TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 98/12/0152

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §14 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des Dipl. Ing. E in W, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien IV, Rainergasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 13. Mai 1998, Zl. 119.527/20-3a/98, betreffend Versetzung in den Ruhestand, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1942 geborene Beschwerdeführer steht - aufgrund des angefochtenen Bescheides nunmehr im Ruhestand - als Beamter des Arbeitsinspektorates (Höherer Dienst) im Bereich der belangten Behörde in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Mit Erledigung vom 19. Dezember 1997 ersuchte die belangte Behörde das Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland um Erstellung und Übermittlung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zur Frage, ob der Beschwerdeführer dauernd unfähig sei, seinen Dienst als Arbeitsinspektor des Höheren Dienstes ordnungsgemäß zu versehen, weil der Verdacht bestünde, er sei dienstunfähig. Den Akten zufolge waren diesem Ersuchschreiben verschiedene Beilagen angeschlossen, die sich nicht mehr bei den Verwaltungsakten befinden. Hievon wurde der Beschwerdeführer mit dem Beifügen verständigt, er werde ersucht, sich zu dem vom Bundessozialamt bekanntgegeben Termin zur amtsärztlichen Untersuchung einzufinden und allfällige ärztliche Gutachten mitzubringen.

In den Verwaltungsakten ist in weiterer Folge festgehalten, daß der Vorgesetzte des Beschwerdeführers am 29. Jänner 1998 telefonisch aufgefordert worden sei, den Beschwerdeführer unverzüglich vom Außendienst abzuziehen.

In den Akten des Verwaltungsverfahrens befinden sich ein klinisch-psychologisches Sachverständigengutachten und ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten.

Im ersteren Gutachten heißt es zum "Verhalten in der Exploration", der Beschwerdeführer sei gut orientiert und auskunftsfähig, sowie kooperativ gewesen. Weiters heißt es in diesem Gutachten:

"Untersuchungs-Befunde:

Untersuchungs-Verfahren: klinisch-psychologische Exploration,

Rorschach-Verfahren, MMPI

Untersuchungs-Ergebnisse und Interpretation:

In der Exploration werden keine (außer körperlichen) subjektive Beschwerden angegeben; Symptome des depressiven und psychotischen Formenkreises werden auf ausdrückliches Befragen negiert.

Darüberhinaus finden sich jedoch in der Exploration Hinweise auf Persönlichkeitsmuster, welche den Diagnosekriterien für eine Persönlichkeitsstörung passiv-aggressiven Typs entsprechen; dies sind vor allem: Nichteinhalten dienstlicher Fristen; mangelnde Bereitschaft, sich dienstlichen Anweisungen unterzuordnen bzw. diesbezügliche Uneinsichtigkeit; die Überzeugung, die eigene Tätigkeit besser auszuüben, als andere dies glauben; Vermeidung von Pflichterfüllung unter Angabe anzweifelbarer Begründungen.

Ferner finden sich auch Hinweise für das Auftreten von Phasen gesteigerter zielgerichteter Aktivität und getrübten Urteilsvermögens (Selbstüberschätzung, eingeschränkte Realitätsanpassung) im Sinne einer hypomanischen Verstimmung sowie Verdacht auf zumindest eine Phase stark verminderten Antriebs und verminderter Aktivität im Sinne einer depressiven Verstimmung (welche vom Pb. zugegeben, jedoch auf ungeklärte organische Probleme bei erhöhter Blutsenkung zurückgeführt wird).

In der Exploration wird eine starke Tendenz des Pb. deutlich, private und dienstliche Interessen in kreativer Weise zu verbinden und eine klare Grenze (in Sinne des Dienstrechtes) nicht ziehen zu können, wodurch es offenbar zu häufigen Schwierigkeiten dergestalt kommt, daß der Pb. seine subjektive Ansicht und Vorgehensweise unter Umgehung bzw. Mißachtung des Dienstweges durchsetzt.

Im MMPI-Persönlichkeitstest fallen dzt. keine in pathologischem Sinn erhöhten Skalenwerte auf; der Pb. beschreibt sich selbst als gut angepaßt, sensibel, kritisch sich selbst und anderen gegenüber; jedoch auch mit einer Neigung, emotionale Probleme zu verdrängen oder zu verbergen bzw. ihnen auszuweichen, Frustrationen schlecht zu verarbeiten und körperliche Probleme psychischen Ursprung zu entwickeln (psychosomatische Tendenz).

