TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/26 W203 2209544-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.2019
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Entscheidungsdatum

26.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W203 2196875-1/8E

W203 2209544-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX .1992, und 2.) mj. XXXX , geboren am XXXX .2018, vertreten durch ihre Erziehungsberechtigte XXXX , beide staatenlos, gegen jeweils Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 25.04.2018, Zl. 1165845709/171002585 und 2.) vom 15.10.2018, Zl. 1207100009 - 180891139 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.11.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 und - hinsichtlich der BF2 - § 34 Abs. 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Mutter der am XXXX .2018 in Österreich geborenen Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2). Beide sind staatenlos und gehören der kurdischen Volksgruppe an. Die BF1 stammt aus Kamischli und hat dort 5 Jahre lang die Grundschule besucht. Sie ist mit einem in Großbritannien wohnhaften Kurden verheiratet. Die BF1 stellte am 29.08.2017 für sich und am 20.09.2018 für die BF2 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

2. Am 29.08.2017 wurde die BF1 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Erstbefragung unterzogen. Dabei gab sie an, dass sich ihr Vater nach wie vor in Syrien aufhalte, alle anderen Familienmitglieder hätten Syrien Richtung Türkei verlassen. Sie habe Syrien verlassen, weil dort "die Kriegssituation in sehr fortgeschrittenem Zustand" wäre. Es habe keinen Strom und kein Wasser gegeben und deswegen habe die Familie beschlossen, in die Türkei zu gehen, wo die BF1 auch ihren Mann geheiratet habe. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte sie "Tod, Hunger, Elend und Not".

3. Bei der am 06.03.2018 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) gab die BF1 im Wesentlichen an, dass sie ihren Mann, der britischer Staatsbürger sei, am 03.05.2017 in der Türkei geheiratet habe. Die Eheschließung sei von einem Scheich durchgeführt worden.

In Syrien habe die BF1 keine Rechte gehabt und die Lebensumstände wären sehr schwierig gewesen. Sie sei nach Österreich gekommen, weil sie zusammen mit ihrem Mann leben möchte. Sie habe Syrien am 15.09.2014 illegal Richtung Türkei verlassen, nach einem dortigen mehrjährigen Aufenthalt sei sie nach der Eheschließung nach Österreich gereist.

Gefragt nach ihren Fluchtgründen gab die BF1 an, dass ihr Mann mit den Schleppern vereinbart habe, sie nach Großbritannien zu bringen, die Schlepper hätten sie aber nur bis Österreich gebracht, wo sie dann um Asyl angesucht habe. Nachgefragt, warum sie Syrien verlassen habe, gab die BF1 abermals an, dass sie zu ihrem Mann habe kommen wollen und dass in Syrien Krieg herrsche. Die staatenlosen Kurden hätten auch schon vor dem Krieg keinerlei Rechte in Syrien gehabt, deren Lebensumstände seien unerträglich gewesen. Es herrsche Krieg in Syrien und viele würden getötet werden, man wisse nicht, wann man selber auch getötet werden würde.

Die Nachfrage nach weiteren Fluchtgründen verneinte die BF1.

4. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 25.04.2018 und vom 15.10.2018 (im Folgenden: angefochtene Bescheide) wies die belangte Behörde die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i. V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (jeweils Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - hinsichtlich der BF2 iVm § 34 Abs. 2 AsylG - wurde den BF der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (jeweils Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (jeweils Spruchpunkt III.).

Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass die BF1 Syrien aufgrund des Krieges und deswegen verlassen habe, um zu ihrem in der EU aufhältigen Ehemann reisen zu können. Sie habe nicht glaubhaft machen können, dass sie in Syrien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten habe. Die BF1 sei trotz mehrfacher Aufforderung nicht in der Lage gewesen, ein stichhaltiges, detailliertes und somit auch nachvollziehbares Vorbringen rund um eine auf sie persönlich gerichtete Bedrohung darzulegen. Durch ihre bloß vagen und abstrakten Angaben habe sie gegenüber der Behörde eine Verfolgung in Syrien nicht glaubhaft machen können.

