TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/23 W175 2177733-1

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Veröffentlicht am 23.05.2019
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Entscheidungsdatum

23.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W175 2177733-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , somalischer Staatsangehöriger, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017, Zahl:

1070437801/150543023, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005, § 9

BFA-Verfahrensgesetz und §§ 52, 55 Fremdenpolizeigesetz als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) brachte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 21.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl idgF (AsylG) ein.

2. Am 22.05.2015 fand die niederschriftliche Erstbefragung statt, in der der BF angab, minderjährig zu sein, Identitätsdokumente könne er keine vorlegen. Er gehöre dem Clan der Ashraf an und sei Moslem.

Er sei in A. geboren, habe dort vierzehn Jahre die Schule besucht und sei bisher nicht berufstätig gewesen. Er sei ledig, seine Eltern und seine fünf Geschwister würden in Somalia leben.

Der BF habe Somalia am 05.01.2014 schlepperunterstützt verlassen und sei über Äthiopien, den Sudan und Libyen nach Italien und dann weiter nach Österreich gelangt. Organisiert hätte die Reise seine Mutter, die Kosten hätten USD 7.000,- betragen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er fürchte um sein Leben, da in seinem Dorf Al Shabaab regiere und junge Leute rekrutiere. Sein Onkel sei getötet worden, da er seine beiden Söhne nicht am Krieg habe teilnehmen lassen. Der Vater des BF habe gesagt, er solle das Land verlassen.

3. In der Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.10.2017 gab der BF an, keine gesundheitlichen Probleme zu habe und keine Medikamente zu nehmen.

Er habe keine Identitätsdokumente. Er gehöre dem Clan der Digil-Mirifle-Ashraf, Subclan Reer Hassan, an. Die Clanzugehörigen seien Bauern, und lebten überall in Somalia. 2013 sei NN der damalige Chef gewesen, mehr wisse er nicht. Er selbst stamme aus A., Provinz Gedo, wo er mit seinen Eltern und fünf Geschwistern gelebt habe.

Sein Vater und der Halbbruder seien im Jahr 2013 von Al Shabaab getötet worden. Mit den anderen habe er bis Mitte Jänner 2016 Kontakt gehabt. Dann sei das kenianische Militär in die Stadt gekommen und habe gegen Al Shabaab gekämpft. Zu diesem Zeitpunkt seien der Strom und die Kommunikationsmöglichkeiten abgeschaltet worden. Er habe von 2005 bis 2013 die Schule in A. besucht. Die Familienmitglieder seien Bauern gewesen und hätten eine eigene Landwirtschaft und Vieh gehabt. Wirtschaftliche Probleme hätten sie nicht gehabt.

Ende Oktober 2013 habe er seinen Wohnsitz in A. verlassen. Die Mutter habe ihm USD 200,- gegeben und ihm den Namen eines Mannes genannt, der ihm weiterhelfen werde.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass seine Heimatstadt seit 2009 von Al Shabaab besetzt sei. Eines Tages sei ein Mitglied der Al Shabaab in die Schule gekommen und habe gemeint, AMISOM wolle die Stadt erobern und Al Shabaab werde Leute rekrutieren. Der BF habe dies seinem Vater erzählt, der sofort zum Büro der Al Shabaab gegangen sei, wo ihm derselbe Mann das bestätigt habe. Er habe den Vater gewarnt, man werde ihn töten, wenn er versuche, die Söhne aus der Stadt zu bringen. Der Vater habe dann ihn und seinen Halbbruder in einen Wald gebracht und ihnen gesagt, dass jeder von ihnen in eine andere Richtung gehen solle. Sie sollten nur um Mitternacht nach Hause kommen, um Essen zu holen. Der Halbbruder sei vor Mitternacht nach Hause gegangen und als der BF um Mitternacht zu Hause angekommen sei, habe er Schreie gehört. Die Mutter habe ihm dann erzählt, dass Al Shabaab den Halbbruder mitnehmen habe wollen. Der Vater sei vor die Tür gegangen und habe geschossen, um dies zu verhindern. Man den Halbbruder mitgenommen und den Vater enthauptet. Sie habe den BF dann sechs Tage in einem Erdloch versteckt und ihm gesagt, dass Al Shabaab ihn jeden Tag suchen komme. Ende Oktober sie er dann geflüchtet. Er habe die Leiche des Vaters nicht gesehen, er sei im Haus getötet worden, die Mutter hab ihn aber draußen abgefangen. Die Geschwister seien alle zu Hause gewesen.

