TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/3 W256 2146960-1

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Veröffentlicht am 03.05.2019
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Entscheidungsdatum

03.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W256 2146960-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Spruchpunkte II. und III. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Jänner 2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 2. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Am 3. Juli 2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Dabei verwies er u.a. auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer wurde am 11. Oktober 2016 durch ein Organ der belangten Behörde einvernommen. Dabei legte der Beschwerdeführer eine Deutschkursbesuchsbestätigung und eine Teilnahmebestätigung an einem Fußballturnier vor (OZ 1 AS 139 ff).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) jeweils ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Gegen die Spruchpunkte II. und III. des oben genannten Bescheids richtet sich die vorliegende Beschwerde. Darin führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass eine Rückkehr nach Afghanistan mangels Vorliegens eines sozialen oder familiären Netzes nicht möglich sei.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien diverse Länderberichte, darunter u.a. eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Transportwegen, Verkehrsmittel und Straßenzustand in Afghanistan vom 26. April 2017 durch das Bundesverwaltungsgericht zum Parteiengehör übermittelt.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 25. Oktober 2018 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Unter einem legte der Beschwerdeführer diverse Integrationsunterlagen und zwar eine Teilnahmebestätigung betreffend eines Deutschkurses Alpha I (Beilage ./A), eine Teilnahmebestätigung an einem XXXX (Beilage ./B), eine Besuchsbestätigung eines weiteren Deutschkurses (Beilage ./C), eine Teilnahmebestätigung zum Werte- und Orientierungskurs (Beilage ./D) und eine Bestätigung einer ehrenamtlichen Tätigkeit (Beilage ./E) vor.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2019 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29. Juni 2018, zuletzt aktualisiert am 23. November 2018 (im Folgenden: LIB) u.a. zum Parteiengehör übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

zur Person

Der - im Spruch genannte - Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem (OZ 1 AS 59, AS 129, Verhandlungsschrift Seite 9).

Er ist in Afghanistan, in der Provinz Daikundi, in XXXX geboren. Mit ungefähr sieben Jahren ist er gemeinsam mit seiner Familie in den Iran ausgewandert. Der Beschwerdeführer hat zu einem späteren Zeitpunkt mit seinem Vater erneut Afghanistan für ungefähr fünf Monate aufgesucht. Dabei hat er ungefähr drei Monate in Daikundi bei Verwandten und zwei Monate in einem Hotel in Kabul gelebt. Daran anschließend ist er mit seinem Vater wieder in den Iran zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer hat den Iran im April 2015 verlassen und ist anschließend nach Europa ausgereist (u.a. Verhandlungsschrift Seite 6 ff).

Seine Kernfamilie besteht aus seinen Eltern und seinen zwei Brüdern. Bis auf einen in Österreich lebenden Bruder lebt seine Kernfamilie derzeit in XXXX im Iran (OZ 1 AS 133, Verhandlungsschrift Seite 10).

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari (OZ 1 AS 59, Verhandlungsschrift Seite 10). Er hat in Österreich bereits Deutschkurse besucht (Beilagen ./A und ./C), bislang aber noch keine Prüfung abgelegt (Verhandlungsschrift Seite 14).

Der Beschwerdeführer hat weder eine Schul-, noch eine Berufsausbildung (OZ 1 AS 59, AS 129, Verhandlungsschrift Seite 9). Er hat als Hilfsarbeiter auf der Baustelle gearbeitet (OZ 1 AS 131, Verhandlungsschrift Seite 10).

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund (Verhandlungsschrift Seite 5 f und Seite 9) und arbeitsfähig.

Er ist seit seiner Antragsstellung am 2. Juli 2015 im Bundesgebiet aufhältig (OZ 1 AS 61). Zudem ist er strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 2. Mai 2019).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen mittlerweile volljährigen Bruder, mit dem er nicht zusammenlebt. Auch hat er zu diesem keine - über einen allgemeinen Kontakt hinausgehende - Bindung (Verhandlungsschrift Seite 13 f und die Beweiswürdigung).

Der Beschwerdeführer verbringt seinen Alltag in Österreich damit, sich die deutsche Sprache anzueignen und in der Kirche mit Putztätigkeiten ehrenamtlich auszuhelfen (Verhandlungsschrift Seite 14 und Seite 16, Beilage ./E).

