TE OGH 2019/7/24 8ObS8/19p

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Veröffentlicht am 24.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Dr. K*****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei IEF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, wegen 3.002 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. April 2019, GZ 6 Rs 20/19m-9, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. März 2019, GZ 8 Cgs 16/19v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 3. 2013 bis 31. 1. 2017 bei der späteren Schuldnerin als Angestellter beschäftigt. Der Kläger hat während des aufrechten Dienstverhältnisses an einer Erfindung mitgewirkt und dadurch einen Anspruch auf Patentvergütung und Diensterfindungsvergütung erworben. Die Fälligkeit der Vergütung trat erst am 31. 8. 2017 ein, Zahlung erfolgte nicht.

Über das Vermögen der ehemaligen Dienstgeberin wurde am 26. 1. 2018 das Konkursverfahren eröffnet.

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. 1. 2019, mit dem sie die Gewährung von Insolvenz-Entgelt für die Patent- und Diensterfindungsvergütung abgelehnt hatte.

Die Beklagte wandte ein, der Anspruch sei nicht gesichert, weil sein Fälligkeitsdatum außerhalb des in § 3a Abs 1 erster Satz IESG definierten Zeitraums gelegen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Anspruch auf Patentvergütung und Erfindungsvergütung stelle einen aperiodischen Bestandteil des Arbeitsentgelts dar, dessen Sicherung im Insolvenzfall möglich sei, aber den zeitlichen Grenzen des § 3a Abs 1 IESG unterliege. Nach dieser Bestimmung gebühre Insolvenz-Entgelt nur für Entgeltansprüche, die in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (hier: Eröffnung des Insolvenzverfahrens), oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet habe, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden seien. Im Anlassfall sei die zweite Alternative anzuwenden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Rechtsansicht des Erstgerichts finde im eindeutigen Wortlaut des § 3a Abs 1 IESG in der anzuwendenden Fassung BGBl I 2017/123 Deckung. Die beiden unterschiedlichen Sicherungszeiträume seien nicht kumulativ anzuwenden. Es stehe auch mit dem auf einen Mindestschutz beschränkten Regelungszweck im Einklang, dass bestimmte Arbeitnehmeransprüche aus der Sicherung herausgenommen und Grenzbeträge sowie Sicherungszeiträume eingeführt wurden.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision wegen Fehlens höchstgerichtlicher Judikatur zur Sicherung eines Anspruchs auf Patent- bzw Diensterfindungsvergütung mit ihrer besonderen gesetzlichen Fälligkeitsregelung für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Auslegung des § 3a Abs 1 IESG in der mit BGBl I 2017/123 geänderten Fassung, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung besonderer Entgeltbestandteile, noch nicht Stellung zu nehmen hatte.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

1. Nach § 8 PatG gebührt dem Dienstnehmer für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den Dienstgeber sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts hinsichtlich einer solchen Erfindung grundsätzlich eine angemessene besondere Vergütung.

Wenn der Dienstnehmer ausdrücklich zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des Dienstgebers angestellt und auch tatsächlich damit vorwiegend beschäftigt ist und wenn die ihm obliegende Erfindertätigkeit zu der Erfindung geführt hat, so gebührt ihm nach § 8 Abs 2 PatG eine besondere Vergütung nur insoweit, als nicht schon in dem ihm auf Grund des Dienstverhältnisses im Hinblick auf seine Erfindertätigkeit zukommenden höheren Entgelt eine angemessene Vergütung für die Erfindung gelegen ist.

2. Bei der Bemessung eines Anspruchs auf Diensterfindungsvergütung ist gemäß § 9 PatG nach den Umständen des Falles insbesondere

a) auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung für das Unternehmen,

b) auf eine sonst etwa erfolgte Verwertung der Erfindung im Inland oder Ausland

c) auf den Anteil, den Anregungen, Erfahrungen, Vorarbeiten oder Hilfsmittel des Unternehmens des Dienstgebers oder dienstliche Weisungen an dem Zustandekommen der Erfindung gehabt haben, Bedacht zu nehmen.

Die Bemessung wird sohin durch den wirtschaftlichen Wert der Erfindung und die Bedeutung des Beitrags des Dienstnehmers im Verhältnis zu allen anderen für ihr Zustandekommen wesentlichen Faktoren bestimmt.

3. Die Vorinstanzen sind im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass es sich bei einer Erfindungsvergütung nach § 8 PatG um einen Teil des Arbeitsentgelts im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 IESG handelt (vgl RS0076555; 8 ObS 16/94).

Dieser Anspruch weist aber die Besonderheit auf, dass er von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird (RS0034035; RS0071291 [T2]) und daher nicht unter den engeren Begriff des „laufenden Entgelts“ im Sinn des IESG fällt. Zum laufenden Entgelt werden jene zeitbezogenen Ansprüche des Arbeitnehmers gezählt, die ihm für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft als Erfüllung des zweiseitigen Arbeitsvertrags zustehen (8 ObS 6/11g; 8 ObS 5/03y mwN; Liebeg, IESG3 § 1 Rz 346).

Bei der Diensterfindungsvergütung spielt das Synallagma zu den vom Dienstnehmer erbrachten Arbeitsleistungen für die Bemessung des Vergütungsanspruchs eine untergeordnete Rolle. Es kommt hier auf den wirtschaftlichen Wert und den schöpferischen Anteil des Dienstnehmers im Verhältnis zu anderen die Erfindung ermöglichenden Faktoren an, aber nicht darauf, wie lange oder wie intensiv er daran gearbeitet hat.

4. Gemäß § 3a IESG idF BGBl I 123/2017 (hier nach § 34 IESG bereits anzuwenden) gebührt Insolvenz-Entgelt für das dem Arbeitnehmer gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1 IESG) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist.

Die Frist von sechs Monaten gilt nicht, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit gerichtlich oder im Rahmen eines gesetzlich oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahrens oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission zulässigerweise geltend gemacht wurden und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird oder soweit eine Differenz zwischen unterkollektivvertraglicher und kollektivvertraglicher Entlohnung beantragt wird.

Mit der Novelle BGBl I 2017/123 wurde § 3a IESG dahin abgeändert, dass die ansonsten unverändert gebliebenen Sicherungszeiträume nunmehr für alle Arten von Entgeltansprüchen gelten. Die Einschränkung auf „laufendes Entgelt“ wurde ebenso eliminiert wie die vorher bestehende Differenzierung zwischen dem Entstehen des Anspruchs und seiner Fälligkeit. Es kommt nur noch darauf an, ob ein Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht wird und wann die Fälligkeit eintritt.

Nach den Materialien (AB 1691 BlgNR 25. GP 2) sind von diesem Entgeltbegriff bewusst auch solche Ansprüche erfasst, die nur ausnahmsweise oder einmalig anfallen (vgl Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3a IESG Rz 4).

5. Der Kläger vertritt den Standpunkt, die Auslegung der Vorinstanzen entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Entstehungsgeschichte des § 3a IESG liege sein wesentlicher Regelungszweck darin, missbräuchlichen Inanspruchnahmen des Insolvenzfonds dadurch entgegenzuwirken, dass überlang ohne gerichtliche Geltendmachung stehengelassene Ansprüche von der Sicherung ausgeschlossen sein sollen.

Bei Entgeltansprüchen, die überhaupt erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden und innerhalb des davor liegenden Sechsmonatszeitraums gar nicht hätten geltend gemacht werden können, bestehe die dargelegte Gefahr nicht. Solche Ansprüche seien überhaupt nicht erfasst, sondern unterlägen dem Sechsmonatszeitraum nach dem ersten Halbsatz des § 3a Abs 1 IESG.

6. Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Interpretation des § 3a IESG idgF durch die Vorinstanzen entspricht seinem eindeutigen Wortlaut und dem in den Materialien zutage tretenden Intentionen.

Diese Änderung der Rechtslage führt dazu, dass die bestehende höchstgerichtliche Rechtsprechung, mit der die Sicherung einer erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber vor dem Insolvenzstichtag fällig werdenden Erfindungsvergütung dem Grunde nach bejaht wurde (8 ObS 7/09a), nicht mehr aktuell ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beschränkung des § 3a IESG nur auf laufendes Entgelt aufzugeben und seine Anwendung auf alle Entgeltarten zu erweitern, hat die Sicherung von Ansprüchen wie dem in Frage stehenden ausdrücklich beendet.

7. Dieses Ergebnis steht entgegen den Ausführungen des Klägers auch mit den wesentlichen Zielen der Entgeltsicherung im Einklang.

Zweck des IESG ist die Versicherung gegen die von den Arbeitnehmern normalerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. In diesen geschützten Kernbereich fällt ein Anspruch wie der vorliegende nicht, der sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach von Faktoren bestimmt wird, die außerhalb des arbeitsvertraglichen Synallagmas liegen, und dem regelmäßig kein Versorgungszweck innewohnt.

Zu dem in der Revision ins Treffen geführten Argument, die Rechtsansicht der Vorinstanzen hätte zur Folge, dass beispielsweise auch Leistungsansprüche aus direkten Pensionszusagen wegen der vorauszusetzenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gesichert wären, ist auf die für diese Ansprüche geltenden besonderen Regelungen (§ 3d IESG; für Abfertigungen: § 1 Abs 4a IESG) zu verweisen.

8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenersatz nach Billigkeit wurden nicht vorgebracht (RS0085829).

Textnummer

E125757

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:008OBS00008.19P.0724.000

Im RIS seit

08.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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