TE Vfgh Erkenntnis 1996/12/9 B3549/95

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Veröffentlicht am 09.12.1996
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
EMRK Art7
EMRK Art10
RAO §9
StPO §45 Abs3

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Veröffentlichung eines Interviews mit einem von ihm verteidigten Mandanten in einer Zeitschrift und in einem Fernsehbericht; keine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit, des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebotes, der Privatsphäre und der Verfahrensgarantien der EMRK

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 26. Juni 1995 wurde er für schuldig erkannt, "a) im Jahre 1992 in Wien von ihm auf Tonband aufgenommene Erklärungen des von ihm verteidigten, in Untersuchungshaft des Landesgerichtes für Strafsachen Wien befindlichen H F, ohne dies dem zuständigen Untersuchungsrichter zur Zensurierung vorzulegen, der periodischen Druckschrift 'BASTA' zum Zwecke der Veröffentlichung weitergereicht und b) dieses Vorgehen in einem von ihm gegebenen Interview in der ORF Fernsehsendung 'Schwarz auf Weiß' vom 23. September 1992 einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht" zu haben. Er wurde hiefür wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu einer Geldbuße von S 50.000,-- sowie zum Ersatz der Kosten der Disziplinarverfahren beider Instanzen verurteilt.

1.2. Die OBDK begründete ihre Entscheidung wie folgt:

"Auszugehen ist davon, daß die Norm des §45 Abs3 StPO ausschließlich die Besprechungsmodalitäten des verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger regelt und mithin die Voraussetzungen, unter welchen der Verhaftete mit der Außenwelt in Kontakt treten darf, nicht berührt. Diese werden vielmehr in §187 StPO und den darin angeführten Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes (vorliegend angesichts der Tatzeit 1992 idF des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987) geregelt und lassen keinen Zweifel daran bestehen, daß sowohl mündliche als auch schriftliche Kontakte des vom Beschuldigten verteidigten Untersuchungshäftlings F nur unter Überwachung durch den Untersuchungsrichter stattfinden durften. Ebenso ist es angesichts dieser Bestimmungen evident und damit keiner weiteren Erläuterung bedürftig, daß es dem Verteidiger, der gemäß §9 Abs1 RAO verpflichtet ist, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen, verwehrt ist, die genannten Zensurschranken dadurch zu umgehen, daß er etwa als Briefbote zwischen dem Verhafteten und dritten Personen fungiert oder Briefen gleichzuachtende, von Gefangenen besprochene Tonbandkassetten befördert.

Wenn der Disziplinarrat in diesem Zusammenhang meint, die Beantwortung der von der Zeitschrift BASTA aufgelisteten Fragen durch den Häftling und die Weitergabe dieses Interviews durch den Disziplinarbeschuldigten an die Zeitschrift sei im Rahmen einer Informationsaufnahme für die Verteidigung des Häftlings geschehen und unterliege deshalb nicht der Zensur durch das Gericht, verkennt er, daß - wie bereits oben betont - lediglich der unmittelbare Kontakt des Verhafteten und des Verteidigers durch §45 Abs3 StPO der Zensur entzogen wird, nicht aber ein Informationsfluß zwischen dem Häftling und einem Dritten unter Einschaltung des Verteidigers als Zwischenglied. Dies gilt grundsätzlich und unabhängig vom Inhalt des im jeweiligen Einzelfall transportierten Informationsgutes, weil notorischermaßen auch in unverfänglich scheinenden Mitteilungen kodierte Informationen eingebaut werden können. Daß es dabei auf die Form der Informationsübermittlung nicht ankommt, liegt angesichts dessen, daß der Zweck der Zensur ausschließlich darin besteht, eine inhaltliche Kontrolle auszuüben, auf der Hand. Es macht daher keinen Unterschied, ob ein Verteidiger unter Umgehung der Zensur einen Brief des Häftlings (1 Bkd 3/92) oder - wie hier - eine vom Häftling besprochene Tonbandkassette zwecks Weiterleitung deren Inhaltes an Dritte befördert.

An Hand dieser Erwägungen ist der vom Disziplinarrat konstatierte Sachverhalt rechtlich im Sinne des vom Disziplinaranwalt erhobenen Vorwurfes als gegen §9 RAO iVm §§187, 188 StPO verstoßende Berufspflichtenverletzung sowie als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu qualifizieren.

Daß als Konsequenz dieser Subsumtion das vom Disziplinarbeschuldigten am 23. September 1992 dem ORF für die Sendung 'Schwarz auf Weiß' gegebene Interview, in dem der Beschuldigte offen zugestand, die ihm von der Zeitschrift BASTA übermittelte Fragenliste mit seinem Mandanten durchgegangen und die Antworten BASTA übermittelt zu haben, ohne die zuständige Untersuchungsrichterin hievon zu informieren oder ihre Zustimmung einzuholen, Ehre und Ansehen des Standes gravierend beeinträchtigt wurden, bedarf keiner weitwendigen Erörterungen. Konnte doch der Durchschnittszuseher aus diesem Gespräch den Eindruck gewinnen, daß österreichische Rechtsanwälte nicht nur hinter dem Rücken des Gerichtes unter Ausnützung ihrer Verteidigerstellung unzensurierte Kontakte eines Häftlings mit der Außenwelt ermöglichen sondern daß sie obendrein nichts daran finden, dieses gesetzwidrige Verhalten einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen.

Es war mithin in Stattgebung der Berufung des Kammeranwaltes spruchgemäß zu erkennen.

Bei der Strafbemessung war erschwerend das Zusammentreffen zweier Verfehlungen, die zweifache Qualifikation im Schuldspruch zu lita sowie der Umstand, daß das standeswidrige Verhalten des Disziplinarbeschuldigten im Rahmen der genannten TV-Sendung weiteste Verbreitung fand, mildernd dagegen kein Umstand.

Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten (siehe seine Angaben vor dem Disziplinarrat am 25.2.1994) erschien dem Senat, auch unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des §16 DSt 1990, die aus dem Spruch ersichtliche Geldbuße dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Verfehlungen angemessen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, daß der Schuldspruch und die Bestrafung Art10 EMRK widersprechen. Das in Art10 EMRK gewährleistete Recht schließe u.a. die "Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten ohne Eingriffe öffentlicher Behörden ein".

Nach übereinstimmender Auffassung von Disziplinarrat und OBDK schließe es §45 Abs3 StPO aus, daß die Besprechung eines verhafteten Beschuldigten mit seinem Verteidiger für sich allein als Quelle des ihm angelasteten Disziplinarvergehens herangezogen werden könnte.

Unter der Voraussetzung der inhaltlichen Zulässigkeit (kein ungesetzlicher Zweck, keine Verdunkelungshandlung, Absprache u. dgl.) sei es ohne weiteres möglich, daß ein Verhafteter seinen Verteidiger nicht nur von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht konkret befreit, sondern ihm aufträgt, Mitteilungen an (unbeteiligte) Dritte, bei in den Medien breit geschilderten Fällen auch an die Öffentlichkeit, zu machen.

Die von der OBDK zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogenen Bestimmungen der StPO, nämlich die §§187 und 188, beträfen ausschließlich den schriftlichen Verkehr des Beschuldigten mit anderen Personen außerhalb des Gefangenenhauses sowie den Empfang von Besuchern.

Die Veröffentlichung einer vom Beschuldigten auf Tonband gesprochenen mündlichen Äußerung durch den Verteidiger sei inhaltlich nichts anderes als die Weitergabe der mündlichen Äußerung durch einen Botschaftsträger an Dritte.

Der Beschwerdeführer werde wegen der Weitergabe "mündlicher" Mitteilungen des Häftlings an die Öffentlichkeit schuldig gesprochen und bestraft, ohne daß hiefür eine ausdrückliche gesetzliche Verbotsnorm vorliege. Überhaupt fehle ein Gesetz, welches die Ausübung des Rechtes zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschränke und vorsehe, daß empfangene Mitteilungen einer Vorzensur durch den Untersuchungsrichter unterworfen werden könnten. Insoweit wäre - durch zu weite Interpretation - im angefochtenen Bescheid auch das auf schriftliche Mitteilungen beschränkte Zensurrecht des Untersuchungsrichters unzulässig ausgedehnt und §187 StPO denkunmöglich angewendet.

Von der OBDK werde ohne weitere Begründung gesagt, daß eine Funktion als Briefbote zwischen dem Verhafteten und Dritten der Beförderung von Tonbandkassetten, die Gefangene besprochen haben, "gleichzuachten" sei. Das sei aus §187 StPO nicht ableitbar, sondern eine im Gesetzestext nicht gedeckte und zu weitgehende Interpretation. Im angefochtenen Bescheid werde auch nicht näher dargelegt, warum dies gleichzuachten sei.

