TE Vwgh Erkenntnis 2019/6/26 Ra 2019/21/0101

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.06.2019
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
VwGG §34 Abs1a
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §24

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des H D in L, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichte s vom 20. März 2019, L504 2199847-1/3E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt einem befristeten Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der 1989 geborene Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, hielt sich im Rahmen des Familiennachzugs bereits im Zeitraum Oktober 2002 bis Oktober 2007 mit entsprechenden Aufenthaltstiteln in Österreich auf. Er kehrte jedoch infolge eines gegen ihn im September 2007 erlassenen dreijährigen Aufenthaltsverbots wieder in die Türkei zurück. 2 Der Revisionswerber ist auf Basis einer ihm im Juni 2015 erteilten "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erneut nach Österreich gekommen, um hier mit seiner Ehefrau - die Ehe wurde den Angaben des Revisionswerbers zufolge Anfang 2018 geschieden - zusammenzuleben. In Bezug auf den genannten Aufenthaltstitel stellte der Revisionswerber am 2. Juni 2017 rechtzeitig vor Ablauf der letzten Gültigkeit einen Verlängerungsantrag. Er lebt nunmehr mit seiner Mutter - der Vater ist bereits verstorben - in einem gemeinsamen Haushalt.

3 Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Februar 2017 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Dem Schuldspruch liegt zugrunde, der Revisionswerber habe durch Vortäuschung seiner Rückzahlungsfähigkeit mit Bereicherungsvorsatz Verfügungsberechtigte einer näher genannten Bank zur Auszahlung von sogenannten "Schnellkrediten" verleitet, und zwar am 11. Mai 2016 in der effektiven Höhe von ca. EUR 12.300,-- und am 22. Juni 2016 in der Höhe von EUR 13.000,-

-. Das Strafgericht wertete das reumütige Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit als mildernd, erschwerend hingegen keinen Umstand.

4 Wegen dieser Straftaten leitete die Niederlassungsbehörde aus Anlass des erwähnten Verlängerungsantrages vom 2. Juni 2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nach § 25 Abs. 1 NAG ein.

5 Nachdem der Revisionswerber dazu am 27. März 2018 vernommen worden war, erließ das BFA sodann gegen ihn mit Bescheid vom 8. Mai 2018 gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber unter einem noch ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot.

6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. März 2019 "mit der Maßgabe" als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabgesetzt werde. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen hat:

8 Das BVwG legte seiner Entscheidung in Bezug auf die Bestätigung des Einreiseverbotes im Ergebnis zugrunde, das strafrechtliche Fehlverhalten des Revisionswerbers rechtfertige die Annahme, sein (weiterer) Aufenthalt stelle im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Als bestimmte, diese Gefährdungsannahme rechtfertigende Tatsache gilt gemäß Z 1 der genannten Bestimmung (u.a.), wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist. Der genannte Tatbestand wurde im vorliegenden Fall somit gerade noch verwirklicht, was das BVwG im Rahmen der für geboten erachteten Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes auch berücksichtigte. Außerdem legte das BVwG bei der nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung zugrunde, dass sich der Revisionswerber seit der Begehung der in Rede stehenden Straftaten - somit fast drei Jahre lang - wohlverhalten habe, sein Fehlverhalten "bedaure" und um Schadensgutmachung bemüht sei. Darüber hinaus folgte es dem Vorbringen in der Beschwerde, die gesamte Familie des Revisionswerbers (Mutter und zwei Schwestern samt Angehörige) halte sich in Linz auf und hier habe sich sein Privatleben "verfestigt". Überdies ging das BVwG davon aus, dass der Revisionswerber, unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, immer wieder eine Beschäftigung ausübt. 9 Vor diesem Hintergrund durfte das BVwG aber nicht davon ausgehen, in einer solchen Konstellation liege ein eindeutiger Fall vor, der es ihm ausnahmsweise erlaube, von der Durchführung der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen (siehe aus der ständigen Rechtsprechung zur Verhandlungspflicht bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen des Näheren VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316, Rn. 7, unter Bezugnahme v. a. auf VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289, Rn. 15 iVm Rn. 12, mwN; vgl. in diesem Sinn auch noch VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0081, Rn. 16, und VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0040, Rn. 13, sowie aus der letzten Zeit noch VwGH 7.3.2019, Ra 2018/21/0097, Rn. 21 und 22). 10 Das macht die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Ergebnis zutreffend geltend, weshalb sie sich nicht nur - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG - unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig, sondern auch als berechtigt erweist. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

11 Der Kostenzuspruch gründet sich die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210101.L00

Im RIS seit

06.09.2019

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten