Index
L34009 Abgabenordnung Wien;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der W in W, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien I, Zelinkagasse 2, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 10. September 1998, Zl. MD-VfR - H 70/97, betreffend Haftung gemäß § 7 Abs. 1 WAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides sowie des erstinstanzlichen Bescheides kann folgendes entnommen werden:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug gemäß § 7 Abs. 1 WAO i.V.m. § 54 Abs. 1 leg. cit. als Geschäftsführerin und Liquidatorin der E.-GmbH in Liquidation für Abgabenschulden dieser Gesellschaft an Kommunalsteuer für den Zeitraum von Jänner 1996 bis Dezember 1996 und an Getränkesteuer für den Zeitraum von März 1994 bis Dezember 1996 im Gesamtbetrag von S 82.992,93 zur Haftung herangezogen. Im Umfang des Haftungszeitraumes für Kommunalsteuer hatte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Haftungsbescheid in der Bezeichnung des Haftungszeitraumes bei gleichbleibendem Haftungsbetrag abgeändert.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde, auf ein diesbezügliches Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin eingehend, die Entwicklung auf dem Abgabenkonto der E.-GmbH dar und zeigte auf, weshalb nach einer im Zuge des Berufungsverfahrens vorgenommenen Umbuchung der betragsmäßig unveränderte Rückstand an Kommunalsteuer kontomäßig nur mehr für das Jahr 1996 bestehe, weshalb der Haftungszeitraum auch entsprechend richtigzustellen gewesen sei. Des weiteren legte die belangte Behörde die Erwägungen ihres Ermessens dar, welche sie zur Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für die Abgabenschulden der E.-GmbH veranlaßt hätten. Ein Antrag auf Konkurseröffnung über das Vermögen der E.-GmbH sei mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden, die E.-GmbH sei gemäß § 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften aufgelöst, sodaß die aushaftenden Abgabenrückstände bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich gemacht werden könnten. Die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin ergebe sich hinsichtlich der aushaftenden Getränkesteuer aus der Mißachtung des § 5 der Wiener Getränkesteuerverordnung über die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe bis zum 10. bzw. 15. Tag des Folgemonates, während die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Kommunalsteuer § 11 KomStG 1993 verletzt habe, wonach der Steuerpflichtige bis zum 15. Tag eines jeden Monates die Steuer für den Vormonat zu entrichten habe. Für die fristgerechte Entrichtung der Abgaben hätte die Beschwerdeführerin Sorge tragen müssen. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, mit welchem sie ihr Verschulden an der Pflichtverletzung bestritten habe, könne kein Erfolg beschieden sein. Zum Beweis für die Behauptung, den Abgabengläubiger nicht schlechter als andere Gläubiger der Primärschuldnerin behandelt zu haben, habe die Beschwerdeführerin eine Aufstellung der Verbindlichkeiten und Zahlungen über den Zeitraum von Juli 1996 bis Dezember 1996 vorgelegt, die jedoch nicht dazu geeignet sei, die behauptete Gleichbehandlung aller Gläubiger zu beweisen. Es gehe aus dieser Aufstellung nämlich nicht hervor, welche Einnahmen die Primärschuldnerin in der fraglichen Zeit getätigt oder über welche Mittel zur Abdeckung ihrer Verbindlichkeiten sie verfügt habe. Die vorgelegten Aufzeichnungen bestätigten demgegenüber, daß einzelne Forderungen - beispielsweise jener der Wiener Gebietskrankenkasse oder die Gehälter - beinahe vollständig befriedigt worden seien, während an den Abgabengläubiger im selben Zeitraum überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet worden seien. Eine Gleichbehandlung des Abgabengläubigers mit anderen Gläubigern der Primärschuldnerin habe damit nicht stattgefunden. Wenn die Beschwerdeführerin des weiteren vorbringe, selbst keine Sachkenntnis gehabt zu haben und sich daher darauf habe verlassen müssen, daß der beauftragte Mitarbeiter die notwendigen Berechnungen veranlassen und direkt begleichen würde, dann verkenne die Beschwerdeführerin den Umfang der sie als Geschäftsführerin treffenden Pflichten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 WAO (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/1992) haften die in den §§ 54 ff WAO bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.
Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Rechte zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Zu den im § 54 Abs. 1 WAO genannten Personen gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten haben (siehe z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1990, 89/15/0159).
Im Beschwerdefall ist das Bestehen der Abgabenforderungen und die Stellung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der E. GmbH unbestritten. Auch die erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderungen in dem im angefochtenen Bescheid angeführten Umfang infolge Konkurses der Primärschuldnerin wird von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen.
Die belangte Behörde weist zutreffend darauf hin, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Aufgabe des Geschäftsführers ist, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, daß die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, daß die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, daß diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze (vgl. beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1986, 84/13/0198, vom 30. Mai 1989, 89/14/0043 und 89/14/0044, sowie vom 29. April 1994, 93/17/0395, vom 3. November 1994, 93/15/0010, und vom 19. Februar 1997, 96/13/0079).
Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß ihr von der belangten Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Stellungnahme der Erstbehörde übermittelt worden sei, in welcher ausgeführt werde, daß die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Aufstellungen deswegen unzureichend seien, weil die Einnahmen nicht ausgewiesen seien, immerhin aber die Benachteiligung des Abgabengläubigers belegten. Nicht habe aber die belangte Behörde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß es auch ihrer Ansicht entspreche, daß die vorgelegten Berechnungen für den von der Beschwerdeführerin angestrebten Nachweis der Gleichbehandlung von ihr nicht als tauglich erachtet würden, weil die Einnahmen in diesen Zeiträumen nicht ausgewiesen seien. Hätte die belangte Behörde dies getan, dann hätte von der Beschwerdeführerin die gesamte Einnahmenssituation dargestellt und überdies darauf hingewiesen werden können, daß die Einnahmenssituation der E.-GmbH völlig unerheblich sei, weil es lediglich darauf ankommen, welcher Gläubiger von den vorhandenen Mitteln im Verhältnis zur Abgabengläubigern bevorzugt oder benachteiligt werde, was sich aus einer reinen Auflistung der getilgten Verbindlichkeiten unzweifelhaft ergeben habe. Die belangte Behörde hätte die Beschwerdeführerin mit ihrer Rechtsansicht überrascht.
Der Verwaltungsgerichtshof kann den von der Beschwerdeführerin eingenommenen Standpunkt nicht teilen. Ergibt sich doch aus dem dargestellten Vorbringen mit völliger Eindeutigkeit, daß die Beschwerdeführerin durch die Übersendung der Stellungnahme der Erstbehörde durch die belangte Behörde mit genau jener Rechtsansicht konfrontiert wurde, welche die belangte Behörde im nunmehr angefochtenen Bescheid vertritt. Worin das von der Beschwerdeführerin gesehene Überraschungsmoment liegen soll, ist nicht einsichtig, weil die Übermittlung einer von der Erstbehörde erstatteten Stellungnahme an die Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde nichts näher legte als die Annahme, daß auch die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen in gleicher Weise wie die Erstbehörde würdigen würde.
Zum geltend gemachten Aufhebungsgrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides trägt die Beschwerdeführerin vor, daß sich auf der Basis der von ihr vorgelegten Berechnungen die monatliche Tilgungsquote bezüglich der Verbindlichkeiten der Gesellschaft ergeben habe. Die Frage, ob und welche Einnahmen in diesem Zeitraum erzielt worden seien, sei für die Frage der Gleichbehandlung völlig unerheblich, da es nur darum gehen könne, wer aus den erzielten Einnahmen auf bestehende Altverbindlichkeiten welche Zahlungen erhalte. Hierbei müßten "Zug um Zug-Leistungen", wie etwa die laufenden Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich aus der Berechnungsgrundlage ausgeschieden werden.
Mit dieser Auffassung irrt die Beschwerdeführerin in zweifacher Hinsicht. Eine Darstellung der Einnahmensituation der Primärschuldnerin in jenen Zeiträumen, zu welchen die Abgaben nicht in der geschuldeten Höhe entrichtet worden waren, konnte schon deswegen nicht entbehrlich sein, weil auch das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung von der Beschwerdeführerin im Haftungsverfahren darzulegen gewesen wäre. Ergibt sich doch das Erfordernis der Gleichbehandlung aller Gläubiger des Vertretenen durch den Vertreter erst als Folge des vom Vertreter im Haftungsverfahren darzutuenden Fehlens ausreichender Mittel zur Befriedigung der Abgabenverbindlichkeiten. Daß im maßgeblichen Zeitraum der Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten die Mittel zu deren vollständiger Entrichtung gefehlt hätten, hätte die Beschwerdeführerin tauglich nur durch Darstellung eben auch der Einnahmensituation der Primärschuldnerin aufzeigen können. Der zweite Irrtum der Beschwerdeführerin besteht in der Annahme ihrer Berechtigung, Gehälter und Sozialversicherungsbeiträge im Verhältnis zu Abgabenschuldigkeiten privilegiert zu behandeln. Für eine solche Privilegierung besteht indessen kein rechtlicher Grund. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist nichts anderes als das Eingeständnis der Beschwerdeführerin, dem unter der Annahme tatsächlich fehlender Mittel zur vollständigen Abgabenentrichtung bestehenden Gleichbehandlungsgebot gegenüber dem Abgabengläubiger nicht entsprochen zu haben.
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich noch vorträgt, nur für die "dem Tilgungsprozentsatz entsprechenden anteiligen, jeweils monatlich fällig gewesenen Rückstände" zur Haftung herangezogen werden zu dürfen, befindet sie sich mit dieser Auffassung im Widerspruch zur oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach welcher im Falle nicht anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen der Vertreter für die in Haftung gezogene Abgabe zur Gänze haftet.
Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Diese Entscheidung konnte wegen Vorliegens beider Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG in einem nach dieser Gesetzesstelle gebildeten Senat getroffen werden.
Wien, am 16. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998130203.X00Im RIS seit
20.11.2000