TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/29 W215 2016816-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W215 2016820-1/23E

W215 2016816-1/14E

W215 2016824-1/13E

W215 2016827-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von 1) XXXX , geb. XXXX , 2) XXXX , geb. XXXX ,

3) XXXX , geb. XXXX und 4) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Kirgisische Republik, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2014, Zahlen 1) 831894705-1774756, 2) 831894901-1774748, 3) 831895005-1774691 und 4) 1038339401-140085460, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden jeweils gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG,

§ 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl I Nr. 68/2013, mit folgenden Maßgaben als unbegründet abgewiesen:

I. Spruchpunkte II. und III. des zu 4) XXXX ergangenen Bescheides werden insofern berichtigt, als der Herkunftsstaat anstatt "Russische Föderation" richtig "Kirgisische Republik" zu lauten hat.

II. Der erste Satz des Spruchpunktes III. lautet in allen Bescheiden wie folgt: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, nicht erteilt."

III. Der in Spruchpunkt III. erfolgte Abspruch über § 56 AsylG wird in allen Bescheiden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz,

BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (P1) und die Zweitbeschwerdeführerin (P2) sind miteinander verheiratet und die Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers (P3) sowie der in Österreich nachgeborenen minderjährigen Viertbeschwerdeführerin (P4).

P1, P2 und P3 verließen am 15.12.2013 problemlos, legal mit ihren kirgisischen Auslandsreisepässen ihren Herkunftsstaat und reisten mit von 15.12.2013 bis 30.12.2013 gültigen deutschen Schengenvisa nach Österreich ein. Nachdem sie nach ihrer Ankunft in Österreich von einem Freund abgeholt wurden und sich zunächst bei diesem aufhielten, unternahmen sie anschließend für einige Tage eine "Erholungsreise" (Anmerkung: wörtliches Zitat) nach Prag und Venedig. Danach begaben sie sich erneut nach Österreich und stellten am 23.12.2013 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

In ihrer Erstbefragung am 24.12.2013 gaben P1 und P2 zu ihren Fluchtgründen zusammengefasst an, dass sie wegen ihrer Volksgruppe bedrängt und im März 2013 von vier Kirgisen zusammengeschlagen worden seien, woraufhin P2 eine Fehlgeburt erlitten habe. Sie hätten Anzeige erstattet und mehrfach bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft urgiert, es sei aber nichts unternommen worden. Als sie den Behörden gesagt hätten, dass sie sich an die Zeitung wenden würden, hätten sie Drohanrufe bekommen. Daraufhin hätten sie die Entscheidung getroffen, ihre Heimat zu verlassen. Diese Angaben würden auch für P3 gelten.

Aufgrund der von der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Visa richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für P1 bis P3 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO an die deutsche Dublin-Behörde, dem diese fristgerecht zustimmte.

Im Hinblick auf ihre beabsichtigte Außerlandesbringung in die Bundesrepublik Deutschland wurden P1 und P2 am 27.01.2014 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Dabei brachte P2 vor, dass sie seit neun Monaten an schweren Depressionen und Schlafstörungen leide und starke Beruhigungsmittel und Antidepressiva einnehme, die P2 vom Psychologen erhalten habe. Sie habe bereits zwei Nervenzusammenbrüche gehabt und es gehe ihr sehr schlecht. P3 würde zudem an starken Allergien leiden. Gegen eine Überstellung nach Deutschland spreche auch, dass sie dort niemanden kennen würden, hier hingegen hätten sie Freunde.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2014, Zahlen 1) 831894705-1774756, 2) 831894901-1774748 und 3) 831895005-1774691, wurden die Anträge von P1 bis P3 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung der Anträge Deutschland zuständig sei. Es wurde die Außerlandesbringung angeordnet und demzufolge ihre Abschiebung nach Deutschland für zulässig erklärt.

Den dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.04.2014, W105 2006501-1/3E, W105 2006504-1/3E und W105 2006499-1/3E, stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben. Begründend wurde im Wesentlichen auf den Gesundheitszustand von P2 verwiesen, der einer eingehenden medizinischen und psychiatrischen Abklärung bedürfe.

In den fortgesetzten Verfahren wurden P1 und P2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 27.05.2014 einer neuerlichen niederschriftlichen Befragung unterzogen, in der sie zusammengefasst angaben, dass P2 den Umzug in die Bundesrepublik Deutschland nicht überstehen würde. P2 habe am 08.03.2013 nach einem tätlichen Angriff von kirgisischen Männern eine Fehlgeburt erlitten und leide seitdem an Depressionen. Da P2 nunmehr erneut schwanger sei, habe sie die Antidepressiva aus diesem Grund abgesetzt. P3 leide an mehreren Allergien und benötige eine Mandeloperation. Im Zuge der niederschriftlichen Befragung wurden zahlreiche Unterlagen vorgelegt (darunter ärztliche Atteste betreffend P2 und P3 und Diplome und Zeugnisse aus Kirgisischen Republik) sowie Bescheinigungsmittel betreffend das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer (zwei Arztbriefe über den Krankenhausaufenthalt von P1 und P2 nach dem Überfall, eine Anzeigenbestätigung, ein Schreiben über die Weiterleitung der Anzeige an die Staatsanwaltschaft sowie eine Bestätigung über die Einstellung des Verfahrens).

Aus einem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtswegig eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom XXXX geht hervor, dass P2 an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradig depressiven Reaktion litt und bei diesem Krankheitsbild war nicht von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen. P2 war zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derart orientiert, dass sie in der Lage war, widerspruchsfreie und schlüssige Antworten zu tätigen.

Am 27.06.2014 wurden P1 und P2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu ihren Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt. Dabei gaben sie zusammengefasst an, dass sie am 08.03.2013 zunächst in einem Café belästigt und danach von vier Kirgisen verfolgt und zusammengeschlagen worden seien. Der Grund für den Überfall sei vermutlich ihre Volksgruppenzugehörigkeit gewesen, sie seien Russen und die Kirgisen würden die Russen nicht mögen. P2 habe aufgrund des Vorfalls eine Fehlgeburt erlitten. Sie hätten in weiterer Folge Anzeige erstattet, aber es sei nichts passiert und das Verfahren sei eingestellt worden. Sie hätten sich dann noch an eine Zeitung wenden wollen, dies aber dann doch nicht gemacht. Zudem seien sie mehrfach telefonisch bedroht und beschimpft worden. Die Anrufer hätten ihnen gesagt, dass sie und ihr Kind ihr Leben verlieren würden, sollten sie sich weiter an die Polizei zu wenden.

Nachdem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.07.2014 einen Sachverständigen mit der Überprüfung der von P1 und P2 vorgelegten Dokumente betreffend ihr Fluchtvorbringen beauftragt hatte, langte am 12.09.2014 dessen Stellungnahme ein: Die Befundaufnahme habe ergeben, dass es sich bei den Dokumenten um Fälschungen handle. So sei die Anzeige in der Verwaltungsabteilung nicht registriert und wäre überdies ein anderer Polizeibezirk örtlich zuständig gewesen. Es sei aber weder im angeführten noch im örtlich zuständen Bezirk ein Strafverfahren eröffnet worden. Überdies hätten die vorliegenden angeblich im Jahr XXXX ausgestellten Formulare lediglich bis in das Jahr XXXX Verwendung gefunden und gelte dies auch für die verwendeten Stempel. Im Hinblick auf die vorgelegten Auszüge aus den Krankenakten handle es sich ebenfalls um Fälschungen, da Krankenakten mit dieser Nummerierung zwar tatsächlich existieren, jedoch gänzlich andere Krankheitsverläufe bzw. Personen betreffen würden.

Am 22.09.2014 wurden P1 und P2 neuerlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich befragt. Auf Vorhalt, dass sich die vorgelegten Dokumente bei einer Überprüfung als Fälschungen herausgestellt hätten, gab P1 an, dass ihm diese Papiere von den zuständigen Behörden gegeben worden seien. Zu dem Vorwurf der Fälschung könne er sich nur auf das Chaos bei den Behörden Kirgisistans zurückziehen; er habe das vorgelegt, was er von den Behörden erhalten habe. Im Fall einer Rückkehr würden sie umgebracht werden und P1 habe Angst um sein Leben und das seiner Familie. P2 gab an, dass sie zu dem Vorhalt der Fälschungen nichts sagen könne und froh sei, dass sie die Kirgisischen Republik verlassen hätten.

Mit Schreiben vom 29.09.2014 brachten die Beschwerdeführer vor, dass die Entbindung von P4 frühzeitig durch einen Kaiserschnitt erfolgen werde. Zudem wurde ein Zeitungsausschnitt vorgelegt, in dem davon berichtet wurde, dass in der Kirgisischen Republik immer wieder polizeiliche Akte verschwinden würden. Damit lasse sich das Ergebnis der Ermittlungen erklären, wonach in ihrem Fall kein entsprechender Akt registriert sei.

Mit Stellungnahme vom 02.10.2014 nahmen die Beschwerdeführer auf die Überprüfung der Dokumente Bezug und führten aus, dass sich die Polizei in ihren Fall eingemischt und die Anzeige habe verschwinden lassen. Sie würden jetzt noch mehr um ihr Leben fürchten. Nachdem sie verprügelt worden seien und P2 ihr Kind verloren habe, seien die Beschwerdeführer von einer unbekannten Gruppierung immer wieder verfolgt und bedroht worden. Deshalb habe P2 psychische Probleme bekommen und sie hätten keine andere Wahl gehabt, als das Land zu verlassen.

Am XXXX brachte P2 ihre Tochter P4 per Kaiserschnitt zur Welt. Am 20.10.2014 stellte P1 als gesetzlicher Vertreter von P4 für diese einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen geltend gemacht wurden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheiden vom 04.11.2014, Zahlen 1) 831894705-1774756, 2) 831894901-1774748, 3) 831895005-1774691 und 4) 1038339401-140085460, die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan (bzw. betreffend P4: "Russische Föderation") ab. Den Beschwerdeführern wurde in Spruchpunkt III. gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 56 abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Kirgisistan (bzw. betreffend P4: in die "Russische Föderation") zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. In den Bescheiden von P1 bis P3 wurde in Spruchpunkt IV. einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aussagen von P1 und P2 zu ihrem Fluchtvorbringen widersprüchlich gewesen seien und die vorgebrachten allgemeinen Probleme mit Angehörigen der kirgisischen Volksgruppe in Kirgisistan keine Asylrelevanz erreichen würden. Die vorgelegten Unterlagen hätten sich als Totalfälschungen erwiesen und wäre der Sachverhalt selbst bei unterstellter Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht geeignet, eine Asylgewährung zu erwirken. Es habe sich nicht ergeben, dass die Behörden nicht schutzfähig oder schutzwillig gewesen wären. Im Fall einer Rückkehr würde ihnen daher keine Verfolgung drohen und könnten sie zumindest anfänglich bei ihrer Familie Unterkunft finden. Da sowohl P1 als auch P2 über ein abgeschlossenes Studium verfügen würden und P1 jahrelang berufstätig gewesen sei, könne auch keine die Existenz bedrohende Notlage erkannt werden.

Gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2014, Zahlen 1) 831894705-1774756, 2) 831894901-1774748, 3) 831895005-1774691 und 4) 1038339401-140085460, zugestellt am 28.11.2014, richten sich gegenständliche fristgerecht am 11.12.2014 eingebrachte Beschwerden. Darin brachten P1 und P2 im Wesentlichen vor, dass ihr Leben von Angehörigen der kirgisischen Ethnie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur russischen Volksgruppe bedroht worden sei und gegen sie von Angehörigen der kirgisischen Ethnie eine Gewalttat begangen worden sei. Die von der Behörde genannten vermeintlichen Widersprüche würden in Wahrheit keine solche darstellen und habe die Behörde eine unrichtige Beweiswürdigung vorgenommen. Auch habe sich die Behörde nicht mit ihrem neugeborenen Kind (P4) auseinandergesetzt und hätte sie aufgrund der diesbezüglichen Diagnosen subsidiären Schutz gewähren, zumindest aber von einer Rückkehrentscheidung Abstand nehmen müssen.

2. Die Beschwerdevorlagen vom 05.01.2015 langte am 08.01.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.01.2015, W215 2016820-1/3Z, W215 2016816-1/3Z und W215 2016824-1/3Z, wurde den Beschwerden von P1 bis P3 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 21.12.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, zu der P1 und P2, zugleich auch als gesetzliche Vertreter für P3 und P4, in Begleitung ihrer zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaterin erschienen. Ein Vertreter des ordnungsgemäß geladenen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl war nicht erschien. P1 und P2 machten auf Befragen Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen und Fluchtgründen. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan, auf deren Einsichtnahme und Ausfolgung die Beschwerdeführer und ihre Vertreterin verzichteten.

