TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 97/12/0172

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820;
BDG 1979 §14 Abs3;
BDG 1979 §3;
BDG 1979 §36;
BDG 1979 §4;
BDG 1979 §40 Abs3;
BDG 1979 §5;
BDG 1979 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der A in Z, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 2. April 1997, Zl. 122799-33/96, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1951 geborene Beschwerdeführerin steht als Angehörige der Verwendungsgruppe PT 9 "Hilfsdienst" in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Vor ihrer mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Ruhestandsversetzung war sie im fachlichen Hilfsdienst (Verwendungsgruppe PT 8) am Postamt 1210 Wien eingesetzt.

Nachdem sich die Beschwerdeführerin nach mehreren längeren krankheitsbedingten Dienstabwesenheiten seit 27. November 1995 durchgehend im "Krankenstand" befunden hatte, verfügte die belangte Behörde schließlich mit dem angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Sie werden gemäß § 14 Absatz 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333, mit Ablauf des 30. April 1997 in den Ruhestand versetzt.

Aus diesem Anlaß wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 1 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, zu Ihrer ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit ein Zeitraum von 7 Jahren, 7 Monaten und 20 Tagen zugerechnet."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des § 14 Abs. 1 BDG 1979 und des § 9 Abs. 1 PG 1965 im wesentlichen weiter ausgeführt, nach der Stellungnahme der Chefärztin der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) vom 20. September 1996 sei die Beschwerdeführerin auf Grund des erhobenen Leidenszustandes in ihrer Leistungsfähigkeit insbesondere dadurch beeinträchtigt, daß ihr auch bei der Verrichtung von einfachen Tätigkeiten ohne Zeitdruck das übliche Ausmaß überschreitende Ruhepausen zu gewähren seien. Ausgeschlossen seien Arbeiten in sonstigen Zwangshaltungen, unter starker Lärmentwicklung, an höhen- und allgemein exponierten Stellen, in Kälte, Hitze und Nässe sowie das dienstbedingte Lenken eines Kraftfahrzeuges. Bei Rücksichtnahme auf diese Einschränkungen seien der Beschwerdeführerin bei der Durchführung von (einfachen) Fein- und Grobarbeiten eine mittlere körperliche Beanspruchung mit ständig leichten, überwiegend mittelschweren und fallweise schweren Hebe- und Trageleistungen in geschlossenen Räumen und im Freien zumutbar. Kein Einwand bestünde aber gegen Überkopfarbeiten und Arbeiten in gebeugter Haltung. Dieser Sachverhalt sei der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht und ihr zugleich mitgeteilt worden, daß ihre Versetzung in den Ruhestand zum nächstmöglichen Zeitpunkt in Aussicht genommen werde. Von der gebotenen Möglichkeit zur Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe vom Oktober 1996 Gebrauch gemacht. Die Beschwerdeführerin habe mitgeteilt, daß eine Ruhestandsversetzung für sie keinesfalls in Frage käme und darauf hingewiesen, daß sie von ihrer Hausärztin sowie zwei behandelnden Fachärzten für gesund und arbeitsfähig befunden worden sei. Sie hätte ihren Dienst beim Postamt 1210 Wien am 17. Juni 1996 wieder aufgenommen, sei aber - im Hinblick auf die bereits veranlaßte Dienstunfähigkeitsuntersuchung - am nächsten Tag nicht mehr "zum Dienst zugelassen" worden. Die Beschwerdeführerin habe weiters versichert, wieder vollkommen genesen zu sein, und berichtet, daß sie die "Wartezeit mit dem Verkauf imkerlicher Produkte in einem Einkaufszentrum" verbracht und für diese Tätigkeit einschließlich der Vorbereitung der Ware sowie der Anfahrts- und Verkaufszeit 40 Stunden pro Woche aufgewendet hätte. Schließlich habe die Beschwerdeführerin angemerkt, daß ihre Erkrankung das Ergebnis der ungerechtfertigten Versetzung vom Schalterdienst gewesen sei.

In der Folge habe die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 mitgeteilt, daß die Dienstbehörde das von den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin nachgereichte fachärztliche Gutachten eines Universitätsprofessors der PVAng übermittelt habe und dieses Gutachten bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin Berücksichtigung gefunden habe. Zugleich seien der Beschwerdeführerin Ablichtungen jener Gutachten übermittelt worden, auf die sich die "chefärztliche Stellungnahme" vom 20. September 1996 gestützt habe. Daraus sei ersichtlich, daß die von der PVAng herangezogene "Nervenärztin" u. a. auch das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten des Universitätsprofessors unter den eingesehenen ärztlichen Unterlagen konkret angeführt habe.

Von der neuerlich gebotenen Möglichkeit zur Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht. Mit Schreiben vom 14. November 1996 sei auf den Widerspruch zwischen den genannten Gutachten verwiesen worden (wird näher ausgeführt). Zum Beweis der aus fachpsychiatrischer Sicht uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin als Kartiererin bzw. im Schalterdienst sei die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens beantragt worden. Weiters sei die Pensionierung als für die Beschwerdeführerin aus wirtschaftlichen Gründen untragbar bezeichnet worden, es sei denn, sie erfolge unter Anrechnung von 10 Jahren auf "Basis PT 5" (5 Jahre Schalterdienst).

Auf Grund dieser Einwendungen habe die belangte Behörde nochmals der PVAng am 22. November 1996 alle Unterlagen übermittelt und um eine ergänzende Stellungnahme bzw. eine nochmalige fachärztliche Untersuchung ersucht. Zu dem beruflichen Werdegang der Beschwerdeführerin habe die belangte Behörde mitgeteilt, daß sie vom Briefschalterdienst abgezogen worden sei, nachdem sie die für eine Überstellung in die entsprechend höhere Verwendungsgruppe erforderliche Dienstprüfung am 13. November 1992 und die Wiederholung am 29. November 1993 nicht bestanden habe.

Die Stellungnahme der Chefärztin der PVAng vom 28. Jänner 1997 habe im wesentlichen das gleiche Leistungskalkül ergeben, wie am 20. September 1996. Möglich seien der Beschwerdeführerin nur geistig einfache Arbeiten ohne Zeitdruck mit ständig leichten, überwiegend mittelschweren und fallweise schweren Hebe- und Trageleistungen. Da die Beschwerdeführerin psychisch und konzentrativ nicht belastbar sei, seien dabei Arbeitspausen zu gewähren, die das normale Ausmaß überschreiten würden.

Im neuerlich eingeräumten Parteiengehör - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß ihr psychischer Zustand maßgeblich durch die ungerechtfertigte Versetzung auf einen anderen, minderwertigen Arbeitsplatz mitbestimmt sei. Ihre Reaktion auf das ihr Widerfahrene sei zwar vielleicht übertrieben, aber grundsätzlich verständlich und würde jedenfalls bei einer beruflichen Rehabilitierung wegfallen. Sie wünsche, wieder auf dem PT 5-Arbeitsplatz eingesetzt zu werden. Allenfalls würde sie einer Pensionierung dann nicht widersprechen, wenn diese auf Basis des höheren Arbeitsplatzes und unter Zurechnung von 10 Jahren erfolgen würde. Zur Unterstützung dieses Vorbringens legte die Beschwerdeführerin einen Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 19. Februar 1997 vor, der sich mit der von der PVAng erhobenen Diagnose auseinandergesetzt und festgestellt habe, daß die Beschwerdeführerin zur Zeit frei von "Wahnsymptomatik" sei.

Auf dieses Schreiben vom 20. Februar 1997 habe die belangte Behörde mit Erledigung vom 28. Februar 1997 reagiert und darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin wegen der Nichtablegung der Dienstprüfung vom Schalterdienst abgezogen worden sei. Der Umstand, daß sie dies offenbar den behandelnden Ärzten und ihren Rechtsvertretern gegenüber verschwiegen habe, lasse auf mangelnde Krankheitseinsicht schließen. Dazu hätten die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit 11. März 1997 mitgeteilt, daß die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt vollinhaltlich aufrecht halte. In dem weiters angeschlossenen fachpsychiatrischen Gutachten vom 27. Februar 1997 des für die Beschwerdeführerin bereits vorher tätig gewesenen Universitätsprofessors habe sich dieser mit der von der PVAng erhobenen Diagnose und der für die Beschwerdeführerin günstigen Prognose auseinandergesetzt und die Beibehaltung der Arbeitssituation aus fachpsychiatrischer Sicht unbedingt empfohlen.

