TE Vwgh Erkenntnis 1998/12/16 93/13/0183

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Veröffentlicht am 16.12.1998
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
33 Bewertungsrecht;

Norm

BewG 1955 §6;
BewG 1955 §64 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1988 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der W-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Waneck, Dr. Kunze, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien I, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 9. Juli 1993, Zl. 6/2-2138/90-06 und 6/2-2015/92-06, betreffend u.a. Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1985 und 1. Jänner 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist ein in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Bauunternehmen. Sie entstand durch Umwandlung einer branchengleichen GmbH (im folgenden als GmbH bezeichnet). Die Umwandlung erfolgte im Jahr 1988. Die GmbH hatte im Dezember 1984 im Zuge von geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen mit ihrem Arbeiterbetriebsrat und ihrem Angestelltenbetriebsrat je eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die in den Monaten Jänner und Februar 1985 noch ergänzt wurden. Diese Vereinbarungen sahen einen Sozialplan vor, der jene Arbeitnehmer betraf, die infolge der Schließung eines Unternehmensbereiches gekündigt werden sollten. Die Dauer der Umstrukturierung wurde mit zwei Jahren befristet. Die aus dem Sozialplan voraussichtlich erwachsenden Kosten wurden mit S 83,170.000,-- ermittelt und als Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1984 ausgewiesen. Im Jahr 1985 wurde der Großteil des Sozialplanes erfüllt und dafür S 65,699.865,-- verbraucht. Der Restbetrag von S 17,470.135,--, der als Rückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1985 ausgewiesen worden war, wurde im Jahr 1986 mit S 13,383.774,-- bestimmungsgemäß verbraucht; der Restbetrag wurde innerhalb des Umstrukturierungszeitraumes nicht benötigt.

Zur Sicherung der Ansprüche aus dem Sozialplan wurde mit den beiden Betriebsräten die Einrichtung eines Sperrkontos vereinbart und auf diesem die benötigten Geldmittel reserviert.

Die GmbH wies beide oben genannten Rückstellungen in ihren Erklärungen zur Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1985 und 1. Jänner 1986 als Schulden aus; das Finanzamt folgte diesen Angaben in den betreffenden Einheitswertbescheiden.

Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 1984 bis 1986 vertrat der Prüfer die Rechtsansicht, daß die aus dem Titel Sozialplan gebildeten Rückstellungen bewertungsrechtlich nicht als Betriebsschulden im Sinne des § 64 Bewertungsgesetz zu berücksichtigen seien, weil es sich dabei um aufschiebend bedingte Lasten (§ 6 Bewertungsgesetz) handle. Dies deshalb, weil die Kündigungen, für die der Sozialplan Vorsorge getroffen habe, zu den Stichtagen noch nicht ausgesprochen gewesen seien. Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ an die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der GmbH entsprechende Einheitswertbescheide.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie legte den Sachverhalt dar, der zur Umstrukturierung und Erstellung des Sozialplanes geführt hatte und beschrieb dessen wesentlichen Inhalt (freiwillige zusätzliche Abfertigungen, Vorziehen von Ansprüchen auf Urlaub und Jubiläumsgelder, Wahlrecht während der Kündigungszeit zwischen laufenden Bezügen bei Dienstfreistellung oder einmaliger Abfindung, Übergang aller Ansprüche auf allfällige Erben im Todesfall etc.).

Die Beschwerdeführerin hob weiters hervor, daß der Sozialplan auf verpflichtenden Betriebsvereinbarungen beruhe. Gemäß § 109 Arbeitsverfassungsgesetz bestehe nämlich die Verpflichtung, beabsichtigte Betriebsänderungen mit den Betriebsratskörperschaften zu beraten. Die Kosten des Sozialplanes seien - vereinfacht ausgedrückt - der Preis für die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter zu den Betriebsänderungen. Die Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten und damit die Schuld im allgemein-rechtlichen und auch abgabenrechtlichen Sinn sei hiebei durch den Konsens der Vertragspartner entstanden. Die Auszahlungsmodalitäten seien Fälligkeitsregeln und hätten auf die Begründung der Schuld keinen Einfluß. Diese habe zweifelsfrei bereits mit der Übernahme der vertraglichen Verpflichtungen bestanden. Die Deponierung der benötigten finanziellen Mittel auf einem Sperrkonto betone den Schuldcharakter und lasse die Schuld sogar - wirtschaftlich gesehen - per 31. Dezember 1984 "als beglichen" erscheinen. Von einer aufschiebend bedingten Schuld könne daher nicht gesprochen werden.

Lediglich der Höhe nach wurden die begehrten Abzugsposten auf S 79,083.639,-- bzw. S 13,383.774,-- verringert, weil sie - wie oben ausgeführt - nicht zur Gänze für die Erfüllung des Sozialplanes benötigt worden waren.

In der Folge legte die Beschwerdeführerin noch einen Ausschnitt aus der deutschen Steuerzeitung vor, in dem auf eine deutsche Erlaßregelung hingewiesen wurde. Danach seien die Kosten eines Sozialplanes bewertungsrechtlich als Schulden zu berücksichtigten, wenn die Unternehmensleitung den Beschluß für die Betriebsänderung spätestens am Bewertungsstichtag gefaßt habe. Außerdem wurde die mit dem Angestelltenbetriebsrat am 4. Dezember 1984 abgeschlossene Betriebsvereinbarung vorgelegt. Diese sieht unter Punkt 1. der zu treffenden Maßnahmen die Verpflichtung der GmbH vor, "weitest möglich geeignete Ersatzarbeitsplätze bereitzustellen". Unter Punkt 6. ist vorgesehen, daß "Selbstkündigungen vor Ende des betrieblichen Bedarfes" (Schließungsablauf) den Verlust der Ansprüche aus dem Sozialplan zur Folge hätten. Selbstkündigungen nach diesem Zeitraum würden hingegen wie Kündigungen durch den Dienstgeber behandelt. Im übrigen entsprach die vorgelegte Betriebsvereinbarung dem schon in der Berufung wiedergegebenen Inhalt des Sozialplanes.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Da die Leistungen aus dem Sozialplan erst zum Tragen kämen, wenn die Dienstverhältnisse beendet würden, seien sie bis dahin aufschiebend bedingt. Einer Berücksichtigung als Betriebsschuld im Sinne des § 64 Bewertungsgesetz stehe daher § 6 Bewertungsgesetz entgegen, wonach aufschiebend bedingte Lasten nicht zu berücksichtigen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bereits in zahlreichen Erkenntnissen hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen aufschiebend bedingte Lasten sind, die bei Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens gemäß § 6 Bewertungsgesetz außer Betracht zu bleiben haben (vgl. die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1993, 92/13/0101, und die dort zitierte Rechtsprechung sowie vom 20. April 1995, 92/13/0071).

Als aufschiebend bedingt wurden diesen Verpflichtungen insbesondere deswegen erachtet, weil sie erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses schlagend werden und bis dahin verschiedene Ereignisse eintreten können, die die gesetzlich vorgesehenen oder vertraglich festgelegten Abfertigungs- und Pensionsverpflichtungen nicht entstehen lassen. Als ein solches Ereignis hat der Gerichtshof insbesondere auch die Kündigung seitens des Arbeitnehmers oder dessen Entlassung hervorgehoben (vgl. nochmals das Erkenntnis 92/13/0101).

Die Beschwerdeführerin bringt gegen diese Rechtsprechung nichts vor, vertritt jedoch die Auffassung, daß der maßgebende Sachverhalt bei den strittigen Verpflichtungen aus dem Sozialplan anders gelagert sei. Dies trifft aber aus nachstehenden Gründen nicht zu:

Sämtliche im Sozialplan vorgesehenen Leistungen der GmbH an ihre Dienstnehmer setzten voraus, daß diese infolge der Umstrukturierungsmaßnahmen gekündigt werden bzw. im Rahmen dieser Maßnahmen selbst kündigen. Erst bei Beendigung ihrer Dienstverhältnisse sollten die Dienstnehmer bestimmte finanzielle Leistungen erhalten, um die mit der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses verbundenen Härten zu mildern. So gesehen unterscheiden sich die Leistungen aus dem Sozialplan nicht von Abfertigungen. Gleichgültig ob sie nun als solche bezeichnet oder anders benannt wurden (z.B. als "Mobilitätshilfe in der Höhe von 25 % des gesetzlichen Abfertigungsanspruches"). Im übrigen wird im Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der Beschwerdeführerin zum 31. Dezember 1984 die für die Leistungen aus dem Sozialplan gebildete Rückstellung als "Vorsorge für die Aufwendungen" bezeichnet, mit denen "anläßlich der Schließung des Wohnbaubereiches und des dadurch notwendigen Personalabbaues" gerechnet werden müsse und die "über die bereits passivierte Abfertigungsvorsorge hinausgehende Abfertigungsverpflichtungen einschließlich der Kosten sonstiger, mit dem Betriebsrat der Gesellschaft vereinbarter sozialer Maßnahmen" umfasse. Der Bericht verwendet daher ebenso wie der Sozialplan selbst den Begriff "Abfertigungen". Daß diese nicht auf gesetzlichen sondern auf vertraglich übernommenen Verpflichtungen beruhten, ändert daran nichts. Auch freiwillig eingegangene Abfertigungsverpflichtungen sind mit der Beendigung des Dienstverhältnisses aufschiebend bedingt. Für sie gilt daher das Gleiche wie für gesetzliche Abfertigungsverpflichtungen und andere Lohnbestandteile, auf die dem Dienstnehmer erst dann ein Rechtsanspruch erwächst, wenn sein Dienstverhältnis beendet wird. Die Beschwerdeführerin irrt, wenn sie meint, die Beendigung der Dienstverhältnisse sei lediglich eine Fälligkeitsregel. Wie Abschnitt III Pkt. 6 der Betriebsvereinbarung mit dem Angestelltenbertriebsrat vom 4. Dezember 1984 zu entnehmen ist, haben "Selbstkündigungen vor Ende des betrieblichen Bedarfes

... den Verlust des Sozialpaketes zur Folge". Mit dieser Bestimm ung

wird in Wahrheit zum Ausdruck gebracht, daß - ebenso wie bei Abfertigungen - eine Selbstkündigung zur Folge hat, daß der grundsätzlich vorgesehene Anspruch gar nicht entsteht, weil eben eines der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale, nämlich die Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber nicht verwirklicht wird. In diesem Tatbestandsmerkmal ist eine aufschiebende Bedingung zu erblicken, die gemäß § 6 Bewertungsgesetz der Berücksichtigung als Betriebsschuld entgegensteht. Wie der Gerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis 92/13/0071 ausgeführt hat, wird das als aufschiebende Bedingung anzusehende Unsicherheitsmoment auch im Bereich der bilanzsteuerlichen Betrachtungsweise verdeutlicht. Träfe es zu, daß Abfertigungs- bzw. abfertigungsähnliche Verpflichtungen aus der Sicht des Dienstgebers unbedingte Lasten wären, so käme deren Berücksichtigung nur als Schulden, nicht aber als Rückstellungen in Betracht. Nur Rückstellungen sind nämlich vom jenem Unsicherheitsfaktor gekennzeichnet, der sie von Schulden unterscheidet. Auch die Beschwerdeführerin hat dies offensichtlich erkannt, indem sie die strittigen Verpflichtungen in ihren Bilanzen als Rückstellungen und nicht als Schulden ausgewiesen hat.

Das nunmehr vorgebracht Argument, die Verpflichtungen beruhten nicht auf Gesetz, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen, die erzwingbar gewesen seien, ist nicht recht verständlich. Sind doch auch gesetzliche Verpflichtungen erzwingbar, ohne daß deswegen ihr allfälliger Charakter als aufschiebend bedingte Lasten in Abrede gestellt werden könnte.

Schließlich vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin, durch die Deponierung der für die Erfüllung des Sozialplanes erforderlichen finanziellen Mittel auf einem Sperrkonto käme der Schuldcharakter der Verpflichtung deutlich zum Ausdruck, und "wirtschaftlich gesehen" sei die Schuld dadurch sogar per 31. Dezember 1984 "als beglichen anzusehen", keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Es handelt sich dabei nämlich um eine bloße Absicherung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen, die deren Charakter als aufschiebend bedingte Lasten nicht zu beeinflussen vermag.

Ebensowenig zielführend ist die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf die deutsche Verwaltungsübung, weil aus dieser für die Vollziehung österreichischer Gesetze keine Rechtsgrundlage gewonnen werden kann. Einer bloßen Interpretationshilfe hingegen, die auch im Hinweis auf ausländische Rechtsauffassungen bestehen kann, bedurfte es angesichts der klaren Rechtslage und der bisherigen hg. Rechtsprechung nicht.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1993130183.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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