Die Mutter habe ihn zu einem Mann in Baidoa geschickt, bei dem er arbeiten könne. Dieser habe ihn dann in ein Zimmer gesperrt, da er gefürchtet habe, von Al Shabaab getötet zu werden, wenn er dem BF helfe. Bis Jahresende sei er dort eingesperrt gewesen. Anfang Jänner habe der Mann ihm einen Brief der Mutter gebracht, sie habe ihm geschildert, dass man den Halbbruder in den Krieg geschickt habe, wo er getötet worden sei. Sie habe die Landwirtschaft verkauft, um den Schlepper zu bezahlen. Am 05.01.2014 sei er dann nach Äthiopien geflüchtet. Der Mann habe ihm dann am Telefon gesagt, was er weiter tun müsse und habe ihm Geld geschickt.

Auf Frage der Vertreterin gab der BF an, dass in der Erstbefragung das Ausreisedatum falsch protokolliert worden sei, ebenso sei fälschlicherweise protokolliert, dass der Onkel getötet worden sei, es sei jedoch der Vater getötet worden.

In einer Stellungnahme vom 25.05.2016 wurde ausgeführt, dass der Wohnort des BF im Jahr 2009 von Al Shabaab besetzt worden sei. Diese hätten ihn dann 2014 rekrutieren wollen.

Am 15.09.2017 wurde eine Sprachanalyse erstellt. Der BF gab an, dem Clan der Ashraf anzugehören, speziell den Reer Ahmed. Auf Vorhalt seiner bisherigen Angaben gab er an, Ashraf-Digil zu sein. Der BF beherrsche allerdings kaum Digil. Der Vater habe Digil gesprochen, die Mutter nur wenig, sie sei Reer Xamar uns spreche Maxaadtiri. Laut Gutachten spreche der BF kein Digil. Sein Nordsomali unterscheide sich eindeutig von den Benadir-Dialekten, vom alten Stadtdialekt von Mogadischu, und von den Ashraf-Dialekten. Festgestellt wurde, dass er jedenfalls Somali als Muttersprache spreche. Er verwende zahlreiche im Nordsomali gebräuchliche Ausdrücke, jedoch keine speziellen in MayMay (Sprachen der Digil-Gruppe) oder Digil, dass von der ethnischen Gruppe gesprochen werde, der der Vater angehöre. Der BF konnte keine Ortsangaben rund um seinen angeblichen Heimatort machen und war nicht in der Lage, die Ausrichtung beim muslimischen Gebet von seinem angelblichen Heimatort aus gesehen anzugeben. Insgesamt ergaben sich keine Hinweise auf eine Zugehörigkeit des BF zur ethnischen Gruppe der Ashraf-Digil oder der Reer Xamar. Eine Hauptsozialisierung im Süden Somalias, etwa in der Region Gedo sei aufgrund der Sprache möglich.

Am 02.10.2016 wurde dem zwischenzeitlich volljährigen BF das Ergebnis der Sprachanalyse vorgehalten. Er gab an, seine Eltern hätten ihm gesagt, er gehöre dem Clan der Ashraf-Digil an. Seine Clanleute kenne er nicht. Nach dem Clan der Mutter befragt gab er an, er kenne diesen nicht.

Er habe mit der Familie telefonischen Kontakt, es gehe ihnen gesundheitlich gut, das Leben sei aber schwer. Sie würden immer noch in Gedo leben.

