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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litbLeitsatz
Gesetzwidrigkeit der Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung einer Oberösterreichischen Bezirkshauptmannschaft mangels ordnungsgemäßer Kundmachung; Aufstellungsort des Verkehrszeichens über das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung mehr als 2,5 m vom Fahrbahnrand der Landstraße entfernt; Messung des Abstandes vom Fahrbahnrand und nicht von dem neben der Fahrbahn befindlichen Geh- und RadwegSpruch
I. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. April 2008, Z VerkR01-1395-2008, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E2685/2018 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Mit Straferkenntnis vom 11. Oktober 2017 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck über den Beschwerdeführer im Anlassverfahren eine Geldstrafe von € 500,– (im Uneinbringlichkeitsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden). Der Beschwerdeführer habe auf der B 154 bei StrKm. 5,191 die mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. April 2008, Z VerkR01-1395-2008, festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 76 km/h überschritten.
1.2. Mit Erkenntnis vom 15. Mai 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck gerichtete Beschwerde als unbegründet ab und verpflichtete den Beschwerdeführer im Anlassverfahren zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 100,–.
2. Bei der Behandlung der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. April 2008, Z VerkR01-1395-2008, entstanden.
Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 25. Februar 2019 beschlossen, die Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen und legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmten, in seinem Prüfungsbeschluss auszugsweise wie folgt dar:
"[…]
2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes beziehen sich darauf, ob das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung (in Fahrtrichtung Straßwalchen) gesetzmäßig kundgemacht wurde.
2.1. Gemäß §48 Abs5 zweiter Satz StVO 1960 darf bei seitlicher Anbringung der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2 m, auf Freilandstraßen nur in Ausnahmefällen weniger als 1 m und mehr als 2,50 m betragen.
3. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vorgebracht, dass das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung (in Fahrtrichtung Straßwalchen) bei StrKm. 3,850 nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden sei, weil das
Verkehrszeichen gemäß §52 lita 10b StVO 1960 4,7 m anstatt – wie in §48 Abs5 zweiter Satz StVO 1960 gesetzlich vorgesehen – höchstens 2,5 m vom Fahrbahnrand aufgestellt worden sei.
3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck geht in ihrer Gegenschrift auf dieses Vorbringen nur insofern ein, als sie ausführt, dass der Beschwerdeführer eine fehlerhafte Kundmachung der Verordnung durch das Verkehrszeichen in Fahrtrichtung Mondsee behaupte, die Übertretung jedoch in Fahrtrichtung Straßwalchen gesetzt worden sei. Die Verordnung sei durch die entsprechenden Verkehrszeichen unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse ordnungsgemäß kundgemacht worden.
3.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss für die ordnungsgemäße Kundmachung einer Straßenverkehrsverordnung auch das Ende des verordneten Geltungsbereichs in gesetzmäßiger Weise kundgemacht sein (vgl VfGH 14.3.2018, V114/2017).
3.3. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Abstände von Verkehrszeichen zur Fahrbahn kann die mangelhafte Kundmachung einer Straßenverkehrsverordnung bedeuten (VfSlg 5289/1966).
3.4. Vor diesem Hintergrund hat der Verfassungsgerichtshof Bedenken, ob das Verkehrszeichen, mit dem das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung in Fahrtrichtung Straßwalchen angezeigt wird, entsprechend §48 Abs5 zweiter Satz StVO 1960 angebracht und die Verordnung vom 1. April 2008, Z VerkR01-1395-2008, ordnungsgemäß iSd §44 StVO 1960 kundgemacht wurde.
[…]"
3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck legte die Akten über das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnung sowie weiteres Bildmaterial zum Aufstellort des Verkehrszeichens über das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h bei StrKm. 3,850 in Fahrtrichtung Straßwalchen vor und erstattete die folgende – auszugsweise wiedergegebene – Stellungnahme:
"[…]
Aus den Lichtbildern ergibt sich, dass an der betreffenden Örtlichkeit eine Nebenfahrbahn verläuft. Der Begriff 'Fahrbahn' umfasst auch die Nebenfahrbahn. Haupt- und Nebenfahrbahn bilden miteinander eine Straße (OGH 10.11.1967, 2 Ob 2756/67).