Zusammengefaßt ergebe das durchgeführte Ermittlungsverfahren - so die belangte Behörde auf Blatt 6 der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter -, daß sich das Krankheitsbild der Beschwerdeführerin gegenüber dem Zustand vom September 1994 fraglos gebessert habe und in diesem Sinne den Ausführungen des mehrfach genannten Universitätsprofessors und des von ihr beigezogenen Facharztes für Psychiatrie, die darauf Wert legten, daß die aufgetretene wahnhafte Störung in "Remission" begriffen sei, zuzustimmen sei. Die Beschwerdeführerin stehe aber weiterhin in regelmäßiger fachärztlicher Kontrolle und unter entsprechender "Medikation". Die Erfahrung lehre, daß die behandelnden Ärzte besonders bei Patienten mit psychischen Erkrankungen aus verständlichen Gründen sehr bemüht seien, das familiäre und berufliche Umfeld zu erhalten, weil die therapeutischen Maßnahmen dadurch wirksam unterstützt würden. Andererseits müsse das Verständnis, das einem erkrankten Bediensteten auf Grund der Fürsorgepflicht durch den Dienstgeber entgegenzubringen sei, für diesen zumutbar sein. Im vorliegenden Fall wirke sich die - an sich gebesserte - Erkrankung aber gerade auf den beruflichen Bereich der Beschwerdeführerin weiterhin in der Weise aus, daß sie es ungeachtet ihrer beeinträchtigten Belastbarkeit gleichsam erzwingen wolle, wieder im Briefschalterdienst eingesetzt zu werden. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin in der von ihr dargestellten Weise Imkereiprodukte vermarktet habe, besage nicht, daß sie gesundheitlich auch den Belastungen eines achtstündigen Arbeitstages, in dessen Verlauf durchaus Arbeitsspitzen auftreten könnten, und den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gewachsen sei. Die für die Beschwerdeführerin als Gutachter tätig gewordenen Ärzte hätten sich sehr konkret und ausführlich mit dem Krankheitsverlauf und der aktuellen Diagnose der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, seien aber auf ihre Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nicht näher eingegangen. Diesbezüglich sei dem Antrag, ein berufskundliches Gutachten einzuholen, nicht nähergetreten worden, weil sich die Frage nach dem für den Schalterdienst notwendigen geistigen Leistungsvermögen der Beschwerdeführerin gar nicht stelle. Es sei auch nicht behauptet worden, daß es sich dabei um eine überdurchschnittlich verantwortungsreiche Tätigkeit handle. Die Argumentation der Beschwerdeführerin in bezug auf die früher ausgeübte Tätigkeit im Schalterdienst, die mangelnde Einsicht, weshalb ein weiterer Einsatz in diesem Bereich für sie nicht mehr in Betracht gekommen sei, und die anläßlich der ärztlichen Untersuchung durch die Ärztin der PVAng im Jänner 1997 gezeigte Geringschätzung der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten im Schalterdienst, während die geistig einfachere Kartiertätigkeit der Beschwerdeführerin auf die Nerven gehe, ließen erkennen, daß die Beschwerdeführerin den Anforderungen einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit in Vollbeschäftigung nicht gewachsen sei. Im Hinblick auf diese Umstände seien die ärztlichen Ausführungen und das Leistungskalkül der Chefärztin der PVAng vom 20. September 1996 und vom 28. Jänner 1997 schlüssig und überzeugend. Nach dem vorliegenden Beweisergebnis sei die Beschwerdeführerin somit dauernd dienstunfähig. Es sei daher nach der im Spruch genannten Gesetzesstelle von Amts wegen ihre Versetzung in den Ruhestand zu verfügen und ihr der Zeitraum von 7 Jahren, 7 Monaten und 20 Tagen zu ihrer ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen.

Es folgen noch verschiedene Hinweise und Informationen für die Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich nach ihrem gesamten Vorbringen in ihren Rechten dadurch verletzt, daß sie ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 BDG 1979 gegen ihren Willen vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden sei.

