TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/5 W234 2151079-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.06.2019
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Entscheidungsdatum

05.06.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1

Spruch

W234 2151079-2/4E

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Mag. Hubert Wagner, gegen Spruchpunkt VII des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 29.04.2003 gemeinsam mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Anträge der gesamten Familie wurden mit der Verfolgung des Beschwerdeführers begründet.

2. In einer Einvernahme beim Bundesasylamt am 30.04.2003 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sein jüngerer Bruder 2002 von russischen Soldaten verschleppt worden sei und er das Land zusammen mit seiner Familie verlassen hätte, damit dies nicht auch ihm widerfahre. Dokumente zum Nachweis seiner Identität könne er nicht vorlegen.

3. Bei seiner Einvernahme am 20.10.2004 vor dem Bundesasylamt brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, sich seit Beginn des ersten Tschetschenienkrieges im Jahr 1994 an kriegerischen Handlungen beteiligt, unter XXXX gekämpft zu haben und Kommandant einer Einheit von zwölf Personen gewesen zu sein. Er habe seinen Herkunftsstaat verlassen, weil er von einer Spezialeinheit der Russischen Föderation gesucht und verfolgt würde. Denn er sei Tschetschene und ein Anhänger von XXXX . Der Beschwerdeführer schilderte zu seiner Festnahme im Jahr 2001, dass er gefoltert worden sei und sich nach seiner Freilassung bis zur Ausreise im Wald versteckt hätte.

4. Mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 21.12.2004 wurden die Asylanträge des Beschwerdeführers wie seiner Familie abgewiesen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung gemäß § 8 Abs. 1 AsylG aF festgestellt und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Gegen diese Bescheide wurden fristgerecht Berufungen erhoben, die letztlich als Beschwerden an den Asylgerichtshof behandelt wurden.

5. Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 07.06.2010 wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer wie seine Familienangehörigen in die Russische Föderation ausgewiesen. Dies begründete der Asylgerichtshof im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. Auch sonst habe keine Gefährdung in der Russischen Föderation festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer wie seine Familie würden auch nicht Gefahr laufen, in ihren Rechten nach der EMRK verletzt zu werden. Diese Erkenntnisse vom 07.06.2010 erwuchsen in Rechtskraft.

6. Am 06.12.2010 stellten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau neuerlich Anträge auf internationalen Schutz für sich und ihre Kinder. Diese wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 02.02.2011 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 17.03.2011 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

7. Am 01.06.2011 stellte der Beschwerdeführer, am 04.09.2012 die Ehefrau des Beschwerdeführers für sich und ihre Kinder neuerlich Anträge auf internationalen Schutz. Diese wurden mit Bescheiden bis Bundesasylamts vom 27.10.2012 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 22.11.2012 als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft

8. Am 08.06.2016 stellten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin abermals Anträge auf internationalen Schutz für sich und ihre Kinder. Hierzu wurden sie am 08.06.2016 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 07.04.2017 sowie am 20.02.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt oder BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung zu den Gründen für den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen an, dass vor einer Woche FSB-Bedienstete in das Haus seiner Mutter in XXXX gekommen seien und seinen Bruder XXXX mitgenommen hätten. Obwohl dieser im Jahre 2007 im Rahmen einer Anmestie begnadigt worden sei, sei er von den FSB-Leuten zum Aufenthaltsort des Beschwerdeführers verhört worden. Sie hätten verlangt, dass sich der Beschwerdeführer unverzüglich stelle und nicht im Untergrund leben solle. XXXX habe ihnen erklärt, dass der Beschwerdeführer kein Terrorist wäre und in Österreich leben würde. Die FSB-Beamten hätten den Beschwerdeführer beschuldigt, in die Aktionen tschetschenischer Kämpfer verwickelt gewesen zu sein. Sie hätten XXXX ferner mitgeteilt zu wissen, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhalte und einen Asylantrag gestellt hätte. Auch wären sie in Kenntnis darüber, was der Beschwerdeführer bei seiner Befragung erzählt hätte. Sie hätten auch eine Kopie des Interviews des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2010 bei sich gehabt. Die Beamten hätten darauf bestanden, dass XXXX auf den Beschwerdeführer einwirke, damit dieser freiwillig in die Heimat zurückkehre. Der Beschwerdeführer wisse, dass das sein Ende bedeuten und er beseitigt werden würde. Weitere Fluchtgründe gebe es nicht.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers bezog sich wie bisher ausdrücklich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes und brachte keine eigene persönliche Verfolgung vor.

9. Diese Anträge auf internationalen Schutz vom 08.06.2016 wurden mit Bescheiden des Bundesamtes vom 06.03.2017 und 07.03.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Am 27.03.2017 langten beim Bundesamt Beschwerden für drei der fünf Kinder des Beschwerdeführers ( XXXX ), vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger, per E-Mail ein. Diese rügten im Wesentlichen, dass diesen Kindern eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen gewesen wäre, weil der Vater (der Beschwerdeführer) den Kindern gegenüber gewalttätig geworden und deswegen eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO gegen ihn erlassen worden wäre. Für die weiteren zwei Kinder XXXX langten keine Beschwerden ein. Gemäß § 16 Abs. 3 BFA-VG erachtete das Bundesverwaltungsgericht die zurückweisenden Bescheide des Bundesamtes vom 07.03.2017 jedoch für sämtliche minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau als in Beschwerde gezogen.

10. Mit als "Erkenntnis" bezeichneten Beschlüssen vom 30.03.2017 gab das Bundesverwaltungsgericht den Beschwerden des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau "gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG iVm § 68 Abs. 1 AVG" statt und hob die angefochtenen Bescheide auf; wegen des zeitlichen Ablaufes blieben die Beschwerden ihrer Kinder in der betreffenden Erledigung unberücksichtigt.

11. Sämtlichen Beschwerden der minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau wurde mit als "Erkenntnis" bezeichneten Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2017 "gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG iVm § 68 Abs. 1 AVG" stattgegeben und die angefochtenen Bescheide des Bundesamtes vom 07.03.2017 aufgehoben.

12. Mit Schriftsatz vom 12.05.2017 erhob das Bundesamt außerordentliche Revision gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2017, mit welcher den Beschwerden des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau stattgeben und die diese betreffenden Bescheide des Bundesamts vom 07.03.2017 aufgehoben worden waren. Die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.04.2017 betreffend die Kinder des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau wurden nicht in Revision gezogen, sodass diese in Rechtskraft erwuchsen.

13. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.11.2017 wurden die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2017 (betreffend nur den Beschwerdeführer und seine Ehefrau) wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Denn die Verfahrensbestimmung gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG, auf welche das Bundesverwaltungsgericht die Behebung der angefochtenen Bescheide gestützt habe, sei im Zulassungsverfahren, nicht aber im zugelassenen Asylverfahren, anwendbar. Deswegen hätte sie das Bundesverwaltungsgericht nicht heranziehen dürfen; dass das Bundesverwaltungsgericht die Behebung der angefochtenen Bescheide auf die genannte Bestimmung stützte, belaste den in Revision gezogenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Zudem hätte das Bundesverwaltungsgericht die Vorlage der "Reisepässe der Tschetschenischen Republik Itschkerien" nicht für die Beurteilung berücksichtigen dürfen, ob die Anträge des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau auf internationalen Schutz vom 08.06.2016 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen waren. Denn diese Beweismittel seien erst mit der Beschwerde und nicht schon vor dem Bundesamt vorgelegt worden.

Infolge dieser Aufhebung der Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.03.2017 waren die Beschwerden des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau gegen die an sie adressierten Bescheide des Bundesamts vom 07.03.2017 wieder unerledigt.

14. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.12.2017 wurde den Beschwerden des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

15. Mit Erkenntnis vom 07.12.2018 hob das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide vom 06.03.2017 bzw. 07.03.2017 betreffend den Beschwerdeführer und seine Ehefrau gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG auf. Denn die Anträge auf internationalen Schutz betreffend die Kinder des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau seien nach wie vor beim Bundesamt zur Erledigung anhängig. Das Bundesamt habe das Verfahren zum Antrag des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau "unter einem" mit den Verfahren zu den Anträgen ihrer Kinder zu führen und die Rechtssachen sämtlicher Familienangehöriger gemeinsam zu erledigen.

16. Am 25.03.2019 fand eine Einvernahme vor dem Bundesamt statt, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen angab, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden. Diese sei 2010 in Österreich diagnostiziert worden. Seine Geschwister und seine Mutter würden noch in Tschetschenien leben. Zu seinen beiden Schwestern hätte er Kontakt. Seine Mutter könne aufgrund eines Schlaganfalles nicht reden; über seine Brüder wisse er nicht, wo sich diese aufhielten. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder XXXX in Tschetschenien festgenommen worden sei. Die Behörden hätten von seinem Bruder verlangt, er solle versuchen, den Beschwerdeführer zu überreden, dass er nach Tschetschenien zurückkehren solle. Sein Bruder sei von Mitarbeitern des Geheimdienstes verhört worden. Nach seiner Freilassung hätten beide Brüder des Beschwerdeführers Tschetschenien verlassen. 2017 habe es ein Treffen auf der Donauinsel mit Kadirovs Leuten gegeben. Der Beschwerdeführer und seine Freunde hätten diese Leute an die Polizei ausgeliefert. Die Gerichtsverhandlung sei 2018 gewesen. Um sich im Ernstfall verteidigen zu können, habe er eine Waffe mitgehabt, was zu seiner Verurteilung geführt hätte. Die anderen Personen seien auch bewaffnet gewesen. Er erhalte von diesen Personen Drohanrufe und werde auch in Österreich verfolgt. Die Drohungen würden auch aus Tschetschenien kommen.

18. Das Bundesamt wies mit Bescheid vom 26.04.2019 den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wie des subsidiär Schutzberechtigten ab, erkannte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Weiters bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise. Einer allfälligen Beschwerde gegen diese Entscheidung werde gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG werde gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen. Der Beschwerdeführer habe gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 03.04.2018 verloren .

Spruchpunkt VII begründete das Bundesamt damit, dass der Beschwerdeführer rechtskräftig durch ein Bezirksgericht verurteilt worden sei. Die vorliegende strafgerichtliche Verurteilung sowie die negative Zukunftsprognose würden die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung Sicherheit darstelle. Zudem würden beim Beschwerdeführer mehrere "KPA-Verurteilungen" vorliegen. Es bestehe keine reale Gefahr, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine Menschenrechtsverletzung drohe. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich für die gesamte Dauer des Asylverfahrens trete hinter das öffentliche Interesse an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

Gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers und die gemeinsamen Kinder ergingen im Spruch gleichlautende Bescheide, wobei deren Beschwerden die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt und ihnen Fristen für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurden.

19. Gegen diese Bescheide erhoben der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und deren Kinder Beschwerden. Der Beschwerdeführer bekämpft damit auch den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aussprechenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids.

20. Die gegenständliche Beschwerde langte samt Verwaltungsakt am 29.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe.

Er stellte am 08.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Diesen Antrag auf internationalen Schutz wies das Bundesamt mit Bescheid vom 26.04.2019 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab. Unter einem erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Unter einem wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde unter einem die aufschiebende Wirkung aberkannt und gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Unter einem wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet am 03.04.2018 verlor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Der Beschwerdeführer weist folgende strafgerichtliche Verurteilung auf:

BG XXXX XXXX vom XXXX

§ 50 (1) Z 4 WaffG

Datum der (letzten) Tat XXXX

Freiheitsstrafe 3 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Im Bundesgebiet halten sich ferner die Ehegattin des Beschwerdeführers und die gemeinsamen Kinder der Eheleute auf. Auch die Anträge auf internationalen Schutz der Gattin und der Kinder des Beschwerdeführers vom 08.06.2016 wurden mit Bescheiden des Bundesamts vom 26.04.2019 für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen gegen sie erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation nicht zulässig sei. Jedoch wurden den Beschwerden gegen diese Bescheide die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt und der Gattin wie den Kindern des Beschwerdeführers eine Frist für die freiwillige Ausreise aus dem Bundesgebiet eingeräumt. Auch die Gattin wie die Kinder des Beschwerdeführers führen gegen die an sie adressierten Bescheide Beschwerden, welche beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des Bundesamtes des Beschwerdeführers.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich vom 29.05.2019.

Die Feststellungen betreffend die Gattin und die Kinder des Beschwerdeführers und deren Verfahren und die an sie adressierten Bescheide folgen den Verwaltungsakten ihrer jeweiligen Asylverfahren.

3. Rechtliche Würdigung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

3.1. Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) erging: In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

3.3.1. Der Beschwerdeführer verweist in seiner Beschwerde der Sache nach auf eine ihm in der Russischen Föderation drohende Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK und auf eine drohende Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 8 EMRK im Falle seiner Rückführung dorthin.

3.3.2. Die belangte Behörde erkannte der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung mit der Begründung ab, dass aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers durch ein Bezirksgericht sowie mehrerer "KPA-Verurteilungen" die Annahme gerechtfertigt sei, dass er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstelle. Damit nahm das Bundesamt wohl auf § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG Bezug, wonach einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt werden darf, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Zudem verwies das Bundesamt darauf, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Menschenrechtsverletzungen drohen würden. Damit nahm es wohl auf § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG Bezug, wonach einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt werden darf, wenn das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohung offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

3.3.3. Zunächst kann auf aufgrund des Vorbingens des Beschwerdeführers und seiner Angaben dazu nicht schon auf Basis der bloßen Aktenlage davon ausgegangen werden kann, dass seine Angaben derart vage oder haltlos sind, dass sein Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht und somit die Voraussetzungen gemäß § 18 Abs. 1 Z. 5 BFA-VG vorliegen würden. Mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer nicht schon jetzt augenscheinlich unsubstantiiert behauptet, ihm würden im Herkunftsstaat Übergriffe der tschetschenischen Behörden drohen, ist auf Basis der Aktenlage eine Gefährdung seiner Rechte im Herkunftsstaat gemäß nach Art. 2 und 3 EMRK nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Daher erscheinen weitere Ermittlungsschritte und insbesondere eine eingehende Erörterung des Vorbringens in einer mündlichen Verhandlung als unerlässlich, um das Vorliegen der behaupteten Gefahrenlage erschließen zu können. Im Übrigen erscheint die Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers auch mit Blick auf Art. 8 EMRK nicht schon aufgrund der Aktenlage unbedenklich, könnte doch Art. 8 EMRK gebieten, den Aufenthalt in Österreich jener seiner Kinder mit Blick auf deren Integrationsleistungen nicht zu beenden, mit welchen der Beschwerdeführer ein Familienleben in Österreich führt. Mit einer Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers könnte also ein schwerer Eingriff in sein Familienleben zu manchen seiner Kinder im Sinne einer Trennung von diesen einhergehen. Auch dieser mögliche schwere Grundrechtseingriff erscheint nicht schon aufgrund der Aktenlage ohne weitere Ermittlungsschritte, insbesondere die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, unbedenklich, sodass auch mit Blick auf Art. 8 EMRK der Beschwerde des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist.

Der Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides war daher ersatzlos zu beheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuzuerkennen.

Im Übrigen verweist das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass der Beschwerdeführer ausschließlich zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Wochen bei einer Probezeit von drei Jahren gemäß § 50 Abs. 1 Z 4 WaffG strafgerichtlich verurteilt wurde. Jene KPA-"Verurteilungen", auf die sich das Bundesamt in der Begründung für eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ebenfalls stützt, haben offenbar nicht zu einem Strafantrag, einer Anklage und Verurteilung geführt. Insofern können diese Registereintragungen keine tragfähige Basis für einen schwerwiegenden Grund für die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG bilden.

Im Übrigen ist die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen.

3.2. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In den vorliegenden Fällen ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 BFA-VG wurde durch den Verwaltungsgerichtshof in seiner angeführten Judikatur erläutert; die zuletzt erfolgte Novellierung dieser Bestimmung sieht eine Entsprechung dieser Judikatur im Gesetzeswortlaut vor (vgl. Erläut. 2285/A BlgNR 25. GP, 85).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W234.2151079.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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