TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/29 W107 2190284-1

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Entscheidungsdatum

29.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W107 2190284-1/7E

Schriftliche Ausfertigung des am 26.03.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Sibyll BÖCK über die Beschwerde des mj. XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX XXXX , alle vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass mj. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Eltern (W107 2190280-1 und W107 2190281-1) sowie der ältere Bruder (W107 2190288-1) des minderjährigen (mj.) Beschwerdeführers stellten nach schlepperunterstützter illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.12.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 27.03.2017 stellte sodann der Vater des am XXXX in Österreich geborenen, mj. Beschwerdeführers als gesetzlicher Vertreter für diesen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren.

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des mj. Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem mj. Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gegen den mj. Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des mj. Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Auch die Anträge der Eltern und des älteren Bruders des mj. Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurden mit Bescheiden des BFA vom selben Tag abgewiesen.

4. Mit Schreiben vom 18.03.2018 erhoben der mj. Beschwerdeführer, seine Eltern sowie sein älterer Bruder, die Minderjährigen vertreten durch ihre Eltern, alle vertreten durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter, gemeinsam vollinhaltliche Beschwerde gegen die Bescheide vom XXXX wegen behaupteter Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Bescheide.

Die gemeinsam erhobene Beschwerde und die dazugehörigen Akten des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 26.03.2019 in Anwesenheit des mj. Beschwerdeführers, seiner Eltern, seines älteren Bruders, einer Dolmetscherin für die Sprache Dari, des ausgewiesenen Rechtsvertreters und einer Vertrauensperson eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, im Zuge derer die Eltern des mj. Beschwerdeführers im Familienverfahren zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz einvernommen wurden. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

In Ergänzung zu den bereits mit der Ladung übermittelten Länderberichten zu Afghanistan wurden die am Tag der mündlichen Verhandlung aktuellsten und den Parteien elektronisch zugänglichen Länderinformationen zu Afghanistan, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, in das Verfahren eingeführt.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündete die Richterin das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen. Der mj. Beschwerdeführer, vertreten durch seine Eltern, verzichtete nach Belehrung über die Folgen des Verzichts ausdrücklich auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

Eine Ausfertigung der Niederschrift vom 26.03.2019 samt Belehrung wurde den Eltern des mj. Beschwerdeführers und deren Rechtsvertretung am Tag der mündlichen Verhandlung persönlich ausgefolgt und dem BFA per E-Mail vom selben Tag übermittelt.

6. Am 01.04.2019 beantragte das BFA die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses vom 26.03.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente, Unterlagen und Befragungsprotokolle, Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Länderberichte sowie Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Grundversorgungssystem und die Geburtsurkunde des Beschwerdeführers.

1. Feststellungen:

Der mj. Beschwerdeführer ist am XXXX in Österreich geboren, führt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Seine Identität steht fest.

Er stellte am 27.03.2017, gesetzlich vertreten durch seinen Vater, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren. Im Zeitpunkt der Antragstellung war der mj. Beschwerdeführer ledig.

Seine Mutter XXXX (Beschwerdeführerin zu W107 2190280-1), sein Vater XXXX (Beschwerdeführer zu W107 2190281-1) und sein älterer Bruder XXXX (Beschwerdeführer zu W107 2190288-1) reisten im Jahr 2015 unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 01.12.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der aktuell mj. Beschwerdeführer hält sich derzeit gemeinsam mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder in Österreich auf und lebt mit diesen zusammen im gemeinsamen Haushalt.

Der mj. Beschwerdeführer ist aufgrund seiner Minderjährigkeit strafunmündig und daher in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2019, Zl. W107 2190280-1, wurde der Beschwerde der Mutter des mj. Beschwerdeführers stattgegeben und ihr der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt. Dieses Erkenntnis wurde am heutigen Tage schriftlich zur Zl. W107 2190280-1/7E ausgefertigt. Im Falle der Mutter des mj. Beschwerdeführers ist kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt des mj. Beschwerdeführers und jenem seiner Mutter (W107 2190280-1).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und Allgemeines:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, geregelt (§ 1 leg. cit.).

§ 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 70/2015, obliegt dem BFA die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.

Beschwerdegegenstand ist der Bescheid des BFA vom XXXX . Die dagegen erhobene Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig; sie ist auch begründet:

3.2. Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter des mj. Beschwerdeführers mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2019, Zl. W107 2190280-1, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Anhand der Ermittlungsergebnisse war davon auszugehen, dass sich die Mutter des mj. Beschwerdeführers angesichts ihrer auf ein selbstbestimmtes Leben gerichteten Einstellung ("westliche Gesinnung") aus wohlbegründeter Furcht wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (vgl. die Erkenntnisausfertigung vom heutigen Tage, Zl. W107 2190280-1/7E). Es liegt auch in Bezug auf die Mutter des Beschwerdeführers keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vor.

Gemäß § 34 Abs. 2 iVm Abs. 5 AsylG 2005 hat das Bundesverwaltungsgericht aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7 AsylG 2005).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Der minderjährige und ledige Beschwerdeführer ist der Sohn von XXXX (W107 2190280-1). Somit ist der Beschwerdeführer als Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 zu betrachten.

Der mj. Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden. Gegen die Mutter des Beschwerdeführers ist kein Asylaberkennungsverfahren anhängig.

Dem mj. Beschwerdeführer war daher gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, dh. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).

Der Beschwerde war daher stattzugeben und dem mj. Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Sowohl der Antrag des mj. Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.03.2017 als auch jener seiner Mutter vom 01.12.2015 wurden nach dem 15.11.2015 gestellt, wodurch insbesondere § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden. Dementsprechend kommt dem mj. Beschwerdeführer eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung zu, welche sich in eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung umändert, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, befristete
Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W107.2190284.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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