5. Am 29.05.2018 erhoben die BF Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide. Begründet wurde diese im Wesentlichen damit, dass die BF1 als Angehörige der kurdischen Volksgruppe permanenten Diskriminierungen und Schikanen ausgesetzt gewesen sei, weswegen sie letztlich gezwungen gewesen sei, Syrien zu verlassen. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Länderfeststellungen befassten sich überhaupt nicht mit der Lage der staatenlosen Kurden in Syrien und wären daher unvollständig.

Außerdem würde der BF1 aufgrund ihrer Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung im Ausland in Syrien eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden.

Letztlich sei auch festzuhalten, dass es sich bei der BF1 um eine junge Frau handle, und dass diese somit zu einer Hochrisikogruppe in Syrien zu zählen sei.

6. Am 04.10.2018 legte die belangte Behörde die gegenständliche Beschwerde samt zugehörigem Verfahrensakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Am 22.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Dabei gab die BF1 an, dass sie seit dem 30.05.2017 verheiratet sei und eine am XXXX .2018 geborene Tochter, die BF2, habe. Sie habe keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Ihr Ehemann, der über einen britischen Konventionsreisepass verfüge, besuche sie ca. alle 3 Monate in Wien und würde dann jeweils für ca. 3 Monate bleiben. Der Vater der BF1 lebe noch in Kamischli, der Rest der Familie lebe in Istanbul.

Gefragt nach ihren Fluchtgründen gab die BF1 an, dass sie und ihre Familie als staatenlose Kurden in Syrien keine Rechte gehabt hätten. Sie hätten im eigenen Namen kein Eigentum besitzen und auch nur ein Minimum an schulischer Ausbildung erlangen können. Später sei der Krieg ausgebrochen und die YPG hätte Männer und Frauen für den Krieg rekrutiert. Die Leute der YPG seien zur Familie der BF1 gekommen und hätten zunächst deren Bruder und anschließend auch die BF1 selbst zum Kriegseinsatz mitnehmen wollen, woraufhin die BF1 geflüchtet sei. Nach Ausbruch des Krieges hätte die BF1 Angst um ihr Leben gehabt, was ebenfalls ein Grund für die Flucht gewesen wäre. Die Leute des YPG seien mehrmals zur Familie der BF1 gekommen, um nach deren Bruder zu fragen, der sich aber versteckt gehalten habe. Einmal seien auch zwei Männer und zwei Frauen zur Familie gekommen und hätten Kontakt zur BF1 gesucht und zu dieser gesagt: "Wenn wir auch deinen Bruder nicht finden, kannst du mit uns kommen, um für deine Freiheit zu kämpfen." Auf den Vorhalt der BF1, dass sie gar nicht kämpfen könne, sei ihr gesagt worden, dass man ihr "das schon beibringen" werde. Die Leute hätten "indirekt versucht", die BF1 zu rekrutieren, was ihr Angst gemacht habe. Die Leute wären insgesamt viermal wegen der BF1 gekommen, beim letzten Mal sei ihr gesagt worden, dass - wenn der Krieg sich mit dieser Geschwindigkeit ausweite - sie sich gezwungen sehen würden, sowohl den Bruder der BF1 als auch diese selbst mitzunehmen. Die beiden könnten nicht einfach hierbleiben, ohne zu kämpfen.

Nachgefragt, warum sie die drohende Rekrutierung durch die YPG nicht bereits früher erwähnt habe, gab die BF1 an, dass sie nicht explizit danach gefragt worden sei. Schließlich würde es sich aber beim gesamten Vorbringen um Konsequenzen aus dem Syrienkrieg handeln, den sie vorrangig als Fluchtgrund erwähnt habe.

Als staatenlose Kurdin in Syrien habe sie keine Rechte gehabt. Um ihre Heimatstadt verlassen zu können, hätte sie einen Ausweis benötigt, den sie aber nicht gehabt habe, insofern sei sie "unterdrückt" gewesen. Sie habe ihr ganzes Leben in Syrien in Kamischli verbracht.

