TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 98/04/0133

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E06205000;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

11992E177 EGV Art177;
31985L0432 Koordinierungs-RL pharmazeutische Tätigkeiten Art1;
31985L0432 Koordinierungs-RL pharmazeutische Tätigkeiten Art2;
EURallg;
GewO 1994 §373d Abs1;
GewO 1994 §39 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der "I" Erzeugung und Vertrieb pharmazeutischer, chemisch-technischer und kosmetischer Produkte Dr. W Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Juni 1998, Zl. 319.742/1-III/3a/97, betreffend Verweigerung der Genehmigung der Bestellung eines Geschäftsführers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. Juni 1998 gab der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Ansuchen der Beschwerdeführerin um die Genehmigung der Bestellung der von ihr namhaft gemachten Person zum Geschäftsführer bei Ausübung dieses Gewerbes gemäß § 176 Abs. 3 GewO 1994 in Verbindung mit § 39 Abs. 2 und § 16 leg. cit. keine Folge. Nach der vom Bundesminister ausdrücklich übernommenen Begründung des erstbehördlichen Bescheides legte die Beschwerdeführerin zum Nachweis der Befähigung der von ihr namhaft gemachten Person ein Zeugnis über die Verleihung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften vom Fachbereich Pharmazie der Freien Universität Berlin sowie Zeugnisse des Bundesgesundheitsamtes Berlin und der Goethe Aktiengesellschaft Berlin vor. Der Besuch einer einschlägigen Studienrichtung an einer inländischen Universität sei nicht nachgewiesen worden. Dazu führte der Bundesminister weiter aus, das gleichzeitig mit dem EWR-Abkommen am 1. Jänner 1994 in Kraft getretene VI. Hauptstück der Gewerbeordnung 1994 (§§ 373a bis 373h) enthalte jene EWR-Anpassungsbestimmungen, durch die die gewerblich relevanten EG-Regelungen betreffend die internationale Niederlassungsfreiheit und Freiheit des zwischenstaatlichen Dienstleistungsverkehrs in das Gewerberecht implementiert worden seien. Da in Ansehung des Gewerbes der Herstellung von Arzneimitteln in einer nach § 373c GewO 1994 ergangenen Verordnung keine Regelung getroffen worden sei, sei die Bestimmung des § 373d im vorliegenden Fall heranzuziehen. Nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten auf Antrag binnen vier Monaten auszusprechen, ob und inwieweit die vom Antragsteller erworbene Berufsqualifikation im Hinblick auf die Niederlassung in Österreich mit dem Befähigungsnachweis für das in Rede stehende Gewerbe gleichzuhalten sei. Die von der Beschwerdeführerin namhaft gemachte Person habe den Ausspruch einer solchen Gleichhaltung nicht beantragt. Mangels Ausspruch einer derartigen Gleichhaltung seien daher die sich aus der Nichterbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises für die von der Beschwerdeführerin beantragte Genehmigung der Bestellung dieser Person zum Geschäftsführer für die Ausübung ihres gegenständlichen Gewerbes ergebenden Rechtsfolgen nicht beseitigt. Daran vermöge das Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß ab 1. Jänner 1995 auf pharmazeutische Diplome die Richtlinie 85/433/EWG anzuwenden sei, woraus sich ergebe, daß das Studium der namhaft gemachten Person formlos anzuerkennen und die Berechtigung zu erteilen gewesen wäre, nichts zu ändern, da selbst bei Anwendung dieser in der Gewerbeordnung 1994 nicht umgesetzten EWR-Richtlinie die Anerkennung der vom vorgesehenen gewerberechtlichen Geschäftsführer in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Berufsqualifikation einen Antrag dieser Person zur Voraussetzung habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten insofern verletzt, als die belangte Behörde entgegen den Bestimmungen des Art. 2 und des Art. 4 der Richtlinie 85/433/EWG das in Deutschland abgelegte Studium des von ihr namhaft gemachten gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht als mit einem österreichischen gleichwertig anerkannt habe und daher zu Unrecht den Antrag auf Bestellung eines Geschäftsführers wegen des Fehlens des Besuches einer inländischen Universität abgewiesen habe. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, hätte die belangte Behörde festgestellt, daß einziger Mangel für die Nichtgenehmigung als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Nichtbesuch einer inländischen Universität gewesen sei, dann hätte dies rechtlich richtig dahingehend beurteilt werden müssen, daß die Richtlinien 85/432/EWG und 85/433/EWG direkt anzuwenden seien. In diesem Fall wäre das pharmazeutische Diplom des Dr. Langwieder gemäß der Richtlinie 85/433/EWG einem inländischen gleichzuhalten und somit die Genehmigung zu erteilen gewesen Mit der Rechtsansicht, die als gewerberechtlicher Geschäftsführer namhaft gemachte Person hätte sich dem Verfahren nach § 373d Abs. 1 GewO 1994 unterziehen müssen, setze sich die belangte Behörde über das EU-Recht hinweg. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes habe eine Bestimmung einer Richtlinie unmittelbare Wirkung, wenn sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist. Richtig sei, daß in den EWR-Anpassungsbestimmungen der Gewerbeordnung insbesondere im § 373c Abs. 4 der Gewerbeordnung keine Regelung für das Gewerbe der Herstellung von Arzneimitteln getroffen sei. Andererseits sei die Äquivalenzprüfung gemäß § 373d der Gewerbeordnung deshalb nicht vorzunehmen, da auf Grund der Richtlinien 85/432/EWG und 85/433/EWG eine Anerkennungspflicht bestehe. Es werde daher beantragt, zur Frage, ob die Richtlinien 85/432/EWG und 85/433/EWG direkt anzuwenden seien, da sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau seien und somit unmittelbare Wirkung entfalteten, sodaß sich ein Verfahren um Gleichstellung gemäß § 373d Abs. 1 der Gewerbeordnung erübrige, die Vorabentscheidung gemäß Art. 177 EGV begehrt.

Nach Art. 1 der Richtlinie 85/432/EWG stellen die Mitgliedstaaten sicher, daß die Inhaber eines pharmazeutischen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen akademischen oder als gleichwertig anerkannten Befähigungsnachweises, die den Bedingungen des Art. 2 genügen, zumindest (unter anderem) die Tätigkeit der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln aufnehmen und ausüben dürfen, vorbehaltlich des Erfordernisses einer ergänzenden Berufserfahrung.

Art. 2 dieser Richtlinie legt einen umfangreichen Katalog von Mindesterfordernissen fest, von denen die Ausstellung der Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise im Sinne des Art. 1 abhängig zu sein hat.

Gemäß Art. 2 der Richtlinie 85/433/EWG erkennt jeder Mitgliedstaat die in Art. 4 aufgeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach Art. 2 der Richtlinie 85/432/EWG ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Gebiet die gleiche Wirkung in bezug auf die Aufnahme und Ausübung der in Art. 1 genannten Tätigkeiten, wie den von ihm ausgestellten und in Art. 4 aufgeführten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen.

Nach Art. 4 dieser Richtlinie gelten als Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise im Sinne von Art. 2 die im folgenden für die einzelnen Mitgliedsländer genannten Diplome etc. Nach der lit. c dieses Artikels gilt als solcher Nachweis in Deutschland das von den zuständigen Behörden ausgestellte Zeugnis über die staatliche pharmazeutische Prüfung.

Ob es sich bei der zuletzt genannten Richtlinie um eine solche handelt, die im Sinne des Beschwerdevorbringens unmittelbar anzuwenden ist, kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, weil die Beschwerdeführerin zum Nachweis der Befähigung der von ihr als gewerberechtlicher Geschäftsführer namhaft gemachten Person nicht das in Art. 4 lit. c der Richtlinie 85/433/EWG genannte Zeugnis über die staatliche pharmazeutische Prüfung vorgelegt hat, sondern, wie die belangte Behörde in Übereinstimmung mit dem dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akteninhalt festgestellt hat, ein Zeugnis über die Verleihung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften vom Fachbereich Pharmazie der Freien Universität Berlin sowie Zeugnisse des Bundesgesundheitsamtes sowie der Goethe Aktiengesellschaft über eine fachlich einschlägige Tätigkeit.

Die von der Beschwerdeführerin weiters herangezogene Richtlinie 85/432/EWG kann hingegen mit Rücksicht auf ihren oben wiedergegebenen Inhalt keineswegs als unmittelbar anwendbar verstanden werden, bedarf es doch, um beurteilen zu können, ob ein Diplom, Prüfungszeugnis oder ein sonstiger akademischer oder als gleichwertig anerkannter Befähigungsnachweis den in Art. 2 dieser Richtlinie genannten Mindestanforderungen entspricht, einer entsprechenden Prüfung der im jeweiligen Mitgliedsstaat für die Erlangung eines derartigen Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises vorgesehenen Voraussetzungen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, als Voraussetzung der Erbringung des erforderlichen Befähigungsnachweises durch die von der Beschwerdeführerin als gewerberechtlichen Geschäftsführer namhaft gemachte Person hätte es des Ausspruches einer Gleichhaltung im Sinne des § 373d GewO 1994 bedurft, einen Verstoß gegen unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht und damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken.

Da einerseits die Richtlinie 85/433/EWG schon mangels Vorliegens eines entsprechenden Sachverhaltes im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung zu kommen hat und sich andererseits die mangelnde unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie 85/432/EWG in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise aus deren Wortlaut ergibt, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu der in der Beschwerde angeregten Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 177 EGV veranlaßt.

Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, da einerseits die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Aktenlage erkennen läßt, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt und andererseits in der Beschwerde nicht dargetan wird, was die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorzubringen gedachte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040133.X00

Im RIS seit

09.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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