Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert K***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. November 2018, GZ 95 Hv 74/18z-61, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Robert K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert K***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A./I./), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A./II./), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (B./) und des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – in W*****
A./ am 14. Februar 2018 (US 3 f) Christoph H*****
I./ durch das Versetzen von Faustschlägen, Messerstichen und Bissen eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, und zwar einen verschobenen Mehrfachbruch des Nasenbeins, eine Bissverletzung am Nasenrücken, zahlreiche Schnittverletzungen am linken Unterarm, eine Prellung des Brustkorbs und ein Monokelhämatom am linken Auge;
II./ widerrechtlich gefangen gehalten, indem er diesen über Nacht in seinem Wohnzimmer einsperrte.
Rechtliche Beurteilung
Ausschließlich gegen A./I./ und A./II./ des Schuldspruchs richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Die Tatrichter stützten sich bei den Feststellungen zu A./I./ auf die für glaubwürdig erachtete Aussage des Zeugen Christoph H***** (US 6). Dass diese Begründung den Beschwerdeführer, der dem Erstgericht diesbezüglich Willkür vorwirft (Z 5), nicht überzeugt, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (RIS-Justiz RS0118317 [T9]). Das Vorbringen, der Angeklagte hätte – auf dem Opfer sitzend – „keine andere Möglichkeit“ gehabt, als auf dessen Gesicht einzuschlagen, bleibt unverständlich.
Das Gutachten der gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. F***** haben die Tatrichter entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) berücksichtigt (US 7).
Der Begründungsmangel der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt (nur) bei unrichtiger oder unvollständiger Wiedergabe einer Aussage oder Urkunde im Urteil vor, sodass die – lediglich die tatrichterlichen Schlussfolgerungen aus den Aussagen des Opfers kritisierende – Rüge bereits vom Ansatz her fehl geht (RIS-Justiz RS0099431 [T2]).
Ob der Angeklagte gezielte Messerstiche gegen den Körper des Opfers ausgeführt hat, ist mit Blick auf die durch die Faustschläge absichtlich herbeigeführte (US 4, 7, 11) an sich schwere Körperverletzung in Gestalt des verschobenen Nasenbeinbruchs (US 11) für die Subsumtion unter § 87 Abs 1 StGB nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0106268).
Indem die Beschwerde – in Bezug auf die konstatierte Absicht des Angeklagten, das Opfer durch die Faustschläge in das Gesicht schwer am Körper zu verletzen (US 4) – einzelne Passagen aus der Aussage des Zeugen H***** heranzieht und daraus eigene – für den Standpunkt des Angeklagten günstigere – Schlussfolgerungen ableitet, wird eine Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) nicht aufgezeigt, sondern lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichts kritisiert (RIS-Justiz RS0099455).
Dem Kritikpunkt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht bei seinen Feststellungen zur Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit sowohl die – im Übrigen keine sinnlichen Wahrnehmungen, sondern lediglich persönliche Einschätzungen zum Gesundheitszustand des Angeklagten betreffenden (vgl RIS-Justiz RS0097540) – Aussagen des Zeugen H***** als auch das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. L***** (ON 49) berücksichtigt (US 6, 11).
Entgegen dem Vorwurf der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der Feststellungen zu A./II./ des Schuldspruchs lassen die Konstatierungen (US 4) unzweifelhaft erkennen, dass eine die tatbestandliche Erheblichkeitsschwelle (RIS-Justiz RS0092863 [T2], RS0092841) jedenfalls übersteigende Dauer der Einschränkung der Bewegungsfreiheit konstatiert wurde (vgl RIS-Justiz RS0117995 [T3]).
Eine (qualifizierte) Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung zu entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0119583) vermag der Beschwerdeführer in seiner Tatsachenrüge (Z 5a) nicht aufzuzeigen. Insbesondere ist der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung aus der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen (RIS-Justiz RS0099419), sodass mit den vom Beschwerdeführer isoliert gegen die Glaubwürdigkeit (vgl US 6) des Zeugen H***** (nicht aber gegen die Feststellung einer entscheidenden Tatsache) ins Treffen geführten Beweisergebnissen erhebliche Bedenken iSd Z 5a nicht geltend gemacht werden.
Weshalb auf Basis der Konstatierungen des Erstgerichts zum Tatablauf, wonach der Angeklagte sich nach Versperren der Wohnungseingangstüre nach einiger Zeit beruhigte und beide (Angeklagter und Opfer) nach einiger Zeit einschliefen, wobei der Angeklagte in der Nacht den Schlüssel in das Schloss der Wohnungseingangstüre steckte (US 4), unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Opfer (bereits) vor Absperren der Türe durch die Faustschläge schwer verletzt worden war und nach dem Absperren mit dem Messer traktiert wurde (US 3 f, 7, 11), nicht von einer die tatbestandliche Erheblichkeitsschwelle übersteigenden Dauer der Einschränkung der Bewegungsfreiheit auszugehen ist, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar (vgl RIS-Justiz RS0092841, RS0092863 [T2]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E125723European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00063.19K.0627.000Im RIS seit
05.08.2019Zuletzt aktualisiert am
05.08.2019