TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 98/01/0269

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.1998
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des E, vertreten durch den Vater B, dieser vertreten durch Dr. Alois Tauchner, Rechtsanwalt in 2483 Ebreichsdorf, Bahnstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. März 1998, Zl. 202.034/0-IV/12/98, betreffend Erstreckung von Asyl (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde stellte folgenden, vom Beschwerdeführer auch nicht bestrittenen Sachverhalt fest:

Der Vater des Beschwerdeführers stellte am 5. Juni 1997 einen Asylantrag. Dieser wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. August 1997 unter anderem mit der Begründung abgewiesen, daß der Vater des Beschwerdeführers mangels wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht Flüchtling sei. Der Vater des Beschwerdeführers erhob dagegen am 11. Dezember 1997 an den Verwaltungsgerichtshof die zur hg. Zl. 97/01/1125 protokollierte Beschwerde, welcher mit dem Beschluß vom 20. Jänner 1998, Zl. AW 97/01/0886, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Der Beschwerdeführer stellte am 11. Dezember 1997 durch seinen Vater den Antrag auf Ausdehnung von Asyl gemäß § 4 Asylgesetz 1991. Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 1998 gemäß §§ 10, 11 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), abgewiesen. Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß dem Vater des Beschwerdeführers nicht Asyl gewährt worden sei, weshalb die gemäß § 10 Abs. 1 des nunmehr anzuwendenden AsylG geforderte Voraussetzung, daß einem Angehörigen Asyl gewährt worden sei, nicht vorliege. Daran ändere weder die durch den Vater des Beschwerdeführers eingebrachte Beschwerde etwas noch die Tatsache, daß der Verwaltungsgerichtshof dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem am 12. August 1998 im Bundesgesetzblatt, BGBl. I Nr. 110/1998, kundgemachten Erkenntnis vom 13. Juni 1998, G 78/98, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge ", sofern die Anfechtung vor Kundmachung dieses Bundesgesetzes erfolgte" in § 44 Abs. 2 letzter Halbsatz AsylG als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, die aufgehobene Gesetzesbestimmung sei "auch hinsichtlich jener Bescheide nach dem Asylgesetz 1991 nicht mehr anzuwenden, die derzeit bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angefochten sind". Diese Ausdehnung der Anlaßfallwirkung erfaßt u.a. den zur hg. Zl. 97/01/1125 angefochtenen, den Vater des Beschwerdeführers betreffenden Berufungsbescheid nach dem Asylgesetz 1991 und ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - trotz des Umstandes, daß sie von der belangten Behörde deren Entscheidung noch nicht zugrunde gelegt werden konnte - auch im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen. Es ist daher davon auszugehen, daß der den Vater des Beschwerdeführers betreffende Berufungsbescheid nach dem Asylgesetz 1991 mit dem Inkrafttreten des AsylG am 1. Jänner 1998 gemäß § 44 Abs. 2 dieses Gesetzes (in der bereinigten Fassung dieser Bestimmung) außer Kraft getreten ist.

Damit stellt sich - anders als noch für die belangte Behörde - bei der Beurteilung des vorliegenden Falles zunächst die Frage, ob die auf das Fehlen der Voraussetzung einer positiven Erledigung des Asylantrages des Angehörigen gestützte Abweisung eines Asylerstreckungsantrages nach §§ 10 und 11 AsylG rechtmäßig ist, wenn die Entscheidung über die Berufung des Angehörigen gegen die erstinstanzliche Abweisung seines Asylantrages noch aussteht.

Die für die Beantwortung dieser Frage maßgeblichen (und mit der Rechtslage nach dem Asylgesetz 1991 nicht inhaltsgleichen) Bestimmungen des AsylG lauten:

"Asylerstreckungsantrag

§ 10. (1) Fremde begehren mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl.

(2) Asylerstreckungsanträge können frühestens zur selben Zeit wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden. Sie sind nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.

Asylerstreckung

§ 11. (1) Die Behörde hat auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK, BGBl. Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

(2) Fremde, die einen Asylerstreckungsantrag eingebracht haben, können im Verfahren über den Asylantrag ihres Angehörigen aus eigenem alles vorbringen, was ihnen für dieses Verfahren maßgeblich erscheint. Wird der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen, so gelten die der Sache nach damit verbundenen Asylerstreckungsanträge, sofern der Betroffene nach Belehrung über die Folgen nicht ausdrücklich darauf verzichtet, als Asylanträge. Die Behörde hat über diese Anträge unverzüglich zu entscheiden; im Falle eines Verzichtes sind Asylanträge dieser Fremden innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft der die Asylerstreckungsanträge abweisenden Entscheidung unzulässig.

(3) Bringen Fremde einen Asylerstreckungsantrag während eines bereits anhängigen Verfahrens gemäß § 7 ein, ist mit der Erledigung dieses Antrages zuzuwarten, bis die Entscheidung über ihren Asylantrag ergangen ist. Asyl durch Erstreckung darf ihnen erst gewährt werden, wenn ihr Asylantrag rechtskräftig zurückgewiesen oder abgewiesen wurde.

(4) Bescheide, mit denen Angehörigen durch Erstreckung Asyl gewährt wurde, treten außer Kraft und Asylerstreckungsanträge werden gegenstandslos, wenn den Angehörigen gemäß § 7 Asyl gewährt wird.

Abgekürztes Berufungsverfahren

§ 32. (1) Gegen Bescheide, mit denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen des § 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden. Fällt diese Berufungsfrist in die Sicherung einer Zurückweisung, so ist diese jedenfalls während des ungenützten Ablaufes dieser Frist zulässig. Eine abgesonderte Berufung gegen eine Feststellung gemäß § 8 ist in solchen Fällen nur insoweit möglich, als das Bestehen einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 FrG behauptet wird. Eine abgesonderte Berufung gegen Bescheide, mit denen in diesen Fällen der Asylerstreckungsantrag Angehöriger als unbegründet abgewiesen wurde, ist nicht zulässig, doch gelten solche Bescheide durch eine Berufung gegen die Entscheidung über den Asylantrag als im selben Umfang angefochten.

(2) Der Berufung ist stattzugeben, wenn die Feststellung der Behörde, der Antrag sei offensichtlich unbegründet oder es bestehe aus den Gründen der §§ 4 und 5 Unzuständlichkeit, nicht zutrifft. In diesen Fällen hat die Berufungsbehörde die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen. Die zurückweisenden Asylerstreckungsbescheide sind gleichzeitig als überholt aufzuheben. Hat der angefochtene Bescheid auch eine Feststellung gemäß § 8 enthalten, hat die Berufungsbehörde ihrerseits eine solche Feststellung zu treffen."

§ 11 Abs. 3 und 4 AsylG können im folgenden außer Betracht bleiben, weil sie Asyl- und Asylerstreckungsanträge ein und derselben Person betreffen.

§ 10 Abs. 1 AsylG scheint dem Wortlaut nach ein schon im Zeitpunkt des Asylerstreckungsantrages positiv, nämlich durch Asylgewährung, abgeschlossenes Verfahren über den Hauptantrag vorauszusetzen. Dem steht aber die ausdrückliche Anordnung des § 10 Abs. 2 AsylG entgegen, wonach Asylerstreckungsanträge "frühestens zur selben Zeit" wie der der Sache nach damit verbundene Asylantrag eingebracht werden können. Mit der Vorstellung, derartige vor einem positiven Abschluß des Hauptverfahrens gestellte Anträge seien zwar nicht als unzulässig zurückzuweisen, aber schon während des erstinstanzlichen Verfahrens über den Hauptantrag spruchreif und mangels Vorliegens der Voraussetzung eines bereits "gewährten Asyls" sogleich abzuweisen, ließe sich diese Anordnung des Gesetzgebers nicht sinnvoll in Einklang bringen. Daß eine derartige Spruchreife während des erstinstanzlichen, aber zumindest in bezug auf eine verfahrensbeendende Entscheidung über den Asylerstreckungsantrag auch während des Berufungsverfahrens über den Hauptantrag nicht anzunehmen ist, ergibt sich jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes vor allem aus § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG, wonach Erstreckungswerber im Verfahren über den Hauptantrag aus eigenem alles vorbringen können, was ihnen für dieses Verfahren (nämlich dasjenige über den Hauptantrag) maßgeblich erscheint. Diese Bestimmung setzt voraus, daß das Verfahren über den Erstreckungsantrag nicht vor dem Verfahren über den Hauptantrag rechtskräftig beendet wird. Zusätzliche Bestätigung findet dies in der detailliert durchgestalteten Parallelführung beider Verfahren für den besonders geregelten Fall, daß der Hauptantrag als unzulässig zurückgewiesen oder als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird und der Erstreckungswerber auf die Behandlung seines Antrages als Asylantrag verzichtet (vgl. hiezu

§ 11 Abs. 2 zweiter und dritter Satz in Verbindung mit § 32 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 dritter Satz AsylG, wobei es an der zuletzt genannten Stelle statt "zurückweisenden" richtig "abweisenden" heißen müßte; die Aufhebung der Wortfolge "§ 4 und" des § 32 AsylG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, G 31/98-10 u.a., wegen der verfassungswidrigen Kürze der in der Stammfassung dieser Bestimmung vorgesehenen Berufungsfrist ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung).

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß mit der rechtskräftigen Erledigung des Antrages vom 11. Dezember 1997 bis zur rechtskräftigen Erledigung des seit dem 1. Jänner 1998 wieder offenen Verfahrens über den Hauptantrag zuzuwarten ist und der beschwerdeführenden Partei in dem zuletzt genannten Verfahren die ihr durch § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG eingeräumte Beteiligtenstellung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1998, Zl. 98/20/0311).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998010269.X00

Im RIS seit

07.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten