zeigen für den Fall, dass der Beschwerdeführer in die Russische Föderation zurückkehrte, eine mögliche Gefahr einer Verletzung seiner Rechte (gemäß Art. 2, 3 und 8 EMRK) auf, für die § 18 Abs. 5 BFA-VG die Zuerkennung aufschiebender Wirkung anordnet. Mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad diese Rechtsverletzungen zu erwarten sind, wird letztlich erst dann im Detail zu beurteilen sein, wenn die Fluchtgeschichten des Beschwerdeführers wie seines Bruders im Zuge einer mündlichen Verhandlung vor dem Hintergrund der örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat auf ihre Glaubhaftigkeit und ihre rechtliche Relevanz überprüft worden sind. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG ist nämlich nicht schon dann zulässig, wenn sich das vom Asylwerber dargestellte Fluchtvorbringen nach entsprechender Würdigung ex post als keinen Schutzstatus begründend erweist. Es ist vielmehr erforderlich, dass die zur Antragstellung geltend gemachten Gründe ex ante und für jedermann offensichtlich für ein Asylverfahren ohne Belang sind (vgl. hiezu auch Böckmann-Winkler, in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 18 BFA-VG [Stand 1.3.2016, rdb.at]).

Vor diesem Hintergrund sowie auf Grund der gegebenen Aktenlage und des Vorbringens des Beschwerdeführers wie seines Bruders kann daher jedenfalls nicht von vornherein davon ausgegangen werden, der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers stünde Art. 2, 3 und 8 EMRK nicht entgegen. Daher ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Im Übrigen ist hier auch maßgeblich, dass nach der Aktenlage der Beschwerdeführer zu seinem Bruder ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führt, das einer Trennung der beiden wohl entgegenstehen würde. Insofern sind die Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens des Beschwerdeführers und jenes seines Bruders wechselseitig abhängig. Der Beschwerde des Bruders des Beschwerdeführers wurde bereits aufschiebende Wirkung zuerkannt, was nunmehr auch hier notwendig ist, um eine frühzeitige Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers zu vermeiden und eine gemeinsame Verfahrensführung mit dem Beschwerdeverfahren seines Bruders sowie Verfahrensergebnisse zu ermöglichen, welche mit dem Familienleben der beiden zueinander in Einklang stehen. Daher erfordert es insbesondere auch Art. 8 EMRK, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides war daher ersatzlos zu beheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Im Übrigen gilt es darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten ist; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

3.2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert; die zuletzt erfolgte Novellierung dieser Bestimmung sieht eine Entsprechung dieser Judikatur im Gesetzeswortlaut vor (vgl. Erläut. 2285/A BlgNR 25. GP, 85).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W234.2219626.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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