Im Rorschach-Protokoll finden sich Hinweise auf Unsicherheit (und fragliche Verbergungstendenzen), Neurosezeichen (Rot-Schock, Hd-Schock), Hinweise auf Affektimpulsivität (Fb) und auf eingeschränkte Kontaktfähigkeit (kaum normale M-Deutungen). Realitätserfassung- und anpassung sind dzt (bei durchschnittlichem V%) nicht herabgesetzt, die Brems- und Kontrollfaktoren (G+, F+, B+) erscheinen jedoch (insbesondere gegenüber dem Erwartungswert) etwas eingeschränkt. Es finden sich keine OPS-Zeichen (Hinweise auf organische Hirnschädigung); dzt. auch keine Hinweise auf deutliche depressive oder hypomanische Verstimmung.

Zusammenfassendes Gutachten:

Klinisch-psychologischerseits bestehen Hinweise auf Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung des passiv-aggressiven Typs (DSM-III-R-Kodierung 301.84), es lassen sich einige, jedoch nicht ausreichend viele der diagnostischen Kriterien mit Sicherheit explorieren, um das Vollbild dieser Störung zu diagnostizieren. Ebenso besteht Verdacht auf das Auftreten von Phasen hypomanischer (und ev. auch depressiver) Verstimmungen, auch hierfür finden sich diagnostische Anhaltspunkte, jedoch zum Zeitpunkt der Untersuchung kein ausgeprägtes Bild dieser Störung.

Mit Sicherheit besteht psychologischerseits eine deutliche Problematik des Pb., zwischen dienstlichen und privaten Interessen zu differenzieren, bei gesteigertem Antrieb (ev. hypomanische Phase) kreative Ideen zu entwickeln und unter Umgehung des Dienstweges (bzw. dienstlicher Anordnung) durchzuführen (mangelnde Einsicht oder Bereitschaft, Normen anzuerkennen als diagnostisches Kriterium der p.-a. Persönlichkeitsstörung).

Die Dienstfähigkeit des Pb. erscheint daher aus klinisch-psychologischer Sicht zumindest teilweise eingeschränkt. Eventuell wäre die Beschäftigung des Pb. in einer anderen als der derzeitigen Funktion (kein Außendienst), verbunden mit der stärkeren Kontrolle bzw. ausdrücklichen Aufklärung des Pb. über die ihn betreffenden Abschnitte des Dienstrechts sinnvoll; auch in diesem Fall kann ein weiteres Vorkommen "unorthodoxen Verhaltens" nicht völlig ausgeschlossen werden. (Psychotherapie mit dem Ziel, Schwierigkeiten wie die bereits aufgetretenen in Zukunft vermeiden zu lernen, wäre empfehlenswert, eine diesbezügliche Kooperation des Pb. erscheint jedoch aufgrund mangelnden Leidensdruckes bzw. mangelnder Krankheitseinsicht, welche dem Zustandsbild inhärent ist, nicht wahrscheinlich.)"

Das zweite Gutachten (vom 29. Jänner 1998) lautet:

"Anamnese:

Pat. nimmt an, es gehe um eine Krankenstandsbegründung. Er sei mit dem Kreuz in Behandlung bei Neurologin, Medikamente und physikalische Therapie.

Seelische Beschwerden seien nicht vorhanden, keine diesbezügliche Behandlung bei der Fachärztin. Vorgeworfen wurde ihm von Vorgesetzten laut seinen Angaben, ein "Verfolgungswahn". Es sei bei ihm häufig angerufen worden ohne Melden eines Teilnehmers. Er nahm an (auch seine Frau), daß es sich um eine Kontrolle seines Krankenstandes gehandelt habe. Es sei naheliegend, daß der Anrufer der Dienstgeber gewesen sei, wobei die Sache erschwert sei, da er zwei Wohnungen benütze.

Vorgeschichte:

Nervlich immer stabil, keine psychiatrisch-neurologischen

Beschwerden.

Kindheit stabil, die Eltern unauffällig (beide in 90. LJ. gestorben), keine psychiatrischen Auffälligkeiten in deren Familien.

Als Kind normal, keine Ängste oder Neurosezeichen, keine Störungen der Entwicklung. Normale Berufslaufbahn, kein Knick der Leistungsfähigkeit.

Derzeitiger Zustand:

Nervlich stabil, selten Schlafstörungen, keine Denkstörungen, keine Halluzinationen, keine Verfolgungsgefühle, keine Ängstlichkeit, keine Beeinträchtigungsgefühle. Keine Änderungen in der Lebenssituation.

Befund:

Neurologisch:

HN: intakt

OE: VA seitengleich, Reflexe lebhaft

UE: Reflexe seitengleich

Frontalz.: PMR anged., sonst neg.

UUZ: neg.

Psychisch:

Gedankenductus o.B., Stimmung/Affekt adäquat, leichte anankastische Zeichen, keine akut-psychotischen Hinweise.