Die BF1 gab an, nie Kontakt mit den syrischen Behörden und deswegen auch keine Probleme mit diesen gehabt zu haben.

Sie glaube, dass in der Gegend von Kamischli die Frauen gleich behandelt würden wie die Männer, genau könne sie es aber nicht sagen.

Ihr Tochter, die BF2, habe keine eigenen, sondern die gleichen Fluchtgründe wie die BF1.

Zum Schluss der Verhandlung wies die Rechtsvertreterin der BF1 darauf hin, dass diese in Syrien "maktum" seien und deshalb über keinerlei Grundrechte verfügten. Die gravierenden Diskriminierungen, denen die BF in Syrien ausgesetzt seien, würden Asylrelevanz erreichen. Die BF1 hätte im Falle einer Rückkehr nach Syrien eine Zwangsrekrutierung durch die kurdische Miliz zu befürchten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz vom 29.08.2017, der Einvernahme der BF1 durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde, der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2018 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person der BF und zum Fluchtvorbringen:

Die BF sind staatenlos, gehören der kurdischen Volksgruppe an und bekennen sich zum muslimischen Glauben.

Die BF1 stellte am 29.08.2017 für sich selbst und am 20.09.2018 für die BF2 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Aufgrund dieser Anträge wurde der BF1 mit Bescheid vom 25.04.2018 und der BF2 mit Bescheid vom 15.10.2018 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Die BF1 hat Syrien aufgrund der Kriegswirren und deswegen verlassen, um zu ihrem in Europa aufhältigen Ehemann gelangen zu können.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien droht der BF1 nicht die Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen. Es droht der BF1 auch weder Verfolgung auf Grund des Umstandes, dass sie der kurdischen Volksgruppe angehört, noch deswegen, dass es sich bei ihr um eine alleinstehende Frau handelt.

Der BF1 droht in Syrien nicht Verfolgung auf Grund ihrer Staatenlosigkeit.

Die BF2 ist die minderjährige Tochter der BF1, sie verfügt über keine eigenen Fluchtgründe.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25. Jänner 2018, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, S. 38ff):

Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 3.3.2017). Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce" (Haaretz 4.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 3.3.2017). Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2017)

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016). Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 3.3.2017). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte (USDOS 3.3.2017). Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt (DS 23.12.2017; vgl. Standard 29.12.2017).

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden (Spiegel 16.8.2017). 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrin, Ain al-Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (ES BFA 8.2017). Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin steht zwar unter kurdischer Kontrolle, ist jedoch nicht mit dem Rest des kurdischen Gebietes verbunden (ICC 4.5.2017; vgl. IRIN 15.9.2017). Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet (ES BFA 8.2017 und ICC 4.5.2017). In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren (CHH 8.12.2016).

Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel 16.8.2016). Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten (Standard 29.12.2017).

Der "Islamische Staat" (IS)

Im November 2017 brachte die syrische Armee Deir ez-Zour, das zuvor vom IS besetzt war, wieder unter seine Kontrolle (BBC 12.12.2017). Der IS verlor 2017 beinahe sein ganzes Territorium in Syrien und im Irak (Reiters 27.12.2017a).

Analysten gehen außerdem davon aus, dass der IS sich bereits auf eine neue Phase vorbereitet und sich zu der Art von Untergrundbewegung zurückentwickelt, die sie in ihren Anfängen war (NYT 17.10.2017).

Gebiete unter kurdischer Kontrolle

Im von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) kontrollierten Gebiet wurde die "Verfassung von Rojava" erstellt, welche als "sozialer Vertrag" zwischen den Bürgern der kurdischen Gebiete beschrieben wird und eine parlamentarische Demokratie mit Pluralismus und gleichen Rechten für Männer und Frauen vorsieht (BTI 2016). Es wurden Komitees gegründet, die die Erhaltung des "sozialen Friedens" zum Ziel haben und Straftaten unter diesem Gesichtspunkt regeln (FT 23.12.2015). Die von der PYD geführte Verwaltung umfasst neben einer eigenen Polizei auch Gerichte, Gefängnisse, Ministerien und Gesetze. Für die Militärgerichtsbarkeit sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) verantwortlich (AI 12.7.2017). Die Erbringung öffentlicher Dienste variiert in den kurdisch kontrollierten Gebieten. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch Parallelstrukturen geschaffen. Zum Beispiel fordert die PYD die Bevölkerung dazu auf sich bei den Institutionen der PYD zu registrieren, gleichzeitig müssen sich Bürger jedoch auch bei den örtlichen staatlichen Gerichten um offizielle Dokumente bemühen, da Dokumente der PYD vom syrischen Staat nicht anerkannt werden (CHH 8.12.2017).

Frauen

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind (FH 1.2017).

Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation und vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den andauernden Konflikt dramatisch, weil Frauen Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Aufgrund der Kampfhandlungen (orig. shelling) zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017).

In oppositionellen Gebieten, welche von radikalislamistischen Gruppen kontrolliert werden (z.B. in Idlib oder umkämpften Gebieten östlich von Damaskus), sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Außerdem ist es schwierig für sie zu arbeiten, weil sie unter Druck stehen, zu heiraten. Dies hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die der IS kontrolliert(e), wurde ein Dokument veröffentlicht, welches Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt. Die Punkte waren unter anderem, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten (mahram) zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen (USDOS 3.3.2017; vgl. BFA 8.2017). In Raqqa gründete der IS die "al-Khansaa"-Brigade, welche hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des IS bei anderen Frauen durchsetzten soll (USDOS 3.3.2017). Familien werden auch gezwungen ihre Töchter an IS-Kämpfer zu verheiraten. Jabhat Fatah ash-Sham [Anm.: vormals Jabhat al-Nusra] ist Frauen gegenüber etwas weniger restriktiv, die Situation ist jedoch ähnlich. Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikalislamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).

Sexuelle Gewalt und deren Folgen

Vergewaltigungen sind weit verbreitet und die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigungen gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder ein, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen. Das tatsächliche Ausmaß von sexueller Gewalt in Syrien lässt sich nur schwer einschätzen, weil viele Vergehen nicht angezeigt werden. Es passieren auch Vergewaltigungen durch Wächter und Sicherheitskräfte in Haftanstalten (USDOS 3.3.2017).

Frauen und Mädchen sind besonders im Kontext von Hausdurchsuchungen, an Checkpoints, in Haftanstalten, an Grenzübergängen und nach einer Entführung durch regierungstreue Einheiten von sexueller Gewalt betroffen, während Männer und Jungen vor allem während Verhören in Haftanstalten der Regierung von sexueller Gewalt betroffen sind (WILPF 11.2016 und BFA 8.2017).

Vergewaltigung außerhalb der Ehe ist zwar laut Gesetz strafbar, die Regierung vollstreckt dieses Gesetz jedoch nicht. Außerdem kann der Täter Straffreiheit erlangen, wenn er das Opfer heiratet, um so das soziale Stigma einer Vergewaltigung zu vermeiden (USDOS 3.3.2017). Die gesellschaftliche Tabuisierung von sexueller Gewalt führt zu einer Stigmatisierung von Frauen, die in Haft waren, zur Erniedrigung von Opfern, Familien und Gemeinschaften und zu einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Fälle von sexueller Gewalt. Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden oder eine Vergewaltigung auch nur vermutet wird. Es gibt Fälle von Frauen, die nach einer Vergewaltigung Opfer von Ehrenmorden werden. Berichten von NGOs zufolge kam es seit dem Ausbruch des Konfliktes zu einem starken Anstieg bei Ehrenmorden infolge weit verbreiteter Fälle von Vergewaltigungen durch Regierungseinheiten und Ausbeutung durch den IS (BFA 8.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Alleinstehende Frauen

Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt. In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z.B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten (BFA 8.2017).

Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können (BFA 8.2017). Im Dezember 2017 hat das von Hay'at Tahrir ash-Sham gestützte Syrian Salvation Government (SSG) in der Provinz Idlib, die großteils von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert wird, eine Entscheidung verkündet, laut welcher alle Witwen in ihrem Kontrollgebiet mit einem Shari'a-konformen männlichen Familienangehörigen wohnen müssen. Die Meldung warnt auch vor Bestrafung für "jeden der sich nicht nach dieser Regelung richtet", es ist jedoch noch unklar wie die Entscheidung umgesetzt wird (Syria Direct 14.12.2017).

Frauen in von der PYD kontrollierten Gebieten

Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind auch in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert. Dies gilt jedoch ausdrücklich nur für kurdische Frauen in den kurdischen Gebieten, nicht jedoch für arabische Frauen in den kurdischen Gebieten oder für kurdische Frauen im Rest Syriens (BFA 8.2017). 2013 akzeptierte die kurdische Autonomieregierung wichtige Maßnahmen, um die Rechte von Frauen zu verbessern. So werden Ehrenmorde nun als strafbare Verbrechen angesehen, Zwangsehen und Eheschließungen von Minderjährigen wurden verboten und Männer, die mehr als eine Ehefrau haben, wurden von allen Organisationen und Komitees ausgeschlossen (TF 27.8.2017).

Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, dass die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde und andere Gewalt gegen Frauen wurden verboten (TF 27.8.2017).

Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden, wobei auch arabische und christliche Frauen die Zentren nutzen (TF 27.8.2017). Generell gilt jedoch, nicht nur in Bezug auf Frauen, dass sich Organisationen bei der PYD registrieren oder eine Lizenz beantragen müssen, womit die PYD eine gewisse Monopolstellung erreichen will. Organisationen, die dem nicht nachkommen, werden als illegal angesehen (CHH 8.12.2017). Die kurdische Selbstadministration schloss mehrere Organisationen, die sich auf Frauenförderung und Frauenbetreuung spezialisiert hatten (SNHR 25.11.2016).

Die Emanzipation der Frauen in Rojava ist ein laufender Prozess. Gemäß der Aussage von Janet Biehl via Toward Freedom sind dort patriarchale Traditionen tief eingebettet und mit Religion verbunden (TF 27.8.2017). Laut der syrischen Aktivistin Mahwash Sheiki entstanden diese Veränderungen jedoch nicht durch Veränderungen im sozioökonomischen System, sondern waren eine von der PYD-Spitze getroffene Entscheidung, nicht von der breiten Bevölkerung. Die Raten von Fällen von Gewalt gegen Frauen sind jedenfalls gesunken, wobei Polygamie, sexuelle Gewalt, Frühehen, Vergewaltigung etc. noch immer sensible Themen in Nordsyrien sind. Aufgrund des Bürgerkriegs lassen sich die längerfristigen Entwicklungen auch im Bezug auf Frauenrechte schwer einschätzen (Syria Untold 25.3.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus deren Angaben im Rahmen der Erstbefragung bzw. der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie aus den vorgelegten Dokumenten.

2.2. Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.3. Die Feststellungen zur Situation in Syrien, dem Heimatstaat der BF, beruhen auf den genannten (nun aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

2.4. Im vorliegenden Verfahren hatten die BF nach ihrer Erstbefragung sowie nach der Einvernahme vor der belangten Behörde die Gelegenheit, ihre Fluchtgründe im Rahmen der Beschwerde und im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht umfassend darzulegen.

2.5. Die Feststellung, dass die BF1 Syrien wegen der Kriegswirren und wegen des Wunsches, mit ihrem in Europa aufhältigen Ehemann zusammenleben zu können, verlassen hat, beruht auf den diesbezüglich gleichlautenden, während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens getätigten Angaben der BF1 sowie der Angaben des als Zeugen von der belangten Behörde einvernommenen Ehemannes der BF1. Es besteht für das erkennende Gericht kein Grund, an der Plausibilität dieser Angaben zu zweifeln.

2.6. Die Feststellung, dass der BF1 nicht die Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen droht, beruht einerseits darauf, dass die diesbezüglichen Angaben der BF1 nicht als glaubhaft anzusehen sind, und andererseits darauf, dass selbst dann, wenn man von der Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben der BF1 ausginge, daraus keine Hinweise darauf abgeleitet werden können, dass der BF1 im Falle einer Rückkehr tatsächlich eine Einziehung zur Kurdenmiliz gegen deren Willen droht.

Zur fehlenden Glaubhaftigkeit der Angaben der BF1 ist festzuhalten, dass es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).

Die BF1 gab zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates bei ihrer Erstbefragung an, dass damals in Syrien eine "Kriegssituation in einem sehr fortgeschrittenen Zustand" bestanden habe. Bei der Niederschrift vor der belangten Behörde gab sie als Fluchtgrund zunächst an, dass ihr Mann mit einem Schlepper vereinbart habe, sie zu diesem nach Großbritannien zu bringen, und nachgefragt, dass in Syrien Krieg herrsche. Auch in der Beschwerde wurde abermals der Syrienkrieg als Fluchtgrund genannt sowie, dass die BF1 als staatenlose Kurdin bzw. als alleinstehende Frau in Syrien keinerlei Rechte gehabt habe und ständigen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei. Erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - somit in einer sehr späten Phase des Verfahrens - brachte die BF1 erstmals vor, Syrien aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung durch die Kurdenmilizen verlassen zu haben. Dieses Vorbringen erweist sich somit im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als nicht glaubhaft. Daran kann auch der Umstand, dass die BF1 auf Nachfrage, warum sie diesen Fluchtgrund nicht bereits früher erwähnt habe, angab, dass sie nicht explizit danach gefragt worden wäre und dass es sich dabei letztlich um Konsequenzen des Krieges handele, die alle irgendwie zusammenhängen würden, nichts ändern, da es jeder Lebenserfahrung widerspricht, dass so essentielle Umstände, die zur Entscheidung, das Heimatland fluchtartig zu verlassen, geführt haben, nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in dem Land, in dem jemand Schutz vor Verfolgung sucht, vorgebracht werden, auch wenn man nicht explizit danach gefragt wird. Es ist zwar der BF1 nicht entgegenzutreten, wenn sie vorbringt, dass viele der von ihr im Laufe des Verfahrens geltend gemachten Fluchtgründe - so auch die Rekrutierung von Frauen für die Kurdenmiliz - in einem Zusammenhang mit dem Syrienkrieg stehen; nicht nachvollziehbar ist demgegenüber allerdings, dass die BF1 zunächst als negative, fluchtauslösende Auswirkungen des Krieges auf die mangelnde Strom- und Wasserversorgung, die unerträglichen Lebensumstände und die Gefahr, im Zuge der Kriegswirren getötet zu werden, verwiesen hat, das nunmehr geltend gemachte zentrale fluchtauslösende Ereignis, nämlich die Angst vor der drohenden Zwangsrekrutierung, aber erst im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmals vorbrachte.

Aber selbst bei Wahrheitsunterstellung des während der mündlichen Verhandlung getätigten Fluchtvorbringens lässt sich daraus keine asylrelevante Verfolgungsgefahr ableiten. Die Schilderungen der BF1, denen zu Folge die Männer und Frauen der Kurdenmiliz mit der BF1 "Kontakt gesucht" hätten, dass diese "indirekt versucht" hätten, diese zu rekrutieren, dass sie eine tatsächliche Mitnahme der BF1 erst für den Fall, dass sich "der Krieg weiterhin mit dieser Geschwindigkeit erweitere", dass die Kontakte im Haus der Familie der BF1 und bei deren Anwesenheit insgesamt viermal stattgefunden hätten, ohne dass diese tatsächlich eingezogen wurde, und dass es auch dem Bruder der BF1 gelungen ist, sich erfolgreich einem Anschluss an die Kurdenmiliz zu widersetzten, deuten eher darauf hin, dass es sich dabei gegenständlich nicht um eine versuchte Zwangsrekrutierung, sondern vielmehr um an die BF1 und deren Bruder gerichtete Anwerbungsversuche, sich freiwillig der Kurdenmiliz anzuschließen, gehandelt hat.

