TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/6 G313 2171208-1

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Veröffentlicht am 06.05.2019
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Entscheidungsdatum

06.05.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67
FPG §70 Abs3

Spruch

G313 2171208-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch RA Dr. Rudolf Mayer, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf ein (1) Jahre herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 06.09.2017 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.). Begründend stützte sich die belangte Behörde auf eine strafrechtliche Verurteilung des BF wegen Erpressung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren.

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 21.09.2017 vorgelegt.

4. Am 19.06.2018 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine mündliche Verhandlung durchgeführt und da der BF im Beisein seines Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die rumänische Sprache einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF wurde in Rumänien geboren und ist rumänischer Staatsangehöriger. Gelebt hat der BF in Rumänien jedoch nicht. Er besuchte in der Ukraine die Grundschule und studierte dann Veterinärmedizin in Russland.

1.2. Der BF hat in der Ukraine noch seine Mutter und seinen Bruder als familiäre Anknüpfungspunkte. In Österreich hat er eine Lebensgefährtin mit moldawischer Staatsangehörigkeit, und mit dieser eine elf Jahre alte Tochter und einen im Bundesgebiet im September 2013 geborenen fünf Jahre alten Sohn, mit denen der BF in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt. Der Sohn des BF besucht den Kindergarten, seine Tochter die Schule.

1.3. Der BF und seine minderjährige elf Jahre alte Tochter besitzen beide am 05.03.2014 unbefristet ausgestellte Anmeldebescheinigungen - der BF als Arbeitnehmer und sein Sohn als dessen Familienangehörige, seine Lebensgefährtin eine seit 12.05.2015 und sein fünf Jahre alter Sohn eine seit 14.02.2015 unbefristet ausgestellte Dauer-Aufenthaltsbescheinigung.

1.4. Der BF wurde im Bundesgebiet rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar

mit Urteil von Mai 2017 wegen versuchter schwerer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon ein Jahr unbedingt und zwei Jahren bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.

1.4.1. Diesem Strafrechtsurteil lag zugrunde, dass der BF eine namentlich genannte Person mit dem Vorsatz, sich und einen weiteren Täter durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe eines Bargeldbetrages von insgesamt EUR 180.0000, die den Genannten am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen versucht, wobei es aufgrund des Umstandes, dass der BF den geforderten Geldbetrag nicht übergab, sondern letztlich die Polizei alarmierte, beim Versuch blieb, und zwar

1./ im März 2016 durch gefährliche Drohung mit einer Brandstiftung, indem er dem Genannten gegenüber sinngemäß äußerte, dass er sein Haus "abfackeln werde", wenn er nicht bezahle, wobei er zur Bekräftigung ein Lichtbild, auf dem das in Serbien befindliche Haus des Genannten abgebildet war, vorzeigte;

2./ am 27.07.2016 durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er dem Genannten gegenüber sinngemäß äußerte, dass er keine Geduld mehr habe, sondern endlich da Geld haben wolle, wobei er zur Bekräftigung den Lauf einer Faustfeuerwaffe an der rechten Bauchseite des Genannten anhielt.

1.4.2. "Zur Strafzumessung" wurde im Strafrechtsurteil ausgeführt:

"Bei der Strafbemessung war von der Strafdrohung des § 145 Abs. 1 StGB von einer Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren auszugehen." Es sei das Zusammentreffen von zwei Verbrechen als erschwerend und der bisher ordentlichen Lebenswandel des BF sowie die Tatsache, dass es nur beim Versuch geblieben ist, als mildernd gewertet worden. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass sich der BF bisher wohlverhalten habe, in Österreich umfassend sozial integriert sei, hier schon seit Jahren einer selbstständigen Tätigkeit nachgehe und er nur aufgrund der Bestimmung durch den Zweitangeklagten auf die Idee gebracht worden sei, strafbares Verhalten zu setzen, und deshalb die von § 43a Abs. 4 StGB geforderte besonders günstige spezialpräventive Prognose auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass er nunmehr das erste Mal das Haftübel verspürt habe, gegeben und zu erwarten sei, dass der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Jahre genügen werde, um den BF von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten sowie der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

1.4.3. Mit besagtem Strafrechtsurteil wurde auch der Cousin der Lebensgefährtin des BF, mit welchem sich der BF zusammen durch die vom BF versuchte schwere Erpressung zu bereichern versuchte, strafrechtlich verurteilt, und zwar deshalb, weil dieser zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem März 2016 den BF dazu bestimmte, dass dieser eine namentlich genannte Person, notfalls auch durch gefährliche Drohung mit dem Tod und einer Brandstiftung oder mit Gewalt zu einer Handlung nötigt, und zwar zur Übergabe eines Betrages von EUR 160.000.