4. Das BFA wies mit dem gegenständlichen Bescheid vom 20.10.2017, zugestellt am 24.10.2017, den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des BF betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Ausgeführt wurde, dass die Identität des BF nicht feststehe. Die Zugehörigkeit zur vorgebrachten Volksgruppe wurde als nicht glaubhaft angesehen. Der BF habe sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen können. Eine konkrete Verfolgung aufgrund der Volksgruppe oder Religion sei nicht vorgebracht worden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. In Zweifel gezogen wurde das Gutachten, wobei eingeräumt wurde, dass dieses der Vertretung nicht vorliege. Verwiesen wurde auf einen Artikel in der Zeitschrift Juridicum, wonach die Sprachanalyse ein umstrittenes Beweismittel sei. Es gebe keine Hinweise, die den Gutachter als Experten für das Sprachgebiet Somalia ausweisen würden, er beschäftige sich mit der Sprache Fulba, die in anderen Ländern gesprochen werde, die nicht einmal an Somalia angrenzten.

Die Länderberichte seien veraltet. Verwiesen wurde auf Zwangsrekrutierungen durch Al Shabaab. Die Mutter habe nur einen Teil der Landwirtschaft verkauft, der Hinweise des BFA, es sei unglaubhaft, dass sie die Lebensgrundlage verkaufe, gehe daher ins Leere.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 24.11.2017 vorgelegt.

7. Am 05.01.2018 wurde eine sozialarbeiterische Stellungnahme vom 27.11.2017 übermittelt. In dieser wurde ausgeführt, dass der BF (aufgrund seiner ersten Verurteilung) von der Bewährungshilfe betreut werde. Er lehne jegliche Kriminalität ab und sei sehr darauf bedacht, kein weiteres Delikt zu setzen.

Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 13.06.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF und seine gewillkürte Vertreterin persönlich teilnahmen. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Der BF wurde in Somali befragt.

Zu seiner Person befragt wiederholte der BF die bisher im Verfahren gemachten Angaben, Identitätsdokumente könne er nach wie vor nicht vorlegen.

Die Mutter und die Schwestern würden noch in Gedo leben, der Vater und die Brüder seien getötet worden. Er habe Kontakt zu seiner Mutter, es gehe ihr finanziell schlecht, sie verkaufe auf der Straße Tee und ernähre davon die Familie.

Der BF widerholte im Wesentlichen seine Fluchtgeschichte. Abweichend gab er an, er wisse nicht, mit wem sein Vater am Stützpunkt der Al Shabaab gesprochen habe. Sie seien am Abend nach Hause gekommen um etwas zu essen, manchmal seien sie am Abend in den Wald zurückgekehrt. Nach drei Tagen Aufenthalt im Wald habe der Vorfall stattgefunden. Die Mutter habe einen Teil der Landwirtschaft verkauft. Als der BF nach Hause gekommen sei, habe er Schreie gehört. Vor dem Haus sei die Landwirtschaft gewesen, die Mutter habe ihn vor der Landwirtschaft empfangen. Als er sie gesehen habe, sei ihm aufgefallen, dass etwas nicht stimme. Der Bruder sei einige Minuten zuvor beim Haus gewesen. Die Mutter habe ihm erzählt, Al Shabaab sei gekommen, habe den Vater getötete und den Bruder mitgenommen. Die Männer der Al Shabaab seien schon weg gewesen. Wie lange wisse er nicht, er habe nicht gefragt. Der Bruder sei nach Hause gekommen, die Männer der Al Shabaab seien gekommen und hätten ihn aufgefordert, mitzukommen. Der Vater habe das nicht wollen und habe den Bruder zurückgehalten, dann habe man den Vater im Hof des Hauses erschossen. Auf Vorhalt, dass er beim BFA gesagt habe, er sei enthauptet worden, gab der BF an, man habe zuerst versucht, ihn zu enthaupten. Als er durch diese Verletzungen nicht gestorben sei, habe man ihn erschossen.

In A. seien derzeit Al Shabaab und AMISOM vertreten. Der Onkel könne sich nicht um ihn kümmern, er sei alt. In Mogadischu kenne er niemanden.

Die Mutter habe ihm erzählt, dass Al Shabaab zweimal 2016 und 2017 zu ihnen gekommen sei, um ihn zu suchen. Man habe sie geschlagen.

Die aktuellen Länderfeststellungen des BFA (Stand 12.01.2018) seien der Vertretung bekannt und wurden in das Verfahren eingebracht.

Zu seiner Integration gab der BF an, er warte derzeit auf einen Hauptschulabschlusskurs, einen Deutschkurs habe er mit B2 abgeschlossen. Der BF konnte sich in der Verhandlung ganz gut auf Deutsch verständlich machen. Er spiele Fußball und Frisbee und gehe spazieren.

Der BF wurde vom BG Graz-West zu 015 U 8/2017h am 09.03.2017 gemäß § 15 StGB, § 127 StGB rechtskräftig verurteilt (Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe).

Der BF wurde vom LG für Strafsachen Graz zu 006 HV 95/2018x am 17.09.2018 gemäß §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG; §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG; § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG; § 27

(1) Z1 8. Fall SMG; § 27 (2a) 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, unter Einbeziehung des vorhergehenden Schuldspruches, rechtskräftig verurteilt.

Der BF wurde vom LG für Strafsachen Graz zu 201 HV 1/2019h am 13.02.2019 gemäß §§ 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG; §§ 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG; § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon acht Monate bedingt rechtskräftig verurteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

-

den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 22.05.2015, die Niederschrift der Einvernahmen vor dem BFA am 11.05.2016 und am 02.10.2016 sowie die Beschwerde vom 30.11.2017

-

die im Bescheid des BFA getroffenen Länderfeststellungen sowie die Feststellungen in der Beschwerde und die im gegenständlichen Erkenntnis zitierten aktuellen Länderfeststellungen

-

die Sprachanalyse vom 15.09.2017

-

der Stafregisterauszug vom 13.05.2019

-

die vom BF vorgelegten Integrationsunterlagen.

Weiters herangezogen wurden die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem BVwG am 13.06.2018.

Seitens des BF wurden im Verfahren vor dem BVwG keine Beweismittel oder sonstige Belege zu seiner Identität vorgelegt.

2. Feststellungen (Sachverhalt):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a) Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.. Der BF ist somalischer Staatsangehöriger, volljährig, ledig und stammt aus Gedo, Jubaland, Somalia, der BF gehört nicht dem Clan der Ashraf-Digil oder der Reer Xamar an. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Somali. Seine Identität steht nicht fest.

2. Der BF hat mehrere Jahre lang eine Schule besucht und auf der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Seine Familie hält sich nach wie vor in Gedo auf, nach seinen letzten Angaben besitzt die Familie noch eine Landwirtschaft.

3. Der BF verließ Somalia Anfang 2014 schlepperunterstützt und reiste zu einem nicht bekannten Zeitpunkt unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein, wo er am 21.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

4. Der BF ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Österreich keine familiären Beziehungen. Er schloss einen Deutschkurs mit B2 ab und kann sich gut auf Deutsch verständlich machen. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach und pflegt nicht näher ausgeführte freundschaftliche Kontakte. Der BF ist dreimal vorbestraft (die beiden letzten Male wegen Übertretung des SMG).

5. Er ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und war nie inhaftiert oder hatte sonstige Probleme mit ansässigen Behörden. Er war nicht politisch aktiv und hatte keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in seinem Herkunftsstaat.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein wird.

Gründe, die eine Verfolgung des BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Somalia aus asylrelevanten Gründen maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, hat der BF nicht glaubhaft gemacht. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Somalia eine Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus seiner politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

6. Bei einer Rückkehr nach Somalia in seine Heimatprovinz Jubaland droht dem BF kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er läuft nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF gibt an in einer Stadt in Gedo aufgewachsen zu sein, er hat dort die Schule besucht und war in einen Familienverband eingebunden, der ihm ermöglichte, nicht berufstätig sein zu müssen und zur schule zu gehen. Die Kernfamilie des BF hält sich in Gedo auf. Die Mutter des BF besitzt nach wie vor eine Landwirtschaft, es besteht Kontakt zur Familie. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der BF nicht wieder von seiner Familie aufgenommen werden sollte.

Der BF kann somit bei einer Rückkehr mit finanzieller und sonstiger Unterstützung seitens seiner Familie rechnen. Er hat auch die Möglichkeit, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und damit eine weitere finanzielle Hilfe zu erhalten. Als gesunder leistungsfähiger Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf liefe der BF auch sonst nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF leidet an keinen Erkrankungen.

b) Zur Lage im Herkunftsstaat

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia (Stand 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 17.9.2018).