2.7 Die Feststellung, dass der BF1 keine Verfolgung als "alleinstehende Frau in Syrien" droht, beruht einerseits darauf, dass ihren eigenen, glaubhaften Angaben zu Folge der Vater der BF1 nach wie vor in Syrien lebt, die BF1 daher nicht als "alleinstehend" im Sinne von "ohne Familienanschluss" gesehen werden kann, und andererseits darauf, dass sich das diesbezügliche Vorbringen als rein spekulativ erweist. Es ergibt sich nämlich klar aus den Länderfeststellungen, dass die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser ist. Frauen und Männer sind auch in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert. 2013 akzeptierte die kurdische Autonomieregierung wichtige Maßnahmen, um die Rechte von Frauen zu verbessern. Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, dass die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde und andere Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Eine über die allgemein schlechte Situation von Frauen oder Zivilpersonen aufgrund des Bürgerkrieges hinausgehende Verfolgung von alleinstehenden Frauen als soziale Gruppe lässt sich daraus nicht ableiten. Dies deckt sich auch mit den Angaben der BF1, dass sie es zwar nicht sicher wisse, aber glaube, dass in den kurdisch dominierten Gebieten Syriens Frauen nicht anders behandelt würden als Männer.

2.8. Die Feststellung, dass der BF1 keine Verfolgung auf Grund des Umstandes, dass es sich bei ihr um eine staatenlose Kurdin handelt, beruht auf den zitierten Länderberichten, aus denen sich keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass Kurden alleine auf Grund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit in Syrien Verfolgung zu erleiden bzw. zu befürchten haben.

2.9. Die Feststellung, dass der BF1 in Syrien keine Verfolgung wegen ihrer Staatenlosigkeit droht, fußt auf folgenden Erwägungen: Die BF1 beantwortete im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob sie in ihrem Herkunftsland jemals Probleme mit den Behörden gehabt habe, damit, dass sie niemals Kontakt mit denselben und somit auch keine Probleme gehabt habe. Sie hat im Laufe des Verfahrens zwar glaubhaft angegeben, dass es aufgrund der Staatenlosigkeit Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb, der schulischen Ausbildung und mit der medizinischen Versorgung gegeben habe, gleichzeitig aber auch, dass sie fünf Jahre lang die Schule besucht habe, dass ihre Familie über Mittelsmänner Eigentum erwerben bzw. eine Wohnung mieten habe können und dass es ihr ab 2011 möglich gewesen sei, im Krankenhaus behandelt zu werden. Weiters gab die BF1, die seit ihrer Geburt im Jahr 1992 staatenlos ist, an, dass sie und ihre Familie auch schon vor Ausbruch des Krieges im Jahr 2011 wegen der Staatenlosigkeit keine Rechte gehabt hätten, dass die Situation aber erst nach Kriegsausbruch derart unerträglich geworden wäre, dass sie sich zur Flucht entschlossen habe. Aus diesem Vorbringen lässt sich ableiten, dass die Diskriminierungen aufgrund der Staatenlosigkeit, denen die BF1 während ihrer ersten 19 Lebensjahre ausgesetzt war, nicht fluchtauslösend waren, sondern dass erst - wie bereits unter Punkt

2.5. ausgeführt - der Ausbruch des Krieges im Zusammenhang mit dem Wunsch, zum ihrem in Europa aufhältigen Ehemann zu ziehen, die BF1 dazu veranlasst hat, ihre Heimat zu verlassen bzw. nicht mehr dorthin zurückzukehren.

