TE OGH 2019/6/25 1Ob8/19m

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** eGen, *****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Vöcklabruck, sowie des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei m***** e.U. ***** (Inhaber DI M*****), *****, vertreten durch Dr. Anton Frank und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch die Huber und Partner Rechtsanwälte GmbH, Linz, wegen 60.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2018, GZ 2 R 135/18p-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 31. Juli 2018, GZ 1 Cg 80/17k-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 60.000 EUR samt 8,58 % Zinsen pa ab 13. 12. 2017 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.189,02 EUR (darin 2.336,26 EUR USt und 5.507,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Bauherrin beauftragte den Nebenintervenienten (im Weiteren auch: Hauptunternehmer) im Februar 2017 mit baulichen Erweiterungen ihrer Firmengebäude zu einem „All-In-Pauschalpreis“ von 630.000 EUR. Die Zahlungsbedingungen enthielten unter anderem folgende Klausel „1. Teilzahlung in der Höhe von 80.000 EUR nach übergebener Erfüllungsgarantie in der Höhe von 130.000 EUR ...“. Aus einer ersten Garantie nahm die Beklagte im Juli 2017 60.000 EUR in Anspruch; der Hauptunternehmer stellte eine weitere Erfüllungsgarantie seiner Versicherung über 70.000 EUR. Für die Baumeisterarbeiten bediente er sich einer Subunternehmerin. Entsprechend der zwischen diesen beiden getroffenen Vereinbarung stellte die klagende Bank für die Subunternehmerin, ihre Kundin, am 23. 9. 2017 eine bis Ende November 2017 befristete „Erfüllungsgarantie“ zugunsten des Hauptunternehmers aus. Der Garantiebrief, in dem auf die Verpflichtung der Subunternehmerin hingewiesen wird, dem Hauptunternehmer im Zusammenhang mit den Baumeisterarbeiten eine Erfüllungsgarantie zu erbringen, enthält (nach der ihrem Wortlaut nach unstrittigen Urkunde; vgl RIS-Justiz RS0121557 [T3]) unter anderem folgenden Text:

„Wir überweisen für den Fall, dass unser Kunde seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht fristgerecht nachkommt ... unter Verzicht auf jede Einrede aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis bis zum Höchstbetrag von EUR 60.000.

...

Das Recht zur Inanspruchnahme dieser Garantie kann ausschließlich auf [die Beklagte] übertragen werden.

...

Unser Kunde hat uns sämtliche Bereicherungs-
und Schadenersatzansprüche, die ihm im Falle der ungerechtfertigten Inanspruchnahme der Garantie gegen Sie [den Nebenintervenienten] zustehen, abgetreten.“

Der Nebenintervenient trat umgehend das Recht zur Inanspruchnahme dieser Erfüllungsgarantie an die Beklagte ab. Nachdem es bei den vom Nebenintervenienten und der Subunternehmerin zu verrichtenden Arbeiten zu Verzögerungen gekommen war, erklärte die Beklagte im Oktober 2017 den Rücktritt vom Vertrag mit dem Nebenintervenienten, der seinerseits am 17. 11. 2017 vom Vertrag mit der Subunternehmerin zurücktrat. Die Beklagte hatte am 16. 11. 2017 die Garantie über 70.000 EUR abgerufen und nahm am 29. 11. 2017 auch die Erfüllungsgarantie der Klägerin in Anspruch. Nachdem die Subunternehmerin dem Nebenintervenienten im November 2017 eine (rückdatierte) Schlussrechnung über [richtig] 237.108,83 EUR gelegt hatte, erklärte der Rechtsvertreter des Nebenintervenienten dem Rechtsvertreter der Subunternehmerin mit Schreiben vom 1. 12. 2017 unter anderem, dass von seinem Mandanten unter der Voraussetzung der Mangelfreiheit der erbrachten Leistungen nach einer bereits geleisteten Zahlung von 36.000 EUR ein weiterer Betrag von zumindest 60.000 EUR zu leisten sei. Obwohl die Subunternehmerin der Beklagten gegenüber der Inanspruchnahme der Bankgarantie widersprach, ließ sich letztere den abgerufenen Betrag von 60.000 EUR von der Klägerin überweisen.

Die Klägerin begehrt nun – auch unter Hinweis auf die ihr von der Subunternehmerin (als Auftraggeberin der Garantie) abgetretenen Ansprüche – die Rückzahlung dieses Betrags, weil der Abruf der Garantie „rechtsmissbräuchlich und unberechtigt“ erfolgt sei. Die Beklagte behaupte wider besseres Wissen, dass die Subunternehmerin ihre Verpflichtungen aus dem Werkvertrag mit dem Hauptunternehmer nicht zur gehörigen Zeit und auch nicht in der bedungenen Weise erfüllt habe. Der Hauptunternehmer habe schriftlich bestätigt, dass der Subunternehmerin für ihre Leistungen ein Entgelt von zumindest 60.000 EUR zustehe; diese habe also gegenüber dem Hauptunternehmer jedenfalls eine 60.000 EUR übersteigende Forderung gehabt. Zwischenzeitig habe der Hauptunternehmer abseits der geleisteten Zahlung von 36.000 EUR einen Betrag von insgesamt 141.000 EUR anerkannt. Behauptete Mängel seien zum Teil bereits behoben worden und gründeten zum Teil darauf, dass die Arbeiten nach dem unberechtigten Vertragsrücktritt der Beklagten nicht mehr fortgesetzt worden seien. Die durch die Abtretung der Rechte aus der Erfüllungsgarantie an sie zur Begünstigten gewordene und daher passivlegitimierte Beklagte habe – wie der Hauptunternehmer gegenüber der Subunternehmerin – keine offenen Forderungen. Eine Rückabwicklung der fehlgeschlagenen Leistung sei gemäß ständiger Rechtsprechung zwischen Leistendem und Leistungsempfänger vorzunehmen, weswegen der Rückforderungsanspruch dem Garantieauftraggeber zustehen müsse.

Der als Nebenintervenient auf Seiten der Klägerin beigetretene Hauptunternehmer brachte vor, die Verzögerungen hätten auf Änderungswünschen beruht. Die Bauherrin habe im Verhältnis zu ihm bereits mehrere Erfüllungsgarantien abgerufen und daraus insgesamt einen Betrag von 190.000 EUR lukriert, obwohl im Werkvertrag ein Höchstbetrag von 130.000 EUR vereinbart worden sei. Die Baumeisterleistungen seien gegenüber der Beklagten ordnungsgemäß erbracht worden; soweit sie nicht erbracht worden seien, sei dies auf den unberechtigten Vertragsrücktritt zurückzuführen.

Die Beklagte hielt dagegen, dass sowohl der Hauptunternehmer wie auch die Subunternehmerin ihren Verpflichtungen aus dem Werkvertrag nicht zur gehörigen Zeit und auch nicht auf die bedungene Weise nachgekommen seien. Diese Umstände hätten sie zum Vertragsrücktritt veranlasst. Ihr stehe gegenüber dem Hauptunternehmer aufgrund mangelhafter Leistungen beim Gewerk der Subunternehmerin zumindest ein Anspruch von 60.000 EUR zu. Dieser Anspruch sei durch die Inanspruchnahme der Bankgarantie abgedeckt worden, der Abruf aufgrund zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme bestehender Mängel zu Recht erfolgt und Rechtsmissbrauch nicht vorgelegen. Der Hauptunternehmer habe ihr auch lediglich das Recht zur Inanspruchnahme der Bankgarantie abgetreten, „nicht jedoch seine Verpflichtungen gegenüber der Subunternehmerin“. Der abstrakten Zahlungsverpflichtung aus der Erfüllungsgarantie könnten keinerlei Einwendungen und Einreden aus dem Kausalverhältnis (Valutaverhältnis) entgegengesetzt werden. Die Klägerin stütze sich nun in unzulässiger Weise auf einen Rückforderungsanspruch aus dem Valutaverhältnis.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, weil es den Abruf der Bankgarantie als rechtsmissbräuchlich ansah. Eine Bankgarantie sei zwar, anders als etwa eine Bürgschaft, nicht akzessorisch, weswegen der Garant sich bei Inanspruchnahme durch den Begünstigten nicht darauf berufen könne, dass die Forderung im Verhältnis zwischen Garantieauftraggeber und Garantiebegünstigten (Valutaverhältnis) nicht zu Recht bestehe. Allerdings habe der Garant die Möglichkeit, Einwendungen aus dem Garantievertrag selbst oder hinsichtlich eines rechtsmissbräuchlichen Abrufs der Garantie geltend zu machen. Nach erfolgter Leistung könne sich der Garant nach § 1014 ABGB beim Garantieauftraggeber regressieren, dieser wiederum könne sich im Fall einer unberechtigten Inanspruchnahme der Garantie an den Garantiebegünstigten wenden. Dieses Rückabwicklungssystem werde jedoch dann durchbrochen, wenn die Garantie rechtsmissbräuchlich abgerufen worden sei. In einem solchen Fall könne sich der Garant unmittelbar an den Garantiebegünstigten wenden und die Leistung gemäß § 1431 ABGB zurückfordern, da sie rechtsgrundlos sei. Rechtsmissbrauch sei dann zu bejahen, wenn das Nichtbestehen des Anspruchs evident sei oder wenn der Begünstigte in Schädigungsabsicht handle. Für diese Beurteilung sei der Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie entscheidend. Zur Frage eines Rechtsmissbrauchs (wegen evidenten Nichtbestehens des Anspruchs) sei für den Fall der Abtretung der Ansprüche aus der Garantie zum einen vertreten worden, dass es auf den Kenntnisstand des Begünstigten (des Zedenten) ankommen solle, in anderen Entscheidungen des Höchstgerichts sei aber der Standpunkt eingenommen worden, dass der Kenntnisstand des Zessionars maßgeblich sei, wobei diesen aber eine Verpflichtung treffe zu überprüfen, ob der Garantiefall im Valutaverhältnis überhaupt eingetreten ist oder es sei nur auf den Kenntnisstand des Zessionars abgestellt, eine Prüfungspflicht des Zessionars aber aufgrund der Abstraktheit der Garantie verneint worden. Zwar sei ungewiss, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Garantie von der Schlussrechnung der Subunternehmerin Kenntnis hatte, ihr daher nicht klar gewesen sein musste, ob bzw in welcher Höhe eine Gegenforderung der Subunternehmerin gegen den Hauptunternehmer bestanden habe, jedoch sei sie danach aufgrund des Schreibens des Vertreters der Subunternehmerin in Kenntnis einer offenen Werklohnforderung von 201.108,83 EUR gewesen, jedenfalls aber eines 60.000 EUR übersteigenden Betrags. Die Beklagte habe aufgrund des Rücktritts im Oktober 2017 keinerlei Anspruch auf Erfüllung ihres Vertrags gehabt, habe aber dennoch auf Auszahlung bestanden. Auch unter Berücksichtigung des Rücktritts, aufgrund dessen sie seit Oktober 2017 keinen Anspruch auf Erfüllung ihres (Werk-)Vertrags mehr gehabt habe, erscheine die Ziehung der Garantie rechtsmissbräuchlich.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung nicht Folge. Es stellte
– unter Berufung auf die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Rechtsmissbrauch – auf die Kenntnis des Zessionars von der fehlenden Berechtigung zum Abruf ab und ging davon aus, dass dieser verpflichtet sei, sich vor Inanspruchnahme der Garantie Kenntnis darüber zu verschaffen, ob im Valutaverhältnis der Garantiefall eingetreten ist. Der Zessionar müsse sich jedenfalls Informationen über die grundsätzliche Art des Valutaverhältnisses, also darüber, welches Schuldverhältnis durch die Bankgarantie gesichert sein solle und unter welchen Voraussetzungen vom Eintritt des Garantiefalls ausgegangen werden könne, verschaffen. Bloßer Zweifel am Eintritt des Garantiefalls könne zwar mit positiver Kenntnis vom Nichteintritt nicht gleichgesetzt werden, es komme aber nicht nur auf den Zeitpunkt des Abrufs der Garantie an, sondern sei Rechtsmissbrauch auch dann noch anzunehmen, wenn der Begünstigte noch innerhalb der vereinbarten oder nach den Regeln des § 904 ABGB bestimmten Leistungsfrist Kenntnis von der mangelnden Existenz der gesicherten Forderung bzw den dafür vorhandenen liquiden Beweisen erhalte und dennoch auf Auszahlung der Garantie bestehe.