1.4.4. Der BF hatte für den Zeitraum von September 2017 bis zu seiner Strafhaftentlassung am 28.02.2018 Fußfessel.

1.5. Der BF reiste bereits im Jahr 1999 ins Bundesgebiet ein und weist für den Zeitraum von 14.07.2000 bis 29.11.2001 eine erste Wohnsitzmeldung auf. Ob der BF danach wieder ausgereist ist, kann nicht festgestellt werden, liegt doch keine Ausreisebestätigung vor. Es gibt nur neue Wohnsitzmeldungen ab August 2010. Eine aufrechte mit seiner Lebensgefährtin gemeinsame Hauptwohnsitzmeldung besteht seit August 2010.

1.6. Der BF war im Bundesgebiet - auch selbstständig - erwerbstätig. Er ist seit 2011 selbstständig erwerbstätig und arbeitete zunächst bei einer Firma mit einer Gewerbeberechtigung für Regalbetreuung. Diese Gewerbeberechtigung legte er im Jahr 2013 zurück. Die Lebensgefährtin des BF ist im Bundesgebiet ebenfalls gewerblich selbstständig erwerbstätig - seit Juni 2010. Der BF hat im Jahr 2013 mit seiner Lebensgefährtin eine Firma gegründet - am XXXX.12.2013 war der Tag der Gewerbeanmeldung. Bei dieser Firma handelt es sich um eine Reinigungsfirma für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung. Aus der gewerblich selbstständigen Tätigkeit bei dieser Firma sind dem BF und seiner Lebensgefährtin Schulden bei der Sozialversicherung in Höhe von EUR 5.000 oder EUR 6.000 entstanden, welche sie, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.06.2018 betont, in Ratenzahlungen "bis Dezember 2018" beglichen haben. Ein Nachweis für aktuelle Schulden liegt nicht vor.

Beide, sowohl der BF als auch seine Lebensgefährtin waren im Bundesgebiet auch unselbstständig erwerbstätig, der BF von Jänner bis Juni 2014, Juni 2014 bis März 2016 und einige Tage lang im August 2016 bei drei verschiedenen Dienstgebern, und seine Lebensgefährtin von Oktober 2008 bis Dezember 2008 und Oktober 2009 bis Mai 2010. Im Zeitraum von November 2013 bis September 2014 bezog die Lebensgefährtin des BF Kinderbetreuungsgeld.

Der BF besitzt in der Ukraine ein Haus im Wert von EUR 60.000. Zum Zeitpunkt seiner strafgerichtlichen Verhandlung im Mai 2017 hatte er Ersparnisse in Höhe von EUR 20.000.

Seit seiner Strafhaftentlassung arbeitet der BF wieder in seiner Firma und ist auch als Hauswart tätig. Er hat zudem an näher von ihm in mündlicher Verhandlung angeführter Adresse ein Lokal gemietet und möchte einen Schönheitssalon eröffnen.

Die Auftragslage in der Firma des BF war stets gut. Der BF konnte einige Empfehlungsschreiben von Kunden vorlegen, und zwar von Oktober 2016, Februar 2017.

Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 verdiente der BF monatlich EUR 5.000 bis EUR 6.000 netto und wusste bereits über für den Privatschulbesuch seiner Tochter ab September 2018 anfallende Schulkosten in Höhe von ca. EUR 4.400 jährlich Bescheid.

1.7. Der BF teilt mit seiner Lebensgefährtin sowohl die Überwachung ihrer Mitarbeiter in der Früh als auch die Kinderbetreuung, wobei ihnen die Mutter seiner Lebensgefährtin behilflich ist. Für die Tochter des BF wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 ein Jahreszeugnis der dritten Klasse Volksschule mit durchgehend sehr guter Beurteilung vorgelegt.

1.8. Der BF konnte sich einige Deutschkenntnisse aneignen. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, Außenstelle Graz, am 19.06.2018 wurde von der verhandelnden und nunmehr erkennenden Richterin kurz vor Schluss des Beweisverfahrens festgestellt, dass der BF der deutschen Sprache mächtig sei und der Verhandlung folgen könne.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr vorliegenden Gerichtsaktes.

2.2. Zur Person des BF:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

2.2.2. Die Feststellungen zum Schulbesuch des BF in der Ukraine und zu seinem Studium in Russland ergeben sich aus diesbezüglich glaubhaftem Akteninhalt.