Mit Schreiben vom 04.01.2019 nahmen die Beschwerdeführer zur aktuellen Lage in der Kirgisischen Republik Stellung und führten aus, dass die Länderberichte das Vorbringen von P1 und P2 stützen würden und ihnen bei einer Rückkehr Verfolgung aufgrund ihrer Nationalität/Rasse bzw. aufgrund ihrer Religion drohen würde. Weiters hätten die Beschwerdeführer während ihres mittlerweile fünfjährigen Aufenthalts in Österreich die Zeit genützt, sich in Österreich zu integrieren und sich ein schützenswertes Privat- und Familienleben aufzubauen.

Mit Schreiben vom 08.01.2019 reichten die Beschwerdeführer weitere Unterlagen zu ihrer Integration in Österreich nach.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

1. P1 und P2 sind standesamtlich miteinander verheiratet und Eltern von P3 und P4. Die Identität der Beschwerdeführer steht fest, sie sind Staatsangehörige der Kirgisischen Republik. P1 gehört der ukrainischen Volksgruppe an und P2 ist Angehörige der russischen Volksgruppe, die Familie ist russisch-orthodoxen Glaubens. XXXX . Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Russisch, P3 und P4 werden in Russisch erzogen. P1 und P2 sprechen zudem auch Englisch, verstehen die Landessprache Kirgisisch und können sich in einfacher Sprache auf Kirgisisch unterhalten.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass P1 und P2 im März 2013 aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einem tätlichen Angriff durch vier unbekannte Kirgisen ausgesetzt waren und ihnen die kirgisischen Behörden Schutz verweigert haben. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aufgrund der beabsichtigten Strafverfolgung telefonische Morddrohungen erhalten haben, woraufhin sie sich zur Ausreise entschlossen haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Kirgisistan allgemein aufgrund der Zugehörigkeit zu ihrer Volksgruppe oder ihrer Religion verfolgt wurden und ihnen bei einer Rückkehr aus diesem Grund psychische oder physische Gewalt droht.

3. Die Beschwerdeführer weisen keine schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten auf, die einer Überstellung in die Kirgisischen Republik entgegenstehen würden. P1 ist gesund.

P2 befand sich nach der Einnahme von Medikamenten in suizidaler Absicht von XXXX in stationärer Krankenhausbehandlung und wurde mit den Diagnosen "Anpassungsstörung, Mischintoxikation, Alkoholintoxikation" wieder entlassen. Von XXXX erfolgte wegen unstillbaren Schwangerschaftserbrechens in der siebten Schwangerschaftswoche erneut ein stationärer Aufenthalt. Ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten vom XXXX ergab für P2 eine Anpassungsstörung mit einer leichtgradig depressiven Reaktion, wobei bei diesem Krankheitsbild nicht von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen ist. P2 war zuletzt aufgrund der Geburt von P4 stationär aufhältig, seitdem sind keine weiteren stationären Krankenhausaufenthalte erfolgt. P2 nimmt derzeit keine Medikamente ein und befindet sich aktuell nicht in ärztlicher Behandlung.

P3 befand sich zwecks einer XXXX ] von XXXX in stationärer Behandlung und wurde nach komplikationslosem postoperativen Verlauf nach Hause entlassen. Er leidet an einer Histamin-Allergie (Anmerkung: Histamin bildet sich in bakteriell fermentierten Nahrungsmitteln, beispielsweise in Salami, Schinken, geräuchertem Fleisch, Meeresfrüchten, gereiften Käsesorten, Sauerkraut, Spinat, Bier, Essig, Rotwein, Pilzen, Schimmelpilzen, Tomaten. Dabei gilt:

je höher der Reifegrad, desto höher der Gehalt von Histamin. Menschen mit einer Histamin Allergie sollten auch Schokolade und Kakaogetränke meiden. Alkohol senkt die Histamin Toleranzgrenze und kann vor allem in Kombination mit histaminreicher Nahrung eine Histamin Allergie auslösen) und weist darüber hinaus keine aktuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf.

P4 wurde am XXXX per Kaiserschnitt vor dem errechneten Geburtstermin auf die Welt geholt (Frühgeburt in SSW XXXX ) und befand sich bis XXXX in stationärer Krankenhausbehandlung. Nach Durchführung sämtlicher vorgeschriebener Routineuntersuchungen konnte P4 bei gutem Gedeihen und zufrieden stellender Trinkleistung in gutem Allgemeinzustand entlassen werden. Es liegen aktuell keine Hinweise auf behandlungsbedürftige Erkrankungen vor.

Dass die Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine allenfalls notwendige Behandlung nicht erhalten und dadurch in eine aussichtslose Lage geraten würden, kann nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer stammen aus XXXX und waren dort bis zu ihrer Ausreise wohnhaft; zuletzt in einer Eigentumswohnung, die gegenwärtig leer steht und von der Mutter von P2 betreut wird.

P1 besuchte von XXXX die Grundschule in XXXX und absolvierte von XXXX an der XXXX XXXX . Anschließend war er bei XXXX angestellt und arbeitete dort als XXXX . P2 besuchte von XXXX die Grundschule in XXXX , absolvierte danach eine staatlich finanzierte Ausbildung als XXXX und absolvierte anschließend von XXXX ein XXXX an der XXXX. Sie arbeitete in der Kirgisischen Republik unentgeltlich mit kranken Kindern und war sonst als Hausfrau tätig und mit der Erziehung von P3 betraut. P3 lebte bis zum Alter von XXXX Jahren in der Kirgisischen Republik und besuchte bis zu seiner Ausreise eine XXXX . Die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Familie in der Kirgisischen Republik war gut.

Die Beschwerdeführer verfügen nach wie vor über (enge) Familienangehörige in der Kirgisischen Republik. So lebt die Mutter von P1 weiterhin in einer Eigentumswohnung in XXXX , weiters hat P1 einen Onkel, der mit seiner Familie in der Kirgisischen Republik lebt. Die Mutter von P2 hält sich ebenso weiterhin in XXXX auf und betreut die leere Eigentumswohnung der Beschwerdeführer. Es ist somit davon auszugehen, dass die Familie wieder in ihre Eigentumswohnung zurückkehren kann oder bei ihren Müttern bzw. sonstigen Familienangehörigen zumindest für die Anfangszeit Unterkunft findet. Die Existenz der Beschwerdeführer ist im Falle ihrer Rückkehr durch mögliche Erwerbstätigkeit von P1 und P2 gesichert, zumal beide über eine XXXX Ausbildung verfügen und insbesondere P1 bereits in leitender Position bei einem XXXX Unternehmen beschäftigt war und gut verdient hat. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch ihre Familienangehörigen die Beschwerdeführer beim Aufbau einer Existenz unterstützen.

4. Die unbescholtenen Beschwerdeführer reisten im Dezember 2013 mit deutschen Schengenvisa in das österreichische Bundesgebiet ein und wurden hier von einem Freund abgeholt, ehe sie eine mehrtätige "Erholungsreise" nach Prag und Venedig unternahmen und schließlich am 23.12.2013 ihre Anträge auf internationalen Schutz stellten. Sie verfügten nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb der Asylverfahren und mussten sich somit ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst sein.

P1 und P2 haben in Österreich Deutschkurse besucht und zuletzt die B1-Deutschprüfung abgelegt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte sich P1 verständlich auf Deutsch ausdrücken, P2 wies gebrochene Deutschkenntnisse auf. P3 besucht in Österreich ein XXXX und weist gute Noten auf. Er ist gemeinsam mit P1 in einem XXXX aktiv, wobei P3 auch regelmäßig an Wettbewerben teilnimmt. P1 steht nach Bedarf als ehrenamtlicher Dolmetscher für die Sprache Russisch in diversen XXXX zur Verfügung und verfügt bei einem Bekannten aus dem XXXX über eine Arbeitsplatzzusage in dessen Reinigungsunternehmen. P2 besuchte mit der in Österreich geborenen P4 eine XXXX . Die Beschwerdeführer leben ausschließlich von der österreichischen Grundversorgung. Allfällige Freundschaften der Beschwerdeführer sind zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als sie sich ihres unsicheren Aufenthaltes bewusst gewesen sein mussten.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer wird festgestellt:

Politische Lage

Die Kirgisische Republik hatte im Juli 2018 mehr als 5,8 Millionen Einwohner (CIA Factbook last update 03.04.2019, abgefragt am 18.04.2019). Kirgisistan ist ein Binnenstaat in Zentralasien und ist

199.722 Quadratkilometer groß. Es grenzt im Norden an Kasachstan, im Südosten an China, im Süden an Tadschikistan und im Westen an Usbekistan (LIP Überblick Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019). Die Kirgisische Republik ist eine parlamentarisch-präsidentielle Demokratie seit 2010 mit Einkammerparlament. Die neue Verfassung vom Juni 2010 definiert die Kirgisische Republik als einen unabhängigen, demokratischen, säkularen, unitären und sozialen Staat. Mit der Verfassungsänderung, die im Juni 2010 in einem Referendum mit großer Mehrheit bestätigt wurde, ist Kirgisistan die erste parlamentarische Demokratie Zentralasiens (LIP Geschichte und Staat Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

Während die Verfassung von 2007 dem Präsidenten weitreichende Befugnisse gab, enthält die in dem Referendum am 27.06.2010 angenommene Verfassung sowohl parlamentarische als auch präsidentielle Züge. Der direkt gewählte Staatspräsident besitzt eine Reihe wichtiger Vollmachten, beispielsweise hinsichtlich der Ernennung und Entlassung von Obersten Richtern und des Generalstaatsanwalts. Er ist ferner Oberkommandierender der Streitkräfte und Vorsitzender des Sicherheitsrates. Eine Präsidentschaft ist auf sechs Jahre beschränkt, die Wiederwahl laut Verfassung nicht möglich. In der Verfassung von 2010 ist der Grundrechtsschutz deutlich gestärkt worden. Die 2016 per Referendum beschlossenen Verfassungsänderungen sind nach der Präsidentschaftswahl 2017 vollumfänglich in Kraft getreten und haben unter anderem die Position des Premierministers gestärkt (AA Innenpolitik Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019).

Kirgisistan hat am 15.10.2017 einen neuen Präsidenten gewählt, der als das fünfte Staatsoberhaupt in der kirgisischen Geschichte das Land regieren wird. Der neue Präsident heißt Sooronbaj Dscheenbekow und hat im Amt seinen Vorgänger Almasbek Atambajew abgelöst. In Kirgisistan wird der Präsident einmalig für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Sooronbaj Dscheenbekow hat die Wahlen mit 54 Prozent der abgegebenen Stimmen für sich entschieden. Von Anfang an galt er als der politische Verbündete Atambajews und versprach, den durch seinen Vorgänger gegangenen Weg weiter zu führen (LIP Geschichte und Staat Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

In seiner Jahresabschlusspressekonferenz in Bischkek am 19.12.2018 kündigt Präsident Sooronbaj Dscheenbekow an, dass er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht erneut antreten werde (ZA 22.02.2019).

Nach dem Wahlgesetz hat jeder kirgisische Bürger ungeachtet seiner Herkunft, religiösen oder politischen Überzeugungen und seines Geschlechts ab 18 Jahren das Recht zu wählen und kann ab 25 Jahren selbst gewählt werden. Das Parlament (Dschogorku Kenesch) besteht aus einer Kammer mit 120 Abgeordneten, die nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden. Keine Partei kann mehr als 65 Sitze erhalten (AA Innenpolitik, Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Kyrgyzstan, last update 03.04.2019, abgefragt am 18.04.2019, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kg.html

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kirgisistan, Überblick, letzte Aktualisierung Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019, https://www.liportal.de/kirgisistan/ueberblick

ZA, Zentralasien Analysen, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), Nr. 133,22.02.2019,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen133.pdf

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kirgisistan, Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte-staat

AA, Auswärtiges Amt, Kirgisistan, Innenpolitik, Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/-/206926)

Sicherheitslage

Am 19.01.2019 ratifizierte Präsident Dscheenbekow den Vertrag mit Kasachstan über die Demarkierung der gemeinsamen Grenze, der bereits im Dezember 2017 von den Präsidenten beider Länder unterzeichnet worden war (ZA 22.02.2019).

Von Reisen in die unmittelbaren Grenzgebiete zu Usbekistan und Tadschikistan wird abgeraten. Die Grenze ist stellenweise vermint. Erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) im Rest des Landes. Im gesamten Land können aufgrund innenpolitischer und sozialer Spannungen Unruhen sowie insbesondere im Süden ethnische Konflikte zwischen Kirgisen und Usbeken auftreten. Es besteht die Gefahr terroristischer Angriffe. Demonstrationen und Protestaktionen, auch mit Gewaltanwendung sind jederzeit möglich. Es wird dringend geraten, sich von Menschenansammlungen und politischen Kundgebungen fernzuhalten (BMEIA unverändert gültig seit 31.10.2018, Stand 18.04.2019).

Am 29.11.2018 führte Innenminister Kaschkar Dschunuschalijew führt in Duschanbe Gespräche mit seinem tadschikischen Amtskollegen Ramason Rachimsoda über den gemeinsamen Kampf gegen den Drogenhandel und die Sicherheitslage in den Grenzgebieten (ZA 21.12.2018).