Wie sich aus den Lichtbildern ergibt, beträgt der Abstand der Verkehrszeichen zwischen den dem Fahrbahnrand zunächst liegenden Rändern und den Fahrbahnrändern mehr als 1 m und nicht mehr als 2,50 m.
Es wurde sohin der Norm des §48 Abs5 zweiter Satz StVO 1960 entsprochen und die Verkehrszeichen unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse jedenfalls ordnungsgemäß und gesetzeskonform angebracht.
[…]"
4. Der Beschwerdeführer im Anlassverfahren erstattete die folgende – auszugsweise wiedergegebene – Stellungnahme:
[…]
Wenn die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den 2 Meter breiten asphaltierten Streifen neben der B 154 – Mondesstraße – als 'Nebenfahrbahn' bezeichnet, so ist sie damit nicht im Recht, weswegen auch die Rechtsfrage nicht geklärt werden muss, ob eine Nebenfahrbahn zur Straße gehört, wobei festzustellen ist, dass die von der Behörde zitierte OGH-Entscheidung aus dem Jahr 1967 nicht im RIS veröffentlicht ist.
Tatsächlich handelt es sich bei diesem asphaltierten Streifen parallel zur B 147 um keine 'Nebenfahrbahn' iSd §2 Abs1 Z4 StVO, weil eine 'Fahrbahn' nach dessen Z2 der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße ist; der in Rede stehende asphaltierte Streifen neben der B 147 ist aber nicht für den Pkw- und Lkw-Verkehr bestimmt ist sondern ein Radweg iSd §2 Abs1 Z8 StVO ist, welcher im Sinne der von mir bereits im Verfahren vor dem LVwG am 09.04.2018 vorgelegten Lichtbilder 'Salzkammergutweg' heißt und mit dem Zusatz R2 versehen ist, was den Schluss zulässt, dass dieser Radweg zu einem überregionalen Radwegenetz gehört.
Wie dieser Radweg im in Rede stehenden Bereich verläuft, ergibt sich auch aus dem beiliegenden Ausdruck, auf welchem dieser Radweg in rot eingezeichnet ist.
Dieser beginnt zwar in der Marktgemeinde Straßwalchen im Bundesland Salzburg, ist auf dem beiliegenden Plan aber erst ab der oberösterreichischen Landesgrenze eingezeichnet.
Dieser führt über eine Distanz von rund 150 Metern parallel zur B 154 und zweigt dann nach rechts in die Ortschaft Römerhof, Gemeinde Oberhofen am Irrsee und führt dann Richtung Mondsee weiter.
Aus dem ebenfalls beiliegenden Google Maps-Bild ergibt sich überdies der weitere Verlauf des Radweges auf Salzburger Landesgebiet neben der B 154, welche dort Irrsdorferstraße genannt wird, in Richtung Straßwalchen; lediglich im Bereich von Haus- und Grundstückszufahrten etc. ist dieser Radweg von der Fahrbahn der B 154 nicht durch einen Grünstreifen getrennt.
Auf diesem Bild ist überdies erkennbar, dass selbst im fraglichen Bereich, wo die 80 km/h-Beschränkung in Fahrtrichtung Mondsee aufgestellt ist, sich ein Grünstreifen zwischen der B 154 und dem Radweg befand.
In der Folge ist dieser Grünstreifen durch Betonelemente ersetzt worden, welche den Radweg von der B 154 abtrennt.
Es wäre für die Behörde in Leichtes gewesen, die Geschwindigkeitsbeschränkung nach §52 lit.a Z10a StVO, auf deren Hinterseite sich das Ende der Geschwindigkeitsüberschreitung nach Z10b befindet, vor dem ersten Betonteil aufzustellen bzw die betonierte Barriere erst hinter dem Beginn des Geltungsbereiches der 80 km/h-Beschränkung aufzustellen bzw das Verkehrszeichen in die betonierte Barriere zu integrieren.
Da ein Radweg kein Teil der Fahrbahn ist (vgl OGH vom 09.07.1978, 8 Ob 154/75, sowie VwGH vom 17.01.1985, 84/02/0272, RS 2) liegt die im Prüfungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25.02.2019, E2685/2018-14, angenommene Gesetzwidrigkeit der in Rede stehenden Geschwindigkeitsbeschränkungsverordnung vor.
[…]"
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich verzichtete auf die Abgabe einer Äußerung. Die oberösterreichische Landesregierung gab keine Äußerung ab.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. April 2008, Z VerkR01-1395-2008, lautet – auszugsweise – wie folgt:
"[…]
Verordnung
betreffend die Verkehrsbeschränkungen auf der B 154 Mondseestraße
in Oberhofen am Irrsee
Gemäß §43 Abs.1 lit.b.Z1 StVO 1960 ist auf der B 154 Mondseestraße von km 3,850 bis km 8,075 in beiden Fahrtrichtungen das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h verboten.
Die Verordnung vom 13.09.1999, VerkR01-1961-1999 betreffend eine 80 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung von km 4,795 bis km 5,480 und die Verordnung vom 10.04.1996 betreffend eine 80 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung von km 6,275 bis km 8,075 werden durch diese Verordnung ersetzt.
Für die Aufstellung des Verkehrszeichens '80 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung' nach §52 lit.a Z.10a StVO 1960 mit der Zusatztafel '4,2 km' nach §54 Abs.5 lit.b StVO 1960 jeweils beim Beginn der Beschränkung und für die Aufstellung des Verkehrszeichens 'Ende der 80 km/h Geschwindigkeitsbeschränkung' nach §52 lit.a Z.10b StVO 1960 jeweils am Ende der Beschränkung sowie für die Entfernung der nicht mehr entsprechenden Verkehrszeichen nach §52 lit.a Z.10b StVO 1960 hat die Straßenmeisterei Mondsee zu sorgen.
Der Zeitpunkt der Aufstellung der Verkehrszeichen ist anher bekannt zu geben.
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), lauten – auszugsweise – wie folgt:
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) - d) […]
(1a) - (11) […]
[…]
§44. Kundmachung der Verordnungen
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a) - (5) […]
[…]
§48. Anbringung der Straßenverkehrszeichen
(1) - (4) […]
(5) Der Abstand zwischen dem unteren Rand eines Straßenverkehrszeichens und der Fahrbahn darf bei seitlicher Anbringung nicht weniger als 0,60 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2,50 m, bei Anbringung oberhalb der Fahrbahn nicht weniger als 4,50 m und nur in Ausnahmefällen oder bei Verwendung beleuchteter Straßenverkehrszeichen mehr als 5,50 m betragen, sofern sich aus den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bei einzelnen Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt; der Abstand zwischen dem unteren Rand eines Straßenverkehrszeichens und einer für den Fußgängerverkehr bestimmten Fläche darf bei Anbringung auf einer solchen Fläche nur in Ausnahmefällen weniger als 2,20 m betragen. Bei seitlicher Anbringung darf der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2 m, auf Freilandstraßen nur in Ausnahmefällen weniger als 1 m und mehr als 2,50 m betragen. Eine nicht fest mit dem Untergrund verbundene Anbringungsvorrichtung darf auch auf der Fahrbahn angebracht werden, wenn die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des fließenden Verkehrs nicht gefährdet wird; in diesem Fall darf der seitliche Abstand zwischen dem dem Fahrbahnrand zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand nicht mehr als 0,30 m betragen. Sind auf einer Anbringungsvorrichtung mehr als ein Straßenverkehrszeichen angebracht, so gelten bei untereinander angebrachten Zeichen die Maßangaben bezüglich des Höhenabstandes für das untere Zeichen, bei nebeneinander angebrachten Zeichen die Maßangaben bezüglich des Seitenabstandes für das näher der Fahrbahn angebrachte Zeichen. Die weiteren Zeichen sind in einem solchen Fall entsprechend den Größenverhältnissen anzubringen.
(6) […]
[…]
§52. Die Vorschriftszeichen
Die Vorschriftszeichen sind
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,
b) - c) […]
a) Verbots- oder Beschränkungszeichen
[…]
10a. 'GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG (ERLAUBTE HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT)'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.
10b. 'ENDE DER GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG'
[Zeichen]
Dieses Zeichen zeigt das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung an. Es ist nach jedem Zeichen gemäß Z10a anzubringen und kann auch auf der Rückseite des für die Gegenrichtung geltenden Zeichens angebracht werden. Es kann entfallen, wenn am Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung eine neue Geschwindigkeitsbeschränkung, sei es auch nicht aufgrund dieses Bundesgesetzes, beginnt.