2.10. Dass die BF2 über keine eigenen Fluchtgründe verfügt ergibt sich aus der Tatsache, dass sie bereits in Österreich geboren ist und daraus, dass ihre gesetzliche Vertreterin, die BF1, dies auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung abgegeben hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG hat - hat eine Verhandlung in Anwesenheit von Parteien stattgefunden - in der Regel das Verwaltungsgericht das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich zu verkünden.

Gemäß Abs. 2a leg. cit. hat das Verwaltungsgericht im Fall einer mündlichen Verkündung die Niederschrift den zur Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof legitimierten Parteien und Organen auszufolgen oder zuzustellen. Der Niederschrift ist eine Belehrung anzuschließen:

1. über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß Abs. 4 zu verlangen;

2. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt.

Gemäß Abs. 4 erster Satz leg. cit. ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen.

3.2. Zu Spruchpunkt A): Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Maßnahmen des Staates, die in Wahrheit nicht auf die Verfolgung des Betroffenen aus asylrechtlich relevanten Gründen abzielen, sind kein Asylgrund (VwGH 06.03.1996, 95/20/0130). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Eine genaue Definition des Begriffes Verfolgung findet man in Art 9 der Status-RL, auf die auch § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 verweist. Um als Verfolgung zu gelten, muss eine Handlung aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs. 2 der EMRK keine Abweichung zulässt (absolut geschützte Rechte), oder in einer Kumulierung unterschiedlichster Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter lit. a beschriebenen Weise betroffen ist. Insbesondere sind daher als Verfolgung zu verstehen:

a) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt

b) gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden

c) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung

d) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung

e) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklausel fallen und

f) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind

(Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, S. 124f, mit Judikaturhinweisen).

Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

Der Umstand, dass im Heimatland des Asylwerbers Bürgerkrieg herrscht, stellt für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK dar. Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd der ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegend der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, d.h. er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptungen spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" der wohlbegründeten furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus /vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

3.2.2. Verfahrensgegenständlich bedeutet dies Folgendes:

Im gegenständlichen Fall sind die dargestellten Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl, nämlich eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Grund, nicht gegeben.

Im Umstand, dass im Heimatland der Beschwerdeführerin Bürgerkrieg herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat die Beschwerdeführerin aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Die Handlungen, die seitens der syrischen Behörden gegen staatenlose, im kurdisch beherrschten Teil Syriens aufhältige Personen gesetzt werden, stellen zwar ohne Zweifel eine Diskriminierung dieser Bevölkerungsgruppe dar, sind aber nicht so gravierend und erreichen keine derart erhebliche Intensität, dass von einer asylrechtlich relevanten Verfolgung auszugehen wäre. Insbesondere sind die vorgebrachten, im Zusammenhang mit der Staatenlosigkeit erfolgten Eingriffe in die schützenswerten Rechtsgüter der BF1 (erschwerter oder nur reduzierter bzw. nur über Mittelsmänner möglicher Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Eigentum) ihrer Schwere und Intensität nach nicht mit den in der Status-RL exemplarisch angeführten und unter Punkt 3.2.1. wiedergegebenen Eingriffen (Anwendung von Gewalt, polizeiliche Maßnahmen, Strafverfolgung, Bestrafung, Rechtsschutzverweigerung, u. ä.) auf gleiche Ebene zu stellen.

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens der BF1 keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sie bei einer Rückkehr nach Syrien maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Das gesamte Vorbringen der BF1 lässt sohin keine asylrelevante Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erkennen, weshalb dessen Asylrelevanz - wie bereits das BFA zutreffend erkannt hat - zu verneinen ist.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann daher nicht erkannt werden, dass der BF1 aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem in der GFK genannten Grund droht.

Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten bei der BF1 nicht vorliegen, war deren Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2.3. Da die minderjährige BF2 die Tochter der BF1 ist liegt gegenständlich ein Familienverfahren iSd § 34 Abs. 2 AsylG 2005 vor.

Da der BF1 der Status einer Asylberechtigten nicht zu gewähren war, war auch der BF2 dieser Status nicht zu gewähren.

3.2.4. Es war daher

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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