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt (Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 2. Mai 2019).

zur Lage in Afghanistan

zur Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (LIB, Seite 42).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB, Seite 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB, Seite 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB, Seite 53).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB, Seite 46).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB, Seite 45).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB, Seite 46).

zu Daikundi

Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom; davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan. Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt und grenzt an die Provinzen Uruzgan im Südwesten, Bamyan im Osten, Ghor im Norden, Ghazni im Süden und Helmand im Nordosten. Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: der Provinzhauptstadt Nieli/Nili, Ashtarly, Khijran/Kajran, Khedir/Khadir, Kitti/Kiti, Miramor, Sang Takh/Sang-e Takht, Shahristan/Shahrestan. Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben (LIB, Seite 93).

Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit kleinen Dörfern, die über unasphaltierte Straßen verbunden werden. In den letzten 17 Jahren wurden Quellen zufolge in der Provinz nur zehn Kilometer an Straßen gebaut. Dennoch sind laut Regierung Projekte für die Implementierung des Straßenbaus im Gange (LIB, Seite 93).

Einer Quelle zufolge ist Daikundi eine sichere Provinz. Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten (LIB, Seite 94).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 3 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 94).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 43 zivile Opfer (16 getötete Zivilisten und 27 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Blindgänger/Landminen, gefolgt von Bodenoffensiven und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 59% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Eine weitere Quelle berichtete allerdings von keinen Opfern im Jahr 2017 in der Provinz Daikundi (LIB, Seite 94).

Im März 2017 wurden in Daikundi 31 Aufständische durch die ANSF getötet. In den letzten 17 Jahren sind in Daikundi keine ausländischen Streitkräfte ums Leben gekommen. Ende Dezember 2017 wurde Daikundi einer Quelle zufolge als ruhige Provinz beschrieben (LIB, Seite 94).

Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist. Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben. Des Weiteren wurde für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi gemeldet (LIB, Seite 95).

zu Verbindungen nach Daikundi

Die Provinz Daikundi kann mit dem Fahrzeug von Kabul aus auf drei verschiedenen Wegen (u.a. über Parwan und Bamyan) erreicht werden. Daikundi, dessen Provinzhauptstadt Nilli ist, liegt im Zentralland und ist mehr als 400 km von Kabul entfernt. Die Firma DaiCab verkehrt täglich zwischen Kabul und Daikundi; als Transportmittel kann ein Bus oder ein privates Auto verwendet werden; die Preise variieren je nach Transportmittel. Eine Reihe von Projekten zur Verbesserung der Transportwege finden seit 2003 in der Provinz Daikundi statt (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 26. April 2017: Afghanistan, Transportwege, Verkehrsmittel, Straßenzustand, Seite 2).

zu Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt (LIB, Seite 67).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (LIB, Seite 68).

zu Bamyan

In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.), der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird (LIB, Seite 89).

Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara. Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (LIB, Seite 89).

Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindungen zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region unterstützen. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden. Ausgeführt durch eine chinesische Firma, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten bereits fertiggestellten Phase wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine Straße mit 178 km, die durch mehr als 37 Dörfer gehen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase - dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (LIB, Seite 90).

Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet; die Ursache dafür ist, laut UNAMA, die aktive Einbindung religiöser Gelehrter in Friedensprozesse, sowohl auf Gemeinde- als auch Regierungsebene. Die Provinz wird trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als sicherer Hafen betrachtet (LIB, Seite 90).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 90).

Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben. So nahmen im Juli 2017 elf Talibanmitglieder an den Friedensverhandlungen in der Provinz Bamyan teil. Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in Bamyan gemeldet (LIB, Seite 91).

zu Mazar-e Sharif

Mazar-e-Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e-Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri. Sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich auch an und auch der Dienstleistungsbetrieb wächst. In Mazar-e-Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (LIB, Seite 85 f).

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten (LIB, Seite 85).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, das darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz zu reduzieren (LIB, Seite 86).

Die Provinz Balkh ist nach wir vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistan, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen Nordafghanistans. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (LIB, Seite 86).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 86).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB, Seite 87).

zur Versorgungslage:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB, Seite 336).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB, S. 336 f).

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben (LIB, Seite 338).

Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB, Seite 340).

In den letzten 10 Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Einer Umfrage der Asia Foundation zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert (LIB, Seite 340).

Das afghanische Gesundheitsministerium bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten, diese Kosten müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (LIB, Seite 341 f).

Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (LIB, Seite 342 f).

zur Situation im Falle einer Rückkehr

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB, Seite 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft in Kabul zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB, Seite 351 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. AMASO bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa Beratung und Unterstützung. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB, Seite 351 ff).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB, Seite 352 f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB, Seite 353 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, Seite 354).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Seite 354).

2. Beweiswürdigung:

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.

1. zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seinem Ausreisezeitpunkt ergeben sich aus seinen diesbezüglich weitestgehend gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln.

Die Feststellungen zu seinem Geburtsort, seinen Sprachkenntnissen und zu seinen Aufenthalten in Afghanistan und im Iran stützen sich im Wesentlichen auf seine Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift Seite 6ff und Seite 10).

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang stützen sich auf seine glaubhaften Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Zusammenhalt mit seinen Angaben in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde (OZ 1 AS 59, AS 129, AS 131, Verhandlungsschrift Seite 9 f).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Verhandlungsschrift Seite 5).

Die Feststellungen zu seiner Kernfamilie ergeben sich aus den eigenen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln (OZ 1 AS 133 und Verhandlungsschrift Seite 10).

Die Feststellung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zu seinem Leben und seiner Integration in Österreich ergeben sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenhalt mit den vorgelegten Bestätigungen.

Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer zu seinem in Österreich lebenden Bruder über keine - über einen allgemeinen Kontakt hinausgehende - enge Beziehung hat, ergibt sich aus seinen eigenen Aussagen in der mündlichen Verhandlung. Darin führte er aus, dass er im laufenden Kontakt mit seinem Bruder stehe und er eine freundschaftliche Beziehung zu ihm unterhalte. Allerdings lebe er nicht gemeinsam mit seinem Bruder und besuche ihn sein Bruder auch lediglich drei bis viel Mal im Jahr für ungefähr 2 bis 3 Tage. Der Beschwerdeführer wiederum besuche seinen Bruder im Übrigen gar nicht. Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung aufgestellte Behauptung des Beschwerdeführers, der Kontakt zu seinem Bruder sei im Hinblick auf dessen Minderjährigkeit eingeschränkt, kann schon aufgrund des Umstandes, dass der Bruder des Beschwerdeführers laut seinen eigenen Angaben mittlerweile volljährig ist, nicht nachvollzogen werden (Verhandlungsschrift Seite 13ff: "R: Haben Sie mit Ihrem Bruder in Österreich Kontakt? BF: Ja. R: Inwiefern, wie sieht der Kontakt aus? BF: Wir haben regelmäßig Kontakt miteinander, wir sind gute Freunde. R: Im erstinstanzlichen Verfahren haben Sie ausgeführt, dass Sie zu Ihrem Bruder keinen Kontakt hätten, was sagen Sie dazu? BF: Beim ersten Mal habe ich das gesagt. Das ist richtig. Ich hatte damals kein Handy. R: Wo wohnt Ihr Bruder? BF: in Villach. R: Wohnen Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder? BF: Nein, wir wohnen nicht zusammen, ich wohne in der Nähe von Graz. R: Besuchen Sie Ihren Bruder oder besucht Ihr Bruder Sie? BF: Eigentlich darf ich nicht dort bei ihm übernachten, weil er unter 18 war, jetzt ist er schon über 18 Jahre. R: D.h. besuchen Sie Ihren Bruder? BF: Nein, ich darf nicht.").

zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer dazu auch gar nichts Gegenteiliges zumindest substantiiert vorgebracht hat.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

§ 11 Abs. 1 AsylG 2005 ordnet an, dass Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann, und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106 ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG zwar ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht, es allerdings den in der Statusrichtlinie 2011/95/EU festgelegten und in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Vorgaben widerspricht, einem Fremden den Status eines subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen. (siehe dazu ausführlich das genannte Erkenntnis sowie zuletzt auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461 zur Dürresituation bzw. Lebensmittelknappheit in Somalia).

Im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten richtlinienkonformen Auslegung ist § 8 Abs. 1 AsylG insofern derart zu lesen, dass vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten durch Dritte (Akteure) zurückzuführenden ernsthaften Schaden im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie zu erleiden.

Art 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit.a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragsstellers im Herkunftsland (lit. b) und "eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).

Eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes aufgrund eines ernsthaften Schadens, welcher nicht von Dritten (Akteuren) verursacht, sondern bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist, widerspricht allerdings der Statusrichtlinie und kann damit aus § 8 Abs. 1 AsylG auch nicht abgeleitet werden (siehe dazu nochmals die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018 sowie in seinem Beschluss vom 21. November 2018).

