TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/26 G314 2217647-1

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Veröffentlicht am 26.04.2019
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Entscheidungsdatum

26.04.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs5

Spruch

G314 2217647-1/3Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2019,

Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 15.04.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den Beschwerdeführer (BF) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 5 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt wurde (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs 3 Z 5 FPG wurde ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die sofortige Ausreise des BF wegen seiner Straftaten und der zuletzt erfolgten Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, diesen (bzw. die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot) zu beheben oder die Dauer des Einreiseverbots zu reduzieren. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass eine Rückkehrentscheidung aufgrund des damit verbundenen unverhältnismäßigen Eingriffs in sein Privat- und Familienleben unzulässig sei. Seine Straftaten seien nicht so schwerwiegend, dass ein Einreiseverbot in der Maximaldauer geboten sei. Er habe sich zwischen 1992 und 1995, von 1997 bis 2004 und wieder seit 2006 rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Hier bestünde ein schutzwürdiges Familienleben, weil seine beiden Kinder und sein Stiefsohn, zu dem er auch ein enges persönliches Verhältnis habe, hier lebten. Er habe die Pflichtschule in Österreich absolviert, spreche gut Deutsch und habe zuletzt eine Berufsausbildung zum Metalltechniker abgeschlossen, sodass ein "normales" Erwerbsleben in Österreich möglich sei. Zu seinem Herkunftsstaat habe er keine familiären oder sozialen Bindungen mehr.

Das BFA beantragte, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens langten am 18.04.2019 beim BVwG ein.

Feststellungen:

Der BF kam in der serbischen Stadt XXXX zur Welt und lebte zumindest ab 1997 in Wien bei seinen Großeltern. Er beherrscht die deutsche Sprache gut. 2003 wurde ihm ein unbefristeter Aufenthaltstitel (Niederlassungsnachweis) erteilt. Zwischen April 2004 und September 2006 hielt er sich nicht im Bundesgebiet auf. Im September 2006 kehrte er zurück und war hier bis August 2008 (mit Unterbrechungen) erwerbstätig. Seither ging er im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit mehr nach.

Der BF war heroinsüchtig und wurde in Österreich mehrmals strafgerichtlich verurteilt. Einer Verurteilung zu einer sechsmonatigen, zunächst bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe wegen Raubes im Oktober 2007 folgte eine Verurteilung zu einer fünfmonatigen, bedingt nachgesehenen Freiheitstrafe wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften im April 2008. Im Mai 2009 wurde der BF wegen Vermögens- und Aggressionsdelinquenz (§§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15, 107 Abs 1, 83 Abs 1 StGB) zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt; gleichzeitig wurde die 2007 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Der BF verbüßte diese Strafen von März 2009 bis zu seiner bedingten Entlassung im Jänner 2010 in den Justizanstalten XXXX und XXXX. Die bedingte Entlassung wurde 2013 für endgültig erklärt; die 2008 ausgesprochene Strafe 2014 endgültig nachgesehen.

Ab 2010 war der BF mit der Österreicherin XXXX liiert und kümmerte sich um deren Sohn, den am XXXX.2009 geborenen XXXX. Das Paar hat auch zwei gemeinsame Kinder, den am XXXX.2012 geborenen XXXX und die am XXXX.2016 geborene XXXX. XXXX und XXXX sind seit September 2015 in einer Wohngemeinschaft der Wiener Kinder- und Jugendhilfe untergebracht. XXXX wurde gleich nach ihrer Geburt bei Pflegeeltern untergebracht; es gab bislang keinen persönlichen Kontakt zwischen ihr und dem BF. Der BF ist nicht mit der Obsorge für seine Kinder betraut, die vollständig (XXXX) bzw. im Teilbereich Pflege und Erziehung (XXXX) der Wiener Kinder- und Jugendhilfe übertragen wurde.

Im Oktober 2014 wurde der BF neuerlich verhaftet und im Dezember 2014 wegen Suchtgiftdelikten zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis Februar 2016 in den Justizanstalten XXXX und XXXX verbüßte. Im Dezember 2016 verübte er in XXXX einen Raubüberfall mit einem Messer, wobei er seinem Opfer Schnittwunden an den Fingern zufügte. Er wurde verhaftet und deshalb, aber auch wegen anderer strafbarer Handlungen (ua wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften) im Februar 2017 zu einer fünfjährigen Freiheitstrafe verurteilt, die er seither in den Justizanstalten XXXX und XXXX verbüßt. Bei der Strafzumessung wurden das teilweise reumütige Geständnis als mildernd, die vier einschlägigen Vorstrafen, der rasche Rückfall, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB (Strafverschärfung bei Rückfall), das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die Körperverletzung und der doppelte Tatmitteleinsatz beim Raub sowie die Tatwiederholung über einen langen Deliktszeitraum bei den Suchtgiftdelikten dagegen als erschwerend berücksichtigt.

Während des nunmehrigen Strafvollzugs bemühte sich der BF um Kontakte zu seinen Kindern und seinem Stiefsohn; es kam schon zu mehreren Besuchskontakten mit XXXX und XXXX. Zur Mutter der Kinder besteht derzeit kein persönlicher Kontakt. Der BF absolvierte in der Justizanstalt XXXX Gruppen- und Einzeltherapien, machte eine Ausbildung zum Metalltechniker, die er im Februar 2019 mit der Lehrabschlussprüfung abschloss, und konsumiert aktuell weder Suchtgift noch Substitutionsmedikamente. Das urteilsmäßige Strafende ist im Dezember 2021; eine bedingte Entlassung ist frühestens im Juni 2019 möglich.

Neben den Kindern des BF leben auch noch zahlreiche andere Verwandte (Großmutter, Bruder mit Familie, Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen) im Bundesgebiet.

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, den Vollzugsinformationen, dem Vorbringen des BF und den von ihm vorgelegten Unterlagen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister.

Der BF behauptet, er habe sich auch schon zwischen 1992 und 1995 sowie durchgehend ab 2006 im Bundesgebiet aufgehalten. Da keine Nachweise dafür aktenkundig sind, kann keine entsprechende Feststellung getroffen werden, zumal für die Zeit zwischen 1992 und 1995 und zwischen 2010 und 2014 keine Wohnsitzmeldung im ZMR ersichtlich ist.

Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde richtet sich (implizit) auch gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Aufgrund der gravierenden Vermögens-, Suchtgift- und Gewaltdelinquenz des BF, seines belasteten Vorlebens und der Wirkungslosigkeit früherer strafgerichtlicher Sanktionen ist die Voraussetzung des § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG trotz seines positiven Vollzugsverhaltens erfüllt. Die Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen schweren Raubes und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB indizieren, dass von ihm auch nach dem Strafvollzug eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen wird, zumal nach der Rechtsprechung des VwGH ein Gesinnungswandel eines Straftäters auch im Fall einer (erfolgreich) absolvierten Therapie grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0112) und insbesondere bei den vom BF verübten Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht (vgl VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er derzeit lediglich in geschützter Umgebung abstinent ist und die nachhaltige Überwindung seiner langjährigen Gewöhnung an Suchtmittel erst in Freiheit unter Beweis stellen muss.

Auch bei Bedachtnahme auf die behaupteten privaten und familiären Anbindungen in Österreich (langjähriger rechtmäßiger Aufenthalt, Beziehung zu österreichischen Kindern und anderen nahen Angehörigen im Bundesgebiet, Absolvierung von Schul- und Berufsausbildung, Deutschkenntnisse) und die geschwächte Bindung zu seinem Herkunftsstaat ist mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden, zumal dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der gravierenden Straftaten ein sehr großes Gewicht beizumessen ist (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271) und die Kontakte des BF zu seinen Kindern und anderen in Österreich lebenden Bezugspersonen ohnedies haftbedingt eingeschränkt sind.

Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF (Serbien) ergibt ebenfalls keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich gemäß § 1 Z 6 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, in dem die Todesstrafe gänzlich abgeschafft ist und kein bewaffneter (internationaler oder innerstaatlicher) Konflikt herrscht.

Die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid ist zwar äußerst knapp, aber im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit des BF und den raschen Rückfall als gerade noch ausreichend anzusehen.

Im Ergebnis ist die sofortige Ausreise des BF nach seiner Entlassung aus der Strafhaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich. Es ist ihm zumutbar, den Verfahrensausgang nach seiner Enthaftung in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Der Beschwerde ist somit derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2217647.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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