3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1.1. Der Beschwerdeführer regt an, "die von der OBDK angeführten Gesetzesstellen der StPO", das sind die §§45 Abs3 und 187 Abs2, auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen und bringt der Sache nach Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen unter Aspekten des Art10 EMRK sowie des Art13 StGG vor.

4.1.2. Die in Zweifel gezogenen Bestimmungen stehen in folgendem rechtlichen Zusammenhang:

Gemäß §185 StPO sind Untersuchungshäftlinge in dem Gefangenenhaus des für das Strafverfahren zuständigen Gerichtshofes anzuhalten. Nach §186 Abs1 erster Satz leg.cit. sind Untersuchungshäftlinge womöglich einzeln zu verwahren. Diese Regelungen legen fest, daß der Untersuchungshäftling mit Personen außerhalb des Gefangenenhauses grundsätzlich keinen Kontakt haben darf. Von dieser Grundkonzeption sehen einzelne gesetzliche Bestimmungen, wie etwa die §§45 Abs3, 187 und 188 StPO gewisse - wie der Beschwerdeführer zutreffend erkennt: taxativ aufgezählte - Ausnahmen vor, wobei dem Untersuchungsrichter gemäß §188 Abs1 StPO die maßgeblichen Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Gemäß dieser Bestimmung stehen dem Untersuchungsrichter die Entscheidung darüber, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung des Briefverkehrs und der Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt beziehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, für die §91 StVG maßgebend ist, zu.

Die Übermittlung von Tonbandkassetten an Außenstehende fällt nun, da ein solcher Vorgang - auch wenn durch einen Rechtsanwalt mediatisiert - unter den Begriff "Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt" zu subsumieren ist, in den Anwendungsbereich des §188 Abs1 StPO. Es ist daher davon auszugehen, daß ihre Übermittlung an Personen außerhalb des Gefangenenhauses nur mit Genehmigung des zuständigen Untersuchungsrichters zulässig ist.

Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser gesetzgeberischen Konzeption aus dem Blickwinkel der vorliegenden Beschwerde keine Bedenken. Er sieht sich daher nicht veranlaßt, in eine Prüfung der genannten Gesetzesstellen einzutreten.

4.2. Zu den behaupteten Vollzugsfehlern:

4.2.1.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid zunächst im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt. Er bringt hiezu vor, daß sich die von der OBDK zur Begründung herangezogenen Bestimmungen der §§187 und 188 StPO ausschließlich auf den schriftlichen Verkehr des Beschuldigten mit anderen Personen außerhalb des Gefangenenhauses sowie auf den Empfang von Besuchern beziehen und meint, daß daraus der Schluß zu ziehen sei, daß ein Untersuchungshäftling im übrigen berechtigt sei, mündliche Äußerungen unbeschränkt an die Außenwelt zu übermitteln, ohne die Entscheidung des zuständigen Untersuchungsrichters einholen zu müssen. Dem Beschwerdeführer könne somit kein disziplinäres Fehlverhalten im Sinne des angefochtenen Bescheides zur Last fallen.

4.2.1.2. Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer jedoch das ihm mit dem angefochtenen Bescheid angelastete disziplinäre Fehlverhalten, nämlich, daß er ihm als Rechtsanwalt eingeräumte Verteidigerrechte zur Umgehung der durch die Untersuchungshaft bewirkten Beschränkungen eines inhaftierten Beschuldigten mißbraucht habe.

Gemäß §45 Abs3 erster Satz StPO darf sich der Verteidiger mit seinem in Haft befindlichen Mandanten ohne Beisein einer Gerichtsperson besprechen, wenn nicht nach dem zweiten Satz leg.cit. eine Gesprächsüberwachung stattzufinden hat. Die durch diese Bestimmung geschaffene Sonderstellung des Rechtsanwaltes dient offenkundig dem Zweck, dem Rechtsanwalt die Wahrnehmung seiner in §9 RAO festgelegten Aufgaben zu ermöglichen. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer das ihm als Verteidiger eingeräumte Recht, mit dem inhaftierten Mandanten allein zu konferieren, dazu benützt, um ohne Zustimmung des Untersuchungsrichters für eine Zeitschrift mit dem von ihm verteidigten Untersuchungshäftling ein unüberwachtes Interview mittelbar durchzuführen. Der Beschwerdeführer bringt selbst vor, daß er die ihm nach §45 Abs3 StPO zustehende Berechtigung dazu benutzte, von seinem inhaftierten Mandanten jene Fragen auf Tonband beantworten zu lassen, welche die Redaktion der Zeitschrift "BASTA" beantwortet haben wollte. Der Beschwerdeführer hat die Antworten von seinem Mandanten bei dem unüberwachten Besuch im Gesperre direkt in sein Diktiergerät sprechen lassen und sie dann an die Zeitschrift "BASTA" übermittelt.

Ausgehend von diesem - unbestrittenen - Sachverhalt kann in der Rechtsansicht der OBDK, der Beschwerdeführer habe mit seiner Vorgangsweise in disziplinär zu ahndender Weise die in der StPO normierten untersuchungsrichterlichen Kontrollrechte umgangen, keine denkunmögliche Gesetzesauslegung erblickt werden: Ergibt sich doch bereits aus dem Umstand, daß der Beschwerdeführer sich die seinem Mandanten gestellten Fragen von einer Zeitschrift geben ließ, daß es sich nicht um eine Handlung gehandelt hat, die im Rahmen der Verteidigung notwendig war. Angesichts dessen vermag der Verfassungsgerichtshof in dem bekämpften Bescheid keinen Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Meinungsäußerung zu erblicken. Der belangten Behörde ist auch nicht anzulasten, daß sie zufolge kraßer Verkennung der Rechtslage Willkür geübt hat.

4.2.1.3. Der Gerichtshof vermag der OBDK aber auch nicht entgegenzutreten, wenn diese dem Beschwerdeführer zusätzlich zur Last legt, daß er durch seine Äußerungen in der ORF-Sendung "Schwarz auf Weiß" einer breiten Öffentlichkeit Kenntnis von seiner vorschriftswidrigen Aktion verschafft habe, und daraus ableitet, daß diese Vorgangsweise dem guten Ruf der Rechtsanwaltschaft abträglich war; dies ist jedenfalls vertretbar, sodaß eine Verletzung des Beschwerdeführers in den genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten somit auch insofern nicht vorliegt.

4.2.2.1. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß seine Bestrafung im Hinblick auf Art7 EMRK verfassungswidrig sei.

4.2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich vor dem Hintergrund seiner Rechtsprechung zu Art7 EMRK (vgl. zB VfSlg. 11776/1988, 12962/1992, 13233/1992, 13526/1993, 13580/1993 und 13606/1993) auch dieser Ansicht nicht anzuschließen, zumal es einem Rechtsanwalt klar sein muß, daß jeder Verstoß gegen strafprozessuale Bestimmungen über die Ausübung der Verteidigerrechte sowie ein mediales Ausbreiten eines solchen Verhaltens durch einen Rechtsanwalt als Berufspflichtenverletzung und Verstoß gegen Ehre und Ansehen des Standes qualifizierbar ist. Soweit der Beschwerdeführer sich zur Rechtfertigung auf §9 RAO beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß er gerade nach dieser Bestimmung verpflichtet ist, die übernommene Vertretung "dem Gesetz gemäß" zu führen. Eben dies hat er aber - wie von der belangten Behörde vertretbarerweise angenommen - nicht getan.

4.2.3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters eine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art8 EMRK. Auch dieses Vorbringen vermag seiner Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dem Verfassungsgerichtshof ist selbst auf dem Boden der Beschwerdebehauptungen nicht erkennbar, wodurch der angefochtene Bescheid in die Privatsphäre des Beschwerdeführers eingreifen könnte.

4.2.4. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer eine Verletzung in durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, daß es kein faires Verfahrensergebnis sei, wenn er nicht nur wegen der Weitergabe der Mandanteninformation zum Zweck der Veröffentlichung schuldig gesprochen werde, sondern darüber hinaus auch deshalb, weil er sein Verhalten auf Befragen eines Journalisten in einer Fernsehsendung an die breite Öffentlichkeit getragen habe.

Mit diesem Vorbringen wird eine Verletzung des Art6 EMRK auch nicht ansatzweise dargetan. Dem Verfassungsgerichtshof ist auch sonst nicht ersichtlich, wodurch der Beschwerdeführer im genannten Grundrecht verletzt sein sollte.

4.2.5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die bei dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 9454/1982, 10659/1985, 12697/1991 und 13606/1993).

4.2.6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

4.3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Meinungsäußerungsfreiheit, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Verteidigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B3549.1995

Dokumentnummer

JFT_10038791_95B03549_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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