Der Abruf der Garantie sei vor allem deshalb rechtsmissbräuchlich, weil einer Einlösung der Rücktritt vom Vertrag im Valutaverhältnis entgegengestanden sei. Aus der Entscheidung 4 Ob 120/14x sei abzuleiten, dass bei Wissen über die Auflösung der vertraglichen Beziehung im Valutaverhältnis die Inanspruchnahme der Garantie rechtsmissbräuchlich erfolge. Die Beklagte habe zwar vorgebracht, dass die von ihr als mangelhaft gerügten Bau-(meister-)leistungen „zumindest einen Anspruch von 60.000 EUR bedeuten würden“, jedoch verbleibe auch nach Abzug dieses Betrags vom ursprünglichen Pauschalauftragswert von 193.000 EUR angesichts der unstrittig bereits (zuvor) an die Subunternehmerin geleisteten Zahlung von 36.000 EUR immer noch ein Anspruch der Subunternehmerin in Höhe von 97.300 EUR gegenüber dem Hauptunternehmer (und Begünstigten) im Valutaverhältnis aus dem Bauauftrag. Die Höhe dieses Betrags hätte für die Beklagte augenscheinlich ergeben müssen, dass trotz der von ihr behaupteten Mängel kein materieller Anspruch des Hauptunternehmers gegenüber der Subunternehmerin als Garantieauftraggeberin „aus den Baumeisterarbeiten“ bestanden habe. Dazu komme noch, dass die Beklagte im Innenverhältnis zum Hauptunternehmer den „vereinbarten Höchstbetrag an Erfüllungsgarantie von 130.000 EUR“ überschritten habe. Bei Nachfrage beim Zedenten hätte sich ergeben, dass dieser den Abruf der Garantie nicht mehr als zulässig erachtet habe. Diese Beurteilung binde die Zessionarin.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die Judikatur des Höchstgerichts zur Frage, ob die den Garantiebegünstigten gegenüber dem Garantieauftraggeber treffende Pflicht, vor Inanspruchnahme der Garantie zu prüfen, ob der Garantiefall im Valutaverhältnis eingetreten ist, bei Zession der Garantieforderung auf den Zessionar übergehe, im Hinblick auf den Widerspruch zwischen den Entscheidungen 3 Ob 113/14k und 5 Ob 45/07i nicht einheitlich sei und der Oberste Gerichtshof „noch nicht direkt dazu Stellung genommen“ habe, ob die Auflösung des Vertrags im Valutaverhältnis – etwa durch Rücktritt – den Abruf der Garantie im Einlösungsverhältnis bei Wissen um die Auflösung als missbräuchlich qualifiziere.

Die dagegen erhobene (von der Klägerin und dem Nebenintervenienten) beantwortete Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Allgemeines zur Bankgarantie und zu den Beteiligten:

Im dreipersonalen Verhältnis ist eine Garantie regelmäßig keine akzessorische, sondern eine abstrakte Verbindlichkeit (Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 859 Rz 57; Dullinger, ebenda § 880a Rz 7; Koziol, Der Garantievertrag 32 f). Bei einer solchen abstrakten (Bank-)Garantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, wobei die Abstraktheit durch Formulierungen der Zahlungspflicht mit den Worten etwa „auf erstes Abfordern“ oder „ohne Einwendungen“ besonders betont wird (RS0016992 [T3, T10 T13]; Dullinger aaO Rz 11; Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 880a Rz 9; hier: „unter Verzicht auf jede Einrede aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis“). Der Bankgarantievertrag ist ein selbständiger, von jedem anderen Schuldverhältnis unabhängiger, einseitig verpflichtender Schuldvertrag (RS0017039). Nur solche Einwendungen des Garanten, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben, sind zulässig (RS0017039 [T10]; RS0016992 [T7, T11]). Damit sind neben den Einwendungen aus dem Deckungsverhältnis zwischen der Bank und dem Garantieauftraggeber regelmäßig auch solche aus dem Valutaverhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Garantieauftraggeber ausgeschlossen (RS0017039 [T9]; Koziol aaO 53; Kolmasch in Schwimann/Neumayr, ABGB-Takom4 § 880a Rz 2; Riedler aaO Rz 13), weil es gerade der Sinn einer solchen Garantie ist, die Einstandsverpflichtung der Bank vom Kausalverhältnis zu lösen (RS0016992 [T2]; RS0017039 [T9]; RS0016939; 3 Ob 113/14k) und dem Begünstigten eine sichere und durch Einwendungen nicht verzögerte Zahlung zu gewährleisten (RS0016992 [T15]). Ansprüche des Vertragspartners gegen den Begünstigten aus dem Valutaverhältnis dürfen grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Leistung aus der Garantie doch wieder vom Grundverhältnis abhängig gemacht wird (3 Ob 158/03m; 3 Ob 113/14k; RS0005081). Der für die Bankgarantie typische Ausschluss von Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis soll auch nicht auf Umwegen umgangen werden (vgl 8 Ob 560/76 = SZ 50/32; 1 Ob 789/81 = SZ 54/189). Wesentlich für den vorliegenden Fall ist also, dass die Geltendmachung von Gegenforderungen aus den Rechtsbeziehungen zwischen dem Garanten und dem Dritten einerseits sowie zwischen dem Dritten (dem Garantieauftraggeber) und dem Begünstigten andererseits von vorneherein ausscheidet (vgl RS0017236).

2. Die Leistungs- und Rückabwicklungs-
verhältnisse bei Inanspruchnahme einer Bankgarantie:

Nimmt der Garantiebegünstigte den Garantiebetrag in Anspruch kommt es rechtlich betrachtet zu zwei Leistungen: Die Bank erfüllt ihre Verpflichtung gegenüber dem Garantieauftraggeber, der sie angewiesen hat, im Garantiefall über Aufforderung des Begünstigten Zahlung zu leisten. Der Begünstigte erhält eine Leistung vom Garantieauftraggeber, weil die Garantie ja bestellt wurde, um den Begünstigten eine Geldzahlung im Rahmen des gesicherten Vertragsverhältnisses zu verschaffen.

Wurde der Anspruch aus der Bankgarantie – wie hier – wirksam abgetreten und nimmt der Zessionar den Garantiebetrag in Anspruch, tritt eine dritte Leistungsbeziehung hinzu. Der Garant leistet im Verhältnis zum Garantieauftraggeber, dieser im Verhältnis zum (ursprünglich begünstigten) Zedenten und letzterer im Verhältnis zum Zessionar. Der Zessionar sollte ja aufgrund des Vertragsverhältnisses zum Zedenten bei Eintritt des Garantiefalls eine Zahlung erhalten, die insoweit aus dessen Vermögen stammt, als ihm vor der Abtretung der Anspruch aus der Garantie zustand.

Sollte sich (nachträglich) ergeben, dass der Abruf des Garantiebetrags insoweit – ganz oder teilweise – unberechtigt war, als der Garantiefall gar nicht eingetreten war oder ein zu Sicherungszwecken in Anspruch genommener Garantiebetrag letztlich nicht (zur Gänze) zum Erreichen des Deckungszwecks verbraucht werden musste, ist die erhaltene Leistung nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts zurückzustellen. Eine solche Rückabwicklung hat grundsätzlich in jenem Verhältnis zu erfolgen, in dem die Leistung – rechtlich gesehen – erbracht wurde (s RS0033737 [T13]; RS0020192 [T4, T6, T8, T9]). Der Garant hat sich im Regelfall mit seinem Anspruch auf Aufwandersatz an seinen Vertragspartner, den Garantieauftraggeber, zu halten; Rückabwicklungsschuldner des Garantieauftraggebers ist
– weil er rechtlich gesehen dem Zedenten im Valutaverhältnis geleistet hat – nicht der Zessionar, sondern der ursprünglich begünstigte Zedent (s 4 Ob 348/99a = SZ 73/10; 3 Ob 3/08z mwN; Dullinger aaO Rz 23 mwN; Riedler aaO Rz 28).

Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen des Rechtsmissbrauchs (dazu etwa RS0018006) durch den Begünstigten bzw einen allfälligen Zessionar, der die Garantie gegenüber einem Garanten aus verpönten Motiven, insbesondere in Kenntnis des Nichteintritts des Garantiefalls (dazu unter Punkt 5.), in Anspruch genommen hat. In diesen Fällen besteht ein unmittelbarer Anspruch des Garanten gegen den Empfänger der Zahlung (zur Leistungskondiktion gegen den Zessionar bei missbräuchlichem Abruf s nur Dullinger aaO Rz 24 mwN; Riedler aaO Rz 31; 9 Ob 9/16p mwN).

3. Die Erfüllungsgarantie im Bauwesen:

Gegenstand des Verfahrens ist die Inanspruchnahme einer Erfüllungsgarantie, die der Werkunternehmer (hier: Subunternehmer) dem Werkbesteller (hier: Nebenintervenient als Hauptunternehmer) zu verschaffen hatte.

Die Vorinstanzen gingen offenbar davon aus, dass Ansprüche aus der Garantie davon abhängen, ob der zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten abgeschlossene (Werk-)Vertrag nach wie vor aufrecht ist. Sie meinen, durch den Vertragsrücktritt könne kein Anspruch aus der Erfüllungsgarantie mehr geltend gemacht werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, kann der Entscheidung 4 Ob 120/14x (bei der es anlässlich eines Kaufvertrags um die Absicherung eines Vorauszahlungsanspruchs ging, der wohl mit dem Scheitern des Grundgeschäfts nicht mehr bestanden hatte) die abstrakte Aussage, dass bei Wissen über die Auflösung der vertraglichen Beziehung im Valutaverhältnis die Inanspruchnahme (jedwe)der Garantie schlechthin rechtsmissbräuchlich erfolgt, nicht entnommen werden. Es wurde im vorliegenden Fall auch anders als in dem zu 5 Ob 45/07i beurteilten Fall, in dem sich die Garantie ausdrücklich auf ein bestehendes aufrechtes Rechtsverhältnis bezog („auf die Dauer des Bestandvertrags“), das Bestehen von Ansprüchen aus der Garantie nach dem Wortlaut der übernommenen Verpflichtung nicht vom Bestand des Vertragsverhältnisses zwischen Begünstigtem und Garantieauftraggeber (Drittem) abhängig gemacht. Allein aus der Bezeichnung „Erfüllungsgarantie“ kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass das Bestehen der Garantie auch den aufrechten Bestand des Werkvertrags voraussetzte.

Eine Erfüllungsgarantie soll den Begünstigten in der Regel wirtschaftlich so stellen, wie wenn vollständig vertragsgemäß erfüllt worden wäre (vgl Apathy/Koziol in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht V2 Rz 3/14 f). Sie deckt insbesondere auch Verspätungsschäden und Mehrkosten von Ersatzunternehmen ab und muss daher selbstverständlich auch und gerade bei (berechtigtem) Vertragsrücktritt des Werkbestellers zur Verfügung stehen.

Dass nämlich diese Garantie – gerade angesichts des im Garantievertrag formulierten Garantiefalls (dass der Werkunternehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht fristgerecht nachkommt) – nur wegen der Bezeichnung „Erfüllungsgarantie“, so zu verstehen sein sollte, dass der Werkbesteller, dessen Anspruch auf (fristgerechte) Erfüllung gesichert werden soll, gezwungen sein sollte, den Vertrag mit einem vertragsbrüchigen Werkunternehmer (also trotz mangelhafter Erfüllung bzw Verzugs) aufrechtzuerhalten und es nur dann möglich wäre, die Garantie abzurufen, wenn er nicht vor deren Abruf zurücktritt, wird nicht geteilt. Der „Erfolg des Unternehmens“, für den der Garant im Garantievertrag die Haftung übernimmt (vgl Koziol aaO 55), lag hier in der „fristgerechten Leistungserbringung“ durch die Subunternehmerin (vgl auch von Westphalen/Zöchling-Jud, Die Bankgarantie im internationalen Handelsverkehr4 Rz 33, die als Sicherungszweck der Erfüllungsgarantie den „Tatbestand der Nichterfüllung“ angeben), wobei auch derjenige Unternehmer, der seine vertraglich bedungene Leistung nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt vollständig (also auch mangelfrei) erfüllt, seinen „vertraglichen Verpflichtungen nicht fristgerecht nachkommt“. Es sollte mit der Garantie genau das Risiko, das sich nun nach den Feststellungen verwirklicht hat, abgesichert werden. Müsste der Werkbesteller – um sich die Ansprüche aus der „Erfüllungsgarantie“ zu erhalten – an den nicht vertragstreuen Teil weiterhin gebunden bleiben, wäre ihm Abhilfe durch Ersatzvornahme verwehrt. Es liegt also auf der Hand, dass durch die Abrufmöglichkeit bei nicht fristgerechter Erfüllung das gesamte „Nichterfüllungsrisiko“ abgesichert werden soll (vgl etwa BGH IX ZR 263/86 = BauR 1988, 220 = NJW 1988, 907 dazu, dass eine „Bankbürgschaft für Vertragserfüllung“ auch den Schadenersatz wegen Nichterfüllung umfasst). Für (regelmäßig befristete) Erfüllungsgarantien im Bauwesen ist besonders der Sicherungszweck zu beachten, da zum Zeitpunkt des Ablaufs bzw der Inanspruchnahme der Garantie regelmäßig noch nicht abgesehen werden kann, in welchem Ausmaß der Garantiebetrag letztlich – zur Fertigstellung sowie zur Abdeckung von Verzugsschäden – benötigt wird. Solange insoweit Unklarheiten bestehen, darf der Begünstigte nicht nur abrufen, sondern das Geld auch behalten.

4. Folgen einer Zession des Anspruchs aus der Garantie:

Die Bezugnahme auf einen bestimmten Garantiefall in der Garantieerklärung und der Grundsatz, dass die Position des Schuldners (hier des Garanten) durch eine Abtretung nicht verschlechtert werden kann, bringen es mit sich, dass eine Erfüllungsgarantie auch vom Zessionar nur dann abgerufen werden kann, wenn im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist. Dies war hier der Fall. Selbst wenn aufgrund der Abrede zwischen Zessionar und Zedenten, der Zessionar die Garantie in überschießender Weise in Anspruch genommen haben sollte, wäre dies nur im Verhältnis zwischen ihnen beachtlich.

Ein allfälliger Rückforderungsanspruch aus schlicht unberechtigter Inanspruchnahme der Garantie im Verhältnis zwischen Garantieauftraggeber und dem ursprünglich begünstigten Zedenten wäre zwischen diesen beiden abzuwickeln.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass bei bloß unberechtigter oder unberechtigt gewordener Inanspruchnahme der Bankgarantie das Klagebegehren schon mangels Aktivlegitimation nicht berechtigt sein kann, hat die Klägerin doch – wie unter 2. dargelegt – nicht an die Beklagte geleistet. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man davon ausginge, dass sich die Klägerin weiterhin auf die Abtretung von Ansprüchen durch ihre Auftraggeberin berufen will, weil auch dieser keine Ansprüche gegen den Zessionar zustehen, sondern allenfalls gegen den ursprünglich begünstigten Zedenten.

5. Rechtsmissbrauch

Dem Klagebegehren könnte daher nur im Falle eines der Beklagten vorzuwerfenden Rechtsmissbrauchs Berechtigung zukommen, den die Vorinstanzen aber nach Auffassung des erkennenden Senats zu Unrecht bejaht haben.

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme einer Bankgarantie vorliegt, existiert bereits eine Vielzahl höchstgerichtlicher Entscheidungen (vgl RS0017997; RS0018006; RS0017042). Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten ist dann nicht mehr gegeben, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, dass er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Die Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten wäre in einem solchen Fall eine missbräuchliche Rechtsausübung. Voraussetzung für Rechtsmissbrauch ist, dass zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht; der Schädigungszweck muss augenscheinlich so sehr im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (RS0018006). Dem Begünstigten (oder seinem Zessionar), der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kann hingegen kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch hat (RS0017997). Rechtsmissbrauch ist auch anzunehmen, wenn der Begünstige noch innerhalb der (vereinbarten oder nach den Regeln des § 904 ABGB bestimmten) Leistungsfrist sichere Kenntnis von der mangelnden Existenz der gesicherten Forderung bzw den dafür vorhandenen liquiden Beweisen erhält und dennoch auf Auszahlung der Garantieleistung besteht (RS0017042). Das wäre hier der Fall, wenn der Zessionar sichere Kenntnis darüber gehabt hätte, dass dem Zedenten aus dem Leistungsverzug des Garantieauftraggebers Ansprüche, die den Garantiebetrag erreichen oder übersteigen, nicht erwachsen können. Dazu zählen etwa auch Ersatzverbindlichkeiten des Hauptunternehmers gegenüber der Beklagten aus Vertragsverletzungen durch die Subunternehmerin als deren Erfüllungsgehilfin.

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene – und als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene – Rechtsfrage, ob und wie weit eine Erkundigungsobliegenheit des Zessionars besteht (nur auf die [tatsächlich gegebene] Kenntnis des Zessionars abstellend 3 Ob 113/14k; dagegen eine „Prüfpflicht“ des Zessionars, ob der Garantiefall eingetreten sei, bejahend Graf in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 880a Rz 52; ders, Abtretung der Ansprüche aus einer Garantie, Rechtsmissbrauch und Pflichten des Zessionars Eine notwendige Korrektur, ZFR 2015, 203 [207]), ist für die Lösung dieses Rechtsstreits nicht entscheidungserheblich.

Selbst wenn man unterstellt, es träfe den Zessionar, weil der Inhalt des Rechts durch die Abtretung keine Änderung zum Nachteil des Garanten erfahren soll, die Pflicht, sich aktiv den Wissensstand des Begünstigten zu verschaffen und man auch – um dem Schuldner Gelegenheit zur liquiden Beweisführung zu geben – die Umstände und Entwicklungen eines gewissen Zeitraums nach Abruf berücksichtigte (vgl RS0017042), kann es für die Frage des Rechtsmissbrauchs jedenfalls nicht darauf ankommen, ob der Begünstigte – ohne Abtretung – die Garantie gezogen hätte, wobei hier noch hinzukommt, dass die Klägerin mit einer unmittelbaren Inanspruchnahme durch die Beklagte rechnen musste, hatte sie doch einer Abtretung der Rechte aus der Garantie an diese ausdrücklich zugestimmt. Das Berufungsgericht nahm ohne nähere Begründung an, die „Prüfpflicht“ führe dazu, dass der Zessionar an die Beurteilung des Zedenten über die Zulässigkeit eines Abrufs gebunden sei. Eine solche Bindung besteht aber nicht, wäre doch der Zessionar damit der Willensentscheidung des Zedenten unterworfen, der selbst womöglich kein (eigenes) Interesse am Abruf der Garantie (mehr) hat.

Auch Graf bezieht die von ihm angenommene „Prüfpflicht“ (bloß) darauf, ob der Garantiefall eingetreten ist (aaO Rz 52: „ob im Valutaverhältnis der Garantiefall eingetreten ist“ bzw ZFR 2015, 207: „4.3. Verpflichtung sich über den Eintritt des Garantiefalls zu informieren“). Das Bestehen von Gegenforderungen, noch dazu unbestimmter Höhe (im Verhältnis zwischen Begünstigtem und Garantieauftraggeber), muss sich der Zessionar aber wie bereits ausgeführt nicht entgegenhalten lassen (vgl RS0017236). Gerade im vorliegenden Fall ist – abseits grundsätzlicher Bedenken gegen die Annahme einer solchen Erkundigungspflicht wegen der Abstraktheit der
Bankgarantie – eine Pflicht, sich unmittelbar beim Zedenten aktiv über den Eintritt des Garantiefalls zu vergewissern, zu bezweifeln. Es handelte sich um das Bauvorhaben der Zessionarin. Der Baufortschritt, also auch die rechtzeitige Fertigstellung der beauftragten (Baumeister-)Leistungen (der Subunternehmerin) konnten von ihr als Bauherrin leicht selbst überprüft werden. Der im Verfahren erhobene Vorwurf, die Beklagte behaupte wider besseres Wissen, die Subunternehmerin habe ihre Verpflichtungen aus dem Werkvertrag mit dem Hauptunternehmer nicht zur gehörigen Zeit und auch nicht in der bedungenen Weise erfüllt, worin der Vorhalt liegt, der Garantiefall sei nicht eingetreten, hat sich als unrichtig erwiesen. Tatsächlich war es – jedenfalls objektiv – zu Verzögerungen bei den von der Subunternehmerin zu verrichtenden Arbeiten gekommen, womit der Garantiefall im Valutaverhältnis, die nicht fristgerechte Leistung, eingetreten war. Zweck der Garantie war es allein, für die aus dem Werkvertrag abgeleiteten Ansprüche des Werkbestellers (Hauptunternehmers) einen Deckungsfonds zu gewähren, nicht aber etwa einen aus dessen Ansprüchen und jenen (von der Garantie eben nicht umfassten) Ansprüchen des Werkunternehmers (Subunternehmerin) gegen den Werkbesteller gebildeten Saldo abzusichern. Wenn der Garant schon dem Begünstigten (selbst) Gegenforderungen aus den Rechtsbeziehungen zwischen diesem (dem Begünstigten) und dem Garantieauftraggeber (Dritten) nicht entgegenhalten kann (vgl RS0017236), kann das Bestehen von (allfälligen) Gegenforderungen den Abruf der Garantie durch einen Zessionar nicht zum Rechtsmissbrauch machen. Eine Überprüfung (und Abrechnung) der wechselseitigen Pflichten und Ansprüche zwischen Begünstigtem und Drittem als Garantieauftraggeber ist vom Zessionar (wie dies aus den Überlegungen des Berufungsgerichts hervorgeht) jedenfalls noch weniger zu fordern, als von den Parteien des Valutaverhältnisses selbst.

Selbst wenn man also davon ausginge, dass der Beklagten der Inhalt aller vom Berufungsgericht herangezogenen Schreiben (also auch der nicht an sie gerichteten) bekannt gewesen wäre, als sie auf Auszahlung beharrte, ist damit ein Rechtsmissbrauch nicht erweislich. Weder das Legen einer Schlussrechnung (über [richtig] 237.108,37 EUR) noch eine Bestätigung des Begünstigten, dass „unter der Voraussetzung der Mangelfreiheit der von [der Subunternehmerin] erbrachten Leistungen und unter Berücksichtigung des bereits von [dem Hauptunternehmer] an [die Subunternehmerin] geleisteten Betrages von € 36.000,00 […] ein weiterer Betrag von zumindest € 60.000,00 an [die Subunternehmerin] zu leisten ist“, vermochte aus Sicht der Zessionarin daran etwas zu ändern, dass der Garantiefall eingetreten war und sie in vertretbarer Weise von daraus abgeleiteten Ansprüchen des Hauptunternehmers ausgehen durfte, war doch nicht evident, dass etwa Verspätungsschäden oder Mängelbehebungskosten keinesfalls bestehen können. Anders als in dem zu 5 Ob 45/07i (anlässlich einer drohenden Inanspruchnahme einer Garantie) entschiedenen Fall war hier weder bei Abruf noch bei Auszahlung der Nichteintritt des Garantiefalls „liquide und eindeutig nachgewiesen“.

Soweit die Revisionsgegner den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs (auch) damit begründen wollen, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen „einen Schaden in Höhe von ca 60.000 EUR“ erlitten habe, ist dies insoweit aktenwidrig, als die Prozessbehauptung der Beklagten einen Schaden von „mindestens“ 60.000 EUR ohne jede Begrenzung nach oben enthielt. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, warum sich dieses Vorbringen auf den Kenntnisstand zum Zeitpunkt des Garantieabrufs bezogen haben sollte.

Auf die Annahme des Berufungsgerichts, es seien Garantien im „Höchstbetrag“ von 130.000 EUR vereinbart worden und die Beklagte hätte schon deshalb keinen höheren Betrag in Anspruch nehmen dürfen, kommen die Revisionsgegner (zutreffend) nicht zurück. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass sich weder aus den Sachverhaltsfeststellungen noch aus dem Prozessvorbringen Hinweise auf die Vereinbarung eines Höchstbetrags ergeben. Der Nebenintervenient hat zwar eine derartige Behauptung aufgestellt, dazu allerdings nur auf die vorliegenden Urkunden verwiesen, die die Behauptung in keiner Weise tragen. Aus diesen ergibt sich lediglich, dass das Bereitstellen einer Bankgarantie durch den Hauptunternehmer (bloß) Teil der im Werkvertrag festgehaltenen Zahlungsbedingungen gewesen war. Es sollte die erste Teilzahlung in Höhe von 80.000 EUR durch die Bauherrin erst nach übergebener Erfüllungsgarantie in der Höhe von 130.000 EUR erfolgen. Mag daher auch im Verhältnis zwischen Bauherrin und Hauptunternehmer zur Erreichung der Auszahlung von 80.000 EUR an Werklohn die Übergabe von Bankgarantien durch den Hauptunternehmer bis zu 130.000 EUR vereinbart gewesen sein, lässt sich daraus keineswegs eine generelle Vereinbarung eines Höchstbetrags für (von wem auch immer gelegte) Bankgarantien ableiten. Für die gegenteilige Prozessbehauptung der Beklagten, der Nebenintervenient habe im Nachhinein die Garantie erhöht, welche auch nicht die Leistungen der Subunternehmerin, sondern den Gesamtauftrag betreffe, spricht auch die Chronologie des Ablaufs. Nachdem die Beklagte eine unmittelbar vom Nebenintervenienten gelegte Garantie bereits im Juli im Ausmaß von 60.000 EUR in Anspruch genommen und von diesem eine weitere Garantie über 70.000 EUR erhalten hatte, trat ihr der Nebenintervenient Ende September 2017 die Ansprüche aus der ihm unmittelbar vorher von der Subunternehmerin übergebenen Bankgarantie ab. Diese Abtretung wäre nicht erklärlich, wenn die Beklagte gegenüber dem Nebenintervenienten bis zuletzt nur Anspruch auf Beibringung von Garantien im Ausmaß von insgesamt 130.000 EUR gehabt hätte.

6. Der Revision der Beklagten ist demnach Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E125682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00008.19M.0625.000

Im RIS seit

31.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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