Bei einer gewaffneten Auseinandersetzung zwischen kirgisischen Grenzern und drei kasachischen Schmugglern an der Grenze zu Kasachstan im Gebiet Talas wurde am 23.01.2019 einer der drei Männer durch Schüsse getötet. Eine zwischenstaatliche Kommission zur Aufklärung des Zwischenfalls wird eingerichtet (ZA 22.02.2019).

Die Rückkehr islamistischer Kämpfer, die Zeit im Dienst des sogenannten Islamischen Staates (IS) verbrachten, stellt eine Herausforderung dar, wenn auch derzeit von marginaler Bedeutung. Allerdings trägt die begrenzte staatliche Kapazität Kirgisistans, genauere Informationen hierüber zu erlangen, zu Sicherheitsbedenken in bestimmten ländlichen Gebieten bei (BTI 2018).

Am 11.02.2019 informiert das GKNB (Staatliche Komitee für nationale Sicherheit) über die Festnahme eines kirgisischen Staatsbürgers, der wegen seiner Söldnertätigkeit für den IS international gesucht wurde (ZA 22.02.2019).

Es wird empfohlen, Menschenansammlungen zu meiden, nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu Fuß unterwegs zu sein und sich regelmäßig über die Sicherheitslage informiert zu halten. Insbesondere im Süden des Landes gibt es islamistische Gruppierungen mit potenziell terroristischer Ausrichtung. Anschläge auch auf westliche Einrichtungen sind nicht auszuschließen. 2015 führten kirgisische Sicherheitsbehörden im Stadtgebiet Bischkek Antiterroreinsätze mit mehreren getöteten mutmaßlichen Terroristen und auch zivilen Opfern durch. Ende August 2016 war die chinesische Botschaft in Bischkek Ziel eines Selbstmordattentats (AA Reise- und Sicherheitshinweise unverändert gültig seit 08.04.2019, Stand 18.04.2019).

(ZA, Zentralasien Analysen, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), Nr. 133,22.02.2019,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen133.pdf

BMEIA, Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten Reiseinformation Kirgisistan (Kirgisische Republik), unverändert gültig seit 31.10.2018, Stand 18.04.2019, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kirgisistan

BTI, Bertelsmann Stiftung, Kyrgyzstan Country Report, 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/kgz/ity/2018/itr/pse

ZA, Zentralasien Analysen, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), Nr. 132, 21.12.2018,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen132.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Kirgisistan, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 08.04.2019, Stand 18.04.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/kirgisistansicherheit/206738)

Russische Sprache und Volksgruppe

In der Kirgisischen Republik sind die Amtssprachen Kirgisisch und Russisch (LIP Gesellschaft Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

In der Kirgisischen Republik leben ca. 5,5 Prozent russische Volksgruppenzugehörige (CIA Factbook Stand 03.04.2019, abgefragt am 18.04.2019).

Es gibt eine Reihe von russischen Medien, die in der Kirgisischen Republik frei operieren und von der Regierung wie heimische Medien behandelt werden (UDDOS 13.03.2019).

Die Gesamtbevölkerung der Kirgisischen Republik beträgt rund 6,25 Millionen (ca. 600.000 als Gastarbeiter in Russland). Es gibt insgesamt nicht weniger als 80 verschiedene Nationalitäten, darunter 70% Kirgisen und 6,7% Russen (Zensus 2009). Die Staatssprache ist Kirgisisch und seit Mai 2000 ist Russisch als offizielle Sprache in der Verfassung verankert (AA Überblick, Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019).

Der Norden des Landes mit der Hauptstadt Bischkek ist stark Russisch geprägt. Ein Großteil der Industrieproduktion war zur Zeit der Sowjetunion im Norden angesiedelt. Bis heute geht es der Bevölkerung im Norden wirtschaftlich besser. Trotz der massiven Abwanderung von Russen und Deutschen leben im Norden Kirgisistans auch heute noch über 80 verschiedene Ethnien in mehr oder weniger friedlicher Koexistenz nebeneinander. Die offiziellen Sprachen sind Kirgisisch und Russisch. Russisch gilt als Lingua Franca und wird vor allem in städtischen Zentren, wie Bischkek, Karakol oder Osch gesprochen. In einem zunehmend nationalistischeren Klima wird die Wahl der Sprache, Russisch oder Kirgisisch, zu einem immer größeren Politikum. Für viele russischsprachige kirgisische Staatsbürger wird es zunehmend schwieriger einen Job zu bekommen, wenn sie keine Kirgisisch-Kenntnisse vorweisen können. Bei den Präsidentschaftswahlen 2011 mussten sich erstmals alle Kandidaten mit einen Kirgisisch-Sprachtest für ihre Kandidatur qualifizieren. Viele kleine Sprachschulen in Bischkek haben sich in der Zwischenzeit neben der Vermittlung von Fremdsprachen auch auf Kirgisisch-Unterricht für kirgisische Staatsbürger spezialisiert (LIP Gesellschaft Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

In der Hauptstadt Bischkek kommt man mit Russisch gut zurecht. Wer sich jedoch häufig außerhalb der städtischen Zentren bewegt, für den lohnt sich das Erlernen von Grundlagen der kirgisischen Sprache - Signale, die auch von kirgisischsprachigen Bewohnern der städtischen Zentren sehr positiv aufgenommen werden, denn Russisch ist in der Erinnerung vieler Kirgisen als "Herrschafts-Sprache" der russischen Kolonisatoren und der nachfolgenden Sowjetunion assoziiert (LIP Alltag Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

Der kirgisische Bürgerbeauftragte Tokon Mamytow und die russische Beauftragte für Kinder, Anna Kusnezowa, unterzeichnen am 07.11.2018 in Moskau ein MoU über die Zusammenarbeit im Bereich Schutz der Rechte und der Interessen von Kindern. Am 10.11.2018 wurde der kirgisische Innenminister Kaschkar Dschunuschalijew in Moskau von seinem russischen Amtskollegen Wladimir Kolokolzew zu Gesprächen über die Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung empfangen (ZA 30.11.2018).

Am 06.12.2018 nahm der kirgisische Außenminister Aidarbekow an der 25. Sitzung des Rates der Außenminister der OSZE-Mitgliedsstaaten im italienischen Mailand teil und führt am Rande bilaterale Gespräche mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow (ZA 21.12.2018).

Am 19.12.2018 kündigte in seiner Jahresabschlusspressekonferenz in Bischkek Präsident Sooronbaj Dscheenbekow an, dass er bei den nächsten Präsidentschaftswahlen nicht erneut antreten werde. Außerdem teilt er mit, dass keine zweite russische Militärbasis in Kirgisistan geplant sei. Am 04.02.2019 führte während seines offiziellen Staatsbesuchs in Kirgisistan der russische Außenminister Sergej Lawrow Gespräche mit Präsident Dscheenbekow sowie mit Außenminister Aidarbekow zur Vorbereitung des geplanten Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang März. Schwerpunkt der Gespräche ist u.a. die kirgisischrussische Zusammenarbeit in Regionalorganisationen wie der EEU und der CSTO (ZA 22.02.2019).

Seit der Unabhängigkeit ist es zu einer großen Anzahl von Neugründungen und Aufwertungen von Hochschulen gekommen. Insgesamt sind 65 Hochschulen registriert, davon 43 in Bischkek. Zu den renommiertesten Universitäten gehören die American University of Central Asia (AUCA), die Kirgisisch-Türkische Manas-Universität sowie die Russisch-Kirgisische Slawische Universität, die auf einer Partnerschaft mit den jeweiligen Titularländern beruhen. Unterrichtssprachen sind in der Regel die Amtssprachen Russisch und Kirgisisch, wobei im Unterschied zu manchen anderen Staaten der postsowjetischen Region Russisch noch überwiegt (AA Kultur und Bildung Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Kyrgyzstan, last update 03.04.2019, abgefragt am 18.04.2019, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/kg.html

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kirgisistan, Gesellschaft, letzte Aktualisierung Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019, https://www.liportal.de/kirgisistan/gesellschaft

AA, Auswärtiges Amt, Kirgisistan, Überblick, Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/kirgisistan/206736

ZA, Zentralasien Analysen, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), Nr. 131, 30.11.2018,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen131.pdf

ZA, Zentralasien Analysen, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), Nr. 132, 21.12.2018,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen132.pdf

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kirgisistan, Alltag, letzte Aktualisierung Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019, https://www.liportal.de/kirgisistan/alltag

ZA, Zentralasien Analysen, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), Nr. 133,22.02.2019,

http://www.laender-analysen.de/zentralasien/pdf/ZentralasienAnalysen133.pdf

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018,

Kirgisische Republik, 13.03.2019, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2018/sca/289250.htm

AA, Auswärtiges Amt, Kirgisistan, Kultur- und Bildungspolitik, Stand 06.03.2019, abgefragt am 18.04.2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kirgisistan-node/-/206928)

Justiz

Seit der Unabhängigkeit des Landes hat sich das Rechtssystem grundlegend gewandelt und ist durch permanente Neuerungen gekennzeichnet. Das Justizministerium der Kirgisischen Republik stellt Neuerungen in der Rechtsentwicklung in kirgisischer und russischer Sprachfassung der jeweiligen Gesetze, Erlasse (Ukase) und Verordnungen mit kurzer Darstellung der Entwicklung zur Verfügung (LIP Geschichte und Staat Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

Im Rule of Law Index 2017-18 des World Justice Project (WJP) rangiert Kirgisistan auf Platz 82 von 113 Ländern, was eine Verbesserung um einen Rang im Vergleich zu 2016 bedeutet. In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land den Rang 84 und in der Subskala Strafjustiz den Platz 101 von 113 Staaten ein (WJP 31.01.2018).

Die Justiz ist traditionell die schwächste der drei Gewalten. Trotz anhaltender Diskussionen über die Justizreform und das Versprechen der Unabhängigkeit der Justiz hat es die Führung Kirgisistans - insbesondere der Präsident - versäumt, der Justiz echte Autonomie und Selbstverwaltung zu gewähren. Denn im Gegenteil hat sich entgegen der Reformrhetorik die Unterordnung der Justiz gegenüber der Regierung und insbesondere dem Präsidenten verstärkt. Für ein paar Jahre war die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs die einzige bemerkenswerte Ausnahme von der gerichtlichen Unterwerfung. Viele der Entscheidungen der Verfassungskammer waren nicht zu Gunsten der Regierung und einige von ihnen widersprachen stark den Präferenzen des Präsidenten. Seit 2015 hat das Gremium jedoch durch die Entlassung eines Richters, der den Präsidenten kritisiert hatte, und die Ernennung von zwei dem Präsidenten treuen Richtern viel von seiner Unabhängigkeit verloren. Der Rest der Justiz ist nach wie vor weitgehend der politischen Kontrolle unterworfen, korrupt und institutionell abhängig. In allen jüngsten Meinungsumfragen wurden die Gerichte als eine der beiden korruptesten Institutionen wahrgenommen (die andere ist die Polizei). Es gibt viele Gründe für die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz. Das Budget der Justiz wird von der Regierung zugewiesen, wodurch die Justiz finanziell abhängig wird. Die juristische Ausbildung ist ein weiteres systematisches Problem, das eine kaum reformierte juristische Schule im sowjetischen Stil kultiviert, die an allen Universitäten als sehr korrupt empfunden wird. Ein Mechanismus zur Gewährleistung einer unparteiischen und leistungsorientierten Richterauswahl, der Nationale Rat zur Auswahl der Richter, wurde unmittelbar nach seiner Gründung in Streitigkeiten verwickelt und ist zu einem unbedeutenden Organ geworden (BTI 2018).

Viele Bürger Kirgisistans nehmen das Justizsystem als nicht unabhängig wahr. Die staatlichen Rechtsorgane orientierten sich mehr an Loyalitäts- und Patronagebeziehungen denn am Gesetz, konstatiert die Politologin Mahabat Sadyrbek. Seit dem Regierungswechsel im Frühjahr 2010 und der Verabschiedung einer neuen Verfassung unternimmt die Regierung jedoch vermehrt Anstrengungen Korruption zu unterbinden und das Justizsystem zu erneuern, wie etwa mit dem Gesetz zur Schaffung eines Rates zur Richterauswahl. Trotzdem gibt es immer wieder Berichte einseitiger Rechtsprechung wie zum Beispiel bei der Aufarbeitung des Konflikts im Süden des Landes im Juni 2010. So sollen laut Berichten 80% aller Mordanklagen in Südkirgisistan Angehörige der usbekischen Minderheit betreffen. Kirgisische Täter sollen von Anklagen wohl weitgehend unbehelligt bleiben. Auch das oft mangelnde Wissen von Bürgern und Bürgerinnen über ihre Rechte und Zugangsmöglichkeiten zum Justizwesen gerade in ländlichen Gebieten, stellen ein Problem dar (LIP Geschichte und Staat Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

Die Verfassung und Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor, aber die Richter sind der Beeinflussung oder Korruption ausgesetzt. Es gibt Fälle, in denen die Ergebnisse der Gerichtsverhandlungen vorherbestimmt erscheinen. Mehrere Quellen, darunter NGOs, Anwälte, Regierungsbeamte und Privatpersonen, behaupten, dass Richter Bestechungsgelder zahlten, um ihre berufliche Positionen zu erreichen. Etliche Anwälte behaupten, dass Bestechung unter Richtern allgegenwärtig sei. Im Allgemeinen respektieren Behörden Gerichtsbeschlüsse. Zahlreiche NGOs beschreiben allgegenwärtige Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren, einschließlich erzwungener Geständnisse, Anwendung von Folter, Verweigerung des Zugangs zu Rechtsbeistand und Verurteilungen in Ermangelung hinreichend schlüssiger Beweise oder trotz entlastender Beweise. Internationale Beobachter berichten von Drohungen und Gewalttaten gegen Angeklagte und Verteidiger innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals sowie von Einschüchterungen von Prozessrichtern durch Angehörige und Freunde der Opfer. Während die Gesetze Angeklagten Rechte gewähren, widersprechen Sitten und Praktiken der Justiz regelmäßig der verfassungsmäßigen Unschuldsvermutung und die Ermittlungen im Vorfeld des Verfahrens konzentrierten sich fast ausschließlich auf die Sammlung ausreichender Beweise zum Nachweis der Schuld. Prozesse werden in der Landessprache Kirgisisch oder der offiziellen Sprache Russisch geführt. In der Mehrzahlt der Prozesse erfordern es die Verfahrensvorschriften, dass er Angeklagte in einer Käfigzelle sitzt. Verteidiger beschweren sich, dass Richter routinemäßig Fälle, wenn es nicht genügend Beweise gibt, an die Ermittler zurückgeben, um Schuld nachzuweisen, während dieser Zeit können Verdächtige in Haft bleiben. Richter verhängen für gewöhnlich zumindest eine bedingte Strafe (USDOS 13.03.2019).

Die Zahl der Fälle, in denen Beamte strafrechtlich verfolgt werden, hat in den letzten Jahren generell zugenommen. Es kommt häufiger vor, dass mittlere Steuerbeamte, Staatsanwälte, Polizisten und andere öffentliche Amtsträger wegen Amtsmissbrauchs, Korruption oder Unterschlagung angeklagt und verfolgt werden (BTI 2018).

(LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kirgisistan, Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte-staat

WJP, World Justice Projekt, Rule of Law Index 2017-2018, Kyrgyzstan, 31.01.2018, http://data.worldjusticeproject.org/#/groups/KGZ

BTI, Bertelsmann Stiftung, Kyrgyzstan Country Report, 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/kgz/ity/2018/itr/pse

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018,

Kirgisische Republik, 13.03.2019, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2018/sca/289250.htm)

Sicherheitsbehörden

Die Untersuchung allgemeiner und lokaler Straftaten fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums, während Verbrechen auf nationaler Ebene in die Zuständigkeit des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB) fallen, welches auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten kontrolliert. Die Generalstaatsanwaltschaft verfolgt sowohl lokale als auch nationale Verbrechen. Sowohl lokale als auch internationale Beobachter sagen, dass GKNB und Strafverfolgungsbehörden in weit verbreitete willkürliche Verhaftungen verwickelt sind, darunter einige, die angeblich politisch motiviert sind, sowie in Misshandlung von Häftlingen und Erpressung, insbesondere im südlichen Teil des Landes. NGOs und andere Rechtsbeobachter stellen routinemäßig den Mangel an Frauen und ethnischen Minderheiten in der Polizei und in allen Regierungspositionen fest. Offiziell machen Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten (nicht kirgisische Ethnien) etwa 6 bzw. 4% der Polizeikräfte aus. Nach UN-Statistiken machen ethnische Minderheiten jedoch etwa 27% der Bevölkerung aus (USDOS 13.03.2019).

Wenn die Regierung Reformen durchführt, hat sie oft auf den Widerstand der bestehenden Kader, die von den Veränderungen betroffen sind. Dies war zum Beispiel bei der Reform des Polizeisystems der Fall. Der Konservatismus des Systems hat bei jedem Reformprogramm zum gleichen Ergebnis geführt, nämlich, dass die einzigen wesentlichen Änderungen neue Namen waren. Der Umstand ist mit der Korruption und der Politisierung der öffentlichen Verwaltung verbunden. Die Korruptionspyramide im Polizeidienst hat zu einer institutionellen Stagnation geführt, und das Fortbestehen der alten Strukturen und Muster bewirkt (BTI 2018).

(USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018,

Kirgisische Republik, 13.03.2019, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2018/sca/289250.htm

BTI, Bertelsmann Stiftung, Kyrgyzstan Country Report, 2018, https://www.bti-project.org/en/reports/country-reports/detail/itc/kgz/ity/2018/itr/pse)

Folter und unmenschliche Behandlung

Straffreiheit für Folter bleibt die Norm, Untersuchungen zu Misshandlungen und Foltervorwürfen bleiben selten, verzögern sich oder sind unwirksam. Am 25. Juni, anlässlich des Internationalen Tages zur Unterstützung von Folteropfern, berichtete die Generalstaatsanwaltschaft während nationaler Anti-Folter Konsultationen des Nationalen Zentrums für die Prävention von Folter, dass 418 Fälle von Folter im Jahr 2017 registriert wurden und erhob gegen 15 Behördenmitarbeiter Anklage wegen "Folter" (HRW 17.01.2019).

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Berichten zufolge bleiben Misshandlungen durch die Polizei ein Problem, vor allem in Untersuchungshaft. Im Laufe des Jahres 2018 berichteten NGOs, dass Gerichte regelmäßig Geständnisse, die angeblich durch Folter erzielt wurden, als Beweismittel zugelassen haben (USDOS 13.03.2019).

(HRW, Human Rights Watch World Report 2019, Kirgisistan, 17.01.2019, https://www.hrw.org/world-report/2019/country-chapters/kyrgyzstan

USDOS, United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018,

Kirgisische Republik, 13.03.2019, https://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/2018/sca/289250.htm)

Korruption

Im Jahr 2018 belegte die Kirgisische Republik im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International Platz 132 von 180 (TI 2018).