Abschließende Beurteilung:

Unter Einbeziehung des Klinisch-Psychologischen Gutachtens erscheint eine psychiatrische Erkrankung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung oder auch einer MDK zumindest möglich. Eine klinisch relevante, das heißt psychiatrisch behandelte Exacerbation, ist bisher nicht aufgetreten.

Eine ambulante Vorstellung an der Psychiatrischen Univ.Klinik wird, im Interesse des Patienten, dringend vorgeschlagen.

Vorläufig Arbeitsunfähigkeit bei Verdacht auf Psychiatrische Symptomatik bis zur Abklärung und eventuellen Therapieeinleitung."

Weiters findet sich am Schluß dieses Gutachtens ein handschriftlicher Zusatz des Inhalts "Nachuntersuchung in drei Monaten wird vorgeschlagen (4/98)"; dieser Zusatz ist unterschrieben und mit 10. Februar 1998 datiert.

In den Verwaltungsakten befindet sich weiters ein Konvolut an Stücken, die sich mit einer möglichen Strahlenbelastung des Beschwerdeführers anläßlich einer Besichtigung des Zyklotrons des AKH in Wien im November 1997 befassen.

Mit Schriftsatz vom 24. Februar 1998 bezog der Beschwerdeführer Stellung gegen die ihm bekanntgegebene Absicht der belangten Behörde, ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, und verwies auch auf den Verdacht (die Möglichkeit), daß er sich im November 1997 eine strahlenbedingte Erkrankung zugezogen habe. Es heißt darin auch, die Vorgangsweise der Behörde beweise, "daß das Gutachten mit dem vorliegenden Ergebnis" im Vorhinein bestellt worden sei und daher nicht als Voraussetzung für eine Ruhestandsversetzung herangezogen werden könne. Die Erstellung des Gutachtens sei in erster Linie wegen seiner Anzeige betreffend verleumderischen Bemerkungen des "AV und SC-Stellvertreters mit dem Verdacht unzulässiger Handlungen" erfolgt. Jedenfalls bestritt der Beschwerdeführer in dieser Stellungnahme das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand. In einem Schreiben vom 22. März 1998 bestritt er der Sache nach die Richtigkeit der Gutachten und weiterhin das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand. Er brachte seine Bedenken auch in einem an die Bundesministerin persönlich adressierten Schreiben vom 20. März 1998 zum Ausdruck.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 31. Mai 1998 in den Ruhestand versetzt. Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde begründend aus, aufgrund des chefärztlichen Gutachtens des Bundessozialamtes Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 10. Februar 1998 stehe fest, daß er aufgrund seines Gesundheitszustandes (Persönlichkeitsstörung passiv-agressiven Typs, getrübten Urteilsvermögen im Sinne einer hypomanischen Verstimmung) seine dienstlichen Aufgaben als Arbeitsinspektionsorgan des Höheren Dienstes im Außendienst nicht mehr erfüllen könne. Da dem Beschwerdeführer im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde auch kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne, dessen Aufgaben er nach seiner geistigen Verfassung zu erfüllen im Stande sei, und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse zugemutet werden könne, sei er dauernd dienstfähig.

Sodann nahm die belangte Behörde Stellung zu den Einwendungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 24. Februar 1998 und führte aus, die Annahme der Dienstbehörde, daß krankheitsbedingte Dienstunfähigkeit vorliegen könnte, beweise nicht, daß ein ärztliches Gutachten mit einem bestimmten Ergebnis "bestellt" worden wäre (im Original unter Anführungszeichen), was im übrigen auch nicht der Fall gewesen sei. Die Möglichkeit, daß - zusätzlich - (gemeint: zu den festgestellten Gesundheitsbeeinträchtigungen) auch eine strahlenbedingte Krankheit vorliege, könne keine Verbesserung hinsichtlich der Einschätzung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers zur Folge haben. Dem Beschwerdeführer sei auf seinen am 10. März 1998 geäußerten Wunsch hin am selben Tag Akteneinsicht gewährt und "das ärztliche Gutachten" in Kopie ausgehändigt worden. Es bestehe kein Zweifel, daß der chefärztliche Dienst die Untersuchung mit aller gebotenen medizinischen Sorgfalt vorgenommen habe. Die Nichtbefolgung dienstlicher Weisungen durch den Beschwerdeführer sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Sodann heißt es: "Die Zweifel an Ihrer Dienstfähigkeit begründen sich in eigenen Wahrnehmungen Ihrer Vorgesetzten (unter anderem auch anläßlich Ihres Schreibens vom 30. November 1997, in welchem Sie unter anderem beklagen, daß Ihr Amtsvorstand Ihre Anweisungen nicht befolgt). Im übrigen haben sich diese Zweifel aufgrund des Ergebnisses der chefärztlichen Untersuchung inzwischen als berechtigt erwiesen".