In seinem Beschluss vom 23. Februar 2016, Ra 2015/01/0134 hat der Verwaltungsgerichtshof auch unter Bezugnahme auf dazu ergangene Urteile des EGMR ausgeführt, dass die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde. Insofern obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Dabei reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Trotz der weiterhin als instabil zu bezeichnenden Sicherheitslage ist eine Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die regional - sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt - unterschiedliche Sicherheitslage nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 08. September 2016, Ra 2016/20/0063, sowie zuletzt vom 20. September 2017, Ra 2017/19/0205).

Im vorliegenden Fall stammt der Beschwerdeführer aus der Provinz Daikundi. Wie festgestellt wurde, ist die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers, Daikundi, als relativ friedlich und gut zu bezeichnen. So kommt es in Daikundi insgesamt zu vergleichsweise wenigen sicherheitsrelevanten Vorfällen, und stellen auch die Taliban - ebenso wie in der Provinz Bamyan - keine Bedrohung dar. Auch die Erreichbarkeit des Herkunftsortes im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan erweist sich (von Kabul aus) als infrastrukturell möglich. Nach einer Landung auf dem legal und sicher erreichbaren Flughafen in Kabul kann der BF zudem über das vorhandene Straßennetz bzw. in Kombination mit dem Flugzeug mit Zwischenlandung in Bamyan nach Daikundi gelangen. Davon abgesehen war es dem Beschwerdeführer schon bereits vor seiner Ausreise aus dem Iran möglich, von Daikundi nach Kabul zu reisen und von Kabul aus wieder zurück in den Iran.

Hinzu kommt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen arbeitsfähigen, gesunden, jungen Mann handelt, der bereits über Berufserfahrung als Hilfsarbeiter auf Baustellen verfügt. Auch ist er in einem afghanischen Familienverband in Afghanistan aufgewachsen und sozialisiert und damit nicht nur mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates, sondern auch mit der Sprache Dari vertraut. Es ist daher anzunehmen, dass er in seiner Heimat und zwar unabhängig allfälliger dort bestehender familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte in der Lage sein wird, sich ein ausreichendes Auskommen zu sichern und ein "relativ normales Leben" ohne unangemessene Härten zu führen, wie es auch anderen Landsleuten möglich ist. Außerdem kann der Beschwerdeführer Rückkehrhilfen vorübergehend in Anspruch nehmen.

Somit kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in seine Heimatprovinz, in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. In Summe ergibt sich daraus, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers für ihn als Zivilperson keine realistische Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 2017, Ra 2017/19/0190 zur Rückkehrmöglichkeit nach Daikundi).

Davon abgesehen kann dem Beschwerdeführer auch ein Aufenthalt in der Stadt Mazar-e-Sharif und damit zumindest eine innerstaatliche Fluchtalternative zugemutet werden.

Im Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, hielt der Verwaltungsgerichtshof zu § 11 Abs. 1 AsylG 2005 fest, dass mit dieser Norm der österreichische Asylgesetzgeber von der in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, dem Asylwerber keinen internationalen Schutz zu gewähren, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht (lit. a) oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Art. 7 Statusrichtlinie hat (lit. b), und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen.

Die über den Flughafen erreichbare Hauptstadt der Provinz Balkh, Mazar-e-Sharif, liegt - laut den Feststellungen - in einer der stabilsten und relativ ruhigen Provinzen Afghanistans. So werden dort im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen verzeichnet und kommt es "nur" manchmal zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Gründe, die die Annahme rechtfertigen würden, der Beschwerdeführer liefe allein durch seine Anwesenheit in Mazar-e-Sharif tatsächlich Gefahr, einen ernsthaften Schaden, der ihm nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde, zu erleiden, sind nicht erkennbar und wurden solche vom Beschwerdeführer auch nicht aufgezeigt.

Vor diesem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer eine dortige Ansiedlung unter dem Aspekt der Sicherheit und damit die Inanspruchnahme einer Fluchtalternative auch zuzumuten (vgl. dazu ausführlich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2018 sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2018).

Auch ansonsten bestehen - auch unter Berücksichtigung der von UNHCR aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer eine Ansiedlung in Mazar-e-Sharif nicht zumutbar wäre, und wurden solche vom Beschwerdeführer auch gar nicht aufgezeigt.

