RS Vfgh 2019/6/11 E137/2019

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Veröffentlicht am 11.06.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

EU-Grundrechte-Charta Art47 Abs2
AsylG 2005 §3, §8, §10, §15b, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §53, §55 Abs1a
BFA-VG §9, §18, §21 Abs7

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzstatus und Erlassung eines befristeten Einreiseverbots sowie einer Rückkehrentscheidung betreffend einen psychisch kranken afghanischen Staatsangehörigen; kein hinreichend geklärter Sachverhalt bei widerstreitenden medizinischen Befunden

Rechtssatz

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ist verpflichtet, widersprechende medizinische Befunde entweder im Rahmen einer mündlichen Verhandlung oder durch ein weiteres Gutachten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers aufzuklären. Diese Überlegung trifft ebenfalls auf den vorliegenden Fall zu, in dem sich nicht zwei widerstreitende Sachverständigengutachten gegenüberstehen, sondern nicht eindeutig geklärt ist, welche Schlüsse aus dem vorliegenden Gutachten zu ziehen sind: Während das BFA davon ausgegangen ist, dass bei Fortsetzung der Behandlung in einer vertrauten Umgebung bei Angehörigen in Afghanistan von einer deutlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes auszugehen sei, hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das BVwG zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gutachter im Falle einer Rückführung eine "deutliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes" prognostiziert hat. Diesen Widerspruch hätte das BVwG aufklären müssen und nicht von einem geklärten Sachverhalt iSd §21 Abs7 BFA-VG ausgehen dürfen, weshalb eine Verletzung von Art47 Abs2 GRC vorliegt.

Die Akten haben somit erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung, insbesondere eine Befragung des Sachverständigen, eine weitere Klärung des Sachverhaltes, nämlich ob und in welchem Ausmaß eine Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes bewirken würde, erwarten lässt. Bejahendenfalls wäre zu ermitteln, ob der Beschwerdeführer auch im Falle einer solchen Verschlechterung des Gesundheitszustandes in der Lage wäre, die voraussichtlichen monatlichen Gesamtkosten der erforderlichen Medikation - allenfalls durch Unterstützung seiner Familie - zu erwirtschaften.

Im Übrigen: Ablehnung der Beschwerdebehandlung hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und Stattgabe im Hinblick auf den Verfahrenshilfeantrag.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Rückkehrentscheidung, Verhandlung mündliche, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, EU-Recht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E137.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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