2.2.3. Dass der BF in der Ukraine nur mehr seine Mutter und einen Bruder und in Österreich abgesehen von seiner Lebensgefährtin und seinen beiden minderjährigen Kindern keine Verwandte mehr hat, gab der BF selbst in mündlicher Verhandlung an.

2.2.4. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF und seiner Lebensgefährtin beruhen auf der in angefochtenem Bescheid festgestellten ersten Wohnsitzmeldung des BF von 14.07.2000 bis 29.11.2001 und auf diese Personen betreffenden aktuellen Zentralmelderegisterauszügen.

2.2.5. Der Aufenthaltsstatus des BF, seiner Lebensgefährtin und seiner beiden minderjährigen Kinder konnte nach Einsicht in das österreichische Fremdenregister getroffen werden.

2.2.6. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des BF und seiner Lebensgefährtin und ihrer gemeinsamen gewerblich selbstständigen Erwerbstätigkeit in ihrer Reinigungsfirma seit 2013 konnten nach Einsichtnahme in das AJ WEB-Auskunftsverfahren und in den vorliegenden Akt, welchem bezüglich der nunmehrigen selbstständigen Tätigkeit ein "Auszug aus dem Gewerberegister" mit "Tag der Gewerbeanmeldung: XXXX.12.2013" (AS 120) einliegt, getroffen werden.

Dass der BF ein Haus in der Ukraine besitzt und zum Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verhandlung im Mai 2017 im Besitz von Ersparnissen in Höhe von EUR 20.000 war, wurde bereits im Strafrechtsurteil des BF von Mai 2017 festgehalten (AS 148).

2.2.7. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des BF beruhen auf einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister und den dem Verwaltungsakt einliegenden strafgerichtliche Unterlagen (AS 144ff).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.1.2. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Begründet wird dies folgendermaßen:

Mit gegenständlich angefochtenem Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 06.09.2017 wurde gegen den BF ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Da der BF, der aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des FPG für § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.

Gegen den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten BF ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG daher nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten des BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen können.

Im gegenständlichen Fall wurde dem BF zur Dokumentation seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate am 05.03.2014 unbefristet eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt. Seither verfügt der BF über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel. Der BF war seither sowohl unselbstständig erwerbstätig - ab 2014, als auch seit 2012 gewerblich selbstständig erwerbstätig. Seit 2013 betreibt der BF gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin eine Reinigungsfirma.

Der rechtmäßige Einkommenserwerb des BF im Bundesgebiet wird überschattet durch in Bereicherungsabsicht begangene strafbare Handlungen.

Der BF hat im Bundesgebiet eine im Strafrechtsurteil namentlich genannte Person mit dem Vorsatz, sich und den Cousin seiner Lebensgefährtin durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe eines Bargeldbetrages von insgesamt EUR 180.000, die den Genannten am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen versucht, und zwar im März 2016 durch gefährliche Drohung mit einer Brandstiftung und im Juli 2016 durch gefährliche Drohung mit dem Tod, wobei es aufgrund des Umstandes, dass der Genötigte den geforderten Geldbetrag nicht übergab, sondern letztlich die Polizei alarmierte, beim Versuch blieb.

Diese strafbaren Handlungen führten zur strafrechtliche Verurteilung des BF von Mai 2017 zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe, wovon ein Jahr unbedingt und zwei Jahre auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt ausgesprochen wurde.

Bei der Strafbemessung des Strafrechtsurteils wurde das Zusammentreffen von zwei Verbrechen erschwerend und der bisher ordentliche Lebenswandel sowie die Tatsache, dass es beim Versuch geblieben ist, mildernd gewertet.

Vor dem Hintergrund der Strafdrohung des vom BF erfüllten Delikts der Erpressung mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zehn Jahren erachtete das Strafgericht die Verhängung einer Strafe im unteren Drittel der Strafdrohung in Anbetracht des bisherigen Wohlverhaltens und der guten sozialen Integration, der selbstständigen Erwerbstätigkeit und der Tatsache, dass der BF nur von einem weiteren Angeklagten auf die Idee zum strafbaren Verhalten gebracht worden sei, als angemessen.

Hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilung des BF von Mai 2017 weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6. Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Im gegenständlichen Fall zeigte der BF durch seine im März und Juli 2016 im Bundesgebiet in Bereicherungsabsicht begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn diese aufgrund der rechtzeitigen Verständigung der Polizei durch die vom BF genötigte Person "nur" im Versuchsstadium blieben, dass der BF auch bei aufrechtem Beschäftigungsverhältnis, war er doch zur Zeit seiner Straftaten gewerblich selbstständig erwerbstätig, zu Straftaten in Bereicherungsabsicht fähig ist.

In seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig betont, dass ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe zuletzt VwGH 25.1.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8).

Der BF hatte zuletzt von September 2017 bis zu seiner Strafhaftentlassung am 28.02.2018 Fußfessel. Seither befindet sich der BF etwas mehr als ein Jahr außerhalb der Haft, wobei er im Zeitraum von September 2017 bis zur Haftentlassung im Februar 2018 Fußfessel hatte. Ab dem Zeitpunkt seiner Strafhaftentlassung im Februar 2018 hat sich der BF jedenfalls nicht mehr strafbar gemacht, sondern ist ebenso wie seine Lebensgefährtin weiterhin einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und hat auch als Hauswart gearbeitet. Der BF und seine Lebensgefährtin haben, wie der BF in der mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 betonte, ihnen aus ihrer gewerblich selbstständigen Firmentätigkeit erwachsene Schulden bei der Sozialversicherung in Höhe von EUR 5.000 oder EUR 6.000 bis Dezember 2018 beglichen. Ein Nachweis für aktuelle Schulden des BF liegt nicht vor.

Der BF ist jedenfalls mit seinem Verdienst aus seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig. Auch von einem zwischenzeitigen seit Strafhaftentlassung eingetretenen Gesinnungswandel ist auszugehen, ist der BF doch nicht nur wieder erwerbstätig, sondern befindet er sich auch in ordentlichen familiären Verhältnissen, lebt er doch wieder mit seiner Lebensgefährtin und seinen beiden im Kindergarten- und Pflichtschulalter befindlichen Kindern in gemeinsamem Haushalt zusammen, wobei für die Tochter ein Jahreszeugnis der dritten Klasse Volksschule mit durchgehend sehr guter Beurteilung vorgelegt werden konnte, und teilt er sich die Kinderbetreuung mit seiner Lebensgefährtin und deren Mutter.

In der mündlichen Verhandlung am 19.06.2018 bekräftigte der BF selbst nunmehr in ordentlichen Verhältnissen zu leben und gab er befragt danach an:

"Ja, ich arbeite und lebe mit meiner Lebensgefährtin zusammen. Ich werde nichts mehr machen. Ich habe damals wirklich nur gesagt, er soll das Geld zurückgeben (damit offensichtlich die Aufforderung an den Genötigten, dem Cousin seiner Lebensgefährtin Geld zurückzugeben, gemeint). Ich bin kein Krimineller. Ich bin von Beruf Tierarzt. Ich habe in Russland studiert. (...)."

Ein Zeichen seiner erfolgten Integration in die österreichische Gesellschaft sind auch seine Deutschkenntnisse, konnte die verhandelnde Richterin in der mündlichen Verhandlung doch feststellen, dass der BF der deutschen Sprache mächtig sei und der Verhandlung folgen könne. Diese hat der BF offenbar in Österreich über seine berufliche Tätigkeit und seine im Kindergarten- und Pflichtschulalter befindlichen Kinder erworben.

Auch wenn der Gesinnungswandel eines Straftäters nach der Rechtsanschauung des VwGH grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat und seit Strafhaftentlassung im Februar 2018 gut ein Jahr - ohne weitere Straftat des BF - vergangen ist, wird angesichts der Schwere der von ihm im März 2016 und Juli 2016 im Bundesgebiet begangenen Straftaten, weswegen der BF mit Strafrechtsurteil von Mai 2017 wegen (versuchter) schwerer Erpressung strafrechtlich verurteilt wurde, und aufgrund der Tatsache, dass mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 06.09.2017 dem in Strafhaft befindlichen BF seine strafrechtliche Verurteilung von Mai 2017 und sein dieser Verurteilung zugrunde liegendes strafbares Verhalten als Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes mitgeteilt wurde und demzufolge die kriminelle Zurückhaltung des BF durchaus auf diese Bewusstmachung zurückzuführen sein kann, das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot von acht Jahren wegen noch aufrechter erheblicher Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 FPG auf die Dauer von ein Jahr herabgesetzt, wobei einer Aufenthaltsverbotsdauer von einem Jahr genügend Strafcharakter beigemessen wird, um den BF von zukünftigen Straftaten abhalten zu können.

Es war der Beschwerde daher spruchgemäß teilweise Folge zu geben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Deutschkenntnisse, Milderungsgründe, Prognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2171208.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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