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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des C W, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2019, W196 2212765-1/6E, betreffend Aberkennung des Status des Asylberechtigten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem im Jahr 1994 geborenen Revisionswerber, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation und Angehörigen der Volksgruppe der Tschetschenen, wurde mit Bescheid vom 30. September 2003 (im Wege der Asylerstreckung nach § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997) der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. 2 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. September 2016 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des teilweise versuchten, teilweise vollendeten Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 2 u. Abs. 2 Z 1, 130 Abs. 2 und 15 StGB (Jugendstraftat) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei zwölf Monate für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 30. März 2017 wurde er wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB verurteilt, von der Verhängung einer Zusatzstrafe jedoch abgesehen.
3 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. Mai 2018 wurde der Revisionswerber des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs. 2 StGB, des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a StGB, des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB (teilweise in Form der Beitragstäterschaft) und des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung nach § 278d Abs. 1a Z 2 StGB rechtskräftig für schuldig erkannt. Hiefür wurde er - nach Berufung gegen die zunächst verhängte Strafe - mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 9. Oktober 2018 unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 19. September 2016 und des Bezirksgerichtes Graz-West vom 30. März 2017 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
4 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18. Dezember 2018 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden dem Revisionswerber nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Unter einem wurde ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.
5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Begründend führte das BVwG aus, der Verurteilung des Revisionswerbers mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16. Mai 2018 sei zugrunde gelegen, dass der Revisionswerber sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen habe. Er habe den RD bei dessen Ausreise nach Syrien, wo RD an den Kämpfern des IS teilgenommen habe, unterstützt. In der Folge habe der Revisionswerber sich in Österreich als RD gegenüber dessen Hausarzt sowie den Mitarbeitern der Gebietskrankenkasse und des Arbeitsmarktservice ausgegeben und dadurch diese Personen zur Übergabe von Medikamenten, bzw. die Auszahlung von Rehabilitationsgeld von EUR 7.254,24 und Notstandshilfe von EUR 3.009,30 verleitet. Diese Mittel habe der Revisionswerber dem RD übermittelt, um dessen Tätigkeit für den IS in Syrien zu fördern. Er habe gewusst, welche (näher genannten) Verbrechen der IS begehe.
7 Das BVwG erachtete die vom Revisionswerber gesetzte Tat als - sowohl objektiv, als auch subjektiv - besonders schweres Verbrechen und nahm eine näher begründete Gefährdungsprognose vor, im Zuge derer es auch davon ausging, dass das Verhalten des Revisionswerbers insgesamt - so etwa auch durch den Besuch einschlägiger Veranstaltungen in Moscheen - den Schluss zulasse, dass er die Ideologie des IS teile. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 erachtete das BVwG daher als erfüllt. Bei einer Rückkehr in die großen Städte der Russischen Föderation drohe dem Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgung und bestehe kein reales Risiko einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK. Die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sei dem Revisionswerber - unter Berücksichtigung der festgestellten Lage im Land - auch zumutbar. Das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung überwiege unter Berücksichtigung der - näher festgestellten - persönlichen Verhältnisse des (aktuell in Strafhaft befindlichen) Revisionswerbers seine Interessen am Verbleib im Inland. Das Einreiseverbot gründete das BVwG auf § 53 Abs. 3 Z 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 bzw. die vom Revisionswerber ausgehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe nicht begründet, weshalb keine "erhebliche Rechtsfrage" vorliege. Dies trifft insofern nicht zu, als das BVwG im Einzelnen dargelegt hat, auf welche Rechtsprechung bzw. welche einzelnen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes sich sein Erkenntnis stützt, und zur Begründung seines Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG darauf verwiesen hat, dass daher keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen gewesen sei. 12 Überdies führt selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe. An der gesonderten Darlegung dieser Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, war der Revisionswerber nicht gehindert (vgl. etwa VwGH 26.3.2019, Ra 2019/19/0075, mwN).
13 Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird in der Revision weiters vorgebracht, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es das vorgelegte Schriftstück des Vereins D, wonach der Revisionswerber "keiner jihadistisch-salafistischen Gewalttheologie" anhänge, nicht ausreichend berücksichtigt bzw. diesem keinen Beweiswert zugemessen habe. Es widerspreche aber der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 25.4.2014, 2013/21/0236) "im Verfahren vorgelegten Urkunden generell den Beweiswert abzusprechen".
14 Entgegen diesem Vorbringen hat das BVwG sich mit dem genannten Schreiben des Vereines D vom 19. Juni 2018 auseinandergesetzt, in Hinblick auf die strafgerichtlichen Verurteilungen, die eigenen Angaben des Revisionswerbers im Verfahren sowie sein sonstiges Verhalten aber dennoch angenommen, dass der Revisionswerber eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Eine Fälschung des Schreibens hat das BVwG nicht unterstellt. Das in der Revision zitierte Erkenntnis (VwGH 2013/21/0236), in dem ausgesprochen wurde, der allgemeine Verdacht, dass im Herkunftsstaat (falsche) Bestätigungen "sehr leicht gegen Bezahlung zu erhalten" seien, sei nicht ausreichend, um Urkunden den Beweiswert generell abzusprechen, ist daher im vorliegenden Fall nicht einschlägig. 15 Die Revision macht in ihrem Zulässigkeitsvorbringen im Übrigen geltend, "die Gefährdungsprognose" des BVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das BVwG nicht "das gesamte Verhalten" des Revisionswerbers berücksichtigt habe. Das BVwG habe es insbesondere unterlassen, sich mit den näheren Umständen und Gründen der der Verurteilung nach §§ 278a, 278b Abs. 2 und 278d StGB zugrundeliegenden Straftaten - der Revisionswerber habe lediglich einen Jugendfreund unterstützt - bzw. den Milderungsgründen auseinanderzusetzen und den ordentlichen Lebenswandel des Revisionswerbers vor Tatbegehung zu berücksichtigen.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel. Das hat sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose bzw. für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots Geltung (vgl. VwGH 7.5.2019, Ra 2019/14/0171, mwN). Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit einer Beurteilung nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vorzunehmende Gefährdungsprognose (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0531, mwN). 17 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass im Rahmen einer Gefährdungsprognose nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2018/19/0014). Von dieser Rechtsprechung ist das BVwG nicht abgewichen, hat es doch Feststellungen zu den Straftaten des Revisionswerbers bzw. den Umständen der Taten und den Milderungsgründen getroffen und sich mit der Persönlichkeit des Revisionswerbers bzw. - auf dieser Grundlage - mit der von ihm ausgehenden künftigen Gefährdung auseinandergesetzt. 18 Auch den Lebenswandel des Revisionswerbers vor Begehung der Straftaten bzw. seine soziale sowie - nach Abbruch einer Lehre und längerer Strafhaft nur gering ausgeprägte - berufliche Integration hat das BVwG berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Gefährdungsprognose nicht auf verfahrensrechtlich einwandfreier Grundlage bzw. unvertretbar erfolgt wäre (vgl. im Übrigen dazu, dass bei besonders schweren Verbrechen selbst eine vollkommene soziale Integration im Inland einem Einreiseverbot nicht entgegen steht VwGH 25.2.2016, Ra 2016/21/0022, mwN).
19 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Juli 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190186.L00Im RIS seit
13.08.2019Zuletzt aktualisiert am
13.08.2019