Nach § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Der Beamte ist nach Abs. 3 der genannten Bestimmung (in der Stammfassung) dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 BDG 1979 und auch zu vergleichbaren Rechtsgrundlagen ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es sind vielmehr auch die Auswirkungen einer Gesundheitsstörung auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf den Amtsbetrieb entscheidend (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0243, m.w.N.).

Nach der seinerzeitigen Fassung des § 14 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 vor der Novelle BGBl. Nr. 820/1995 genügte hinsichtlich des medizinischen Aspektes das Vorliegen einer Erkrankung, die Dienstunfähigkeit und eine einjährige Abwesenheit vom Dienst bedingte. Dienstunfähigkeit durch Erkrankung liegt dann vor, wenn durch diese die ordnungsgemäße Dienstleistung verhindert wird oder durch die Dienstleistung die Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung gegeben wäre oder die Dienstleistung für den Beamten eine objektiv unzumutbare Unbill darstellen würde. Die Heranziehung dieser zu § 51 Abs. 1 BDG 1979 entwickelten Kriterien ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242, dargelegt hat - auch bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit auf Grund eines nicht besserungsfähigen gesundheitlichen Gebrechens im Rahmen der vorzeitigen Ruhestandsversetzung geboten.

Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung wegen Krankheit ist daher das Fehlen einer absehbaren Besserungsmöglichkeit sowie die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am Arbeitsplatz (Primärprüfung) bzw. die Möglichkeit der Zuweisung eines im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 entsprechenden Arbeitsplatzes. Entscheidend für die Beurteilung ist der gesundheitliche Zustand im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren unter Beiziehung verschiedener ärztlicher Gutachter durchgeführt. Die Beschwerdeführerin ist dem im Parteiengehör jeweils auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sachverhaltsmäßig ist davon auszugehen, daß die Beschwerdeführerin als Beamtin der Verwendungsgruppe PT 9 vor Einleitung des Ruhestandsversetzungsverfahrens zuletzt im fachlichen Hilfsdienst, also in der Verwendungsgruppe PT 8, eingesetzt war. Vorher war ihr ab Februar 1989 die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg gegeben gewesen; sie war auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 5 im Briefschalterdienst verwendet worden. Da sie aber die für die Ernennung in diese Verwendungsgruppe erforderliche Dienstprüfung auch nach Wiederholung nicht bestand, wurde sie ab Februar 1994 von der Höherverwendung abgezogen und in einem anderen Postamt im fachlichen Hilfsdienst verwendet. Eine Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit des Abzuges der Beschwerdeführerin von dieser früheren - offensichtlich probeweisen - Verwendung im Briefschalterdienst (Verwendungsgruppe PT 5) kann bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung der Beschwerdeführerin schon deshalb entfallen, weil erst später, nämlich im Rahmen ihres Einsatzes im fachlichen Hilfsdienst, das Ruhestandsversetzungsverfahren eingeleitet und damit die Frage der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin aufgetreten ist. Selbst wenn die Beschwerdeführerin insbesondere ihre Abziehung unter angeblich diskriminierenden Umständen vom höherwertigen Schalterdienst als Ursache ihrer gesundheitlichen Probleme sieht, hätte sie sich gegen diese im Februar 1994 gesetzte Personalmaßnahme bereits seinerzeit mit den gebotenen rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen müssen.

Bei der im Beschwerdefall zu beurteilenden Frage der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin ist für die Primärprüfung jedenfalls die gesundheitliche Befähigung (körperliche und geistige Verfassung) zur Erfüllung der Aufgaben auf dem von ihr zuletzt bekleideten Arbeitsplatz, das ist der Aufgabenbereich der Beschwerdeführerin im Rahmen des fachlichen Hilfsdienstes (Verwendungsgruppe PT 8), entscheidend. Dann, wenn der Mangel dieser Befähigung offenkundig ist oder auf Grund von in einem ordnungsgemäßen Verfahren erfolgten Erhebungen als Zwischenergebnis feststeht, ist im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 weiters die Verweisungsmöglichkeit zu prüfen.

Diese Verweisungsmöglichkeit besteht nur auf einen Arbeitsplatz

1.

im Wirkungsbereich der Dienstbehörde des Beamten,

2.

der zumindest gleichwertig ist,

3.

dessen Aufgaben der Beamte nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und

4.

der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann (vgl. diesbezüglich insbesondere Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242).

Vor dem Hintergrund der §§ 3, 4, 5 und 8 in Verbindung mit § 36 BDG 1979 ist der Schluß zu ziehen, daß der Dienstrechtsgesetzgeber grundsätzlich davon ausgeht, daß der Beamte seiner Ernennung entsprechend verwendet wird. Wenn also im § 14 Abs. 3 BDG 1979 ebenso wie im § 40 Abs. 3 BDG 1979 der Begriff der Gleichwertigkeit genannt bzw. definiert wird, so ist - ungeachtet dessen, daß der Gesetzgeber sich auf den Arbeitsplatz bzw. die Verwendung bezieht - in der Frage, welche Verwendungsgruppe gemeint ist, von der Verwendungsgruppe auszugehen, in die der Beamte ernannt worden ist. Das bedeutet, daß bei einem Beamten, der mit seiner Zustimmung höherwertig verwendet wurde, die Grenze der Verweisungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 3 BDG 1979 durch die durch seine Ernennung bestimmte Verwendungsgruppe festgelegt ist. Der individuelle Schutz der Beamten erscheint durch den in den beiden letzten Halbsätzen des § 14 Abs. 3 BDG 1979 enthaltenen Bezug auf seine gesundheitlichen bzw. persönlichen Verhältnisse hinreichend gesichert. Eine Interpretation der Gleichwertigkeit im § 14 Abs. 3 BDG 1979 derart, daß ein im Verhältnis zu seiner Ernennung höherwertig verwendeter Beamter im Falle seiner bei der Primärprüfung festgestellten Dienstunfähigkeit nur wieder auf eine zumindest gleich höherwertige Verwendung verwiesen werden dürfte, führte dazu, daß es der Beamte durch Verweigerung seiner nach § 36 Abs. 3 BDG 1979 für die Betrauung mit einer höherwertigen Verwendung erforderlichen Zustimmung in der Hand hätte, der Dienstbehörde jede Verweisungsmöglichkeit zu nehmen. Auch unter Berücksichtigung des in den Erläuternden Bemerkungen zum Besoldungsreformgesetz (vgl. den Arbeitsbehelf, "Die Besoldungsreform 1994", Österreichische Staatsdruckerei) formulierten Zieles einer Förderung der Mobilität im Beamtenrecht darf dem Gleichwertigkeitsbegriff nicht eine Bedeutung beigemessen werden, die, losgelöst von der primär durch die Ernennung bestimmten Rechtsposition des Beamten, praktisch nahezu jede Mobilität bzw. Verweisungsmöglichkeit der Beamten verhindern würde.

Das bedeutet für den Beschwerdefall, daß die belangte Behörde bei der Verweisungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 3 BDG 1979 die Einsatzmöglichkeit der Beschwerdeführerin in der Verwendungsgruppe PT 9 zu prüfen gehabt hätte.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, daß die belangte Behörde sowohl von einer unrichtigen Rechtsauffassung über die Dienstunfähigkeit ausgegangen ist, als auch entsprechende Feststellungen im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 unterlassen hat. Aus der Darstellung des Verwaltungsgeschehens folgt nämlich lediglich die Aussage, daß sich das Krankheitsbild der Beschwerdeführerin gegenüber dem Zustand vom September 1994 "fraglos gebessert" habe; dem ist aber nicht zu entnehmen, von welchem Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin die belangte Behörde bei der Ruhestandsversetzung ausgegangen ist. Auch der in der Begründung enthaltene weitere Hinweis, daß die Beschwerdeführerin sich in regelmäßiger fachärztlicher Kontrolle und unter entsprechender "Medikation" befände, sagt für sich allein genausowenig Entscheidendes aus, wie die daran anschließende Aussage der belangten Behörde zu den angeblichen Motiven der die Beschwerdeführerin behandelnden Ärzte, die als Privatgutachter tätig geworden waren. Rechtlich unerheblich ist es, ob die Beschwerdeführerin ihren neuerlichen Einsatz im Briefschalterdienst, wie die belangte Behörde meint, gleichsam erzwingen will, weil sie auf eine Verwendung in der Verwendungsgruppe PT 5 ohnehin keinen Anspruch hat. Die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem von der Beschwerdeführerin gebrachten Argument für ihre Arbeitsfähigkeit, sie sei zur eigenen Vermarktung von Imkereiprodukten in der Lage gewesen, geht über die unbegründete Behauptung der Nichtvergleichbarkeit dieser Tätigkeit mit den Belastungen eines achtstündigen Arbeitstages bei der Post nicht hinaus. Aber selbst wenn diese Behauptung im Ergebnis zutreffend sein sollte, was aber entsprechende Erhebungen und Feststellungen vorausgesetzt hätte, wäre dieser Umstand jedenfalls bei der von der Behörde verneinten Frage der Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen und eine Auseinandersetzung damit angezeigt gewesen.

Zutreffend führt die belangte Behörde aus, daß sich die Frage nach dem für den Schalterdienst notwendigen Leistungsvermögen der Beschwerdeführerin gar nicht stellt, weil - wie bereits früher ausgeführt - kein Recht der Beschwerdeführerin auf diese Verwendung gegeben ist. Es kann daher tatsächlich dahingestellt bleiben, ob es sich beim Schalterdienst um eine überdurchschnittlich verantwortungsreiche Tätigkeit handelt. Die daran geknüpfte abschließende Schlußfolgerung der belangten Behörde, nämlich daß die Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin deswegen gegeben sei, weil ihr die Einsicht dafür mangle, nicht mehr im Schalterdienst eingesetzt zu werden, sie die Anforderungen dort anläßlich einer Untersuchung gering geschätzt habe und ihr "die geistig einfachere Kartiertätigkeit" auf die Nerven ginge, ist vor dem rechtlichen Hintergrund einer Ruhestandsversetzung wegen Krankheit jedenfalls nicht zutreffend, denn die Frage der Dienstfähigkeit ist nicht an der Selbsteinschätzung des Beamten zu messen, sondern zu objektivieren. Mangelnde Einsichtsfähigkeit des Beamten bzw. der Umstand, daß ihm eine Arbeit "auf die Nerven geht", kann für sich allein noch keine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit rechtfertigen.

Wie bereits allgemein ausgeführt, hätten zunächst die Aufgaben der Beschwerdeführerin auf dem von ihr zuletzt innegehabten Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 8 und ihre physisch/psychischen Beeinträchtigungen bzw. sonstigen Störungen festgestellt werden müssen. Dann wären diese Umstände zueinander in Beziehung zu setzen gewesen. Wenn diese "Primärprüfung" gezeigt hätte, daß der Beschwerdeführerin eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben aus Gründen, die nicht sie zu vertreten hat, nicht mehr möglich ist, hätte ein im § 14 Abs. 3 BDG 1979 umschriebener Verweisungsarbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 9 im Wirkungsbereich der Dienstbehörde gesucht und die Einsatzmöglichkeit der Beschwerdeführerin auf diesem hypothetisch untersucht werden müssen. Eine Auseinandersetzung mit der Verweisungsmöglichkeit ist im Beschwerdefall überhaupt unterblieben. Die Beschwerdeführerin wird lediglich nach dem Hinweis, daß das Leistungskalkül der Chefärztin der PVAng schlüssig und überzeugend sei, als dauernd dienstunfähig bezeichnet und ihre Ruhestandsversetzung verfügt. Obwohl für die Zurechnung von Zeiten nach § 9 PG 1965 ausdrücklich die Erwerbsunfähigkeit Tatbestandsvoraussetzung ist, wird die Zurechnung dann mit der dauernden Dienstunfähigkeit begründet.

Solcherart erweist sich der angefochtene Bescheid mehrfach mit Rechtswidrigkeit belastet. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt die Berechtigung der belangten Behörde zur Heranziehung der PVAng als Gutachter gegeben war (vgl. dazu die grundlegenden Ausführungen im bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242), fehlen im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979, der nicht einmal als entscheidende Rechtsgrundlage in der Begründung des angefochtenen Bescheides genannt ist, entsprechende Feststellungen. Auch der rechtliche Unterschied zwischen "Dienstunfähigkeit" nach § 14 BDG 1979 und "Erwerbsunfähigkeit" nach § 9 PG 1965 wurde von der belangten Behörde offensichtlich nicht erkannt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997120172.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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