TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/21 G311 2196320-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

G311 2196326-1/16E

G311 2196320-1/15E

G311 2196322-1/15E

G311 2196324-1/15E

G311 2196327-1/15E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 31.01.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) der XXXX, geboren am XXXX, 2.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, 3.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, 4.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, und 5.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, alle Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 17.04.2018, Zahlen: zu 1.) XXXX, zu 2.) XXXX, zu 3.) XXXX, zu 4.) XXXX und zu 5.) XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 31.01.2019, zu Recht erkannt:

A) I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen

Bescheide werden gemäß

§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird XXXX, geboren am XXXX, der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wird XXXX, geboren am XXXX, XXXX, geboren am XXXX, XXXX, geboren am XXXX, und XXXX, geboren am XXXX, jeweils der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird 1. XXXX, 2. XXXX, 3. XXXX, 4. XXXX und 5. XXXX jeweils eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerden werden die jeweiligen Spruchpunkte

III. bis VI. der angefochtenen Bescheide ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbis Fünftbeschwerdeführerinnen.

Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Ehegatten, der auch der Vater der minderjährigen Beschwerdeführerinnen ist, sowie der Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführerin illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie gemeinsam am 11.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellten.

Am 11.02.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin und ihres Ehegatten statt. Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt lediglich an, die Familie sei geflüchtet, da sie aufgrund der Flucht des Schwagers im Irak verfolgt würden. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie, dass den Kindern etwas zustoßen würde.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2017, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 14.04.2017 einlangend, erstatteten die Beschwerdeführerinnen ein ergänzendes schriftliches Fluchtvorbringen. Die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin seien mit Entführung bedroht gewesen, indem Personen diese am Heimweg von der Schule in einem Auto hätten mitnehmen wollen. Die beiden Töchter seien entkommen. Eine Freundin der Zweitbeschwerdeführerin sei jedoch entführt und ermordet worden, sodass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen von ihren Eltern nicht mehr in die Schule geschickt worden seien. Ein großes Problem sei weiters, dass die Erstbeschwerdeführerin als Sunnitin mit einem Schiiten verheiratet sei. Weiters sei die Mutter der Erstbeschwerdeführerin vom IS entführt worden. Ihr Verbleib sei unbekannt.

Am 18.09.2017 wurde im Bundesgebiet die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin geboren. Am 28.09.2017 stellte der damals auch als gesetzlicher Vertreter fungierende Vater der Fünftbeschwerdeführerin (der Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin) einen Antrag auf Durchführung eines Familienverfahrens und gab an, die Fünftbeschwerdeführerin sei gesund, habe keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen und beziehe sich der Antrag ausschließlich auf die Gründe des Vaters bzw. der Mutter (Erstbeschwerdeführerin).

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 23.02.2018 wurden der Erstbeschwerdeführerin Länderinformationen zum Herkunftsstaat Irak mit Stand 24.08.2017 (letzte eingefügte Kurzinformation vom 23.11.2017) zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

Die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, fand am 11.04.2018 statt.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, sie und ihr Ehegatte würden eine gemischte Ehe (Sunniten-Schiiten-Ehe) führen. Bei einem Familienbesuch in Salah al-Din sei der Ehegatte wegen der gemischten Ehe bedroht und entführt, schlussendlich aber wieder freigelassen worden. Die Erstbeschwerdeführerin wisse nicht, wann und wer das gewesen sei. Sie selbst sei in Basra von den Nachbarn bedroht worden. Man habe ihr gesagt, wenn sie vor das Haus gehe, werde man sie töten. Sie solle sich ganz in schwarz wie die schiitischen Frauen kleiden und habe sie als "Ungläubige" bezeichnet. Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin seien bei der Schule fast von drei Männern in einem Auto entführt worden. Die Kinder hätten sich an das Sicherheitspersonal der Schule gewandt und seien dann von der Polizei nach Hause gebracht worden. Seitdem habe sie die Kinder nicht mehr in die Schule geschickt. Der Vorfall habe sich kurz vor der Ausreise ereignet. Bei einem Besuch der Familie beim Schwiegervater der Erstbeschwerdeführerin hätten zwei Personen auf Motorrädern auf das Haus des Schwiegervaters geschossen. Die Familie sei dann nach Hause zurückgekehrt und bis zur Ausreise dortgeblieben. Am 14.01.2016 sei die Erstbeschwerdeführerin das letzte Mal von den Nachbarn im Zuge eines Streits bedroht worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe keine Probleme mit irakischen Behörden oder Gerichten gehabt, sei kein Parteimitglied gewesen, sei nicht inhaftiert oder festgenommen oder aus politischen oder persönlichen Gründen wie etwa wegen Rasse oder Nationalität bedroht worden. Bedrohungen hätten aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit stattgefunden.

Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (jeweils Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen, den Beschwerdeführerinnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß

§ 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1a FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen über keine eigenen Fluchtgründe verfügen würden und daher auf die Bescheide ihrer Eltern, insbesondere des Vaters, verwiesen werde. Es habe zudem nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerinnen in ihrem Herkunftsstaat einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt oder in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt gewesen seien. Für die Probleme der Beschwerdeführerinnen seien die lokalen Sicherheitsbehörden zuständig und hätten mit diesen keine Probleme bestanden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die lokalen Sicherheitsbehörden nicht willens oder nicht fähig wären, die Beschwerdeführerinnen vor ungerechtfertigten Übergriffen zu schützen und solche zu verfolgen. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführer keine Verfolgung durch den irakischen Staat bzw. dessen Behörden zu befürchten hätten. Die Erstbeschwerdeführerin sei eine arbeitsfähige Frau im erwerbsfähigen Alter und verfüge über eine Schulausbildung. Eine Rückkehr in den Irak sei den Beschwerdeführern zumutbar und möglich. Die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehegatte hätten jahrelang als gemischtes Paar im Irak gelebt und hätten zuletzt unbehelligt Checkpoints auf dem Weg von Basra nach Bagdad passieren können. Eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit liege daher nicht vor. Es werde von rein wirtschaftlichen Ausreisegründen ausgegangen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht versucht worden, jedoch jedenfalls mit Bagdad, Tikrit und Baquba möglich und zumutbar. Das Fluchtvorbringen sei insgesamt nicht glaubhaft.

Zudem traf die belangte Behörde umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.

Die Bescheide wurden den Beschwerdeführerinnen am 20.04.2018 zugestellt.

Auch der Antrag auf internationalen Schutz des Ehegatten/Kindesvaters wurde mit Bescheid vom selben Tag abgewiesen und gegen ihn ebenso eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Mit dem am 02.05.2018 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom selben Tag erhoben die Beschwerdeführerinnen gemeinsam mit dem Ehegatten/Vater durch ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamtes. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Beschwerdeführerinnen die Flüchtlingseigenschaft zusprechen; ihnen allenfalls subsidiären Schutz gewähren; allenfalls die angefochtenen Bescheide aufheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverweisen; einen landeskundigen Sachverständigen beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation im Irak befasst; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen; allenfalls die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklären; allenfalls den Beschwerdeführerinnen einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen; allenfalls feststellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig ist.

Die Beschwerdeführerinnen seien aufgrund der gemischt-religiösen Ehe der Erstbeschwerdeführerin mit dem Ehegatten/Vater, ihrer Herkunft und westlichen Lebensanschauung durch Angehörige bewaffneter radikal-islamischer Milizen massiven Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin befürchte Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen aufgrund ihrer mit der strengislamischen Ordnung unvereinbaren Lebenseinstellung. Die Vorgehensweise von religiös motivierten Terroristen sei nicht immer rational erklärbar. Die gemischte Ehe sei erst mit Zunahme der interkonfessionellen Spannungen infolge des Bürgerkrieges und des IS problematisch geworden. Der irakische Staat sei schutzunwillig und schutzunfähig und würden die Länderberichte eine zunehmende Eskalation des interkonfessionellen Bürgerkrieges belegen. Die Beschwerdeführerinnen hätten eine ausgeprägte westliche Lebenseinstellung. Weiters komme die Verfolgung durch bewaffnete radikal-schiitische Milizen staatlicher Verfolgung gleich. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stehe aufgrund der Betroffenheit des gesamten Landes nicht zur Verfügung. Es werde auf die UNHCR-Richtlinien zum Schutzbedarf irakischer Flüchtlinge und zur Situation von Frauen verwiesen. Auch die allgemeine Lage im Irak lasse eine Rückkehr in den gesamten Irak nicht zu und widerspreche die Behauptung des Bundesamtes, wonach die Beschwerdeführerinnen ungestört im Irak leben könnten, den eigenen Länderfeststellungen.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 24.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Der Ehegatte/Vater der Beschwerdeführerinnen ließ diese alleine in Österreich zurück und reiste am 19.12.2018 freiwillig aus dem Bundesgebiet in den Irak aus.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 31.01.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin, ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung sowie eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Die Erstbeschwerdeführerin gab auf Befragen an, dass sie der Ehegatte nach Erlassung der angefochtenen Bescheide zusätzlich unter Druck gesetzt habe, wieder in den Irak zurückzukehren, da er in Österreich keine Kontrolle/Autorität über sie habe und sie hier nicht schlagen könne. Er habe gemeint, im Irak könne sie ein weiters Kind mit einer OP bekommen. In Österreich habe sie Sicherheit verspürt, dennoch sei der Ehegatte auch in Österreich ihr gegenüber gewalttätig geworden. Als sie dem Druck nicht mehr standhalten habe können, habe sie ihm mit der Polizei gedroht. Er habe schließlich seine Sachen gepackt und die Familie verlassen. Er habe das ganze Gold, das neue Handy der Erstbeschwerdeführerin sowie die Leistungen der Grundversorgung mitgenommen. Der Ehegatte habe aus Angst vor der Polizei Österreich verlassen und sei in den Irak zurückgekehrt. Die Erstbeschwerdeführerin habe im Irak nur zwei Jahre die Grundschule besucht und habe danach ihre Eltern betreuen müssen. Als diese verstorben seien, habe sie geheiratet und von zuhause aus als Schneiderin und Friseurin gearbeitet. Sie sei Sunnitin, jedoch seien jetzt die Schiiten und ihre Milizen an der Macht. Die Erstbeschwerdeführerin könnte deshalb ohne Hijab nicht auf die Straße gehen. Der Ehegatte stamme aus Basra, die Erstbeschwerdeführerin sei in Bagdad geboren. Das Haus der Familie der Erstbeschwerdeführerin befinde sich in Tikrit, Provinz Salah al-Din. Bis zur Eheschließung habe sie in Tikrit gelebt und sei dann zum Ehegatten nach Basra gezogen. Die Lage sei zuletzt sehr instabil gewesen. Sie seien bedroht und ihr Ehegatte sogar entführt worden. Die Familie habe vorübergehend in Salah al-Din gewohnt. Aktuell bedrohe jedoch der in den Irak zurückgekehrte Ehegatte die im Irak lebenden Geschwister der Erstbeschwerdeführerin. Er drohe auch der Erstbeschwerdeführerin mit dem Tod, wenn sie nicht in den Irak zurückkehre und ihm die Kinder überlasse. Ihre Geschwister hätten ihr mitgeteilt, dass sie sie aus Schutz vor der Bedrohung durch den Ehegatten aus der Familie hätten verstoßen müssen. Seitdem habe sie keinen Kontakt mehr zu ihren Geschwistern. Seit die Erstbeschwerdeführerin in Österreich angekommen sei, habe sie westliche Kleidung getragen. Das sei im Irak nicht möglich gewesen.