Die Hauptstadt der Provinz Balkh, Mazar-e Sharif, ist laut den Feststellungen ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung geht aus den getroffenen Feststellungen hervor, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa u. a. der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Gesundheitsversorgung und Wohnraum zwar in Mazar-e Sharif nur sehr eingeschränkt, aber doch möglich bzw. gesichert ist. Der aktuellen Berichtslage ist insbesondere nicht zu entnehmen, dass etwa die Grundversorgung der Bevölkerung in der Stadt Mazar-e Sharif (mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser) generell nicht mehr gewährleistet oder dass die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen wäre. Ebenso wenig sind dem Bundesverwaltungsgericht Berichte über eine bestehende (oder unmittelbar drohende) Hungersnot bzw. über eine (herannahende) humanitäre Katastrophe in Mazar-e Sharif bekannt.

Aufgrund der oben dargelegten persönlichen Umstände und der allgemeinen Länderfeststellungen zur Lage im Herkunftsstaat ist somit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine Existenzsicherung und Neuansiedlung in Mazar-e-Sharif aus eigenem und damit unabhängig allfälliger familiärer bzw. sozialer Anknüpfungspunkte zugemutet werden kann (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, vom 28. März 2019, Ra 2018/14/0067 sowie vom 10. April 2019, Ra 2019/20/0153; vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2017, E 2068/2017). Dies steht auch im Einklang mit der Einschätzung der aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018, denen zufolge es alleinstehenden, leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität möglich sei, auch ohne Unterstützung durch die Familie in urbaner Umgebung zu leben (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, vom 28. März 2019, Ra 2018/14/0067 sowie vom 10. April 2019, Ra 2019/20/0153; vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2017, E 2068/2017).

Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers ist in einer Gesamtbetrachtung daher nicht zu erkennen, dass er im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan und einer Ansiedlung in seiner Heimatprovinz oder in der Stadt Mazar-e-Sharif in eine auswegslose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird (§ 10 Abs. 1 AsylG 2005). Dies ist von Amts wegen zu prüfen (§ 58 Abs 1 Z 2 AsylG 2005).

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 oder Z 3 FPG geduldet, noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist, noch der Beschwerdeführer ein Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen einer der Gründe iSd § 57 AsylG 2005 - substantiiert - behauptet, noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor. Es war daher - wie in § 58 Abs. 3 AsylG 2005 normiert - spruchgemäß über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 zu entscheiden.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über Verwandte in Form von einem Bruder. Ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des EGMR jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 02. August 2016, Ra 2016/20/0152, mwH). Im gegenständlichen Fall ist jedoch mangels Vorliegens einer Wohngemeinschaft und einer besonders engen Beziehung zu seinem Bruder von keinem Abhängigkeitsverhältnis auszugehen.

Im Hinblick auf sein gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Achtung des Privatlebens ist auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer seit 2. Juli 2015 im Bundesgebiet und demnach bald vier Jahre in Österreich aufhält. Ein Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von weniger als fünf Jahren ist jedenfalls nicht so lange, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden kann. Das Gewicht dieser Aufenthaltsdauer wird überdies weiters dadurch gemindert, dass sich dieser Aufenthalt nur auf ein aus einem letztlich als unberechtigt erkannten Asylantrag abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 stützten konnte, und dieser unsichere bzw. unrechtmäßige Aufenthaltsstatus dem Beschwerdeführer auch durchaus bewusst sein musste (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juli 2015, Ra 2014/22/0055).

Es wird nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer diese Jahre für Integrationsmaßnahmen, wie Deutschkurse und ehrenamtliche Tätigkeiten genutzt hat. Dabei handelt es sich aber nicht um solche außergewöhnlichen Integrationsleistungen, die sich in Anbetracht der relativ kurzen Zeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet für seinen Verbleib in Österreich ausschlagen würden.

Auch ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht selbsterhaltungsfähig ist, sondern derzeit von der Grundversorgung lebt. Dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist, vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (siehe u. a. das bereits zitierte Erkenntnis vom 25. Februar 2010 u.v.m.).

Der Beschwerdeführer hat im Gegensatz zum Bundesgebiet stärkere Anknüpfungspunkte zum Herkunftsland Afghanistan, zumal er mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut ist. Der Beschwerdeführer verfügt in Afghanistan auch zweifellos über die besseren Sprachkenntnisse im Vergleich zum Bundesgebiet. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer von seinem Kulturkreis derart entfernt wäre, dass er sich bei einer Rückkehr in Afghanistan nicht mehr zurechtfinden würde.

Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 2010 u.v.m.).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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