TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/22 Ro 2017/04/0025

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Veröffentlicht am 22.05.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §41
VwGG §42 Abs2 Z2
VwGVG 2014 §27

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ro 2017/04/0026

Betreff

?

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision 1. des G G und 2. der Mag. E S, beide in W, beide vertreten durch Dr. Christine Fidler-Fassmann, Rechtsanwältin in 1230 Wien, Breitenfurter Straße 330/17, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2017, Zlen. W101 2113680-1/8E, W101 2113843-1/10E, betreffend jeweils einen Antrag nach dem E-Government-Gesetz bzw. der Stammzahlenregisterbehördenverordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, insoweit dieses den die Anträge der Revisionswerber vom 17. Februar 2015 auf Eintragung der Vertretungsmacht für die gemeinsame Tochter der Revisionswerber auf deren Bürgerkarten erledigenden Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 2015 mitumfasst, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Die Revisionswerber sind die Eltern der am 30. Oktober 2012 geborenen I.G. Sie sind jeweils im Besitz einer eigenen Bürgerkarte.

2 2. Mit Schreiben vom 17. Februar 2015 stellte die minderjährige I.G., vertreten durch die beiden Revisionswerber, den Antrag auf Ausstellung einer Bürgerkarte.

3 In demselben Schreiben beantragten die Revisionswerber im eigenen Namen jeweils die Eintragung der ihnen als Obsorgeberechtigte zukommenden gesetzlichen Vertretungsmacht für ihre minderjährige Tochter I.G. auf ihren eigenen Bürgerkarten. 4 3.1. Mit Bescheid vom 9. Juni 2015 wies die belangte Behörde den Antrag der minderjährigen I.G. auf Ausstellung einer Bürgerkarte zurück.

5 Gegen diesen Bescheid erhob die minderjährige I.G. vertreten durch die obsorgeberechtigten Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6 3.2. Mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 2015 wurden die Anträge der Revisionswerber auf Eintragung der Vertretungsbefugnis abgewiesen.

7 Auch diese erhoben gegen den sie betreffenden Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

8 4.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis erkannte das Bundesverwaltungsgericht "über die Beschwerden der minderjährigen (I.G.)" gegen die beiden obgenannten Bescheide wie folgt zu Recht:

"In Erledigung der Beschwerden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG werden die beiden angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass der Spruch eines Bescheides wie folgt zu lauten hat:

Der Antrag vom 17.02.2015 wird mangels Geschäftsfähigkeit der am 30.10.2012 geborenen Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen."

9 Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.

10 4.2. In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht jeweils bezugnehmend auf die "minderjährige Beschwerdeführerin" zusammengefasst aus, diese hätte vertreten durch die Revisionswerber einen Antrag auf Ausstellung einer Bürgerkarte und die Eintragung der Vertretungsvollmacht der Eltern auf deren Handysignaturen gestellt. Die belangte Behörde habe den Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin zu Unrecht geteilt und zwei Bescheide erlassen. 11 Die einschlägigen Bestimmungen des E-Government-Gesetzes (E-GovG) und der Stammzahlenregisterbehördenverordnung (StZRegBehV 2009) würden im Zusammenhang mit der Ausstellung einer Bürgerkarte jeweils die beschränkte Geschäftsfähigkeit einer mündigen minderjährigen Person voraussetzen. Die minderjährige Beschwerdeführerin sei jedoch aufgrund ihres Alters nicht geschäftsfähig und daher nicht antragslegitimiert. Aus diesem Grund sei auch der Antrag auf Eintragung der Vertretungsvollmacht der Revisionswerber im Sinne des § 9 StZRegBehV 2009 zurückzuweisen. Die den einheitlichen Antrag betreffenden Beschwerdeverfahren seien in einem Erkenntnis abzuschließen und die beiden Bescheide spruchgemäß abzuändern.

12 Die Revision sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Antragsberechtigung auf Ausstellung einer Bürgerkarte durch eine nicht geschäftsfähige minderjährige Partei bzw. zur Rechtsfrage betreffend die Möglichkeit der Eintragung einer Vertretungsvollmacht auf den Bürgerkarten der gesetzlichen Vertreter gemäß § 9 Abs. 2 StZRegBehV 2009 vorliege.

13 5. Mit Schriftsatz vom 16. November 2017 (Einlangen) erhoben die Revisionswerber (ausschließlich) im eigenen Namen die verfahrensgegenständliche Revision.

14 Die belangte Behörde beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision abzuweisen.

15 6. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - aus den bereits vom Bundesverwaltungsgericht zweitgenannten Gründen zulässige - Revision erwogen:

16 6.1. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (siehe VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, und VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0134, jeweils mwN). Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (siehe VwGH 31.5.2017, Ra 2016/22/0107, Rn. 14, mwN).

17 Hinsichtlich des Prüfungsumfanges bestimmt § 27 VwGVG, dass das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen hat. 18 Im Zusammenhang mit § 27 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass im Falle trennbarer Spruchpunkte "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich der von der Partei bekämpfte Spruchteil des verwaltungsbehördlichen Bescheides ist und das Verwaltungsgericht nur dazu zuständig ist, den vor ihm bekämpften Spruchteil zu prüfen. Indem das Verwaltungsgericht auch einen nicht bekämpften Spruchpunkt des verwaltungsbehördlichen Bescheides aufhebt, beansprucht es eine Zuständigkeit, die ihm nicht zukommt (vgl. VwGH 29.5.2018, Ro 2018/03/0015; in diesem Sinne auch VwGH 18.10.2017, Ro 2015/11/0010).

19 6.2. Fallbezogen folgt daraus: Die beiden vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beschwerde gezogenen Bescheide behandelten einerseits den Antrag der minderjährigen I.G. auf Ausstellung einer Bürgerkarte und andererseits die Anträge der Revisionswerber auf Eintragung der ihnen zukommenden Vertretungsmacht. In der Folge erhoben die antragstellenden Personen - die minderjährige I.G. und die Revisionswerber - jeweils getrennt Beschwerde gegen den ihren eigenen Antrag erledigenden Bescheid.

20 Sache des Beschwerdeverfahrens über das Rechtsmittel der I.G., über welches das Bundesverwaltungsgericht explizit abspricht, war die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von ihr angefochtenen Zurückweisung ihres Antrages auf Ausstellung einer Bürgerkarte.

21 Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch mit dem angefochtenen Erkenntnis, das ausdrücklich nur auf die minderjährige I.G. als Beschwerdeführerin Bezug nimmt, den getrennt ergangenen und von den Revisionswerbern bekämpften Bescheid der belangten Behörde betreffend die Anträge der Revisionswerber abgeändert. Insoweit das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des Verfahrens über die Beschwerde der minderjährigen I.G. in seine Entscheidung den jeweiligen Antrags- und Beschwerdegegenstand der Revisionswerber miteinbezogen hat, beanspruchte es in diesem Umfang eine Zuständigkeit, die ihm in diesem Verfahren nicht zukommt, weil sich seine Prüfungsbefugnis im konkreten Fall auf den durch die Beschwerde der minderjährigen I.G. determinierten Umfang beschränkt.

22 6.3. Eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes ist vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG von Amts wegen aufzugreifen, wenn sich die Revision - wie hier - als zulässig erweist (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2017/02/0141, mwN). 23 Die angefochtene Entscheidung, die im Umfang betreffend die Erledigung der Beschwerde der minderjährigen I.G. unangefochten aufrechterhalten bleibt, war sohin in dem im Spruch bezeichneten Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben. Der Vollständigkeit halber wird darauf verwiesen, dass die von den Revisionswerbern in einem gemeinsamen Schriftsatz beim Bundesverwaltungsgericht erhobenen Beschwerden nach wie vor offen sind.

24 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung, wobei gemäß § 53 Abs. 1 VwGG der Aufwandersatz an den Erstrevisionswerber zu leisten ist.

Wien, am 22. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017040025.J00

Im RIS seit

19.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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