[…]
§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde
(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde
a) […]
b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,
c) - h) […]
(2) […]"
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Dem zu E2685/2018 protokollierten Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof liegt ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zugrunde. In dem Erkenntnis wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe ein dem Kennzeichen nach bestimmbares Kraftfahrzeug auf der B 154 bei StrKm. 5,191 in Fahrtrichtung Straßwalchen mit einer Geschwindigkeit von 156 km/h gelenkt. Damit habe er die in Prüfung gezogene Verordnung übertreten, die auf der B 154 von StrKm. 3,850 bis StrKm. 8,075 die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt.
1.2. Die in Prüfung gezogene Verordnung wurde ausweislich eines im Akt einliegenden Vermerkes am 10. April 2008 durch das Anbringen der Verkehrszeichen kundgemacht. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 ist die angefochtene Verordnung damit jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist und in Geltung steht (vgl VfGH 24.9.2018, V30/2018; 26.11.2018, V52/2018).
1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren als zulässig.
2. In der Sache
Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
2.1. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).
2.2. Gemäß §48 Abs5 zweiter Satz StVO 1960 darf bei seitlicher Anbringung eines Verkehrszeichens der seitliche Abstand zwischen dem der Fahrbahn zunächst liegenden Rand eines Straßenverkehrszeichens und dem Fahrbahnrand im Ortsgebiet nicht weniger als 0,30 m und nur in Ausnahmefällen mehr als 2 m, auf Freilandstraßen nur in Ausnahmefällen weniger als 1 m und mehr als 2,50 m betragen.
2.3. Die prüfungsrelevante Kundmachung erfolgte auf einer Freilandstraße. Ausweislich des im Verordnungsakt einliegenden Bildmaterials und des – von der verordnungserlassenden Behörde unbestritten gebliebenen – Vorbringens des Beschwerdeführers im Anlassverfahren, das Verkehrszeichen sei 4,7 m vom Fahrbahnrand entfernt aufgestellt, ist das Verkehrszeichen bei StrKm. 3,850 über 2,5 m entfernt von Fahrbahnrand aufgestellt.
2.4. Die verordnungserlassende Behörde legte weder im Verfahren zur Erlassung der in Prüfung gezogenen Verordnung noch im Verordnungsprüfungsverfahren Umstände dar, die einen Ausnahmefall iSd §48 Abs5 StVO 1960 begründen. Daher ist im vorliegenden Fall eine Anbringung des Verkehrszeichens über 2,5 m vom Fahrbahnrand entfernt gesetzwidrig.
2.5. Daran vermag auch der Einwand der verordnungserlassenden Behörde, die zwischen der Fahrbahn und dem Aufstellungsort des Verkehrszeichens gelegene Verkehrsfläche sei eine Nebenfahrbahn und daher nicht in den Abstand einzurechnen, nichts zu ändern. Das im Akt einliegende Bildmaterial zeigt eine Ausschilderung der zwischen der Fahrbahn und dem Verkehrszeichen gelegenen Fläche als Geh- und Radweg (§2 Abs1 Z11a StVO 1960).
Ein Geh- und Radweg (§2 Abs1 Z11a StVO 1960) dient der gemeinsamen Nutzung durch Fußgänger und Radfahrer (vgl §52 Z17a, §68 Abs1 StVO 1960). Da ein Geh- und Radweg – im Gegensatz zu einer Fahrbahn oder einer Nebenfahrbahn – somit nicht dem gesamten Fahrzeugverkehr offensteht, ist ein Geh- und Radweg kein Teil der Fahrbahn (vgl VwGH 12.6.1963, 1965/62; VwSlg 9179 A/1976). Daher ist für die Messung des Abstandes nicht der Rand des Geh- und Radweges, sondern der Rand der Fahrbahn maßgebend.
2.6. Die Anbringung des Verkehrszeichens über das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung entspricht daher nicht den Bestimmungen des §48 Abs5 StVO 1960, weil das Verkehrszeichen mehr als 2,5 m vom Fahrbahnrand entfernt angebracht ist. Aus diesem Grund ist die in Prüfung gezogene Verordnung nicht ordnungsgemäß kundgemacht und daher gesetzwidrig.
IV. Ergebnis
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. April 2008, Z VerkR01-1395-2008, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG iVm §2 Abs1 Z4 Oberösterreichisches Kundmachungsgesetz.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung, Verordnung Kundmachung, StraßenverkehrszeichenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:V22.2019Zuletzt aktualisiert am
21.03.2022