Seitens der erkennenden Richterin wurden die im Akt einliegenden Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat in das Verfahren eingebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Seitens der Rechtsvertretung erfolgte keine Stellungnahme und wurde auch keine Frist für eine schriftliche Stellungnahme beantragt.

Im Anschluss wurde das gegenständliche Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG mündlich verkündet und die Rechtsmittelbelehrung erteilt.

Am 05.02.2019 langte der Antrag der Beschwerdeführerinnen auf schriftliche Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 2a bis 4 VwGVG beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Verfahren des Ehegatten wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.02.2019, Zahl G311 2196330-1, wegen freiwilliger Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak eingestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerinnen führen die im Spruch jeweils angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige des Irak und Angehörige der Volksgruppe der Araber. Die Erstbeschwerdeführerin bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 01.02.2016, AS 1ff Erstbeschwerdeführerin; Reisepasskopien und Untersuchungsberichte,

AS 35 ff Erstbeschwerdeführerin, AS 15 ff Zweitbeschwerdeführerin;

AS 15 ff Drittbeschwerdeführerin; AS 15 ff Viertbeschwerdeführerin;

Geburtsurkunde Fünftbeschwerdeführerin, AS 7 Fünftbeschwerdeführerin).

Die Erstbeschwerdeführerin ist seit XXXX.2007 mit ihrem Ehegatten, XXXX, geboren am XXXX, irakischer Staatsangehöriger, standesamtlich und traditionell verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die minderjährige Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin. Die Ehegatten leben nunmehr getrennt (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 11.02.2016, AS 1ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 145 ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 31.01.2019, S 4 f).

Die Erst- bis Viertbeschwerdeführerin und der Ehegatte bzw. Vater verließen den Irak etwa Mitte/Ende Jänner 2016. Sie reisten mit dem Ehegatten/Vater mit dem Auto von Basra nach Bagdad, von wo aus sie mit dem Flugzeug legal in die Türkei ausreisten. In weiterer Folge reisten sie von der Türkei schlepperunterstützt über Griechenland nach Europa, wo sie schließlich zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet einreisten und am 11.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 11.02.2016, AS 1ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 145 ff).

Die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren (vgl Geburtsurkunde, AS 7 Fünftbeschwerdeführerin). Am 28.09.2017 stellte der Vater für sie einen Antrag auf ein Familienverfahren (vgl AS 5 Fünftbeschwerdeführerin).

Sowohl der Ehegatte/Vater als auch die Erstbeschwerdeführerin sind bzw. waren zur gesetzlichen Vertretung der Kinder befugt (vgl Angaben Erstbeschwerdeführerin Erstbefragung vom 11.02.2016, AS 5; Beurkundung des Standesamtes Ried im Innkreis vom 28.09.2017 hinsichtlich der Fünftbeschwerdeführerin, wonach der Erstbeschwerdeführerin als Mutter die gesetzliche Vertretung zukommt, AS 11).

Die Erstbeschwerdeführerin hat im Irak lediglich zwei Jahre die Grundschule besucht und musste in weiterer Folge ihre Eltern pflegen, bis diese verstarben und sie ihren Ehegatten heiratete. Die Erstbeschwerdeführerin ist Analphabetin. Sie ist in Bagdad geboren, jedoch in Tikrit, Provinz Salah al-Din, aufgewachsen. In Tikrit befindet sich auch das Elternhaus. Zuletzt lebten die Beschwerdeführerinnen in Basra mit dem Ehegatten/Vater. Die Erstbeschwerdeführerin hat Geschwister in Bagdad, Kirkuk und Salah al-Din. Zu diesen besteht jedoch seit der Rückkehr des Ehegatten in den Irak und der Bedrohung der dort lebenden Geschwister der Erstbeschwerdeführerin kein Kontakt mehr (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 11.02.2016, AS 1ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 145 ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 31.01.2019, S 4 f).