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 17.9.2018: Positiver Trend bei Versorgungslage

Nach den überdurchschnittlichen Regenfällen 2018 wird die Getreideernte die größten Erträge seit 2010 einbringen. Die Lage bei der Nahrungsversorgung hat sich weiter verbessert (UN OCHA 11.9.2018; vgl. UN OCHA 5.9.2018), dies gilt auch für Einkommensmöglichkeiten und Marktbedingungen (FSNAU 1.9.2018). Die Preise für unterschiedliche Grundnahrungsmittel haben sich in Mogadischu gegenüber dem Vorjahr drastisch verbilligt und liegen nunmehr unter dem Fünfjahresmittel. Dies betrifft namentlich Bohnen (cowpea), rotes Sorghum und Mais (FEWS NET 31.8.2018). Insgesamt hat sich die Ernährungssituation verbessert, auch wenn es im ganzen Land noch eine hohe Rate an Unterernährung gibt - speziell unter IDPs (UN OCHA 11.9.2018). Die Dürre ist zwar offiziell vorbei, es braucht aber mehr als eine gute Regenzeit, bevor sich die Menschen davon erholen (UN OCHA 2.9.2018). Vor allem vom Verlust ihres Viehs, von Überschwemmungen (im April/Mai 2018, Juba- und Shabelle-Täler) und vom Zyklon Sagar (Mai 2018, Nordsomalia) betroffene Gemeinden werden noch längere Zeit für eine Rehabilitation brauchen. Zwischen Februar und Juli 2018 konnten humanitäre Organisationen 1,9 Millionen Menschen pro Monat erreichen (UN OCHA 5.9.2018).

Die Stufe für akute Unterernährung hat sich verbessert. Die Zahl von an schwerer akuter Unterernährung Betroffenen ist nur bei zwei Gruppen kritisch: Bei den IDPs in Mogadischu und in der Guban Pastoral Livelihood in West-Somaliland (UN OCHA 5.9.2018). Allerdings werden auch noch andere Teile oder Gruppen Somalias als Hotspots genannt, wo Interventionen als dringend erachtet werden.

Dies sind im ländlichen Raum: Northern Inland Pastoral of Northeast (Teile von Sanaag, Sool und Bari); Hawd Pastoral of Northeast (Teile von Togdheer, Sool und Nugaal); Northwest Guban Pastoral (Teile von Awdal); der Bezirk Belet Weyne (Shabelle-Tal und agro-pastorale Teile); Agro-pastorale Teile und das Juba-Tal in Gedo; die Bezirke Mataban, Jalalaqsi und Buulo Burte in Hiiraan; Teile des Juba-Tals in Middle Juba. An Gruppen sind es die IDPs in Bossaso, Garoowe, Galkacyo, Qardho, Mogadischu, Baidoa, Kismayo und Doolow (FSNAU 1.9.2018). Überhaupt bleiben IDPs die am meisten vulnerable Gruppe (UN OCHA 11.9.2018).

Für die Deyr-Regenzeit 2018 (Oktober-Dezember) wird eine überdurchschnittliche Niederschlagsmenge prognostiziert (UN OCHA 5.9.2018; vgl. FAO 6.9.2018). Damit wird auch eine weitere Verbesserung bei den Weideflächen und bei der Wasserverfügbarkeit und i.d.F. Verbesserungen bei der Viehzucht und in der Landwirtschaft einhergehen (FAO 6.9.2018). Zusätzliche Ernten und weiter verbesserte Marktbedingungen werden zu weiteren Verbesserungen führen (FSNAU 1.9.2018)

Allerdings werden auch für das äthiopische Hochland höhere Niederschlagsmengen prognostiziert, was das Überschwemmungsrisiko entlang von Juba und Shabelle steigen lässt. Gegenwärtig sind einige Flussufer bzw. Flusseinfassungen beschädigt, was selbst bei normalen Regenmengen eine Gefahr darstellt (FAO 6.9.2018). Immerhin hat Somalia 2018 die schwersten Überschwemmungen seit 60 Jahren erlebt (WB 6.9.2018).

