TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/24 LVwG-2018/S3/0242-48

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Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Index

L72007 Beschaffung Vergabe Tirol
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

LVergabenachprüfungsG Tir 2006 §27 Abs2
LVergabenachprüfungsG Tir 2006 §9 Abs4
BVergG 2006 §137
BVergG 2006 §138

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Mit Schriftsatz vom 02.02.2018, beim Landesverwaltungsgericht Tirol per E-Mail am 02.02.2018 um 11.25 Uhr eingelangt, hat die Firma AA GmbH, Adresse 1, **** Z (im weiteren kurz Erstantragstellerin genannt), vertreten durch die DD Rechtsanwälte GmbH, Adresse 2, **** Z, die Nachprüfung der von der CC GmbH, Adresse 3, **** Y (im weiteren kurz Auftraggeberin genannt), vertreten durch EE Rechtsanwälte OG, Adresse 4, **** Y, vorgenommenen Entscheidung der Auftraggeberin vom 23.01.2018 hinsichtlich der Lose 1 bis 3 betreffend das Vergabeverfahren „ICD Defibrillatoren / Elektroden“ beantragt und gleichzeitig einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt.

Mit Schriftsatz vom 02.02.2018, beim Landesverwaltungsgericht Tirol per E-Mail am 02.02.2018 um 11.56 Uhr eingelangt, hat die Firma BB GmbH, Adresse 5, **** Z (im weiteren kurz Zweitantragstellerin genannt), vertreten durch die FF Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Adresse 6, **** Z, die Nachprüfung der von der CC GmbH, Adresse 3, **** Y (im weiteren kurz Auftraggeberin genannt), vertreten durch EE Rechtsanwälte OG, Adresse 4, **** Y, vorgenommenen Entscheidung vom 23.01.2018, hinsichtlich der Lose 1 bis 3 betreffend das Vergabeverfahren „ICD Defibrillatoren / Elektroden“ beantragt und gleichzeitig einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt.

Der Senat 3 des Landesverwaltungsgerichtes Tirol hat unter Vorsitz von Herrn Dr. Rosenkranz, Mag.a Weißgatterer als Berichterstatterin und Herrn Dr. Wurdinger als weiteres Mitglied gemäß § 3 Abs 2 Tiroler Vergabenachprüfungsgesetz 2006 (TVergNG 2006) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

zu Recht erkannt:

1.       Die Anträge der Erst- und Zweitantragstellerin auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 23.01.2018 und auf Ersatz der Pauschalgebühren werden als unbegründet abgewiesen.

2.       Die einstweilige Verfügung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 08.02.2018, Zl LVwG-2018/S3/0242-9, wird aufgehoben.

3.       Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 02.02.2018, beim Landesverwaltungsgericht Tirol per E-Mail am 02.02.2018 um 11.25 Uhr eingelangt, hat die Erstantragstellerin die Nachprüfung der von der Auftraggeberin vorgenommenen und im Betreff näher bezeichneten Ausschreibung beantragt und weiters einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt und im Einzelnen ausgeführt wie folgt:

„1.      Sachverhalt

1.1      Die Antragsgegnerin führt als öffentliche Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Lieferungen (ursprünglich: zur Vergabe eines Lieferauftrags) nach dem Bestbieterprinzip durch, das nach den Festlegungen der Antragsgegnerin in den Ausschreibungsunterlagen in den Oberschwellenbereich fallt. Auftragsgegenständlich ist die Lieferung von ICD Defibrillatoren / Elektroden.

Die Ausschreibung wurde am *.*.**** im Supplement zum Amtsblatt der EU zur Zahl ***** bekannt gemacht.

Beweis:        PV;

beizuschaffender Vergabeakt;

Auszug aus dem Erkenntnis des LVwG Tirol vom 03.05.2017 zu LVwG-2016/S2/1934 (Beilage ./A);

im Bestreitungsfall weitere Beweise Vorbehalten.

1.2      Die Ausschreibung ist in drei Lose (Leistungsgruppen) unterteilt; Los 1 (Leistungsgruppe 01.01) betrifft 180 Sets Einkammer Defibrillatoren (WIR ICD) Premium Modell; Los 2 (Leistungsgruppe 02.01) betrifft 40 Sets Zweikammer Defibrillatoren (DDDR ICD) Premium Modell; und Los 3 (Leistungsgruppe 03.01) betrifft 220 Sets Defibrillatoren mit kardialer Resynchronisation (CRT-D) Premium Modell.

Innerhalb der (erstreckten) Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge, welche am 7.7.2014 endete, übermittelte die Antragstellerin - die damals noch unter „GG GmbH“ firmierte - die von ihr unterfertigte „Ausschreibungsanordnung“.

Beweis:        PV;

beizuschaffender Vergabeakt;

Auszug aus dem Erkenntnis des LVwG Tirol vom 03.05.2017 zu LVwG-2016/S2/1934 (Beilage /A);

im Bestreitungsfall weitere Beweise Vorbehalten.

1.3      In weiterer Folge wurden der Antragstellerin die Ausschreibungsunterlagen übermittelt. Punkt 3. der einen Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen bildenden Leistungsbeschreibung sieht vor, dass Teil des Angebots ein telemedizinisches Monitoring sein muss, das auch in den Gesamtpreis einzukalkulieren ist; darüber hinaus sind verschiedenen Kliniken im Rahmen der technischen Unterstützung mindestens fünf Programmiergeräte kostenlos zur Verfügung zu stellen, wobei auch Wartung, sicherheitstechnische Überprüfungen und Software Upgrades laut Herstellervorgaben vom Auftragnehmer kostenlos zu übernehmen sind. Erforderlich ist außerdem eine telefonische sowie Vor-Ort Unterstützung durch den Auftragnehmer an Werktagen (Mo-Fr) von 7 bis 19 Uhr.

In die Preise sind gemäß Punkt 9. der Leistungsbeschreibung alle verbundenen Kosten wie insbesondere Transportkosten, Roadpricing-Kosten, Entsorgungskosten, Lagerkosten, Kosten für die Telemedizin sowie allfällige weitere Kosten wie beispielsweise technische Unterstützung durch Außendienstmitarbeiter vor Ort bei Implantation und Nachsorge, etc, einzukalkulieren.

In Punkt 7. der Leistungsbeschreibung ist festgelegt, dass in den Losen 1 und 3 jeweils mit den drei besten Bietern eine Rahmenvereinbarung (ursprünglich: Liefervertrag) abgeschlossen werden soll, wobei vom besten Bieter 50 % der Gesamtsummer beschafft werde, vom zweitbesten 30 % und vom drittbesten 20 %; im Los 2 soll mit den zwei erfolgreichsten Bietern ein Liefervertrag mit einem Aufteilungsschlüssel von 70 % bzw 30 % abgeschlossen werden.

Gemäß Punkt 4. der Leistungsbeschreibung müssen die zu liefernden Produkte bestimmte Musskriterien erfüllen; werden MUSS-Kriterien nicht erfüllt, so wird das Angebot ausgeschieden. Weiters müssten in jedem angebotenen Los näher spezifizierte SOLL-Kriterien zumindest zur Hälfte (mindestens 50 % der maximal erreichbaren Punkteanzahl) erfüllt werden. Die Erfüllung der SOLL-Kriterien im Ausmaß von 50 % der maximal erreichbaren Punkteanzahl stelle eine zwingende Mindestanforderung dar, deren Nichterfüllung zum Ausscheiden führe. Die Erfüllung der SOLL-Kriterien über das Mindestausmaß von 50 % der maximal erreichbaren Punkteanzahl je Los (Leistungsgruppe) hinaus werden unter dem Zuschlagskriterium „Qualität“ in die Angebotsbewertung einbezogen. Der Bewertungsschlüssel ergibt sich aus den Artikelbewertungsblättern.

Gemäß den Ausschreibungsunterlagen werden im Rahmen der Bewertung der Angebote der Preis mit 60% und die Qualitätskriterien mit 40% gewichtet.

Beweis:        beizuschaffender Vergabeakt;

Auszug aus dem Erkenntnis des LVwG Tirol vom 03.05.2017 zu LVwG-

2016/S2/1934 (Beilage ,/A);

im Bestreitungsfall weitere Beweise Vorbehalten.

1.4      Bereits vor Abgabe des Erstangebots erfolgte am 27.05.2015 eine Bieter-Präsentation bezüglich der Produkte je Los vor einer Fachjury der Antragsgegnerin. Dort bestätigte die Antragsgegnerin, dass die Annahmen der Antragstellerin zur Anzahl der Patienten pro Nachsorge (Follow-up) und zur Zeitdauer für die Nachsorge, die Zeitdauer für die Implantationsunterstützung sowie die zur Herleitung der Kosten für die Implantationsunterstützung und Nachsorge von der Antragstellerin angewendete Formel realistisch sind.

Die Antragstellerin beteiligte sich am gegenständlichen Vergabeverfahren; sie präsentierte ihre Premium-Produkte vor der Fachjury und legte anschließend innerhalb offener Angebotsfrist ein (Erst-)Angebot für die Lose 1 bis 3.

Beweis:        PV;

beizuschaffender Vergabeakt;

Auszug aus dem Erkenntnis des LVwG Tirol vom 03.05.2017 zu LVwG-2016/S2/1934 (Beilage ./A);

im Bestreitungsfall weitere Beweise Vorbehalten.

1.5      Am 7.10.2015 fand eine Verhandlungsrunde statt. Mit Email vom 21.12.2015 informierte die Antragsgegnerin die Bieter über Änderungen der Ausschreibungsunterlagen.

Danach wurden die im Verfahren verbliebenen Bieter - darunter die Antragstellerin – zur Abgabe eines Last and Best Offers (LBO) aufgefordert, welches die Antragstellerin fristgerecht legte. Mit Email vom 10.3.2016 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung zur Preisaufklärung auf. Diese erfolgte durch die Antragstellerin fristgerecht mit E-Mail vom 15.3.2016.

Beweis:        PV;

Auszug aus dem Erkenntnis des LVwG Tirol vom 03.05.2017 zu LVwG-2016/S2/1934 (Beilage./A);

beizuschaffender Vergabeakt.

1.6      Mit Email vom 9.9.2016 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin bekannt, an welche Unternehmen sie den Zuschlag in den Losen 1 bis 3 erteilen wolle. Diese „Zuschlagsentscheidung“ wurde (unter anderem) von der Antragstellerin vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol (GZ LVwG-2016/S2/1934) angefochten.

Im Rahmen dieses Nachprüfungsverfahrens fand am 08.11.2016 eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt. Darin sagte der Zeuge JJ, verantwortlich für die Durchführung des Vergabeverfahrens, aus, dass der Stundensatz für das Personal bei fast jedem Lieferanten ident sei (Verhandlungsprotokoll S 10). Darüber hinaus sagte der Zeuge KK, welcher aus fachlicher Sicht an der Angebotsprüfung beteiligt war, aus, dass die technische Überprüfung bei jedem Gerät im Rahmen der Nachsorge gleich lang dauert (Verhandlungsprotokoll S 22).

Beweis:        beizuschaffender Vergabeakt;

beizuschaffender Nachprüfungsakt des LVwG Tirol zu LVwG-2016/S2/1934,

insbesondere Verhandlungsprotokoll vom 08.11.2016;

PV.

1.7      Mit Erkenntnis vom 03.05.2017 gab das Landesverwaltungsgericht Tirol diesem Nachprüfungsantrag statt und erklärte die „Zuschlagsentscheidung“ für nichtig. Dies mit der Begründung, dass die von der Antragsgegnerin durchgeführte vertiefte Angebotsprüfung unvollständig ist. Denn die von den Bietern dort getätigten Angaben wurden nicht auf ihre Plausibilität hinterfragt bzw waren ergänzend notwendig gewesene Aufklärungen von der Antragsgegnerin nicht verlangt worden.

Im Detail stellte das Landesverwaltungsgericht folgende Mängel fest:

    Die Angebote für Telemedizin hätten sowohl hinsichtlich der von den Bietern veranschlagten Preise als auch hinsichtlich der unterschiedlichen Angebotssystematiken einer genaueren Überprüfung bzw ergänzender Aufklärungen bedurft.

    Hinsichtlich der Telemedizin-Pauschalpreise hatte es die Antragsgegnerin ebenfalls verabsäumt, sich um Klarstellung zu bemühen, zumal die angegebenen Pauschalpreise für Telemedizin stark voneinander abwichen. So betrug der Preis des billigsten Angebots lediglich ein Zehntel des teuersten Angebotes. Desgleichen wurde nicht hinterfragt, warum diese Pauschale bei einem Bieter in Los 3 um 25% niedriger war, als die Pauschale desselben Bieters in den anderen Losen.

    Hinsichtlich der Programmierer-Miete unterließ es die Antragsgegnerin, die unterschiedliche Systematik der Berechnung und Bepreisung zu überprüfen. Während drei Bieter dies genau kalkuliert hätten, habe ein Bieter diese Miete in den Preis mit einkalkuliert habe und ein anderer Bieter begründet, dass er auf Grundlage von 100 ICDs pro Jahr einen Preis angesetzt habe.

    Auch die Aussage eines Bieters, der keine Angaben zu Kosten der Nachsorge pro einzelnen Patienten bei einem Produkt machen konnte, wurde nicht entsprechend nachgeprüft.

    Im Allgemeinen wichen die Zeitangaben erheblich voneinander ab, ohne dass dies hinterfragt wurde. So bestanden hinsichtlich der Nachsorge sowohl deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bietern als auch zwischen den unterschiedlichen Losen bei einem Bieter. Aber auch die divergierenden An- und Abreisezeiten betreffend die Nachsorge wurden von der Antragsgegnerin nicht hinterfragt.

    Hinsichtlich der Zeitangaben für das Implantationsservice und Nachsorge wurden von einem Bieter überhaupt keine Angaben übermittelt, was von der Antragsgegnerin ebenfalls nicht weiter überprüft wurde.

    Desgleichen wurden die Deckungsbeiträge seitens der Antragsgegnerin nicht hinterfragt.

Beweis:        beizuschaffender Nachprüfungsakt des LVwG Tirol zu LVwG-2016/S2/1934,

insbesondere Erkenntnis vom 03.05.2017.

1.8      Infolge der Nichtigerklärung der „Zuschlagsentscheidung“ führte die Antragsgegnerin erneut eine vertiefte Angebotsprüfung durch, in deren Rahmen sie am 04.09.2017 ein Aufklärungsschreiben an die Antragstellerin versandte. Darin verlangte die Antragsgegnerin die von ihr zur Verfügung gestellten Excel-Listen „Kosten Ausschreibung ICD“, „Implant-Kosten 2016 – Krankenhaus LL WIR“, „Implant-Kosten 2016 – Krankenhaus LL DDDR“ und „Implant-Kosten 2016 – Krankenhaus LL bivent“ mit allen geforderten Daten auszufüllen. Dazu mussten die blau hinterlegten Felder der Excel-Liste ausgefüllt werden. Außerdem wurde die Antragstellerin aufgefordert Nachweise zu übermitteln, um die Antragsgegnerin in die Lage zu versetzen, die in den vorgegebenen Listen eingetragenen Daten überprüfen zu können. Des Weiteren wurde zu gewissen Fragen Aufklärung verlangt.

Die Antragstellerin kam diesen Aufforderungen fristgerecht nach, indem sie der Antragsgegnerin ein entsprechendes Aufklärungsschreiben übermittelte.

Beweis:        beizuschaffender Vergabeakt;

PV.

1.9      Mit Email vom 23.01.2018 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die neu gefasste Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, mit. Demnach - im Ergebnis unverändert gegenüber der nichtig erklärten Zuschlagsentscheidung - soll die Rahmenvereinbarung mit folgenden Unternehmen abgeschlossen werden:

    Los 1:

MM GmbH (vormals NN GmbH) 50% (90 Set),

OO GmbH 30% (54 Set) und

PP GmbH 20% (36 Set);

    Los 2:

OO GmbH 70% (28 Set) und

MM GmbH 30% (12 Set);

    Los 3:

OO GmbH 50% (110 Set),

MM GmbH 30% (66 Set) und

PP GmbH 20% (44 Set).

Die angebotenen Preise stellen sich laut Email der Antragsgegnerin wie folgt dar:

Bieter                             Los 1                     Los 2                     Los 3

MM (NN)                    520.200           159.200           1.395.900

PP                                  1.080.000            -                    1.606.000

AA                                  900.000           260.000           1.650.000

OO                                  612.000           156.000           946.000

Beweis:        Email der Antragsgegnerin vom 23.01.2018 (Beilage./B).

1.10    Eine Zurücknahme dieser Entscheidung erfolgte bis dato nicht. Ebenso hat die Antragsgegnerin bis dato keine Widerrufsentscheidung oder Widerrufserklärung bekanntgegeben.

Beweis:        beizuschaffender Vergabeakt;

PV.

1.11    Die Antragstellerin hat durch ihre Beteiligung am Vergabeverfahren ihr Interesse am Abschluss der gegenständlichen Rahmenvereinbarung in Hinblick auf die Lose 1 bis 3 dargetan. Der Vertrauensschaden beträgt an Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren, insbesondere die Ausarbeitung des Angebots für die Lose 1 bis 3 von zumindest ca EUR 10.000. Dazu kommen erhebliche Kosten aus der Führung des (erfolgreichen) Nachprüfungsverfahrens, das zur Nichtigerklärung der „Zuschlagsentscheidung“ vom 9.9.2016 geführt hat, sowie weitere Kosten aufgrund der nach dieser nichtig erklärten Zuschlagsentscheidung nochmals geforderten Preisaufklärung. Dieser Aufwand wäre frustriert, wenn die angefochtene Entscheidung nicht für nichtig erklärt wird.

Das Erfüllungsinteresse (Gewinn- und Deckungsbeitrag) am gegenständlichen Auftrag (Lose 1 bis 3) beträgt zumindest EUR 25.000.

Zudem entsteht der Antragstellerin folgender Schaden bei Nichtbeauftragung mit den ausgeschriebenen Leistungen: Die Durchführung des zu vergebenden Auftrags durch die Antragstellerin liegt auch deshalb in ihrem Interesse, weil Referenzprojekte in folgenden Vergabeverfahren typischerweise zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit von öffentlichen Auftraggebern verlangt werden. Dieser Schaden kann nur durch die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung vermieden werden.

Die Antragstellerin erlaubt sich den Hinweis, dass das erkennende Gericht die Angaben der Antragstellerin über den Schaden (Vertrauensschaden, Erfüllungsinteresse sowie Interesse am Referenzprojekt offenkundig für stichhaltig erachtet hat, weil ansonsten dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zur GZ LVwG-2016/S2/1934 nicht Folge gegeben worden wäre (§5 Abs 1 Z 5 TirVergNG).

Beweis:        PV;

beizuschaffender Vergabeakt;

beizuschaffender Nachprüfungsakt des LVwG Tirol zu LVwG-2016/S2/1934.

2.       Anfechtungserklärung und Beschwerdepunkt

Angefochten wird die am 23.01.2018 per Email übermittelte Entscheidung der Antragsgegnerin, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung in den drei Losen abgeschlossen werden soll.

Die Antragstellerin erachtet sich durch die angefochtene Entscheidung in ihrem Recht auf gesetzeskonforme Angebotsprüfung, auf Ausscheiden ausschreibungswidriger, insbesondere unterpreisiger Angebote der Mitbieter, auf Abschluss von Rahmenvereinbarungen mit ihr in diesen drei Losen sowie insgesamt auf Teilnahme an einem gesetzmäßigen Vergabeverfahren, eventualiter in ihrem Recht auf Widerruf der gegenständlichen Ausschreibung und Beteiligung an einem neuen, gesetzeskonformen Vergabeverfahren, verletzt.

3.       Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und Zulässigkeit der Anträge

Die CC GmbH (ehemals QQ GmbH) steht zu 100 % im Eigentum des Landes Tirol, ist rechtsfähig und zum Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Tätigkeiten nicht gewerblicher Art zu erfüllen. Sie ist daher öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 3 Abs 1 Z 2 BVergG 2006. Dies wurde im vorangegangen Nachprüfungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol im Erkenntnis vom 03.05.2017, LVwG-2016/S2/1934 bestätigt.

Beim gegenständlichen Verfahren handelt es sich - wie vom Landesverwaltungsgericht im

vorhergehenden Nachprüfungsverfahren ebenfalls bestätigt wurde - um ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen gemäß § 25 Abs 7 BVergG 2006. Folglich sind auf dieses Vergabeverfahren die Bestimmungen des BVergG 2006 (mit Ausnahme des 3. Teils) anzuwenden.

Die Nachprüfung von Vergaben der CC GmbH fallt gemäß § 2 Abs 2 TirVergNG in den Zuständigkeitsbereich des Landesverwaltungsgerichts Tirol. Gemäß § 5 Abs 1 TirVergNG kann ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG 2006 unterliegenden Vertrages behauptet, die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Verfahren zur Vergabe von Aufträgen wegen Rechts Widrigkeit beantragen, sofern durch eine behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

In rechtlicher Hinsicht geht die Antragstellerin - basierend auf dem erwähnten Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts im vorhergehenden Nachprüfungsverfahren - davon aus, dass es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine Entscheidung, mit welchen Unternehmern eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen wird (§ 2 Z 16 lit a sublit ii BVergG 2006), handelt.

Dabei handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung, zu deren Nichtigerklärung das Landesverwaltungsgericht Tirol bis zur Zuschlagserteilung oder Widerrufserklärung gemäß § 3 Abs 2 TirVergNG zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG 2006 und die hierzu erlassenen Verordnungen oder gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zuständig ist. Auf diese Gesetzesstelle gründen sich der Antrag auf Nichtigerklärung und jener auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

Der Antrag ist rechtzeitig iSd § 6 Abs 1 TirVergNG, weil die per Email übermittelte Zuschlagsentscheidung am 23.01.2018 bei der Antragstellerin einlangte.

Die Pauschalgebühr gemäß Tiroler Vergabepublikations- und Vergabegebührenverordnung in Höhe von EUR 1.992,- für den Antrag auf Nichtigerklärung und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde entrichtet. Dieser Betrag ergibt sich aus dem gemäß § 2 Abs 3 Tiroler Vergabepublikations- und Vergabegebührenverordnung reduzierten Gebührensatz, da bereits ein Nachprüfungsantrag zu demselben Vergabeverfahren eingebracht wurde.

Beweis:        Kopie des Überweisungsbeleges (Beilage ./C).

Zum drohenden Schaden wird auf Punkt 1.11 verwiesen.

4.       Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung

4.1      Allgemeines

4.1.1   Die Antragsgegnerin hat vor Einleitung des ersten Nachprüfungsverfahrens eine

vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Diese Prüfung wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 03.05.2017 als rechtswidrig, weil unzureichend, eingestuft und die „Zuschlagsentscheidung“ für nichtig erklärt. Dabei stützte sich das Landesverwaltungsgericht insbesondere die in Punkt 1.7 im Nachprüfungsantrag wiedergegebenen Punkte.

4.1.2   Infolge der Nichtigerklärung dieser Entscheidung führte die Antragsgegnerin die vertiefte Angebotsprüfung fort. Dabei war sie an die Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichts, dh die dort festgestellten Mängel und Rechts Widrigkeiten, gebunden.1 Die ordnungsgemäße Durchführung der fortgesetzten Angebotsprüfung durch die Antragsgegnerin setzt daher in einem ersten Schritt voraus, dass sämtliche vom Landesverwaltungsgericht im ersten Nachprüfungsverfahren festgestellten Mängel (i) von der Antragsgegnerin hinterfragt und (ii) von den betroffenen Bietern entsprechend aufgeklärt wurden. Hat die Antragsgegnerin die betreffenden Bieter nicht um Aufklärung aller dort monierten Punkte ersucht oder wurden nicht sämtliche Punkte aufgeklärt, ist die (fortgesetzte) Angebotsprüfung bereits aus diesem Grund rechtswidrig und die Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung in den Losen 1-3 abgeschlossen werden soll, für nichtig zu erklären.

Etwaige Fehler im Zusammenhang mit der Angebotsprüfung dürften darüber hinaus im jetzigen Verfahrensstadium nicht mehr nachgeholt werden, da die (vergaberechtskonforme) Angebotsprüfung im Zeitpunkt der Mitteilung, mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, abgeschlossen sein muss.

4.2      Mangelhaftes Aufklärungsersuchen der Antragsgegnerin

Entsprechend dem Erkenntnis des erkennenden Gerichts vom 3.5.2017 hätte die Antragsgegnerin alle in Punkt 1.7 des Nachprüfungsantrags wiedergegebenen Punkte prüfen und aufklären lassen müssen. Im Email der Antragsgegnerin vom 04.09.2017 wurde die Antragstellerin zur Aufklärung in Bezug auf 6 Punkte aufgefordert. Da einzelne dieser Punkte für die Antragstellerin nicht einschlägig waren, geht sie davon aus, dass dieses Email von der Antragsgegnerin ident an alle Bieter versandt wurde.

Ausgehend von der Annahme der Antragstellerin, dass sämtliche Bieter die gleichen Fragen erhalten haben, werden in der Aufforderung zur Preisaufklärung jedoch nicht sämtliche Punkte, welche zuvor vom Landesverwaltungsgericht als Mängel aufgezeigt wurden, explizit aufgegriffen. So finden sich darin beispielsweise keine dezidierten Fragen im Zusammenhang damit, aus welchem Grund von einem Bieter eine Kalkulation der Programmiergeräte auf Grundlage von 100 ICDs pro Jahr vorgenommen wurde, ein anderer Bieter die Kosten für Miete der Programmierer in den Preis des Gerätes einkalkuliert hat, ein Bieter keine konkreten Angaben zu Telemedizin machen könne und zum benötigten Servicesupport bei Implantationen und bei der Nachsorge eine genaue Abschätzung der Kosten pro einzelnem Patienten nicht möglich wäre.

Schon aufgrund des nicht umfassend gestellten Aufklärungsersuchens ist die Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, rechtswidrig und für nichtig zu erklären. Dies, da die vertiefte Angebotsprüfung nicht abgeschlossen ist.

4.3      Mangelhafte Aufklärung durch die präsumtiven Bestbieter

4.3.1   Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass die Bieter sowohl zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, als auch zu dem Zeitpunkt zu dem diese vom öffentlichen Auftraggeber beurteilt werden, gleichbehandelt werden.3 Es sind daher auch im Rahmen von Aufklärungen allen voran die Grenzen, welche der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt, zu beachten.

In dem an die Antragstellerin versandten Aufklärungsersuchen verlangte die Antragsgegnerin, dass die von ihr vorgegebenen Excel-Listen mit allen geforderten Daten, dh blau hinterlegten Felder, ausgefüllt und zusätzlich die Nachweise für die Überprüfung der dort angegebenen Daten übermittelt werden. Im Sinn des Gleichbehandlungsgrundsatzes mussten die präsumtiven Bestbieter daher ebenfalls in alle Excel-Listen alle erforderlichen Daten eintragen und diese Angaben darüber hinaus erläutern bzw nachweisen. Es reicht daher nicht aus, wenn zwar die Daten eingetragen wurden, ihre Fundiertheit jedoch nicht nachgewiesen wurde und geschweige denn, wenn nicht alle geforderten Daten in die Listen eingetragen wurden.

Als Beispiel für den geforderten Nachweis der Fundiertheit der Angaben sei die Wegzeit (An- und Abreisezeit) - welche bereits im ersten Nachprüfungsverfahren vom Landesverwaltungsgericht aufgegriffen wurde - genannt: In sämtlichen von der Antragsgegnerin vorgegebenen Excel-Listen sind in der (grün hinterlegten) Spalte „Kosten pro implantiertem ICD – System für die Implantationsbegleitung in €’’ der Name des Mitarbeiters, welcher die Implantationsbegleitung durchführt, und die für ihn kalkulierte Weg-, Warte- und OP-Unterstützungszeit (in EUR und Minuten) anzugeben. Um dem Aufforderungsersuchen der Antragsgegnerin zu entsprechen und ihr die Überprüfung der angegebenen Wegzeit zu ermöglichen, ist etwa der Wohnort des benannten Mitarbeiters anzugeben. Denn nur so kann die Antragsgegnerin die betriebswirtschaftliche Nachvollziehbarkeit des vom Bieter gewählten Ansatzes (der Wegzeit in Minuten) überprüfen und ist die von ihr durchgeführte Angebotsprüfung vollständig.

Im Nachprüfungsverfahren wird daher zu prüfen sein, ob die präsumtiven Bestbieter entsprechende Unterlagen bzw Erläuterungen vorgelegt und damit dem Aufklärungsersuchen der Antragsgegnerin entsprochen haben. Die Antragstellerin geht davon aus, dass dies nicht erfolgt ist. Wie nachfolgend dargestellt wird - siehe Punkt 4.2 - können die diesbezüglichen Angaben der präsumtiven Bestbieter nicht plausibel sein und daher nicht im Sinn der Aufforderung der Antragsgegnerin nachgewiesen werden. Dementsprechend erweist sich die Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, auch aus diesem Grund als rechtswidrig und ist für nichtig zu erklären.

4.3.2   Im Übrigen ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach der Gleichbehandlungsgrundsatz es auch untersagt, einem Bieter mehrere Möglichkeiten zur Aufklärung über ein unmissverständlich formuliertes Aufklärungsersuchen zu gewähren: „Eine Aufforderung zur Verbesserung der Aufklärung ist nicht erforderlich. Sie würde gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter verstoßen.“5 Eine solche Vorgehensweise der Antragsgegnerin wäre daher wegen Verletzung von § 19 Abs 1 BVergG 2006 rechtswidrig und hätte die Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, zur Folge.

In seinem Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht ausgeführt: „Hinsichtlich der Nachsorge hat überdies ein Bieter keine genauen Angeben gemacht, dies auch nach weiterer Aufforderung und hat dieser Bieter ausgeführt, dass aufgrund der teilweise unbestimmten Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen bezüglich des benötigten Servicesupports bei Implantationen und bei der Nachsorge eine genaue Abschätzung der Kosten pro einzelnem Patienten bei einem einzelnen Produkt nicht möglich sei.“6 (Hervorhebungen durch die Antragstellerin)

Aus diesen Ausführungen leitet die Antragstellerin ab, dass dem betreffenden Bieter bereits vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens - im Rahmen der unzulänglichen vertieften Angebotsprüfung - mehrmals die Möglichkeit eingeräumt wurde, die betreffende Position aufzuklären. Da nach Einschätzung der Antragstellerin das Aufforderungsschreiben der Antragsgegnerin vom 04.09.2017 in identer Form an sämtliche Bieter versandt wurde, wurde diesem betreffenden Bieter im Rahmen der fortgesetzten Angebotsprüfung erneut eine Verbesserungsmöglichkeit eingeräumt. Dies verletzt nach der dargestellten Rechtsprechung jedoch den Gleichbehandlungsgrundsatz. Auch dieser Umstand hat die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, zur Folge, sofern der betreffende Bieter - wovon die Antragstellerin ausgeht - zu den präsumtiven Bestbietern zählt.

4.4      Unplausible Zusammensetzung des Gesamtpreises

Sollte das Landesverwaltungsgericht zum Ergebnis gelangen, dass die Antragsgegnerin - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - eine ordnungsgemäße und vollständige Aufklärung von den Bietern eingeholt hat, hätte die Antragsgegnerin im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung gemäß § 125 Abs 4 BVergG 2006 zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass jedenfalls die von den präsumtiven Bestbietern MM (NN) und OO angebotenen Preise nicht plausibel sein können.

4.4.1   Die Antragstellerin selbst hat ihre Preise durchaus kompetitiv - jedoch kostendeckend - kalkuliert.

Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Bieter MM, OO und die Antragstellerin folgende Gesamtpreise pro Set angeboten:

Bieter                             Los 1                     Los 2                     Los 3

MM (NN)                    2.890                     3.980                     6.345

OO                                  3.400                     3.900                     4.300

AA                                  5.000                     6.500                     7.500

Nach Einschätzung der Antragstellerin sind die Preise der Bieter MM (NN) und OO von EUR 2.890 und EUR 3.400 pro Set im Los 1 bzw ca EUR 3.900 pro Set im Los 2, sowie der von OO im Los 3 angebotene Gesamtpreis iHv EUR 4.300 pro Set nicht kostendeckend. Dies aus den folgenden Überlegungen:

4.4.2   Aufgrund ihre Branchenerfahrung geht die Antragstellerin davon aus, dass die Kosten der Bieter für ICD, Sonden und Zubehör (Gerätekosten) beinahe ident sind. Die Angebotspreise der Bieter MM (NN) und OO (mit Ausnahme von MM (NN) im Lose 3) überschreiten die nach Einschätzung der Antragstellerin marktüblichen Gerätekosten dieser Unternehmen nur geringfügig. Nach Einschätzung der Antragstellerin hat sohin MM (NN) in den Losen 1 und 2 die sonstigen Kosten ungefähr mit maximal EUR 600-700 und OO mit maximal EUR 1.100-1.200 angesetzt.

Mit diesen Beträgen werden die sonstigen anfallenden Kosten für die laut Ausschreibung anzubietenden (Neben-)Leistungen offenkundig bei Weitem nicht gedeckt. Diese Kosten für die anzubietenden Nebenleistungen (dh ohne Gerätekosten) setzen sich insbesondere aus den Personalkosten (zB Zeiten der Mitarbeiter zur Durchführung der Implantationsunterstützung und Follow-up Services, inklusive der Wegzeiten), aus der telemedizinischen Versorgung sowie den Kosten für die Programmiergeräte inklusive Wartung, sicherheitstechnische Überprüfungen und Software Upgrades zusammen.

Dabei ist zu beachten, dass diese Kosten jeweils über eine Laufzeit von 8 Jahren in den Losen 1 und 2 bzw 6 Jahren im Los 3 berechnet sein müssen. Es genügt daher beispielsweise nicht, wenn ein Bieter im Zusammenhang mit der Nachsorge ausschließlich die Kosten für die Kontrolle bei Entlassung des Patienten nach der Implantation einkalkuliert hat, sondern müssen vielmehr die Kosten für die während der Laufzeit alle durchzuführenden Kontrollen im angebotenen Preis einkalkuliert sein.

4.4.3   Im Einzelnen ist dazu folgendes auszuführen:

        Die Personalkosten setzten sich überwiegend aus den Wegzeiten und den Zeiten für die Unterstützung während der Nachsorge, multipliziert mit dem jeweiligen Stundensatz zusammen. Dies über einen Zeitraum von acht Jahren bei Los 1 und 2 berechnet.

    Auf Basis der Zeugenaussagen der Mitarbeiter der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung, wonach die Stundensätze von sämtlichen Bietern ident waren (ZV Aussage JJ, Verhandlungsprotokoll vom 08.11.2016, S 10) und die technische Überprüfung bei allen Geräten gleich lange dauert (ZV Aussage KK, Verhandlungsprotokoll vom 08.11.2016, S 22), können sich die wesentlich geringeren Preise in den Angeboten der Mitbieter nur aufgrund unterschiedlicher Wegstrecken der Mitarbeiter ergeben, weil andernfalls die Annahmen der Mitbieter für die Service- Kosten unrealistisch wären.

    Selbst bei bloß überschlagsmäßiger Berechnung wird offenkundig, dass diese Kosten von den angebotenen Preisen bei Weitem nicht gedeckt sind: Ausgehend von einem branchenüblichen Stundensatz und einer realistisch angenommenen Dauer der jeweiligen Nachsorge, werden alleine für die aktive Mitwirkung des Mitarbeiters bei der Nachsorge vor Ort in Y pro Jahr so viele Kosten aufgewendet, dass diese Leistungen keine Deckung im Setpreis abzüglich Gerätekosten finden. Selbst wenn die Kosten für die Nachsorge noch im Setpreis gedeckt werden, verbleibt für die sonstigen Kosten, die aufgrund der ausgeschriebenen Nebenleistungen zusätzlich zwingend anfallen, kein Spielraum. Dies betrifft insbesondere Kosten wie Telemedizin und Programmiergeräte. Damit ist offenkundig, dass dieser Preis weder kostendeckend noch plausibel sein kann.

Daraus folgt zwangsläufig, dass MM (NN) entweder von unrealistischen Annahmen zur Anzahl der Patienten oder zu Zeiten für die Nachsorge ausgegangen ist oder unrealistische Personalkosten und Kosten für sonstige Nebenleistungen (Telemedizin und Programmiergeräte) angesetzt hat. Es liegt daher eine unplausible Zusammensetzung der Gesamtpreise vor, weshalb das Angebot von MM (NN) in den Losen 1 und 2 bei ordnungsgemäßer vertiefter Angebotsprüfung gemäß § 125 Abs 4 BVergG 2006 ausgeschieden werden hätte müssen.

Beweis.        einzuholendes SV-Gutachten zur Kalkulation der Angebotspreise;

PV.

Im Angebotspreis von MM (NN) in Los 3 könnten zwar die Nebenkosten uU Deckung finden. Da dieser Mitbieter aber in den Losen 1 und 2 derart offensichtlich unterpreisig angeboten hat, ist davon auszugehen, dass er die gleichen bzw vergleichbar unterpreisigen Nebenkosten auch in Los 3 kalkuliert hat. Es ist daher auch der Gesamtpreis in diesem Los nicht plausibel zusammengesetzt.

4.4.4   Wenngleich der Angebotspreis von OO etwas höher als jener von MM (NN) liegt, ist auch dieser nicht kostendeckend kalkuliert worden und daher ebenso wenig betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar iSd § 125 Abs 4 BVergG 2006. Denn es ist zu bedenken, dass die von MM (NN) kalkulierten Preise bei Weitem nicht kostendeckend sein können. Daraus folgt, dass auch in den etwas höheren Preisen von OO Kosten für Nachsorge, Telemedizin oder Programmiergeräte offenkundig keine Deckung finden. Aufgrund ihrer Branchenkenntnis schätzt die Antragstellerin sohin auch die Preise dieser Mitbieterin als nicht kostendeckend und nicht betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar ein. Auch die Angebote dieser Mitbieterin wären daher wegen unplausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises gemäß § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 auszuscheiden gewesen.

4.4.5   In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Preisangemessenheit in Hinblick auf die ausgeschriebene Leistung zu beurteilen ist.8 Der geschätzte Auftragswert ist daher auch ein Indiz für die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit der angebotenen Preise. Ausweislich der Bekanntmachung ging der Auftraggeber von einem Gesamtwert der drei Lose von EUR 5,5 Mio aus. Der Gesamtpreis von OO beträgt mit EUR 1,714 Mio weniger als ein Drittel dieses Werts; jener von MM (NN) mit EUR 2.075,3 Mio nicht einmal 38 %. Auch bereits aus diesem Grund ist die Angemessenheit der von diesen Mitbietern angebotenen Preise in höchstem Maße fraglich und somit ein starkes Indiz für die Unangemessenheit ihrer Gesamtpreise.

4.4.6   Gemäß § 19 Abs 1 BVergG 2006 sind Aufträge der öffentlichen Hand zu angemessenen Preisen zu vergeben. Eine Vergabe zu unangemessenen Preisen führt - bei einem Unterpreis - zu einem ruinösen Wettbewerb aufseiten der Unternehmer. Ein ruinöser Wettbewerb zieht wiederum eine Reduktion der möglichen Bieter und somit einen Anstieg des Preisniveaus bei zukünftigen Ausschreibungen nach sich.

Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung ist gemäß § 125 Abs 4 BVergG 2006 die betriebswirtschaftlichen Erklär- und Nachvollziehbarkeit der angebotenen Preise zu prüfen. Dies meint - mit anderen Worten - ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.10 Diese Frage ist in aller Regel auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu beantworten.

Die fehlende betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit eines Preises führt dazu, dass der Preis als unangemessen bzw unplausibel anzusehen ist.12 Angebote, die eine – durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB Unterpreisigkeit) aufweisen, sind gemäß § 129 Abs 1 Z 3 BVergG 2006 auszuscheiden. Folglich wären die Angebote der Bieter MM (NN) und OO bei rechtmäßiger Vorgehensweise der Antragsgegnerin auszuscheiden gewesen. Das Nicht- Ausscheiden dieser Bieter zieht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, nach sich.13 Die Entscheidung, mit welchen Unternehmen die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, ist daher auch aus diesem Grund für nichtig zu erklären.

5. Anträge

Sohin werden gestellt nachstehende

ANTRÄGE:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol möge

1.       sämtliche Teile des Vergabeakts, welche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Antragstellerin enthalten, von der Akteneinsicht durch Mitbieter auszunehmen;

2.       ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich Kalkulation zum Beweis dafür, dass die von OO und MM (NN) angebotenen Preise nicht plausibel sind, einholen;

3.       eine mündliche Verhandlung anberaumen;

4.       die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 23.01.2018 hinsichtlich der Lose 1 bis 3 für nichtig erklären;

5.       der Antragsgegnerin den Ersatz der Pauschalgebühren für den Antrag auf Nichtigerklärung zu Händen der Rechtsvertreterin der Antragstellerin binnen 14 Tagen auferlegen.

II. ANTRAG AUF ERLASSUNG EINER

EINSTWEILIGEN VERFÜGUNG

Da einem Nachprüfungsantrag gemäß § 5 Abs 3 TirVergNG keine aufschiebende Wirkung zukommt, hätte die Antragsgegnerin die Möglichkeit zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw zur Zuschlagserteilung in den Losen 1 bis 3 bereits vor der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag, woraus sich für die Antragstellerin eine unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen ergibt. Die bloße (ex post) Feststellung einer fehlerhaften Zuschlagserteilung und allenfalls zustehende Schadenersatzforderungen können die Chance, den Auftrag zu erhalten, nicht aufwiegen. Nach dem Grundgedanken der RMRL 98/665/EWG soll eine einstweilige Verfügung nur dann nicht erlassen werden, wenn besondere Gründe eine Ausnahme vom Prinzip des Vorrangs des provisorialen Rechtsschutzes vor der Zuschlagserteilung erfordern (EuGH vom 28.10.1999, Rs C-81/98; 8.6.2002, Rs C-92/00; BVA 9.1.2004, 03N-1/04-7, BVA 30.4.2003, 06N-41/03-11).

Die Antragstellerin erklärt hiermit ihr diesbezügliches Vorbringen unter Punkt I. der gegenständlichen Eingabe ausdrücklich auch zum Vorbringen im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Zur Darlegung der Interessen der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung wird ausdrücklich auf die im Punkt 1.1.11 gemachten Ausführungen verwiesen. Einer vorläufigen Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarungen steht weder ein besonderes öffentliches Interesse entgegen, noch überwiegen Interessen der beteiligten Bieter gegenüber der Antragstellerin. Betreffend besonderen öffentlichen Interessen ist Folgendes festzuhalten: Nach der Judikatur der Vergabekontrollbehörden zählen zu den besonderen öffentlichen Interessen, die der Erlassung einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen, vor allem die Gefährdung von Leib und Leben oder Eigentum (BVA 29.12.2003,02N-147/03-5) oder die Einhaltung gemeinschaftsrechtlicher Verpflichtungen (VfSlg 14.982/1997). Öffentliche Interessen bestehen jedoch auch an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 25.10.2002, B1369/01; BVA 9.1.2004, 10N-3/04-4; BVA 12.9.2003, 14N-89/03-14). Dabei hat die Rechtrichtigkeit immer Vorrang vor der Raschheit der Vergabe (BVA 23.12.2002, 01N-73/01- 21; BVA 20.1.2004, 03N-1/04-12).

Im gegenständlichen Vergabeverfahren bestehen im Vergleich zu den Bieterinteressen offensichtlich keine schützenswerten Interessen an der Erhaltung höherwertigerer Rechtsgüter, wie Leib und Leben, Gesu

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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