Kirgisistan ist seit langem eines der korruptesten Länder der Welt. Jeder neue Präsident oder jede neue Regierung hebt die Korruption als ein großes Problem hervor, das angegangen werden muss. Trotz politischer Rhetorik bleibt die Korruptionsbekämpfung jedoch auf die selektive Bestrafung von politisch illoyalen Persönlichkeiten beschränkt. Im Jahr 2017 wurden mehrere hochkarätige Strafverfahren eingeleitet, bei denen die Angeklagten unter Anwendung des bisher selten applizierten Artikels 303 ("Korruption") des Strafgesetzbuches angeklagt wurden. Diese wurden jedoch weithin als politisch motivierte Schritte angesehen, die den selektiven Charakter der Korruptionsbekämpfung in Kirgisistan belegen. So waren alle Urteile gegen die oberste Führung der Oppositionspartei Ata Meken wegen Korruptionsvorwürfen in den Jahren 2010 oder 2011. Diese Fälle wurden als übereilte und politisch motivierte Verfolgung offener Kritiker des Präsidenten beschrieben (FH 2018).

Während das Gesetz strafrechtliche Sanktionen gegen Beamte vorsieht, die wegen Korruption verurteilt wurden, hat die Regierung das Gesetz nicht wirksam umgesetzt. Nach Angaben von Transparency International wurden offizielle Korruptionsfälle selektiv untersucht und verfolgt. Die Zahlung von Bestechungsgeldern zur Vermeidung von Ermittlungen oder Strafverfolgung war ein großes Problem auf allen Ebenen der Strafverfolgung. Strafverfolgungsbeamte, insbesondere im Süden des Landes, setzten häufig willkürliche Festnahmen, Folter und die Androhung von Strafverfolgung als Mittel zur Erpressung von Bargeldzahlungen von Bürgern ein. Die einzige Regierungsstelle, die befugt war, Korruption zu untersuchen, war die Antikorruptionsabteilung des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB). Dieses ist keine unabhängige staatliche Einrichtung, und ihr Haushalt verblieb im Rahmen des Funktionshaushalts des GKNB. Die staatliche Stelle im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität, auch Finanzpolizei genannt, untersucht Wirtschaftskriminalität, die manchmal in Zusammenhang mit Korruptions-Straftaten steht (USDOS 13.03.2019).

Kirgisistan zählt damit zu den Staaten mit hoher Korruptionswahrnehmung. Diese Einschätzung stützen auch Zahlen des Global Competitiveness Index 2018 des World Economic Forum bei dem Kirgisistan in den Unterpunkten Unabhängigkeit der Justiz mit 3.1

Punkten (7 = größte Unabhängigkeit) und Korruptionsfällen mit 29.0

(100 = keine Fälle von Korruption) deutlich im unteren Viertel der

Skala liegt. Zudem ist es unter den Bürgern Kirgisistans ein offenes Geheimnis, dass für eine medizinische Behandlung oder gute Noten in der Schule und an der Universität häufig bezahlt werden muss. Seit dem Regierungswechsel im Jahr 2010 gibt es jedoch Bemühungen die Korruption im Land zu bekämpfen. So hat sich Kirgisistan im Länderranking von Transparency International von 2018 (Platz 132 von insgesamt 180 Ländern) eindeutig verbessert. Im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten Tadschikistan (Platz 152 - Stand 2018) und Usbekistan (Platz 158 - Stand 2018) schneidet Kirgisistan etwas besser ab, im Vergleich zu Kasachstan (Platz 124 - Stand 2018) aber etwas schlechter. Im Zusammenhang mit verstärkter Korruptionsbekämpfung können die jüngsten Verhaftungen hochrangiger Politiker aufgrund von Korruptionsvorwürfen gesehen werden. Am 08.02.2018 hielt der kirgisische Präsident Sooronbaj Dscheenbekow bei der Sitzung des Sicherheitsrates eine Rede, in der er heftige Kritik gegenüber den Mitarbeitenden der Sicherheitskräfte übte. Der Präsident war unzufrieden damit, wie ineffizient die Arbeiten zur Korruptionsbekämpfung im Lande seiner Ansicht nach verliefen. Anstelle Korruption zu bekämpfen seien die Mitarbeiter der Sicherheitskräfte selbst korrumpiert geworden. Dscheenbekow betonte, dass er dem kirgisischen Volk versprochen habe, Korruption zu bekämpfen und dass er den politischen Willen besitze, sein Versprechen zu verwirklichen. So begann eine Reihe von Verhaftungen und Entlassungen hochrangiger und einflussreicher Politiker. Anfangs Juni nach vier Befragungen wurde der damals amtierende Premierminister Sapar Isakow für zwei Monate in Untersuchungshaft genommen. Ihm wurde vorgeworfen, er habe einseitig die Interessen der chinesischen Firma TBEA bevorzugt, die für die Modernisierung des Wärmekraftwerks TETs zuständig war. Dieser Großauftrag war von verschiedenen Problemen begleitet gewesen: Nach der Modernisierung des Kraftwerks war im Januar 2018 ein Unfall passiert, der die Wärmeversorgung von Tausenden Bewohnern Bischkeks lahmlegte. Zudem war das Modernisierungsprojekt äußerst teuer gewesen (Gesamtkosten: 386 Mio. USD), und Korruptionsvorwürfe waren aufgekommen. Neben Isakow befinden sich weitere hochrangige Personen, die mit der TETs-Modernisierung zu tun hatten, in Untersuchungshaft: der ehemalige Chef der Nationalen Energie-Holding Aibek Kaliew, der frühere Minister des Energie-Sektors Osmonbek Artykbaew und der ehemalige Leiter der "Elektro-Stantsija" AG Salaidin Abasow. Auch die ehemaligen Premierminister Dschantörö Satybaldiev und Temir Sariew wurden festgenommen bzw. verhört. Auf staatlich-institutioneller Ebene wurde 2011 vom damaligen Präsident Atambajew ein Anti-Korruptions-Dienst (AKS) errichtet, dessen Aufgabe die Untersuchung von Korruptionsfällen bei hochrangigen Politikern und Beamten ist. Seit 2003 ist ein Gesetz zur Bekämpfung von Korruption in Kraft. Anfang 2012 verabschiedete die kirgisische Regierung eine neue Anti-Korruptions-Strategie in Partnerschaft mit dem Anti-Korruptionsnetzwerk der OECD (LIP Geschichte und Staat Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019).

Das Staatliche Komitee für nationale Sicherheit (GKNB) gab am 10.01.2019 bekannt, dass Ex-Premierminister Sapar Isakow, der seit Juni 2018 in Haft sitzt, zusätzlich zu den Korruptionsvorwürfen bei der Modernisierung des Wärmekraftwerks in Bischkek nun auch wegen Korruption beim Umbau des Historischen Museums in der Hauptstadt, der 2016 erfolgte, angeklagt wird (ZA 22.02.2019).

(LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kirgisistan, Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung Dezember 2018, abgefragt am 18.04.2019, https://www.liportal.de/kirgisistan/geschichte-staat

USDOS, Un

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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