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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Tir RaumOG 1994, insoweit ihm nicht durch die Tir RaumOG-Nov 1996, LGBl 4, derogiert wurde, und der Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Tir RaumOG 1994, insoweit ihm durch die Tir RaumOG-Nov 1996 derogiert wurde, mit E v 28.11.96, G195/96 ua.Spruch
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die zu B2894/95 und B1245/96 mit jeweils S 19.800,--, zu B654/96 und B1924/96 mit jeweils S 27.000,--, im übrigen aber mit jeweils S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer meldeten jeweils gemäß §16 Abs1 des Gesetzes vom 6. Juli 1993 über die Raumordnung in Tirol (Tiroler Raumordnungsgesetz 1994), LGBl. 81/1993 (im folgenden: TROG 1994), Wohnungen bzw. Wohnhäuser als Freizeitwohnsitze an. Der Bürgermeister als Behörde I. Instanz stellte in der Folge jeweils mit Bescheid gemäß §16 Abs2 leg.cit. fest, daß die angemeldeten Wohnsitze weiterhin als Freizeitwohnsitze verwendet werden dürften und daß sie zur ganzjährigen Wohnnutzung geeignet seien.
Gegen diese Bescheide brachten die Beschwerdeführer jeweils Berufung ein, in denen sie - zusammengefaßt - die erstinstanzlichen Bescheide im Umfange der Feststellung der Eignung zur ganzjährigen Wohnnutzung bekämpften.
Mit den vorliegend angefochtenen Bescheiden der Tiroler Landesregierung wurden diese Berufungen als unbegründet abgewiesen. Im einzelnen wurde jeweils dargetan, aus welchen Gründen die belangte Behörde die Freizeitwohnsitze als ganzjährig benützbar erachtet; in den zu B1245/96, B2274/96, B2439/96, B2440/96 und B2678/96 bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde überdies darauf hin, daß infolge Teilbarkeit der Bescheidteile die Bescheide I. Instanz im Hinblick auf die Feststellung der Zulässigkeit der weiteren Verwendung als Freizeitwohnsitz in Rechtskraft erwachsen seien, sodaß Verfahrensgegenstand im Berufungsverfahren ausschließlich die Feststellung der Eignung der ganzjährigen Wohnnutzung sei.
2. In ihren gegen diese Bescheide gerichteten, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erachten sich die beschwerdeführenden Parteien in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bzw. wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt und begehren die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
3. Die belangte Behörde hat jeweils die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Juni 1996, B1952/95, sowie über Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 B-VG das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen des TROG 1994 in der Fassung der Kundmachungen LGBl. für Tirol 6/1995 und 68/1995 ein. Mit Erkenntnis vom 28. November 1996, G195/96 ua., hat er ausgesprochen, daß das TROG 1994 insoweit als verfassungswidrig aufgehoben wird, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996, derogiert wurde; ferner, daß das TROG 1994 insoweit verfassungswidrig war, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. für Tirol 4/1996, derogiert worden sei.
III. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG
wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).
2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G195/96 ua. begann am 28. November 1996. Die vorliegenden Beschwerden sind bereits zuvor beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig.
Nach dem Gesagten sind die Fälle daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide das als verfassungswidrig befundene TROG 1994 an. Es ist nach Lage der Fälle nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführenden Parteien durch die bekämpften Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt wurden, sowie daß die Bescheide aufgehoben werden (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985, VfGH 27.11.1995, B314/95).
IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zu B2894/95 und B1245/96 zugesprochenen Kosten ist jeweils Streitgenossenzuschlag in Höhe von S 1.500,-- und Umsatzsteuer von S 3.300,--, in den zu B654/96 und B1924/96 zugesprochenen Kosten Streitgenossenzuschlag in Höhe von S 7.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von S 4.500,--, im übrigen aber Umsatzsteuer in Höhe von
S 3.000,-- enthalten. Kosten für Stempelmarken waren nicht zuzusprechen, da sie durch den Pauschalsatz abgegolten werden.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B2021.1995Dokumentnummer
JFT_10038790_95B02021_00