Quellen:

-

ACTED (12.9.2018): Drought conditions continue to persist in Badhan district,

https://reliefweb.int/report/somalia/drought-conditions-continue-persist-badhan-district, Zugriff 14.9.2018

-

FAO - FAO SWALIM / FSNAU (6.9.2018): Somalia Rainfall Outlook for 2018 Deyr (October-December) - Issued: 6 September 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-rainfall-outlook-deyr-2018-october-december-issued-6-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (31.8.2018):

Somalia Price Bulletin, August 2018, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-price-bulletin-august-2018, Zugriff 14.9.2018

-

FSNAU - Food Security and Nutrition Analysis Unit / Famine Early Warning System Network (1.9.2018): FSNAU-FEWS NET 2018 Post Gu Technical Release,

https://reliefweb.int/report/somalia/fsnau-fews-net-2018-post-gu-technical-release-01-sep-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.9.2018): Somalia - Humanitarian Snapshot (as of 11 September 2018),

https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-snapshot-11-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (5.9.2018): Humanitarian Bulletin Somalia, 1 August - 5 September 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/humanitarian-bulletin-somalia-1-august-5-september-2018, Zugriff 14.9.2018

-

UN OCHA - UN UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.9.2018): Somalia - Food security improving but recovery remains

fragile,https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-food-security-improving-recovery-remains-fragile, Zugriff 14.9.2018

-

WB - Worldbank (6.9.2018): World Bank's Flagship Infrastructure Project Launched in Somalia,

https://reliefweb.int/report/somalia/world-bank-s-flagship-infrastructure-project-launched-somalia, Zugriff 14.9.0218

Politische Lage

Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM,

http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel.

Süd-/Zentralsomalia

Die Präsenz von AMISOM in Somalia bleibt auch mittelfristig essentiell, um die Sicherheit in Somalia zu gewährleisten. Sollte AMISOM überhastet abziehen oder die Verantwortung zu früh an somalische Sicherheitsbehörden übergeben, besteht das Risiko von Rückschritten bei der Sicherheit (UNSC 5.9.2017; vgl. ICG 20.10.2017).

AMISOM hat große Erfolge erzielt, was die Einschränkung der territorialen Kontrolle der al Shabaab anbelangt (ICG 20.10.2017). Weite Teile des Landes wurden durch AMISOM und durch die somalische Armee aus den Händen der al Shabaab zurückgeholt (UNHRC 6.9.2017), und AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 9.2016). AMISOM und die somalische Regierung konnten ihre Kontrolle in zurückgewonnenen Gebieten etwas konsolidieren (AI 22.2.2017). Es ist aber kaum zur Einrichtung von Verwaltungen gekommen (BFA 8.2017).

Gleichzeitig hat AMISOM ihre Kräfte überdehnt. Die Mission tut sich schwer dabei, nunmehr den Kampf gegen eine Rebellion führen zu müssen, welche sich von lokalen Konflikten nährt. Die al Shabaab ist weiterhin resilient (ICG 20.10.2017). Außerdem beherrschen einige der neu errichteten Bundesstaaten nicht viel mehr, als ein paar zentrale Städte. Der effektive Einfluss von AMISOM und den somalischen Verbündeten bleibt jedoch in vielen Fällen auf das jeweilige Stadtgebiet konzentriert, auch wenn es teils zu weiteren Exkursionen kommt. In einigen Städten ist es in jüngerer Vergangenheit zu Verbesserungen gekommen. Dies gilt mehrheitlich auch für Mogadischu (BFA 8.2017).

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.1.2017; vgl. ÖB 9.2016) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 9.2016). Kämpfe - vor allem unter Beteiligung von al Shabaab, aber auch unter Beteiligung von Clans - sowie Zwangsräumungen haben zu Vertreibungen und Verlusten geführt (HRW 12.1.2017). Dabei haben AMISOM und die somalische Armee seit Juli 2015 keine großen Offensive mehr geführt (SEMG 8.11.2017). Im Jahr 2016 gab es zwar Kämpfe zwischen AMISOM/Regierung und al Shabaab, es kam aber kaum zu Gebietswechseln (AI 22.2.2017). Im Jahr 2017 ist es zu weniger direkten militärischen Auseinandersetzungen zwischen al Shabaab und AMISOM gekommen. Die am meisten vom militärischen Konflikt betroffenen Gebiete sind die Frontbereiche, wo Ortschaften und Städte wechselnder Herrschaft unterworfen sind; sowie das Dreieck Mogadischu-Afgooye-Merka (BFA 8.2017).

Die reduzierten Kapazitäten der al Shabaab haben dazu geführt, dass sich die Gruppe auf Guerilla-Taktik und asymmetrische Kriegsführung verlegt hat. Al Shabaab begeht verübt komplexe Angriffe, Selbstmordattentate, und gezielte Attentate auf Einzelpersonen (UKHO 7.2017). Die Gruppe setzt den Guerillakampf im ländlichen Raum Süd-/Zentralsomalias fort. Regelmäßig kommt es zu Angriffen auf somalische und AMISOM-Truppen, die sich auf Verbindungsstraßen bewegen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNSC 9.5.2017).

Al Shabaab kontrolliert weiterhin wichtige Versorgungsrouten und hält gegen Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierungskräften Blockaden aufrecht (HRW 12.1.2017). Durch Guerilla-Aktivitäten isoliert al Shabaab mehrere Städte, die teils als Inseln im Gebiet der Gruppe aufscheinen (BFA 8.2017). AMISOM muss an vielen Einsatzorten von UNSOS aus der Luft versorgt werden, da die Überlandrouten nicht ausreichend abgesichert sind (UNSC 5.9.2017).

Es hat mehrere Fälle gegeben, wo internationale Truppen Gebiete in Bakool, Galgaduud, Hiiraan und Lower Shabelle ohne große Ankündigung geräumt haben. In der Folge ist al Shabaab unmittelbar in diese Gebiete zurückgekehrt und hat an der lokalen Bevölkerung zahlreiche Menschenrechtsverletzungen (Mord, Folter, Entführung, Vernichtung humanitärer Güter, Zwangsrekrutierung) begangen (SEMG 8.11.2017). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eben jene Orte, aus denen die ENDF oder AMISOM rasch abgezogen sind, am meisten unter dem Konflikt leiden. Sobald die Regierungskräfte abziehen, füllt nämlich al Shabaab das entstandene Vakuum auf. Vergeltungsmaßnahmen gegen Zivilisten folgen umgehend. Es gibt regelmäßig Berichte darüber, dass AS mutmaßliche Kollaborateure hingerichtet hat. Die Menschen dort leben unter ständiger Bedrohung (BFA 8.2017).

Im September 2017 überrannte al Shabaab mehrere Stützpunkte der somalischen Armee, namentlich in Bulo Gaduud, Belet Xawo, Ceel Waaq und Bariire (19.12.2017 VOA).

Eine Infiltration von unter Kontrolle der Regierung stehenden Städten mittels größerer Kampfverbände der al Shabaab kommt nur in seltenen Fällen vor. Bisher wurden solche Penetrationen innert Stunden durch AMISOM und somalische Verbündete beendet. Eine Infiltration der Städte durch verdeckte Akteure der al Shabaab kommt in manchen Städten vor (BFA 8.2017). Al Shabaab ist dadurch nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 22.2.2017).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 9.2016). Politische Anstrengungen zur Etablierung bzw. Stärkung von Bundesländern verstärkten Clankonflikte in manchen Bereichen (ÖB 9.2016; vgl. BS 2016, BFA 8.2017). Auch dabei kommen Zivilisten zu Schaden (HRW 12.1.2017).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 9.2016).

Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017). Im ersten Trimester 2017 wurden von al Shabaab 36 Personen entführt, davon wurden 15 später wieder freigelassen (UNSC 9.5.2017).

UNSOM hat für den Zeitraum 1.1.2016-14.10.2017 insgesamt 2.078 getötete zivile Opfer in Somalia dokumentiert; hinzu kommen 2.507 Verletzte. Für 60% der Opfer ist die al Shabaab verantwortlich (UNHRC 10.12.2017a). (UNHRC 10.12.2017b)

Für das Jahr 2016 berichtet das UN Mine Action Service von 267 durch Sprengstoffanschläge getötete und 727 verletzte Personen. Bei Kämpfen kamen zwischen Jänner und August 2016 492 Zivilisten ums Leben (USDOS 3.3.2017). Andererseits beruft sich die SEMG auf Zahlen von ACLED. Demnach seien im Zeitraum Jänner 2016 bis Mitte August 2017 bei 533 Zwischenfällen mit improvisierten Sprengsätzen insgesamt 1.432 Zivilisten zu Schaden gekommen, 931 davon wurden getötet (SEMG 8.11.2017). Das Rote Kreuz wiederum berichtet, dass im Jahr 2016 ca. 5.300 durch Waffen verletzte Personen in vom IKRK unterstützten Spitälern eine Behandlung erhalten haben; v.a. in Mogadischu, Baidoa und Kismayo (ICRC 23.5.2017). Es ist offenbar schwierig, die genaue Zahl festzustellen (AI 22.2.2017).

Im ersten Trimester 2017 wurden 646 Zivilisten getötet oder verletzt (UNSC 9.5.2017), im zweiten Trimester waren es 582 (ca. die Hälfte der letztgenannten Zahl ist al Shabaab zuzuschreiben, 12 Opfer der AMISOM, 41 den staatlichen Sicherheitskräften; bei durch die Dürre verschärften Ressourcenkonflikten kamen 175 Zivilisten zu Schaden) (UNSC 5.9.2017). Bei einer geschätzten Bevölkerung von rund 11 Millionen Einwohnern (CIA 6.11.2017) liegt die Quote getöteter Zivilisten: Gesamtbevölkerung für Gesamtsomalia im ersten Trimester 2017 bei ca. 1:17.000, im zweiten Trimester bei 1:18.900.

Auch wenn die Zahl von Gewalt gegen Zivilisten seit dem Jahr 2013 relativ konstant bleibt, so hat sich die Letalität - etwa aufgrund der Proliferation von destruktiveren Methoden - erhöht. Im Durchschnitt kommen bei jedem Vorfall also mehr Menschen zu Schaden (SEMG 8.11.2017). Absolutes Beispiel dieses Trends ist der Anschlag vom 14.10.2017 in Mogadischu, bei welchem mehr als 500 Menschen getötet wurden - wiewohl sich al Shabaab bislang nicht zu dem Anschlag bekannt hat (DS 2.12.2017).

Dahingegen ist bei den staatlichen Sicherheitskräften ein positiver Trend zu erkennen. Sie sind in keine größeren Angriffshandlungen gegen Zivilisten verwickelt (SEMG 8.11.2017).

Die Grafik zeigt, dass der Trend hinsichtlich der Anzahl an gewalttätigen Vorfällen gegen Zivilisten nach unten zeigt, während sich die Anzahl an Todesopfern pro Vorfall erhöht hat (SEMG 8.11.2017).

Die Anzahl an Sprengstoffanschlägen hat zugenommen, ihre Letalität ist hingegen kaum gestiegen (SEMG 8.11.2017).

Im zweiten Trimester 2017 kam es in ganz Somalia zu 16 Luftangriffen, die meisten davon in den Regionen Gedo (8), Lower Shabelle (4) und Lower Juba (3). Insgesamt kamen dabei 18 Zivilisten zu Schaden (UNSC 5.9.2017). Eine andere Quelle nennt als Gesamtzahl für die ersten beiden Trimester 2017 32 Luftangriffe durch Kenia, die USA und nicht identifizierte Kräfte (SEMG 8.11.2017). Insgesamt sollen alleine die USA im Jahr 2017 30 Luftschläge in Somalia durchgeführt haben (BBC 22.12.2017). Jedenfalls haben die USA ihre Angriffe verstärkt: Während sie im gesamten Jahr 2016 nur dreizehn Luftschläge führte, waren es alleine im Zeitraum Juni-September 2017 neun. Seit 2016 haben sich die Auswirkungen von Luftschlägen auf Zivilisten aufgrund gezielterer Angriffe verringert. Insgesamt wurden im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 bei 58 Luftschlägen 36 zivile Opfer dokumentiert (SEMG 8.11.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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