TE OGH 2019/7/5 4Ob120/19d

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Veröffentlicht am 05.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2019, GZ 129 R 28/19i-19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Medieninhaberin der periodischen Druckwerke „Österreich“ (Kaufzeitung) und „oe24“ (Gratiszeitung). Die Beklagte ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks „Heute“ (Gratiszeitung). Die Zeitungen der Streitteile wenden sich an einen überschneidenden Kreis von Lesern und Anzeigekunden.

Am 9. Oktober 2018 veröffentlichte die Beklagte in ihrer Zeitung folgende Werbegrafik:

Die Klägerin begehrte, es der Beklagten ab sofort zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr ihr periodisches Druckwerk als „Nummer 1“ und/oder „Nummer 1 bei den LeserInnen“ zu bezeichnen, sofern die von der Media-Analyse erhobenen Reichweitendaten dieses periodische Druckwerk nicht in allen Erhebungskategorien als das reichweitenstärkste Medium aufweisen; zudem erhob die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren. In der Überschrift der beanstandeten Werbegrafik behaupte die Beklagte, die Nummer 1 bei den LeserInnen zu sein. Damit suggeriere sie eine uneingeschränkte Spitzenstellung in Bezug auf die Reichweite bzw Leserzahlen. Sie verschweige aber, dass ihre Reichweite deutlich unter jener der „*****-Zeitung“ liege. Die Werbeankündigung sei daher irreführend.

Die Beklagte entgegnete, dass ihre Zeitung nach den Reichweitenzahlen der Media-Analyse die Nummer 1 bei den Gratis-Tageszeitungen in Österreich sowie der Tageszeitungen in Wien sei. Eine andere Aussage habe sie nicht gemacht.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die Irreführungseignung einer Spitzenstellungswerbung sei unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den sie gestellt werde, zu beurteilen. Grundsätzlich werde der Gesamteindruck durch den Blickfang geprägt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Grafiken geeignet seien, die Aufmerksamkeit des Verbrauchers zu fokussieren. Nach der gebotenen Gesamtbetrachtung der beanstandeten Werbeankündigung unter Berücksichtigung der Diagrammdarstellungen, denen gleichwertiger Auffälligkeitswert wie der Überschrift zukomme, nehme die Beklagte auf Gratiszeitungen in Österreich und auf Tageszeitungen in Wien Bezug. Damit stelle die Beklagte keine unzulässige Spitzenstellungsbehauptung auf.

In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision führt die Klägerin aus, dass die blickfangartig hervorgehobene Überschrift für sich allein zu beurteilen sei. Darin nehme die Beklagte eine uneingeschränkte Spitzenstellung auf dem österreichischen Zeitungsmarkt jedenfalls im Zusammenhang mit der Reichweite in Anspruch. Eine solche Spitzenstellungsbehauptung müsse in allen Kategorien vorliegen. Tatsächlich sei aber sowohl bei den Lesern als auch bei der Auflage die „*****-Zeitung“ führend. Außerdem habe die Klägerin eine eigene Reichweitenerhebung in Auftrag gegeben, derzufolge die Zeitungen der Streitteile über eine gleich hohe Reichweite verfügten.

Rechtliche Beurteilung

Damit zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Entgegen den Ausführungen der Klägerin qualifiziert das Berufungsgericht die beanstandete Werbeaussage nicht als „sinnentleerte marktschreierische Anpreisung“ im Sinn eines Werturteils. Vielmehr weist das Berufungsgericht am Beginn seiner rechtlichen Subsumtion nur darauf hin, dass die von der Klägerin kritisierte Überschrift als nichtssagende Anpreisung bzw marktschreierische Übertreibung anzusehen wäre, wollte man diesen Teil isoliert betrachten. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Inserats ergebe sich aber, dass auf Gratiszeitungen in Österreich und auf Tageszeitungen in Wien Bezug genommen werde.

2.1 Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung richtet sich der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt (RIS-Justiz RS0078352 [T24]; RS0078470 [T39]). Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, weil der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, entscheidend geprägt werden kann (vgl RS0078535). Bei einer blickfangartigen Aussage bedarf es zur Vermeidung eines irreführenden Gesamteindrucks eines deutlich wahrnehmbaren Hinweises, mit dem über die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen die Aussage gilt, ausreichend aufgeklärt wird. Maßgebend ist dabei, ob ein aufmerksamer Durchschnittsadressat den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird (RS0118488; 4 Ob 68/13y). Ein aufklärender Hinweis kann als Text oder als grafische oder bildliche Darstellung gestaltet sein. In einem solchen Fall sind der Beurteilung der Textinhalt und die optisch gestaltenden Teile der nach dem Gesamteindruck in die Augen fallenden Veröffentlichung zugrunde zu legen (vgl 4 Ob 56/19t).

Der Frage, wie der aufmerksame Durchschnittsadressat ausgehend vom Gesamteindruck eine Werbeaussage versteht und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0107771; RS0053112).

2.2 In der beanstandeten Werbeeinschaltung wird gleich unterhalb der Überschrift in Form von Diagrammen auf die Leserzahlen (Reichweite) der verglichenen Tageszeitungen Bezug genommen und klargestellt, dass sich daraus ergeben soll, dass die Zeitung der Beklagten bei den Gratiszeitungen in Österreich (österreichweit) und bei den Tageszeitungen in Wien die Nummer 1 ist, also in Bezug auf die beiden Reichweitenkategorien über die meisten Leser verfügt.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass keine isolierte Betrachtung nur der Überschrift zu erfolgen habe, sondern nach dem Gesamteindruck auch die grafischen Darstellungen zu berücksichtigen seien und die Beklagte in Bezug auf die beanspruchte Reichweite bei Gratiszeitungen österreichweit und bei Tageszeitungen in Wien als maßgebende Alleinstellungskategorien keine irreführende Spitzenstellungsbehauptung aufgestellt habe, steht mit den Rechtsprechungsgrundsätzen im Einklang.

Das Unterlassungsbegehren nimmt auf „von der Media-Analyse erhobene Reichweitendaten“ (vgl dazu 4 Ob 38/19w) Bezug. Die Richtigkeit der von der Beklagten in der Veröffentlichung angegebenen Zahlen wird von der Klägerin nicht bestritten. Sie unterstellt der Beklagten lediglich Aussagen, die diese nach dem Gesamteindruck nicht gemacht hat. Insbesondere hat sie keine uneingeschränkte Spitzenstellung – weder in Bezug auf Leserzahlen noch in Bezug auf die verbreitete Auflage – auf dem österreichischen Zeitungsmarkt behauptet. Es ist auch unbestritten, dass die veröffentlichten Reichweitenzahlen von einer dazu anerkannten Institution ermittelt wurden. Dem Umstand, dass die Klägerin auch selbst eine Reichweitenerhebung in Auftrag gegeben hat, kommt keine Bedeutung zu (vgl 4 Ob 56/19t).

3. Insgesamt gelingt es der Klägerin mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Schlagworte

eigene Reichweitenuntersuchung,

Textnummer

E125712

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00120.19D.0705.000

Im RIS seit

05.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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