Es ist daher festzustellen, dass die Beschwerdeführerinnen im Irak über kein familiäres Auffangnetz verfügen.

Die Beschwerdeführerinnen halten sich seit ihrer Einreise ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Die Erstbeschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauskunft Erstbeschwerdeführerin vom 24.05.2018).

Die Beschwerdeführerinnen sind alle gesund. Die minderjährige Viertbeschwerdeführerin hat eine angeborene Gesichtsasymmetrie ohne Krankheitswert und ist dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt. Die Erstbeschwerdeführerin hat Bandscheiben-/Wirbelsäulenprobleme unbekannten Ausmaßes. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin arbeitsunfähig ist (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführerin vom 11.02.2016, AS 1ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 145 ff; Angaben Erstbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 31.01.2019, S 4 f; aktenkundige medizinische Befunde der Viertbeschwerdeführerin, AS 359 ff Verwaltungsakt Erstbeschwerdeführerin).

Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer generellen Verfolgungsgefahr oder Bedrohung aufgrund ihrer Religion und durch schiitische Milizen, den IS oder von staatlicher Seite ausgesetzt sind.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde bereits im Irak von ihrem Ehegatten geschlagen und hat dieser die gegenüber der Erstbeschwerdeführerin ausgeübte Gewalt auch in Österreich fortgesetzt. Die Ankündigung der Erstbeschwerdeführerin, die Polizei aufzusuchen, führte zu vermehrten Aggressionen des Ehegatten. Schlussendlich ließ er die Beschwerdeführerinnen ohne Ankündigung in Österreich zurück und reiste alleine in den Irak aus. Die Erstbeschwerdeführerin hätte im Falle einer Rückkehr in den Irak mit Drohungen und Gewalt durch ihren Ehegatten zu rechnen. Es steht ihr keine Hilfe von ihren Familienangehörigen zur Verfügung.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 31.01.2019 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen (mit Stand Jänner 2019) auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.

Daraus ergibt sich:

"1. Allgemeine Sicherheitslage:

1.1. Allgemeine Sicherheitslage und Islamischer Staat (IS):

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer längerfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.03.2018 noch ca. 2,2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,6 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Ca. 90% der bis Ende März 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 124.000 Binnenvertriebenen stammten aus den Provinzen Anbar, Kirkuk, Ninava und Salah al-Din, 107.000 kehrten alleine in die Provinz Ninava, ca. 77.000 in den Bezirk Mossul zurück.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 musste der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).

Ab dem 03.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 60.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 05.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium (Harrer 24.11.2017).

Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 09.-11.2017).

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).

Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).

Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).

1.2. Allgemeine Sicherheitslage in Kurdistan:

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mitzustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk.

Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert (AA 12.2.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.9.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).

Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.2.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).

Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.2.2018).

Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).

Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß der offiziellen Endergebnisse gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit

186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018).

Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.

1.3. Sicherheitslage und Versorgungslage in den südirakischen Provinzen (insbesondere Basra):

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt.

Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).

In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018).

Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).

1.4. Sicherheitslage Nord- und Zentralirak (Kirkuk):

In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018).

Mit dem Zuwachs und Gewinn an Stärke von lokalen und sub-staatlichen Kräften, haben diese auch zunehmend Verantwortung für die Sicherheit, politische Steuerung und kritische Dienstleistungen übernommen. Infolgedessen ist der Nord- und Zentralirak, obgleich nicht mehr unter der Kontrolle des IS, auch nicht unter fester staatlicher Kontrolle. Die Fragmentierung der Macht und die große Anzahl an mobilisierten Kräften mit widersprüchlichen Loyalitäten und Programmen stellt eine erhebliche Herausforderung für die allgemeinen Stabilität dar (GPPI 3.2018).

Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In der Provinz Diyala beispielsweise fiel die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle von durchschnittlich 1,7 Vorfällen pro Tag im Juni 2018 auf 1,1 Vorfälle im Oktober 2018. Auch in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch nicht so maßgeblich wie die Art der Vorfälle und die Schauplätze an denen sie ausgeübt werden. Der IS ist in allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala, in Süd-Kirkuk, Nord- und Zentral-Salah-al-Din tätig. Es gibt regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt; Steuern werden erhoben und Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen; es kommt auch regelmäßige zu Schießereien. Es gibt immer mehr Berichte über IS-Mitglieder, die sich tagsüber im Freien bewegen und das Ausmaß ihrer Kontrolle zeigen. Die Regierung hat in vielen dieser Gegenden wenig Präsenz und die anhaltenden Sicherheitseinsätze sind ineffektiv, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze im Gang sind, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten (Joel Wing 2.11.2018).

1.4.1. Sicherheitslage in Kirkuk 2018:

Die sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz Kirkuk starken Schwankungen und regionalen Unterschieden unterliegen. Anschläge wechseln sich mit Militäroperationen ab, welchen der Islamische Staat ausweicht. Besonders Kirkuk Stadt, der Bezirk Hawija und die Verkehrsrouten (siehe auch diesbezüglicher Abschnitt) werden als Schauplätze von Anschlägen genannt.

Die regruppierten IS-Kämpfer versuchen im ländlichen Raum wieder Fuß zu fassen und nützen diesen als Ausgangsbasis für ihre Angriffe. Besonders die Hamrin-Berge gelten als IS-Rückzugsgebiet.

"Musings on Iraq" von Joel Wing ist ein auf die Sicherheitslage im Irak spezialisierter Blog. Der Graphik vom August 2018 zu den Anschlagszahlen in Kirkuk ist zu entnehmen, dass es seit September mehr als vorher Anschläge gab und zwar mit Fluktuationen. Nach einem Anstieg im Juni 2018, gingen die Anschläge im Juli 2018 wieder zurück. Der IS wich während mittlerweile 14 Militäraktionen aus, indem er sich zurückzieht, wenn die irakischen Sicherheitskräfte einrücken und zurückkehrt, wenn diese wieder abziehen. Der IS schafft es, weiterhin der in Stadt Kirkuk aktiv zu sein. In den besonders betroffenen Gebieten Kirkuks fehlt es an einer durchgehenden Präsenz von Sicherheitskräften und an nachrichtendienstlichen Informationen, weshalb die Aussicht auf die Entwicklung der Sicherheitslage schlecht sei.

Kirkuk gehört zu den drei Provinzen, wo der IS am aktivsten ist, auch wenn im Juni die Zahl der Vorfälle von 56 auf 37 fiel. Dabei wurden 33 Personen getötet, von denen 15 Zivilisten waren. Der Übersicht der Anschlagskategorien im ersten Halbjahr 2018 ist zu entnehmen, dass der Einsatz von Sprengkörpern im Juli die häufigste Anschlagsform in Kirkuk darstellte.

Die englischsprachige irakische Nachrichtenwebseite Iraqi News berichtet im August 2018 über eine Bombenexplosion in Kirkuk, bei der ein Polizist getötet und zwei weitere verletzt wurden.

UNAMI vermeldete für Juli 2018 acht zivile Tote (Mindestzahl) für die Provinz Kirkuk sowie 34 Verletzte.

Kirkuk Now, eine auf die Berichterstattung über die "umstrittenen Gebiete" spezialisierte Nachrichtenwebsite, die sich laut eigenen Angaben der Freiheit von ethnischer und konfessioneller Voreingenommenheit verschrieben hat, berichtet, dass bei neun Detonationen in der Stadt Kirkuk insgesamt 11 Zivilisten, darunter zwei Kinder, am 18. Juli verletzt wurden. Es handelte sich nicht um Autobomben, sondern anderweitig platzierte Bomben und Granaten. Später folgte ein Mörserbeschuss auf das Kinderkrankenhaus in Kirkuk. Die Sicherheitskräfte starteten daraufhin eine Suchaktion.

Kirkuk Now berichtete im Juli 2018 über die Festnahme von 13 Personen - mutmaßlich IS-Mitglieder - sowie am nächsten Tag von drei weiteren IS-Mitgliedern. 14 IS-Mitglieder wurden im Zuge von Luftangriffen durch die Anti-IS-Koalition getötet.

Iraqi News berichtete im Juli 2018 über die Ermordung von zwei Arbeitern auf einem Ölfeld in Kirkuk durch den IS im Zuge eines Angriffs auf einen Checkpoint. Die Angreifer entkamen. Des Weiteren wurde ein Selbstmordattentäter getötet, bevor er sich nahe des Dibis Spitals in Kirkuk Stadt in die Luft sprengen konnte. Seit die kurdischen Truppen aus Kirkuk vertrieben wurden, kommt es zu "gelegentlichen" Anschlägen auf Sicherheitskräfte und Zivilisten. Nach der Ermordung von 8 Personen durch den IS in Kirkuk hatte Premierminister Haidar al-Abadi Militäroperationen in der Provinz angeordnet.

In der Auswertung von sicherheitsrelevanten Vorfällen im 1. Quartal 2018 durch ACCORD ist die Provinz Kirkuk unter "at-Ta'mim" eingezeichnet. Demnach gab es in den ersten drei Monaten 124 sicherheitsrelevante Vorfälle mit insgesamt 70 Toten und 257 Verletzten.

Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge berichtete am 18. Juni 2018 über fortgesetzte Versuche des IS, seine Präsenz in Kirkuk zu verfestigen:

The Daily Star berichtet im Juni 2018, dass gemäß Hassan Hassan, Mitarbeiter des Think Tanks Tahrir Institute, der IS über die Infrastruktur für Aufstände (orig. insurgency infrastructure) in dem Gebiet von Kirkuk und Diyala bis in die Qalamoun Region in Syrien verfügt.

Foreign Policy zitiert im April 2018 diverse Militärexperten, wonach der IS zu al-Qaida-Taktiken zurückgekehrt ist. Er konzentriert sich derzeit darauf, Angriffe auf Personen durchzuführen, die für den Irak wichtig sind, wie z.B. Notabeln und Sicherheitskräfte. Ziel der Angriffe ist es, den Bewegungsspielraum, den der IS im ländlichen Raum hat, weiter auszubauen. Kirkuk gehört dabei zu den betroffenen Regionen. Die irakischen Sicherheitskräfte und Milizen sind derzeit nicht trainiert, um entsprechend reagieren zu können und zudem sind sie zu dünn gesät. Dies hat dazu geführt, dass z.B. in Hawija, Kirkuk, die Leute abwarten, welche der beiden Seiten die Oberhand gewinnen wird.

Kurdistan 24 berichtete am 8. Jänner 2018 von der nächtlichen Entführung eines Mitglieds der Asayish der PUK in Kirkuk durch vier Unbekannte. In einem Vorort von Kirkuk wurde demnach auch eine kurdische Familie von vier Bewaffneten in Militäruniformen in ihrem eigenen Haus als Geiseln genommen und nach dem Raub von 200 Millionen Dinar freigelassen. Für keinen der beiden Fälle übernahm jemand die Verantwortung. Sie reihen sich laut Kurdistan 24 in eine Anzahl von Ermordungen, Raube, Entführungen und andere kriminelle Handlungen seit dem 16. Oktober. In der Woche zuvor seien ein Mitglied der Turkmen Front Party sowie ein Anwalt ermordet worden.

