TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 W158 2192321-1

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Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
AVG §66 Abs4
BFA-VG §9
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W158 2192321-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am

XXXX

A) I:

Das Verfahren wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. erkennt in derselben Sache zu Recht:

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

Der Beschwerde wird hinsichtlich den Spruchpunkten V. und VI. des angefochtenen Bescheids stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG iVm § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Am darauffolgenden Tag wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, es sei aufgrund der Taliban für ihn als Hazara extrem gefährlich nach Hause zu seinen Eltern zu fahren. Er sei vor drei Monaten von den Taliban aufgefordert worden mit ihnen zusammenzuarbeiten, andernfalls er getötet würde.

I.3. Am XXXX fragte das AMS hinsichtlich des Aufenthaltsstatus des BF nach, da ein Antrag auf Beschäftigungsbewilligung gestellt worden sei.

I.4. Am XXXX wurde der BF von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Der BF wurde dabei u.a. zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, seine Heimat zu verlassen, gab dieser an, der Hauptgrund sei gewesen, dass die Taliban ihn mit Mord bedroht hätten, wenn er die Zusammenarbeit mit ihnen ablehne. Die Taliban hätten erfahren, dass er keinen fixen Wohnsitz habe und in Kabul in die Schule gehe. Sie hätten ihn aufgefordert für sie zu arbeiten. Der BF habe zwei Jahre auf der Universität studieren können, dann seien die Taliban mehrmals zu seinem Vater gegangen und hätten ihm gesagt, dass der BF nun fertig studiert hätte und er nun für sie arbeiten solle. In Kabul wäre er nie direkt bedroht worden. Beim letzten Besuch der Taliban bei seinem Vater hätten diese gesagt, dass sie wüssten, wo der BF in Kabul lebe. Außerdem wären in Maidan Wardak die Mehrheit Paschtunen, die die Schiiten und Hazara schlecht behandeln und unterdrücken würden. Die Kutschis hätten mehrere Dörfer in der Umgebung angegriffen. Nach der Rückübersetzung gab der BF an, dass die Problematik mit den Kutschis früher sehr heftig gewesen sei, mittlerweile sei es besser geworden.

Als Beilage zur Niederschrift wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen, unter anderem ein Lehrvertrag und ein Zeugnis über eine bestandene B1 Deutschprüfung, genommen.

I.5. Mit Bescheid vom XXXX , dem BF am XXXX durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, dass das Vorbringen des BF zu vage und daher nicht glaubhaft sei, der Status eines Asylberechtigten habe ihm daher nicht gewährt werden können. Auch liege keine Situation vor, die die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würde, da dem BF eine Rückkehr nach Kabul möglich und zumutbar wäre. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, da die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen würde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei, da der BF über eine wesentlich größere Bindung zu Afghanistan (Familie, Freunde, Schul- und Universitätsbesuch) verfüge. Seine angefangene Lehre und sein ehrenamtliches Engagement könne daher keine Aufenthaltsverfestigung begründen, zumal er nur teilweise selbsterhaltungsfähig sei.

I.6. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.7. Am XXXX erhob der BF durch seinen Vertreter Beschwerde in vollem Umfang.

Begründend verwies der BF im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen, das entgegen der Ansicht des BFA glaubhaft sei. Jedenfalls stehe die Sicherheitslage, auch in Kabul, einer Rückkehr entgegen. Der BF sei nunmehr durch seine Lehre vollständig selbsterhaltungsfähig, er lebe nicht mehr von der Grundversorgung, sondern privat und verfüge über zahlreiche soziale Kontakte im Bundesgebiet. Es wurde daher beantragt, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen, in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, allenfalls die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären, in eventu festzustellen, dass die Abschiebung unzulässig sei und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

I.8. Am XXXX langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

I.9. Am XXXX beantragte der BF seinen Lehrherren zeugenschaftlich einzuvernehmen.

I.10. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und sein Rechtsvertreter teilnahmen. Das BFA verzichtete mit der Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an der Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen und seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Als Zeuge wurde sein Lehrherr einvernommen.

Der BF zog anlässlich der Verhandlung die Beschwerde gegen die Spruchpunkt I. und II. zurück.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle und die vom BF vorgelegten Unterlagen;

-

Befragung des BF und seines Lehrherren im Rahmen einer öffentlich mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am

XXXX ;

-

Einsicht in das Strafregister, das Melderegister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Die Identität kann nicht festgestellt werden.

Der BF wurde in Kabul geboren, besuchte zwölf Jahre die Schule und verfügt über einen afghanischen Universitätsabschluss.

Der BF befindet sich seit dem XXXX durchgehend im Bundesgebiet. Er besuchte in Österreich mehrere Deutschkurse und hat am 11.07.2017 die Deutschprüfung des ÖIF auf dem Niveau B1 erfolgreich bestanden. Am 31.03.2017 absolvierte er die Prüfung des ÖSD auf dem Niveau A2 erfolgreich. Der BF hat die Übergangsstufe an AHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch absolviert. Seit dem 12.07.2017 absolviert der BF eine Lehre als Metalltechniker bei der XXXX . Dort arbeitet er in einem Vierpersonen Team und wird für seine große Genauigkeit geschätzt. Die kollektivvertragliche Lehrlingsentschädigung beträgt im ersten Lehrjahr € XXXX , im zweiten € XXXX . Der BF half bei den zweiwöchigen " XXXX " freiwillig beim Aufbau, während des Festes als Ordner und beim Wegräumen. Im Jahr 2016 leistete er 34,5 Stunden Remunerationstätigkeiten für den Tourismusverband XXXX . Er hat einen Erste-Hilfe-Grundkurs absolviert und ist seit Juli 2016 als freiwilliger Mitarbeiter im Roten Kreuz XXXX im Bereich Realistische Unfalldarstellung tätig.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Er bezieht seit XXXX keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er lebte in einer Wohngemeinschaft bei einer Österreicherin und lebt nunmehr mit einem afghanischen Freund in einer Wohnung. Der BF hat in Österreich zahlreiche intensive soziale Kontakte zu Österreichern geschlossen. Mit diesen verbringt er seine Freizeit und besucht am Wochenende gelegentlich eine Bar oder eine Diskothek oder spielt mit seinen Freunden Karten.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

II.2.2. Die Feststellungen zur Nationalität, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF, zu seinen Sprachkenntnissen, zu seiner Herkunft und seiner Schulbildung in Afghanistan beruhen auf den glaubhaften Angaben des BF während des gesamten Verfahrens. Diese Feststellungen wurden zudem bereits im Wesentlichen vom BFA getroffen und in der Beschwerde nicht bestritten, sodass daran im Beschwerdeverfahren keine Zweifel aufgekommen sind. Seine Identität konnte mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden.

II.2.3. Die Feststellung, dass sich der BF seit dem XXXX durchgehend in Österreich befindet, basiert auf dem unbestrittenen Akteninhalt. Die weiteren Feststellungen zur Integration des BF in Österreich beruhen auf den glaubhaften Aussagen des BF, die größtenteils auch durch entsprechende Dokumente, an denen kein Grund zu zweifeln besteht, bestätigt werden. Der BF hat im Verfahren dargetan, dass er seit seiner Einreise in Österreich kontinuierlich den Erwerb der deutschen Sprache verfolgte und freiwillig mehrere Deutschkurse besuchte und mittlerweile die deutsche Sprache sehr gut beherrscht. Insbesondere konnte die erkennende Richterin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung selbst feststellen, dass der BF bereits sehr gute Deutschkenntnisse erlangt hat, zumal dieser die Fragen zu seiner Integration auf Deutsch beantworten konnte (S. 3f VP). Die Feststellungen zur Lehre des BF beruhen auf dem vorgelegten Lehrvertrag und der Aussage seines Lehrherren. Die Höhe der Lehrlingsentschädigung konnte aufgrund des auf den BF laut seinem Lehrvertrag anwendbaren Kollektivvertrag festgestellt werden.Die Remunerationstätigkeiten konnten aufgrund der vorgelegten Bestätigungen festgestellt werden.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit konnte aufgrund eines aktuellen Strafregisterauszugs festgestellt werden. Die Feststellung, dass der BF seit XXXX und somit bereits seit mehr als einem Jahr keine Leistungen mehr aus der Grundversorgung bezieht, basiert auf einem Auszug aus dem GVS-System. Der BF konnte anlässlich der mündlichen Verhandlung ferner glaubhaft darlegen, dass er nach der Entlassung aus der Grundversorgung zuerst in einer Wohngemeinschaft bei einer Österreicherin wohnte und sich nunmehr eine Wohnung mit einem Landsmann teilt (S. 4 VP).

Der BF legte anlässlich der Beschwerdeverhandlung dar, dass er in die österreichische Gesellschaft integriert ist und der österreichischen Kultur offen gegenübersteht, was sich insbesondere daran zeigt, dass er angab, es bereite ihm, außer dass seine Kollegen Dialekt sprechen und er daher manchmal nicht alles versteht, nichts Schwierigkeiten am Leben in Österreich (S. 4 VP). Die Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass der BF mittlerweile zu einem Teil der hiesigen Kultur und Gesellschaft geworden ist. Das zeigt sich insbesondere an den zahlreich vorgelegten Empfehlungsschreiben und auch den Angaben des BF selbst. So gab er nachvollziehbar an, dass er stets mit seinen Freunden die Freizeit verbringe und er am Wochenende mit ihnen Bars oder Diskotheken besuche (S. 5 VP). Diese freundschaftlichen Beziehungen gehen somit auch weit über ein "typisches Privatleben" hinaus, wie es im Rahmen einer Berufstätigkeit entsteht, zumal der BF auch bei anderen Organisationen freiwillig tätig ist und sich seine Freundschaften nicht allein auf den beruflichen Bereich beschränken (S. 5 VP). Auch der Zeuge bestätigte dieses Bild des BF als einen verlässlichen, engagierten und in Österreich "angekommenen" jungen Mann (S. 5f VP). So legte der Zeuge dar, dass ihm der BF bereits bei einer Lehrlingsmesse unter vielen anderen jungen Männern in Erinnerung geblieben ist unter anderem dadurch wie er die nähere Umgebung erklärte (S. 5f VP).

Im gegenständlichen Fall hat sich somit ergeben, dass beim BF mittlerweile eine besonders gelungene und nachhaltige Integrationsverfestigung im Bundesgebiet vorliegt. Der BF hat nachgewiesen, dass er sozial und wirtschaftlich bestens in die österreichische Gesellschaft integriert ist.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A)

Zu Spruchpunkt A) I.:

II.3.2.1 Hinsichtlich der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides war das Verfahren infolge der unmissverständlichen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

Zu Spruchpunkt A) II.:

II.3.2.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der BF befindet sich seit XXXX im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies auch weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet worden ist.

II.3.2.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 21.03.2018, Ra 2018/18/0122).

Der BF befindet sich seit XXXX und somit etwas mehr als drei Jahre im Bundesgebiet. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien darstellt, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist. Allerdings hat er auch betont, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Sisojeva ua gg Lettland, Nr. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu. Eine den Schutz auslösende Verbindung kann insbesondere für solche Asylwerber in Betracht kommen, deren Bindung an Österreich aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse mit gleichzeitiger Entfremdung vom Heimatland quasi Österreichern gleichzusetzen ist. Die Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass Österreich faktisch das Land ist, zu dem sie gehören, während sie mit dem Herkunftsland nur noch das formale Band der Staatsbürgerschaft verbindet (vgl. EGMR 26.03.1993, Beldjoudi vs. France, Nr. 12083/86). Aus folgenden Gründen handelt es sich um einen unzulässigen Eingriff in das schützenswerte Privatleben des BF:

Wie sich aus den Feststellungen und der korrespondierenden Beweiswürdigung ergibt, hat der BF seine Zeit in Österreich äußerst erfolgreich genutzt, um sich in vielerlei Hinsicht über das übliche Maß hinausgehend in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Der BF hat seit seiner Einreise in Österreich engagiert und zielstrebig gezeigt, dass er konsequent an seiner - sozialen und wirtschaftlichen - Integration in Österreich arbeitete. Er verfolgte kontinuierlich den Erwerb der deutschen Sprache und verfügt mittlerweile über weit fortgeschrittene Deutschkenntnisse, wovon sich die erkennende Richterin im Rahmen der mündlichen Verhandlung überzeugen konnte.

Der BF hat sich in Österreich um eine Berufsausbildung bemüht, geht mittlerweile einer regelmäßigen Beschäftigung nach und ist selbsterhaltungsfähig. Der BF übt seine berufliche Tätigkeit auch zur vollsten Zufriedenheit seines Lehrherren aus und hat im Ausbildungsbetrieb eine berufliche Zukunft. Der BF bezieht ein regelmäßiges Einkommen aus seiner erlaubten beruflichen Tätigkeit und befindet sich nicht mehr in Grundversorgung.

Der BF verfügt in Österreich über soziale Kontakte - darunter auch zu Österreichern - und wird von seinen Mitmenschen sehr geschätzt, wie die Aussagen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung und die zahlreich vorgelegten Unterstützungsschreiben aus allen Lebensbereichen des BF zweifelsfrei bestätigt haben.

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des BF stets ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu, er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während des unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005 mwN.). Vielmehr ist dem BF zu Gute zu halten, dass er sich trotz seines unsicheren Aufenthaltsstaus von Beginn an um eine soziale und wirtschaftliche Integration bemüht hat. Wesentlich zu berücksichtigen ist auch der Umstand, dass die lange Aufenthaltsdauer des BF auf überlange Verzögerungen zurückzuführen ist, die dem BFA zuzurechnen sind. So fand die Einvernahme erst mehr als zwei Jahre nach der Erstbefragung statt, ohne dass dazwischen irgendwelche erkennbaren Schritte seitens der Behörde gesetzt wurden. Der BF blieb in dieser Zeit jedoch nicht untätig, sondern bemühte sich mit besonderem Engagement um seine Integration, insbesondere durch das Erlernen der deutschen Sprache, dem Abschluss einer schulischen Bildung und dem Beginn einer Berufsausbildung. Das erstinstanzliche Verfahren dauerte beinahe zweieinhalb Jahre, ohne dass erkennbar wäre, dass der BF diese Verzögerungen verursacht hat. Vielmehr war das BFA ohne erkennbaren Grund mehrere Monate hindurch völlig untätig. Damit hat das BFA aber die gesetzlich vorgesehene Entscheidungsfrist von 15 Monaten, die überdies erst im Juni 2016 von sechs auf 15 Monate verlängert wurde, um fast das Doppelte überschritten. Selbst wenn man nun die hohen Antragszahlen in diesen Jahren mitberücksichtigt, ist kein Grund für eine derartige Überschreitung der Entscheidungsfrist zu erkennen, zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals festgehalten hat, dass eine mögliche Überlastung keinesfalls als geeignet angesehen werden kann, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0236). Im gegenständlichen Fall ist evident, dass der BF die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren. Er hat sich - wie bereits oben ausgeführt - seit seiner Einreise sehr erfolgreich bemüht, sich umfassend in die österreichische Gesellschaft zu integrieren und hat einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht erreicht, der sich nicht zuletzt im nachhaltigen Erwerb von Deutschkenntnissen, im gelungenen Miteinander im sozialen Umfeld, im erfolgreichen Ausüben einer Berufstätigkeit und in der dadurch erlangten Selbsterhaltungsfähigkeit in Österreich manifestiert.

Zwar ist der BF in Afghanistan geboren, verbrachte dort den Großteil seines bisherigen Lebens und verfügt in Afghanistan nach wie vor über Familienangehörige (vgl. VwGH 23.06.2015, Ra 2015/22/0026: dort grundsätzlich zur Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft des Herkunftsstaates bei grundlegender Sozialisation ebendort); dennoch begründet die mit der fortgeschrittenen Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet korrelierende abnehmende Bindung zu seinem Herkunftsstaat vor dem Hintergrund der nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Integration des BF in Österreich ein überwiegendes Interesse des BF am Verbleib in Österreich.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nun nicht, dass grundsätzlich ein hohes öffentliches Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen besteht (VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023), dass das Privatleben während des unsicheren Aufenthaltsstatus entstand, dessen sich der BF auch bewusst sein musste und der Umstand, dass der BF nicht straffällig geworden ist, keine Erhöhung des Gewichts der Schutzwürdigkeit der persönlichen Interessen des BF bewirkt (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112), doch ist im gegenständlichen Fall aus den eben dargelegten Gründen in einer Gesamtschau und Abwägung aller Umstände das private Interesse an der - nicht nur vorübergehenden - Fortführung des Privatlebens des BF in Österreich dennoch höher zu bewerten, als das öffentliche Interesse an einer Rückkehrentscheidung.

Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher stattzugeben und festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

II.3.2.4. Es ist daher nach § 58 Abs. 2 AsylG von Amts wegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG zu prüfen. Nach dessen Abs. 1 ist eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist nach § 55 Abs. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen

Da die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall erfüllt sind, zumal der BF im zweiten Lehrjahr € XXXX verdient und die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG gemäß BGBl. II Nr. 329/2018 für 2019 € 446,81 beträgt, ist ihm eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen. Zudem ist auch der erste Fall des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG erfüllt: Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist nach § 9 Abs. 4 IntG erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt (Z 1); einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3), einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4) oder als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen (Z 5).

Gegenständlich kommen nur Z 1 oder 2 in Frage. Nach § 11 Abs. 2 IntG umfasst die Prüfung des Moduls 1 Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Ein solcher Nachweis wurde vom BF nicht dargelegt.

Nach § 81 Abs. 36 NAG gilt das Modul der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG jedoch auch als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung war gemäß § 14a Abs. 4 NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt (Z 1), einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG vorlegt (Z 2), über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht (Z 3) oder einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt (Z 4).

Das Modul 1 diente gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 NAG (in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017) dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung. Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 hatte gemäß § 14 Abs. 3 leg. cit. der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen. Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) war gemäß § 7 Abs. 1 IV-V, BGBl. II Nr. 449/2005 idF BGBl. II Nr. 205/2011, die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben. Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildete gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF. Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 NAG galten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 IV-V allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse von "Österreichisches Sprachdiplom Deutsch".

Der BF hat im Verfahren ein Prüfungszeugnis des "Österreichisches Sprachdiplom Deutsch" auf dem Niveau A2 vom 06.04.2017 vorgelegt, wobei die Prüfung am 31.03.2017 stattfand (AS 107f). Das BGBl. I Nr. 68/2017 wurde am 08.06.2017 kundgemacht und trat daher nach Art. 49 Abs. 1 B-VG am 09.06.2017 in Kraft. Der BF hat somit die Voraussetzungen des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG idF vor dem BGBl. I Nr. 68/2017, vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens, erfüllt. Der BF erfüllt somit auch trotz Nichtvorlage eines Nachweises über die Absolvierung eines Wertekurses über die Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich nur mittels Vorlage eines Zeugnisses über Deutschkenntnisse des Niveaus A2 die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG. Es ist ihm daher auch deswegen der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.

Aufgrund der auf Dauer unzulässigen Rückkehrentscheidung und dem erteilten Aufenthaltstitel liegen die Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und eine Fristsetzung für eine freiwillige Ausreise aus dem österreichischen Bundesgebiet nicht mehr vor. Die Spruchpunkte V. und VI. war daher aufzuheben.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie wie hier auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. für viele VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003;

17.1.2019, Ra 2017/22/0115; 13.11.2018, Ra 2018/21/0205-0210;

8.11.2018, Ra 2016/22/0120, jeweils mwN).

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus, Deutschkenntnisse, Integration,
Interessenabwägung, Privatleben, Rückkehrentscheidung auf Dauer
unzulässig, Selbsterhaltungsfähigkeit, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2192321.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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