Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Robert Mayer, Rechtsanwalt in Götzis, gegen die beklagte Partei B***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen 8.567,94 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 4. Oktober 2018, GZ 3 R 222/18x-37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom 19. Juli 2018, GZ 4 C 164/17g-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 831,36 EUR (darin 138,56 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin betreibt eine Seetankstelle. Der Unternehmensgegenstand der Beklagten ist der Bau von Tankanlagen. Im Jahre 1998 errichtete die Klägerin ihre Tankstelle neu, wobei die wesentlichen technischen Anlagenkonstruktionsmerkmale auf Vorgaben der Beklagten beruhten. Diese war auch Lieferantin der als Doppelschläuche ausgeführten Saugleitungen, deren Außenschläuche jedoch nicht treibstoffresistent ausgeführt waren. Sie entsprachen nicht der ÖNORM EN 12115 „Gummi- und Kunststoffschläuche und -schlauchleitungen für flüssige und gasförmige Chemikalien“. Bei Erteilung der behördlichen Bewilligung der Anlage blieb dieser Umstand unbemerkt. Der Amtssachverständige ging davon aus, dass auch die Außenschläuche mineralölbeständig ausgeführt waren.
Im Jahr 2013 tauschte die Beklagte im Auftrag der Klägerin die Saugleitungen aufgrund altersbedingter Abnutzung gegen neue in gleicher Ausführung aus.
Ein weiterer Austausch gegen wiederum gleichartige Schläuche fand 2016 statt, nachdem sich eine Beschädigung des Außenschlauchs gezeigt hatte, die auf Treibstoffkontakt zurückzuführen war.
Die Beklagte stellte für diesen neuerlichen Schlauchtausch am 30. 6. 2016 eine Rechnung über insgesamt 5.320,79 EUR aus, in der ein Abzug für „Kulanz lt. Besprechung“ von 1.478 EUR ausgewiesen ist. Tatsächlich hatte davor eine Besprechung zwischen dem Vizepräsidenten der Klägerin und dem ehemaligen Geschäftsführer der Beklagten stattgefunden, deren zugrundeliegende Informationen aber nicht festgestellt werden konnten.
Die Klägerin bezahlte die Rechnung vom 30. 6. 2016 nicht, sondern forderte die Beklagte ab 17. 8. 2016 mehrmals auf, die gelieferten Außenschläuche der Ansaugleitungen bei sonstiger Ersatzvornahme gegen mineralölresistente Schläuche auszutauschen. Die Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
Das Klagebegehren ist auf Zahlung der Ersatzvornahmekosten für einen Austausch der Außenschläuche gerichtet, in eventu auf Durchführung des Austausches durch die Beklagte selbst. Die Klägerin brachte vor, die Beklagte hätte als Fachunternehmen vor dem Einbau der nicht dem Stand der Technik im Tankstellenbau entsprechenden Schläuche warnen müssen. Das Klagebegehren werde auf Gewährleistung, in eventu Schadenersatz gestützt.
Die Beklagte wandte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – ein, es habe sie keine Warnpflicht getroffen, weil die Tankanlage mit den strittigen Leitungen unbeanstandet behördlich bewilligt worden sei. Die Klägerin habe gegen Einräumung eines Kulanzabzugs von der Rechnung vom 30. 6. 2016 wirksam auf weitergehende Rechtsbehelfe verzichtet. Die Forderung aus der offenen Rechnung vom 30. 6. 2016 werde compensando gegen das Klagebegehren eingewendet.
Das Erstgericht stellte fest, dass die Klagsforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Die Beklagte habe in den Jahren 2013 und 2016 durch Lieferung ungeeigneter Schläuche ihre Vertrags- und Warnpflicht verletzt. Der Klägerin stünden daher sowohl Gewährleistungs- als auch Schadenersatzansprüche zu. Die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil die ihr zugrundeliegende Leistung mangelhaft sei. Der Beweis der behaupteten Generalbereinigung sei der Beklagten nicht gelungen.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil – soweit überschaubar – höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Warnpflicht eines Werkunternehmers bei Austausch von Teilen einer behördlich genehmigten Anlage fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision der beklagten Partei ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels entscheidungswesentlicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Ob das Unterbleiben der Aufklärung über einen bei vorauszusetzender Sachkunde erkennbaren Umstand eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung darstellt, stellt wegen der Kasuistik der Fallgestaltung keine allgemein bedeutsame Frage des materiellen Rechts iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0111165). Generelle Aussagen, wann eine Warn- bzw Aufklärungspflicht besteht, sind kaum möglich (RS0014811 [T11]); die Frage ihres Bestehens oder ihres Umfangs ist eine des Einzelfalls (RS0014811 [T12]; RS0048335 [T4]; RS0111165 [T1, T3]; RS0116074 [T1, T2]).
2. Nach § 1168a ABGB ist der Werkunternehmer für den Schaden verantwortlich, wenn das Werk infolge offenbarer Untauglichkeit des vom Besteller gegebenen Stoffes oder offenbar unrichtiger Anweisungen des Bestellers misslingt und er den Besteller nicht gewarnt hat. „Offenbar“ im zitierten Sinn ist alles, was vom Unternehmer bei der von ihm vorausgesetzten Sachkenntnis erkannt werden muss, wobei der Unternehmer für die Anwendung der in seinem Beruf üblichen Sorgfalt regelmäßig als Sachverständiger nach § 1299 ABGB anzusehen ist, sodass er die üblichen Branchenkenntnisse zu gewährleisten hat (RS0022259 [T6], 8 Ob 57/17s).
3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Beklagte aufgrund ihres bei einem Fachunternehmen vorauszusetzenden Wissensstands die Klägerin vor dem (neuerlichen) Einsatz der nicht mineralölbeständigen, der einschlägigen ÖNORM nicht entsprechenden Außenschlauchleitungen zu warnen hatte, entspricht den dargestellten Grundsätzen. Eine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht wird nicht aufgezeigt, umso mehr als feststeht, dass der vorzeitige Austausch der Schläuche im Jahre 2016 gerade wegen einer Beschädigung durch Treibstoffkontakt notwendig geworden war.
4. Die auch in der Revision wiederholte Behauptung, es sei bei der Besprechung im Jahre 2016 ein Vergleich geschlossen worden, setzten sich in unzulässiger Weise darüber hinweg, dass die Grundlagen der erwähnten Besprechung nicht festgestellt werden konnten. Ob die teilnehmenden Personen damals theoretisch zum Abschluss eines Vergleichs bevollmächtigt gewesen wären, ist für die Entscheidung daher irrelevant.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausführlich auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen (RS0035962 [T6, T10, T28]).
Textnummer
E125701European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00001.19H.0627.000Im RIS seit
02.08.2019Zuletzt aktualisiert am
02.08.2019