TE Vwgh Erkenntnis 2019/7/15 Ra 2017/11/0254

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Veröffentlicht am 15.07.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
68/01 Behinderteneinstellung

Norm

AVG §52
BEinstG §14 Abs1
BEinstG §2
MRK Art6
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §24
VwGVG 2014 §24 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Mag. K K in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Februar 2017, Zl. W115 2002557- 1/22E, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Landesstelle Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 14. Juni 2013 wies die belangte Behörde einen Antrag der Revisionswerberin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab, da der Grad der Behinderung lediglich 20% betrage.

2 Mit dem angefochtenen, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde abgewiesen und der Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Grad der Behinderung 40% betrage. Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vorgelegte (außerordentliche) Revision, in der eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend gemacht wird.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht entgegen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat.

Die Revision ist auch begründet.

5 Das Verwaltungsgericht begründete sein Erkenntnis nach Darstellung der von der belangten Behörde, weiters von der damals zuständigen Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten sowie schließlich vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten, zu denen jeweils schriftliches Parteiengehör eingeräumt worden sei, im Wesentlichen damit, die Feststellung des Grades der Behinderung der Revisionswerberin folge der Einschätzung des Gesundheitszustandes der Revisionswerberin durch die im Berufungsbzw. Beschwerdeverfahren bestellten Gutachter. Die im Berufungsbzw. Beschwerdeverfahren vorgebrachten Leiden und Befunde seien bereits in diesen Gutachten berücksichtigt worden. Eine Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben können, da der Sachverhalt durch die eingeholten Gutachten geklärt sei. 6 In derartigen Fällen fehlt es regelmäßig schon an der ersten Voraussetzung für den Entfall einer mündlichen Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG, dass nämlich die "mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt", ermöglicht doch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, ergänzende Fragen an den Antragsteller und den (die) beigezogenen Sachverständigen zu stellen und auch den für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu gewinnen (vgl. VwGH 8.7.2015, Ra 2015/11/0036; 21.4.2016, Ra 2016/11/0018; 25.5.2016, Ra 2016/11/0057; 16.8.2016, Ra 2016/11/0013; 21.6.2017, Ra 2017/11/0040; 28.3.2018, Ra 2016/11/0085, 0086).

7 Schon alleine der Umstand, dass sowohl die Bundesberufungskommission als auch das Verwaltungsgericht selbst eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens als geboten ansahen und die Einholung weiterer Gutachten veranlassten, zeigt, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht geklärt war und keineswegs feststand, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Durchführung der beantragten Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG lagen somit nicht vor (vgl. etwa VwGH 19.9.2018, Ra 2018/11/0145).

8 Da das Verwaltungsgericht die Rechtslage bezüglich des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

9 Die Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unterbleiben.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 15. Juli 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017110254.L00

Im RIS seit

13.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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