Viele der im Oktober 2017 geflüchteten Kurden sind in ihre Heimatorte zwischenzeitlich zurückkehrten, aber solche mit Verbindungen zur KDP (Kurdisch-Demokratische Partei) in der Autonomieregion verbleiben. Die beiden dominanten kurdischen Parteien schätzen die Sicherheitslage völlig divergierend ein. Die KDP geht von einer Gefahr für Leib und Leben aus, was sich auch in der Berichterstattung ihr naher Medienunternehmen widerspiegelt. Die im Oktober 2017 geflohenen Personen gelten für die zentralirakischen Behörden nicht als IDPs und hätten daher z.B. für die Abgabe ihrer Stimmen in den Parlamentswahlen im Mai 2018 nach Kirkuk reisen müssen.

Der Großteil der kurdischen Mitarbeiter der Verwaltung von Kirkuk hat die Stadt verlassen und hält sich in der Autonomieregion Kurdistan auf.

In den aufgefundenen Quellen werden Vorwürfe bzgl. Menschenrechtsverletzungen gegen Kurden vor allem von KDP-nahen Personen und Medienunternehmen erhoben sowie von einem arabisch-sunnitischen Stammesführer. Der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs erwähnte in seinem Bericht vom 22. November eine Reihe ungeklärter Morde in der Provinz Kirkuk im Zeitraum vom 26. Oktober bis 3. November 2017, darunter an einem kurdischen Journalisten. Bei 12 anderen Opfern waren dem Sonderbeauftragten zum Berichtszeitpunkt keine Hintergründe bekannt. In Daquq kam es Berichten zufolge zur Zerstörung von kurdischem Besitz.

Der arabische Gouverneur wird von Kurden einer Arabisierungspolitik beschuldigt und von Turkmenen, dass er lokale Spannungen schürt. Auch wenn die turkmenische Bevölkerungsgruppe Chancen in der Schwächung der kurdischen Position in Kirkuk sieht, so gibt es auch Stimmen, die vor inter-ethnischen Spannungen zwischen Arabern, Turkmenen und Kurden warnen.

Hinzukommen einem Bericht zufolge gerichtliche Klagen als Erbe der Arabisierungspolitik von Saddam Hussein. Dieser hatte Araber angesiedelt, die kurdischen und turkmenischen Besitz erhielten. Ab 2003 kehrten die vertriebenen Kurden und Turkmenen auf ihr Land zurück. Aber nun erheben die ehemaligen arabischen Siedler vor Gericht Ansprüche auf das Land und die Immobilien und verklagen die kurdischen Besitzer der Immobilien (BFA-Staatendokumentation, Anfragebeantwortung 13.08.2018).

Laut BMEIA gilt eine Reisewarnung für das gesamte irakische Staatsgebiet. In Erbil bzw. Suleymania und unmittelbare Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Vor Reisen nach Irak warnt auch das Auswärtige Amt (AA); dies gilt mit Einschränkungen auch für die Region Kurdistan-Irak (Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah/Halabja). Die Sicherheitslage in den kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniya gleicht einem bewaffneten Konflikt oder anderen schweren Auseinandersetzungen nicht. Allerdings führte die internationale Anti-IS Koalition in Koordinierung mit der irakischen Regierung regelmäßig Luftschläge gegen IS-Stellungen in Syrien und im Norden Iraks durch. Auch die Türkei führt Luftschläge durch und nimmt dabei auch PKK-Stellungen in der Region Kurdistan-Irak ins Visier.

Ergänzend zur unten angeführten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.8.2018 zur Sicherheitslage in Kirkuk, wird in den aktuellen, nachfolgend zitierten Quellen [Briefing Notes; Anm.] berichtet, dass die Provinz Kirkuk immer noch von einem Anstieg der sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen ist (BFA-Staatendokumentation, Anfragebeantwortung 11.10.2018).

1.5. Sicherheitslage im Großraum Bagdad:

1.5.1. Sicherheitslage im Großraum Bagdad im Allgemeinen

Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Im Laufe der Jahre 2016 und 2017 kam es jedoch im Stadtgebiet von Bagdad zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mossul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS- Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).

Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).

Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).

Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).

In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).

Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür sind der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur e

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten