TE Vwgh Beschluss 2019/6/26 Ra 2019/21/0118

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Veröffentlicht am 26.06.2019
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Index

19/05 Menschenrechte
25/02 Strafvollzug
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
BFA-VG 2014 §9 Abs2
FrPolG 2005 §52
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
MRK Art8
StVG §126 Abs3
StVG §156b

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des A R in R, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Juni 2018, G306 2180434-1/11E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot und Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Republik Kosovo, reiste erstmals im Jahr 1991 damals vierzehnjährig - gemeinsam mit seinem Vater - in das österreichische Bundesgebiet ein. Er beendete hier die Grundschule und arbeitete nach nicht abgeschlossener Lehre zuletzt als Gehilfe eines Forstarbeiters. Im Jahr 2000 erlitt der Revisionswerber bei der genannten Tätigkeit einen Arbeitsunfall, der eine Querschnittlähmung und deshalb seine gänzliche Erwerbsunfähigkeit zur Folge hatte.

2 Der Revisionswerber hielt sich von 2003 bis 2014 durchgehend im Kosovo auf, wo er den elterlichen Steinbruchbetrieb leitete. Danach kehrte er wieder nach Österreich zurück. Er verfügte bis zum 17. Juli 2016 über einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus"; diesbezüglich stellte er keinen Verlängerungsantrag. Der Revisionswerber ist seit 1996 mit einer in Österreich daueraufenthaltsberechtigten kosovarischen Staatsangehörigen verheiratet. Der Beziehung entstammen vier minderjährige Kinder, geboren in den Jahren 2000, 2002, 2013 und 2015.

3 Der Revisionswerber wurde aufgrund eines vom Landesgericht Korneuburg erlassenen internationalen Haftbefehls am 21. November 2016 in Mazedonien festgenommen und nach Österreich überstellt, wo er anschließend in Untersuchungshaft genommen wurde. Er wurde sodann mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 30. März 2017 wegen des Verbrechens der (gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangenen) Schlepperei nach § 114 Abs. 1 und 3 Z 1 und 2 sowie Abs. 4 erster Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Diese Freiheitsstrafe verbüßte der Revisionswerber ab 7. Dezember 2017 in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes. Nach der Aktenlage wurde der Revisionswerber aus der Strafhaft am 20. Juli 2018 bedingt entlassen.

4 Mit dem genannten Strafurteil wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zusammen mit Mittätern rechtswidrig die Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder die anderen Mitglieder der kriminellen Organisation durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er von Februar 2015 bis Anfang März 2016 im Auftrag von näher genannten Personen für ein Entgelt von zumindest EUR 600,-- pro Fahrt zumindest 60 Schlepperfahrten für insgesamt zumindest 600 Fremde von der ungarisch-serbischen Grenze nach Wien in einem dem Schlepperkonvoi vorausfahrenden Fahrzeug begleitet, die nachkommenden Fahrzeuge vor Polizeikontrollen gewarnt und darüber hinaus Fahrer für diese Fahrten rekrutiert sowie an der Auskundschaftung neuer Schlepperrouten für die kriminelle Vereinigung von der Ukraine nach Westeuropa teilgenommen habe. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass sich der Revisionswerber aufgrund seiner schlechten finanziellen Verhältnisse im Februar 2015 entschloss, sich einer seit mehreren Jahren zur Durchführung von entgeltlichen Schlepperfahrten bestehenden kriminellen Organisation anzuschließen und sich durch die wiederkehrende Verbringung von Fremden vorwiegend von Ungarn nach Österreich oder durch Österreich eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. In Umsetzung dieses Tatplanes beging der Revisionswerber dann die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Straftaten. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht die Vielzahl der Fakten als erschwerend, mildernd hingegen das Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit.

5 Angesichts dieser Straftaten sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 20. November 2017 zunächst aus, dass dem Revisionswerber (von Amts wegen) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 1 Z 1 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung "nach Kosovo" zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber noch ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt werde.

6 Im Hinblick auf die dagegen erhobene Beschwerde erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ihr mit Beschluss vom 25. April 2018 zunächst gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Juni 2018 gab das BVwG, nachdem es am 29. Mai 2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt hatte, der Beschwerde insoweit statt, als die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt und eine Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ab Rechtskraft dieser Entscheidung gewährt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG noch aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Soweit der - nach Ablehnung der Behandlung und Abtretung der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde (Beschluss vom 25. Februar 2019, E 2964/2018-5) fristgerecht eingebrachten - Revision diesbezügliche Ausführungen überhaupt zu entnehmen sind, lassen sie sich dahin zusammenfassen, dass das BVwG nach Ansicht des Revisionswerbers sowohl in Bezug auf die erstellte Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eine unvertretbare grobe Fehlbeurteilung vorgenommen habe.

10 Das BVwG legte seiner Entscheidung in Bezug auf die Bestätigung des Einreiseverbotes im Ergebnis zugrunde, das strafrechtliche Fehlverhalten des Revisionswerbers rechtfertige die Annahme, sein (weiterer) Aufenthalt stelle im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Als bestimmte, diese Gefährdungsannahme rechtfertigende Tatsache gilt gemäß Z 1 der genannten Bestimmung (u.a.), wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist, und gemäß Z 4 der genannten Bestimmung, wenn ein Drittstaatsangehöriger wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne des FPG, also etwa nach § 114 FPG wegen Schlepperei, rechtskräftig verurteilt worden ist. Im gegenständlichen Fall liegen beide genannten Voraussetzungen insoweit in besonderer Weise vor, als der Revisionswerber sogar zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren und überdies wegen in qualifizierter Form - gewerbsmäßig als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in Bezug auf eine überaus große Zahl von Geschleppten über einen langen Deliktszeitraum und in vielfacher Wiederholung - begangener Schlepperei rechtskräftig verurteilt wurde. Von daher war die Gefährdungsprognose jedenfalls gerechtfertigt.

11 Das wird in der Revision außer Acht gelassen. Sie bekämpft erkennbar deren Aktualität, indem sie einerseits auf das schon bei der ersten Beschuldigtenvernehmung abgelegte umfassende Geständnis des Revisionswerbers und andererseits auf seine Äußerung in der mündlichen Verhandlung verweist, seine Taten seien "ein großer Fehler" gewesen. Des Weiteren wird ins Treffen geführt, bei Genehmigung des elektronisch überwachten Hausarrestes habe die Strafvollzugsbehörde eine günstige Zukunftsprognose erstellt; ebenso sei das Vollzugsgericht bei der Bewilligung der bedingten Entlassung von einem künftigen Wohlverhalten des Revisionswerbers ausgegangen. Sie hätten somit unterstellt, dass der Revisionswerber keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Derselbe Maßstab sei bei der Erlassung des Einreiseverbotes heranzuziehen. Das BVwG habe es jedoch unterlassen, sich mit dem Umstand, dass vorab bereits das Strafvollzugsgericht und eine Strafvollzugsbehörde eine günstige Gefährdungsprognose angenommen hätten, hinreichend auseinanderzusetzen, wobei es zudem "die Einheitlichkeit der Rechtsordnung" zu beachten gehabt hätte.

12 Diese Ausführungen überzeugen nicht und lassen maßgebliche, schon seit vielen Jahren bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den damit angesprochenen Fragen außer Acht. So hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt klargestellt, dass sich aus dem Status eines Strafhäftlings als "Freigänger" keine maßgebliche Minderung der sich aus dem strafbaren Verhalten ergebenden Gefährdung ableiten lässt (siehe VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, Rn. 30, mwN). Das gilt sinngemäß auch für die Bewilligung der Strafverbüßung in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes. Es ist nämlich ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe -

in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (siehe aus der letzten Zeit etwa VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0060, Rn. 11, mwN). Von einer solchen nachdrücklichen Manifestierung der Gefährlichkeit durfte das BVwG der Sache nach angesichts der hier gegebenen qualifizierenden Umstände der vom Revisionswerber begangenen Schlepperei im vorliegenden Fall ausgehen, sodass es jedenfalls nicht deren bereits eingetretenen Wegfall annehmen musste, zumal sich der Revisionswerber im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung auch noch in Strafhaft befand. Im Übrigen ist es ebenfalls ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über bedingte Strafnachsichten oder eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, zu beurteilen ist (vgl. etwa VwGH 8.9.2009, 2008/21/0600, mwN, und daran anschließend beispielsweise auch VwGH 29.4.2010, 2010/21/0096).

13 In der Revision wird dann auch noch auf die familiäre Situation und die Auswirkungen einer Trennung hingewiesen. Darauf nahm das BVwG aber bei der nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung ohnehin Bedacht. Es kam jedoch zu dem - jedenfalls vertretbaren - Ergebnis, der Revisionswerber und seine Angehörigen hätten eine vorübergehende Trennung, die im Übrigen auch in der Vergangenheit über viele Jahre freiwillig während des Aufenthalts des Revisionswerbers im Kosovo und während seiner Flucht vor den Strafverfolgungsbehörden sowie anschließend während der Strafhaft bestanden habe, im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung seines Aufenthalts in Österreich in Kauf zu nehmen. Dabei durfte das BVwG - im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa VwGH 24.1.2013, 2010/21/0523, mwN) - zu Recht davon ausgehen, dass der Bekämpfung der Schlepperei, noch dazu in der hier vorliegenden mehrfach qualifizierten Form, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Angesichts dessen stellt sich die in der Revision auch noch erörterte Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens im Kosovo nicht. 14 Die Revision zeigt somit insgesamt keine ihre Zulässigkeit begründende, für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 26. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210118.L00

Im RIS seit

27.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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