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95/08 Sonstige Angelegenheiten der Technik;Norm
IngG 1990 §4 Abs1 Z1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des P K in W, vertreten durch Mag. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Juli 1998, Zl. 91.508/3473-III/7/98, betreffend Verweigerung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur", zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 29. Juli 1998 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den Antrag des Beschwerdeführers um Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" vom 16. Dezember 1997 mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z. 1 des Ingenieurgesetzes 1990 ab. In der Begründung führte der Bundesminister aus, der Beschwerdeführer habe am 4. Juni 1986 die Reifeprüfung an einer Höheren technischen Lehranstalt, Fachgebiet Maschinenbau-Betriebstechnik, abgelegt. An Berufspraxis habe er durch die Vorlage entsprechender Dienstgeberbestätigungen Tätigkeiten seit dem 1. Oktober 1988 bei einem Unternehmen, das sich mit Dachbegrünung, Flachdachisolierung, Bau- und Galanteriespenglerei befasse, sowie seit 1. Jänner 1994 bei einem anderen, mit Dachbau befaßten Unternehmen geltend gemacht. Letzteres Unternehmen besitze die Gewerbeberechtigungen für Dachdeckerei, Spenglerei, Flachdachisolierungen, Zimmerei. Der Beschwerdeführer sei als Leiter der Abteilung Spenglerei mit der besonderen Befugnis der für diese Abteilung abgewandelten Kostenrechnung und Kostenertragsrechnung für die Deckungsbeitragsrechnung sowie mit den Aufgabenbereichen Nachkalkulation der erledigten Aufträge, Anpassung der Soll-Istvergleichsrechnung betraut. Das andere Unternehmen befasse sich mit Bau- und Galanteriespenglereiarbeiten, Flachdach- und Terrassensiolierungen, Dachbegrünungen, metallischen Fassadenverkleidungen und Fassadenbau. Der Beschwerdeführer sei in der Abteilung Arbeitsvorbereitung, Betriebsorganisation, Montageabteilung mit folgenden Tätigkeiten betraut:
1.
Aufbau einer innerbetrieblichen Kostenrechnung mit Kostenstellen und Kostenträgern, fortlaufendes Controlling der Kosten und Erstellen von Monatsberichten.
2.
Aufbauen von Profitcenter in der Organisation, um eine flexiblere Organisation zu schaffen.
3.
Einführung und Wartung der EDV für Kostenvoranschläge, Rechnungen, Material- und Zeiterfassung.
4.
Erstellen und Durchführen eines Interneteinstieges für Präsentationszwecke und Bestellungen im Wartungs- und Reparaturbereich.
5.
Konstruieren von Zusatzwerkzeugen und Vorrichtungen für Stanzen, Leiternlifte und Gerüste.
6.
Erstellen von Verlegepläne, Stücklisten und Detailplänen für Blechfassaden in verschiedenen Produktlinien.
7.
Arbeitsvorbereitung mit Disposition der Lagerbestände und des Fuhrparks.
8.
Leiten und Abhalten von periodischen Arbeitskreisen über aktuelle Themen wie Ausarbeiten von Details für Großprojekte, Erstellen von Leitbildern für die Firma, Umorganisation des internen Arbeitsablaufes und Analyse des Ablaufes.
9.
Controlling im Bereich Kostenrechnung und Baustellenabrechnung.
Aus diesem Sachverhalt leitete der Bundesminister in rechtlicher Hinsicht ab, Spenglereibetriebe könnten auf die Bereiche Bauspenglerei, Lüftungsspenglerei, Autospenglerei und Galanteriespenglerei spezialisiert sein. Der Aufgabenbereich umfasse die Herstellung von Halb- und Fertigprodukten aus Metallblechen (z. B. Aluminium- oder Kupferbleche) sowie die Durchführung von Montage, Instandhaltung und Reparatur der Produkte. Bauspengler seien z. B. als Spengler im Dach- und Fassadenbau tätig. Sie stellten Dachverblechungen, Dachrinnen, Ablaufrohre usw. her. Sie montierten die erzeugten Produkte und führten auch Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten durch. Galanteriespengler stellten Gebrauchs- und Ziergegenstände (z. B. Wasserkannen, Kessel, Wannen, Wetterhähne, Ziersimse, Kuppeldächer) her. Weiters montierten sie Ziergegenstände und Einfassungen auf Dächern und Fassaden. Höhere Fachkenntnisse im Umfang der HTL-Ausbildung seien für diese handwerklichen Verrichtungen nicht erforderlich. Die Vornahme dieser Tätigkeiten erfordere nur Fachkenntnisse, wie sie während der gewerblichen Berufsausbildung nach dem Berufsausbildungsgesetz vermittelt würden, für die Tätigkeiten in leitender Funktion allenfalls Kenntnisse, wie sie durch die Werkmeisterschule vermittelt würden. Dies werde umso deutlicher, als der Gesetzgeber höhere Fachkenntnisse im Umfang der HTL-Ausbildung zur Führung von Spenglereibetrieben nicht als notwendig erachte, widrigenfalls die Gewerbeordnung eine entsprechende Bestimmung aufweisen würde. Demzufolge seien die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Arbeiten als dem in Rede stehenden Gewerbe eigentümlich zu bezeichnen und entsprächen vollinhaltlich dem Berufsbild des Bau- und Galanteriespenglers, weshalb sie nicht als Praxis im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b des Ingenieurgesetzes 1990 berücksichtigt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Verleihung der Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht er geltend, die belangte Behörde unternehme gar nicht den Versuch, sich mit den von ihm angegebenen Tätigkeiten auseinanderzusetzen. Statt dessen beschäftige sie sich ganz generell mit der Frage, welche Tätigkeitsbereiche ein Spenglereibetrieb umfasse. Im Anschluß würden die von der Behörde angegebenen Tätigkeiten pauschal und ohne Begründung zu einfachen Tätigkeiten degradiert. Der Ansicht der belangten Behörde, es sei für einen Spenglereibetrieb eine HTL-Ausbildung nicht notwendig, könne nicht gefolgt werden. Der alleinige Umstand, daß keine HTL-Ausbildung notwendig sei, schließe nicht aus, daß in einem derartigen Unternehmen "höhere Tätigkeiten" ausgeübt würden. Auch aus der Gewerbeordnung ergebe sich bereits, daß Erzeugungsgewerbebetriebe und somit auch Spengler zur Ausübung typischer Ingenieurtätigkeiten berechtigt seien. Hier sei insbesondere auf § 32 a GewO 1994 verwiesen, wonach neben Technischen Büros nur die Erzeuger zur Prüfung und Überwachung von Anlagen, Einrichtungen und Gegenständen befugt seien. Weiters sei im § 33 Z. 1 GewO 1994 das Recht der Erzeuger zur Planung verankert. Im Zuge der Ausübung dieser Rechte fielen höher qualifizierte Tätigkeiten an. Bei der Ausübung des Spenglergewerbes könnten daher durchaus höher qualifizierte, ingenieurmäßige Leistungen anfallen und es seien solche im gegenständlichen Fall auch tatsächlich erbracht worden. Die vom Beschwerdeführer verrichteten und von der belangten Behörde festgestellten Tätigkeiten seien auch als höherwertig im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 sowie im Sinne des § 2 der Durchführungsverordnung zum Ingenieurgesetz zu qualifizieren. Abgesehen davon gehe § 2 dieser Verordnung davon aus, daß nicht sämtliche ausgeübten Tätigkeiten höhere Fachkenntnisse voraussetzen müßten, sondern daß dies nur im überwiegenden Maß der Fall sein müsse. Das sei hier der Fall. Die belangte Behörde unterlasse auch jegliche Bewertung in zeitlicher Hinsicht. Während das Gesetz lediglich eine dreijährige Berufspraxis verlange, habe der Beschwerdeführer bis zur Antragstellung eine mehr als neunjährige Berufspraxis in einschlägigen Bereichen absolviert, darüber hinaus nahezu vier Jahre in zwei verschiedenen Betrieben parallel. Selbst wenn in einzelnen Tätigkeitsfeldern die Behörde zu Recht der Meinung wäre, die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit sei nur in zeitlich geringerem Ausmaß als höherwertige Tätigkeit anzusehen, so sei dies jedenfalls durch die lange Dauer der beruflichen Tätigkeit über nahezu ein Jahrzehnt mehr als kompensiert. Die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit der vom Beschwerdeführer nachgewiesenen besonderen Befugnis der selbständigen Auftragsabwicklung von der Baustellenaufnahme bis zur Kollaudierung sowie der selbständigen Leitung der Montageabteilung Fassadenbau mit Detailplanung auseinanderzusetzen. Hätte sie dies getan, wäre sie zum Ergebnis gekommen, daß es sich dabei um eine höherwertige Tätigkeit im Sinne des Ingenieurgesetzes handle. Die belangte Behörde begründe auch sonst nicht, warum die in einer Spenglerei anfallenden Tätigkeiten nicht höherwertig seien. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, daß die belangte Behörde ihre maßgeblichen Feststellungen abweichend vom Akteninhalt und von den zentralen Angaben des Beschwerdeführers getroffen habe, indem sie ihre Feststellungen ausschließlich auf die abstrakte Situation in einer Spenglerei bezogen habe, ohne auf die konkrete Situation im vorliegenden Fall einzugehen.
Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 Ingenieurgesetz 1990 ist die Berechtigung zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur" Personen zu verleihen, die
a) die Reifeprüfung nach dem Lehrplan inländischer höherer technischer oder höherer land- und forstwirtschaftlicher Lehranstalten erfolgreich abgelegt und
b) eine mindestens dreijährige Berufspraxis absolviert haben, die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet voraussetzt, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.
Nach § 2 der zum Ingenieurgesetz ergangenen Durchführungsverordnung BGBl. Nr. 244/1991 ist eine berufliche Tätigkeit anzurechnen, wenn sie erlaubt und selbständig oder in einem Dienstverhältnis ausgeübt wurde und "in überwiegendem Maße" höhere Fachkenntnisse des Fachgebietes voraussetzt.
Der belangten Behörde ist zwar zuzugestehen, daß Tätigkeiten, die typischerweise im Rahmen eines Gewerbes ausgeführt werden, für dessen Antritt nicht eine entsprechende höhere Ausbildung gefordert wird, in der Regel nicht als höherwertige Tätigkeiten im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 angesehen werden können. Dies schließt aber nicht aus, daß im Rahmen eines solchen Gewerbebetriebes tatsächlich Tätigkeiten verrichtet werden, die derartige höhere Fachkenntnisse erfordern.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch ohne nähere Begründung nicht der Ansicht der belangten Behörde zu folgen, die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Tätigkeiten seien als solche dem Gewerbe eigentümliche Tätigkeiten zu bezeichnen, für die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet, auf dem der Beschwerdeführer seine Reifeprüfung abgelegt hat, nicht erforderlich sind. Dies umso weniger, als ein Großteil der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Tätigkeiten (z. B. Aufbau einer innerbetrieblichen Kostenrechnung, fortlaufendes Controlling der Kosten; Aufbauen von Profitcenter in der Organisation; Einführung und Wartung der EDV für Kostenvoranschläge etc.; Erstellen und Durchführen eines Interneteinstieges; Konstruieren von Zusatzwerkzeugen und Vorrichtungen) in den von der belangten Behörde dargestellten typischen Tätigkeiten eines Spenglereibetriebes keine Deckung finden.
Es hätte daher, sofern die belangte Behörde nicht schon anhand der Schilderung der Tätigkeiten des Beschwerdeführers in den von ihm vorgelegten Unterlagen zum Ergebnis kommen konnte, es handle sich um Tätigkeiten, für die höhere Fachkenntnisse auf dem Fachgebiet erforderlich waren, auf dem der Beschwerdeführer seine Reifeprüfung abgelegt hat, - unter Inanspruchnahme der Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers - genauerer Ermittlungen über die tatsächliche berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers bedurft, damit das so gewonnene Ermittlungsergebnis den der vom Beschwerdeführer abgelegten Reifeprüfung zugrunde liegenden Ausbildungsgegenständen gegenübergestellt werden kann, um so beurteilen zu können, ob es sich um höhere Fachkenntnisse im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 lit. b Ingenieurgesetz 1990 handelt, die auch dem Fachgebiet entsprechen, auf dem die Reifeprüfung abgelegt wurde.
Da die belangte Behörde derartige Feststellungen unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998040173.X00Im RIS seit
18.02.2002