Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des A und der BZ in H, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Mai 1998, Zl. 317.341/1-III/A/2a/98, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: JO in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zum Gang des Verwaltungsverfahrens bis zur Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. November 1994 durch das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl. 96/04/0243, wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in diesem Erkenntnis verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof legte dort dar, daß die Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 (in der damals in Kraft stehenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 116/1998) nichts daran ändert, daß ein dieser Bestimmung unterliegender Gastgartenbetrieb unter den Voraussetzungen des § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtig ist und er daher gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. "erforderlichenfalls" - wenn auch nicht hinsichtlich der durch § 148 Abs. 1 leg. cit. festgelegten Betriebszeiten - unter Auflagen zu genehmigen ist. Das bedeutet, daß der Betrieb eines solchen Gastgartens nur genehmigt werden kann, wenn durch die gleichzeitige Vorschreibung allenfalls erforderlicher Auflagen sichergestellt ist, daß ausgehend von den im Gesetz festgelegten Betriebszeiten die im § 74 Abs. 2 Z. 1 bis 5 leg. cit. genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen und sonstigen nachteiligen Einwirkungen vermieden werden können. Da die belangte Behörde mit dem Bescheid vom 15. November 1994 in Verkennung dieser Rechtslage der mitbeteiligten Partei die in Rede stehende gewerbebehördliche Genehmigung ohne Rücksicht auf die vom Terrassenbetrieb ausgehenden Lärmimmissionen erteilte, belastete sie, wie der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausführte, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben wurde.
Mit dem nunmehr als Ersatzbescheid für den Bescheid vom 15. November 1994 ergangenen Bescheid vom 28. Mai 1998 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei neuerlich im Instanzenzug gemäß §§ 74, 77, 148 Abs. 1 und 353 ff GewO 1994 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Kaffee-Restaurants mit Terrassenbewirtschaftung an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Zur Begründung legte der Bundesminister zunächst dar, daß und aus welchen Gründen die Terrasse des in Rede stehenden Gastgewerbebetriebes an eine öffentliche Verkehrsfläche angrenze und daher die Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 anzuwenden sei. Diese Bestimmung garantiere dem Konsenswerber bestimmte Betriebszeiten, weshalb weder im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid bezüglich der Immissionsart Lärm betriebsbeschränkende oder sonstige lärmmindernde Auflagen vorgeschrieben werden noch das Genehmigungsansuchen aus diesem Grund versagt werden dürfe. An diese gesetzliche Betriebszeitenregelung seien auch die Gewerbebehörden bei Erteilung einer gewerblichen Betriebsanlagengenehmigung gebunden. Es sei daher hinsichtlich der in Rede stehenden Terrasse kein die Immissionsart Lärm betreffendes Ermittlungsverfahren durchzuführen gewesen und es seien dem Gewerbetreibenden die in der Bestimmung des § 148 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 angeführten Betriebszeiten garantiert, ohne daß die Behörde befugt wäre, diese mittels Auflagen einzuschränken oder sonstige lärmmindernde Auflagen vorzuschreiben. Die Tätigkeit der Behörde habe sich vielmehr darauf zu beschränken, daß mittels Betriebsbeschreibung rechtlich fixiert werde, daß der gegenständliche Gastgarten (Terrasse) im Sinne der eingeschränkten Voraussetzungen des § 148 Abs. 2 GewO 1994 betrieben werde. Es sei daher die Betriebsbeschreibung des erstinstanzlichen Bescheides soweit zu ergänzen gewesen, daß sie den Anforderungen dieser Gesetzesstelle entspreche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht auf Beachtung geschützter Nachbarrechte, auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK, auf Gesundheit und Schutz vor gesundheitsgefährdender Lärmbelästigung, auf Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, auf Gewährung von Parteiengehör, auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung und auf "Mißachtung der Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1997, Zl. 96/04/0243" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes machen die Beschwerdeführer u. a. geltend, der angefochtene Bescheid verstoße gegen die Bindung der Behörde an die im Vorerkenntnis geäußerte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes.
Bereits mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht.
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Die belangte Behörde belastete daher schon deshalb den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weil sie in ausdrücklicher Mißachtung der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl. 96/04/0243, geäußerten Rechtsansicht die in Rede stehende gewerbebehördliche Genehmigung neuerlich ohne Rücksicht auf die vom Terrassenbetrieb ausgehenden Lärmimmissionen erteilte. Daran vermag die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 116/1998 erfolgte Änderung der Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 nichts zu ändern. Zwar ist diese Rechtsänderung nach Art. III dieses Bundesgesetzes mit rückwirkender Kraft ab 1. Juni 1998 ausgestattet, während der angefochtene Bescheid erst mit seiner Zustellung an die Parteien des Verwaltungsverfahrens am 8. Juni 1998 erlassen wurde. Das ändert aber nichts daran, daß der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf der Grundlage jener Rechtslage zu prüfen hat, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Geltung stand. Wird - wie im vorliegenden Fall - das die Rechtsgrundlage eines Bescheides bildende Gesetz nach der Erlassung des Bescheides mit rückwirkender Kraft, bezogen auf einen vor der Erlassung des Bescheides gelegenen Zeitpunkt, geändert, dann ist daher bei der Prüfung des Bescheides die rückwirkende Änderung des Gesetzes dennoch außer Betracht zu lassen und die Rechtmäßigkeit des Bescheides auf der Grundlage der früheren Rechtslage zu beurteilen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Slg. N. F. Nr. 12.197/A - nur Rechtssatz, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1998
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998040131.X00Im RIS seit
11.07.2001