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen "Aktenwidrigkeit", Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat, gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG unter Abstandnahme von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung, erwogen:

Nach § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Der Beamte ist nach Abs. 3 der genannten Bestimmung (in der Stammfassung) dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 14 BDG 1979 und auch zu vergleichbaren Rechtsgrundlagen ist unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten, seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, alles zu verstehen, was die Eignung des Beamten, diese Aufgaben zu versehen, dauernd aufhebt. Dazu können nicht nur Gesundheitsstörungen, sondern auch habituelle Charaktereigenschaften und leichtere geistige Störungen gehören, welche eine ordnungsgemäße Führung der ihm übertragenen Geschäfte ausschließen. Dabei ist nicht allein auf die Person des Beamten abzustellen, sondern es sind vielmehr auch die Auswirkungen einer Gesundheitsstörung auf seine Fähigkeit, die ihm gesetzlich obliegenden Pflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf den Amtsbetrieb entscheidend. Der Schluß der Dienstunfähigkeit ist nicht nur aufgrund ärztlicher Feststellungen, sondern auch aus der Art der Dienstleistung zulässig; die Einholung derartiger medizinischer Gutachten ist daher nicht jedenfalls (zwingend) erforderlich. Eine zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung bestehende Dienstunfähigkeit ist dann als dauernd zu werten, wenn nach den Beurteilungsgrundlagen im maßgeblichen Zeitpunkt die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest unwahrscheinlich ist; die bloße Möglichkeit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit genügt nicht (siehe dazu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 1. Februar 1995, Zl. 92/12/0286, oder auch vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0243, mwN).

Maßgebend für eine Ruhestandsversetzung wegen Erkrankung ist daher das Fehlen einer absehbaren Besserungsmöglichkeit sowie die Klärung der Frage der Dienstfähigkeit unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am Arbeitsplatz (Primärprüfung) bzw. die Möglichkeit der Zuweisung eines im Sinne des § 14 Abs. 3 BDG 1979 entsprechenden Arbeitsplatzes. Entscheidend für die Beurteilung ist der gesundheitliche Zustand im Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung.

Im Beschwerdefall ist die Begründung des angefochtenen Bescheides auch vor dem Hintergrund der eingeholten Gutachten unzureichend, um die Richtigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen (negativen) Primärprüfung auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüfen zu können. Zunächst ist nach der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausreichend klar, welche dienstlichen Aufgaben der Beschwerdeführer wahrzunehmen hat, weil es dort lediglich heißt, der Beschwerdeführer sei "Arbeitsinspektionsorgan des Höheren Dienstes im Außendienst" (und sich auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten diesbezüglich keine sachverhaltsmäßige Anreicherung ergibt). Betrachtet man nun die Sachverständigengutachten, auf die sich die belangte Behörde gestützt hat, fällt auf, daß im Gutachten vom 29. Jänner 1998 die Rede von einer "vorläufigen Arbeitsunfähigkeit" ist und es in der Ergänzung vom 10. Februar 1998 heißt, eine Nachuntersuchung in drei Monaten werde vorgeschlagen. Aus diesem Blickwinkel hat die belangte Behörde die von ihr angenommene dauernde Dienstunfähigkeit nicht ausreichend begründet. Richtig ist allerdings, daß der Begriff der Dienstfähigkeit ein Rechtsbegriff ist und somit die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit im Sinne des § 14 Abs. 1 BDG 1979 vorliegt oder nicht, eine Rechtsfrage darstellt, die von der Dienstbehörde zu entscheiden ist (wenngleich freilich aufgrund eines in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren unter Beiziehung ärztlicher Sachverständiger erhobenen und festgestellten Sachverhaltes). Sofern vor diesem Hintergrund die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides dahin zu verstehen sein sollten, daß sich die belangte Behörde nicht allein auf dieses bzw. diese Sachverständigengutachten gestützt habe, sondern auch entscheidend auf dienstliche Wahrnehmungen der Vorgesetzten des Beschwerdeführers, mangelt es diesbezüglich an ausreichenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid. Der Hinweis auf ein (im übrigen nicht vorliegendes) Schreiben vom 30. November 1997, in welchem der Beschwerdeführer unter anderem beklagt habe, daß sein Amtsvorstand seine Anweisungen nicht befolge, ist für sich allein vorliegendenfalls unzureichend.

Der angefochtene Bescheid leidet somit an wesentlichen Begründungsmängeln, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998120152.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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