TE OGH 2019/6/13 5Ob70/19h

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Veröffentlicht am 13.06.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin K*****, vertreten durch Dipl. iur Džek Opa?ak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8, § 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Februar 2019, GZ 40 R 226/18h-42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluss des Erstgerichts, mit dem dieses den gesetzlich zulässigen Hauptmietzins für die Wohnung top 12 im Haus der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptmietvertrags mit 349,92 EUR feststellte und aussprach, dass diese durch die tatsächlichen Mietzinsvorschreibungen im Zeitraum 1. 10. 2011 bis 28. 2. 2015 das gesetzlich zulässige Ausmaß um monatlich 264,48 EUR überschritten hat. Der Tatbestand nach § 16 Abs 1 Z 2 MRG erfordere, dass Mietgegenstände durch bauliche Maßnahmen neu gewonnen würden oder zuvor zur Verwendung als Wohn- oder Geschäftsräume nicht geeignet gewesen seien. Das sei bei einer bloßen Sanierung nicht der Fall. Die Sanierungskosten oder Kosten der Energieeffizienzmaßnahmen seien durch die vom Erstgericht gewährten Zuschläge für den Zustand des Hauses und die festgestellte Energieersparnis gegenüber der Normwohnung ohnehin berücksichtigt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragsgegnerin spricht in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine Fragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an:

1.1 Während der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG die Neuerrichtung eines Gebäudes voraussetzt und es nicht darauf ankommt, wie viele Bestandobjekte in diesem neuen Gebäude vorhanden sind, zielt § 16 Abs 1 Z 2 zweiter Fall MRG nur auf die Neuschaffung eines Mietgegenstands durch Umbau, Einbau oder Zubau als Erweiterung eines schon bestehenden Gebäudes ab (RIS-Justiz RS0117872).

1.2 Zu einer derart tiefgreifenden Veränderung der Gebäudesubstanz, dass von einer Neuerrichtung des gesamten Gebäudes ausgegangen werden könnte (vgl dazu 5 Ob 229/00p = RS0114797), haben die von der Antragsgegnerin veranlassten Sanierungsarbeiten nicht geführt. Worin die für die Vornahme eines Analogieschlusses erforderliche (planwidrige) Unvollständigkeit des Gesetzes liegen soll (RS0098756; RS0008866), vermag die Antragsgegnerin mit ihrem Verweis auf den „Wohnwert“ von Wohnungen in einem generalsanierten Gebäude nicht schlüssig darzulegen.

1.3 Eine Neuschaffung von Mietgegenständen liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn durch bauliche Maßnahmen Mietgegenstände gewonnen wurden, die bisher überhaupt nicht zur Verfügung standen oder zur Verwendung als Wohnräume oder Geschäftsräume nicht geeignet waren (RS0069647; RS0070741; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 16 MRG Rz 32; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 16 MRG Rz 14). In der Rechtsprechung wird das Kriterium der fehlenden Eignung restriktiv im Sinn von „völlig unbenützbar“ oder „für den bestimmungsgemäßen Zweck unbrauchbar“ verstanden (RS0069647 [T7]).

2.1 Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht diesen vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen. Die Antragsgegnerin macht auch gar nicht geltend, dass das Gericht zweiter Instanz davon abgewichen wäre, sondern meint (zusammengefasst), eine Differenzierung zwischen einer Neuerrichtung oder Neuschaffung und einem generalsanierten Altbau sei mit Blick auf § 1 Abs 4 sowie § 16 Abs 1 Z 2 MRG unverhältnismäßig und widerspreche dem verfassungsrechtlichen Sachlichkeitsgebot. Es sei nicht gerechtfertigt, den generalsanierten Altbau (insbesondere) von der Anwendung des § 16 Abs 1 Z 2 MRG mit der Wirkung auszuschließen, dass sich der zulässige Mietzins nach dem Richtwert (§ 1 RichtWG) richte.

2.2 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das MRG und das RichtWG hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen und diese begründet verneint (RS0113014; RS0103213; RS0038548 [T2; T3]; RS0069203); damit geht keine unverhältnismäßige Einschränkung der Eigentums- und Erwerbsfreiheit einher (5 Ob 271/09b mwN). Insbesondere ist die von der Antragsgegnerin relevierte Diskrepanz zwischen einem „marktüblichen“ und dem gesetzlich geregelten Mietzins, der nach ihrer Berechnung weniger als 50 % beträgt und zur Folge haben soll, dass immer mehr Altbauhäuser abgerissen werden, kein nicht bereits in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs behandelter Aspekt, der eine Überschreitung des dem einfachen Gesetzgeber offen stehenden Gestaltungsspielraums aufzeigen könnte (vgl 5 Ob 271/09b). Zuletzt hat sich auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zu G 121/2017-16 (ua) mit dem Argument, dass eine Differenzierung zwischen Neuerrichtung bzw Neuschaffung und generalsaniertem Altbau (§ 1 Abs 4 Z 1 und § 16 Abs 1 Z 2 MRG) sachlich nicht gerechtfertigt sei, unter Verweis auf Vorerkenntnisse auseinandergesetzt und festgehalten, dass es jedenfalls nicht unsachlich ist, wenn der Gesetzgeber bei der Regelung, welche Mietgegenstände in ein die Mietzinsbildung begrenzendes System einbezogen werden sollen, an die „Neuerrichtung“ bzw die „Neuschaffung“ des Mietgegenstands vor bzw nach einem bestimmten Stichtag anknüpft. Inwieweit aus dem Umstand, dass es sich nach diesem Erkenntnis bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Neuerrichtung (bzw Neuschaffung) iSd § 1 Abs 4 Z 1 und § 16 Abs 1 Z 2 MRG vorliegt, um eine solche der Anwendung der Norm handelt, verfassungsgesetzliche Bedenken resultieren sollen, die im Weg einer verfassungskonformen Interpretation (mit dem von der Antragstellerin gewünschten Ergebnis, dass die [General-]Sanierung der Neuerrichtung bzw Neuschaffung gleichzuhalten sei) zu beseitigen wären, ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist es nicht Aufgabe der Rechtsprechung, aus Sicht der Antragsgegnerin unbefriedigende Gesetzesbestimmungen im Weg der Gesetzesauslegung abzuändern (vgl RS0008880; RS0009099).

3.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass sich das in § 16 Abs 2 MRG geregelte Zu- und Abschlagssystem bei der Richtwertmietzinsbildung nicht an den tatsächlichen Investitionskosten des Vermieters orientiert, sondern auf werterhöhende oder wertmindernde Abweichungen von der Normwohnung abstellt und damit den konkreten Wohnwert für den Mieter vor Augen hat (5 Ob 224/13x; 5 Ob 43/17k = RS0131436 [Investitionskosten für Energieeffizienzmaß-nahmen]). Auf die tatsächliche Höhe der Sanierungskosten kommt es damit nicht an, sodass auf die darauf aufbauende Argumentation der Revisionsrekurswerberin zur behaupteten „groben Mangelhaftigkeit“ des Rekursverfahrens nicht näher eingegangen werden muss.

3.2 Nach den Behauptungen der Revisionswerberin wurde das Gebäude in den Jahren 2009 bis 2011 saniert. Die Vorinstanzen haben sowohl den durch die Sanierung herbeigeführten Zustand des Hauses als auch die Energieersparnis gegenüber einer Normwohnung mit einem Zuschlag berücksichtigt. Mit ihrer Anregung zur Vorlage an den Gerichtshof der Union (EuGH) zur Klärung der Frage, ob Bestimmungen der Richtlinien (RL) 2010/31/EU vom 19. 5. 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und 2012/27/EU vom 25. 10. 2012 zur Energieeffizienz den nationalen Regelungen über die Mietzinsbildung entgegenstehen, weil nicht die Höhe der Sanierungskosten zugrunde gelegt wurde, zielt die Revisionswerberin auf einen höheren Zuschlag ab. Damit spricht sie aber ausschließlich die Auslegung innerstaatlicher Mietzinsbildungsvorschriften – Ermittlung des Zuschlags für den Erhaltungszustand des Hauses nach dem RichtWG – an, die einer Vorabentscheidung durch den EuGH nicht zugänglich sind (5 Ob 43/17k; Kropholler/von Hein9, Europäisches Zivilprozessrecht, Einl Rz 56; Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht I4 Einl Brüssel Ia – VO Rz 47).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 37 Abs 3 MRG).

5. Die Beantwortung des außerordentlichen Rechtsmittels vor ihrer

Freistellung durch den Obersten Gerichtshof (§ 71 Abs 2 AußStrG) dient nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Für die von der Antragstellerin eingebrachte Rechtsmittelbeantwortung kommt daher auch nach den Billigkeitskriterien des § 

37 Abs 3 Z 17

MRG ein Kostenersatz nicht in Betracht (5 Ob 114/14x; 5 Ob 199/18b ua).

Textnummer

E125681

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00070.19H.0613.000

Im RIS seit

30.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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