Gbk 2019/4/30 GBK I/707b/16

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Mangelnde Abhilfe

Text

Bundeskanzleramt

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 30. April 2019 über den am 13. September 2016 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für A (Antragsteller) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch Y (Antragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/707b/16, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

A ist aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG durch Y diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin sowie die mündliche Befragung des Antragstellers vom 30. April 2019. Von der Antragsgegnerin wurde auf die Befragung eines/einer informierten Vertreter/in verzichtet, stattdessen wurde die rechtsfreundliche Vertretung der Antragsgegnerin, C, befragt. Als weitere Auskunftspersonen wurden X und B am 30. April 2019 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Dienstvertrag des Antragstellers vom 16. Oktober 2007, das Antwortschreiben auf das Interventionsschreiben der GAW vom 15. April 2016 und das Urteil des Bezirksgericht … vom 7. April 2016. Weiters lagen dem Senat u.a. die Kündigungsverständigung des Betriebsrates vom 10. Dezember 2015 durch B und der Kündigungseinspruch des Antragstellers vom 4. Jänner 2016, die Anzeige des Antragstellers vom 5. Jänner 2016 und das Interventionsschreiben der GAW an die Antragsgegnerin vom 25. März 2016, vor.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Der Antragsteller sei von Oktober 2007 bis zum 14. Februar 2016 bei der Antragsgegnerin in der Y-Filiale …., 20 Stunden beschäftigt gewesen. Das Dienstverhältnis sei nach einer vorangegangenen Kündigung schlussendlich einvernehmlich gelöst worden. Der Antragssteller sei 20 Stunden teilzeitbeschäftigt gewesen, seine Arbeitstage seien Freitag und Samstag jeweils 10 Stunden gewesen. Seit ca. vier Jahren sei er als Mitarbeiter mit einer leitenden Funktion beschäftigt gewesen. X habe die Funktion als Bereichsleiterin der Kasse ausgeübt und sei die Vorgesetzte des Antragsstellers gewesen. Die Filiale sei von B als Marktmanager geleitet worden.

Am 28. November 2015 sei der Antragssteller um 7:00 Uhr ins Büro der Filiale gekommen und sei dort auf X getroffen, die gerade das Geld aus dem Tresor gezählt habe. X habe den Antragssteller angewiesen, die Türe wegen dem gerade im Gang befindlichen Vorgangs des Geldzählens zuzumachen. Der Antragssteller habe um 7:40 Uhr den Tresor übernehmen sollen und habe sich somit der Tätigkeit angeschlossen. Plötzlich habe X die Hand des Antragsstellers genommen und sie zu ihrer Brust geführt, sodass der Antragssteller diese entgegen seines Willens berühren habe müssen. Dabei habe X den Antragssteller gefragt: „Wie fühlt sich das an?". Der Antragssteller sei irritiert gewesen und habe die Hand sofort weggezogen. Unmittelbar danach habe X dem Antragssteller ziemlich fest in den Schritt gefasst und dazu gesagt: „Mach mich zu deiner Bitch!".

Der Antragssteller habe X weggedrückt und erwidert, dass er so etwas nicht mache. X habe dazu gemeint, dass er das noch bereuen würde. Der Antragssteller sei dermaßen irritiert gewesen, dass er das Büro verlassen habe und weder das Geld weiterzählen, noch den Tresor übernehmen habe können. Er habe seine Arbeit an der Kasse fortgesetzt und nach Dienstschluss die Filiale verlassen, ohne X noch einmal anzutreffen. Der Antragssteller habe sich sehr schlecht gefühlt und sich am 4. und 5. Dezember 2015 krankgemeldet. In der darauffolgenden Woche habe er Urlaub gehabt. Am 18. Dezember 2015 sei er wieder zum Dienst erschienen. Der Antragssteller habe feststellen müssen, dass es mit X keinerlei Kommunikation mehr gegeben habe. Zudem habe er bemerkt, dass X ihm sämtliche Befugnisse, die mit seiner Führungsposition zusammengehangen haben, entzogen habe. Der Antragssteller habe X zur Rede gestellt.

Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie ein Problem mit ihm gehabt habe und ihn nicht mögen würde. Der Antragssteller habe sich in weiterer Folge an den Marktmanager, B, gewandt. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass es an X gelegen habe, das Team neu aufzubauen. Daraufhin habe der Antragssteller von den sexuellen Übergriffen berichtet. B sei darauf nicht eingegangen und habe den Antragssteller davon in Kenntnis gesetzt, dass er ihn bereits zur Kündigung gemeldet habe. Der Antragssteller habe die Vorfälle am 5. Jänner 2016 auch zur Anzeige gebracht. Das Strafverfahren sei mit einem Freispruch im Zweifel geendet.

Der Antragssteller habe sich am 6. Jänner 2016 telefonisch bei der Personalabteilung gemeldet und habe von der sexuellen Belästigung berichtet, die seiner Meinung nach mit der Kündigung in Zusammenhang stehe. Es sei mitgeteilt worden, dass man das noch besprechen werde, bis dato habe sich allerdings niemand wegen des Vorwurfes einer sexuellen Belästigung bei dem Antragssteller gemeldet. Die Kündigung sei schlussendlich mit Unterstützung des Betriebsrates zu einer einvernehmlichen Lösung umgewandelt worden.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung der Antragstellerin übermittelten Stellungnahme vom 7. Dezember 2016 bestritt diese, die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Der Antragssteller sei in der Filiale … als Kassier im Ausmaß von 20 Wochenstunden angestellt gewesen. Der Antragsteller sei hier dritter Kassier gewesen und habe über den Bereich Kassa die Aufsicht gehabt, wenn sowohl die Bereichsleiterin X als auch deren Stellvertreter nicht anwesend gewesen seien. Das Dienstverhältnis sei durch Dienstgeberkündigung geendet, welche in eine vorzeitige einvernehmliche Auflösung umgewandelt worden sei.

Zunächst sei festzuhalten, dass die Antragsgegnerin erst nachdem die Kündigung des Klägers ausgesprochen worden sei (welche später in eine einvernehmliche Auslösung umgewandelt worden sei) vom Vorwurf der sexuellen Belästigung Kenntnis erlangt habe.

Der Antragssteller sei am 18. Dezember 2015 im Rahmen einer (wie so oft mit ihm) emotional geführten Diskussion mit dem Marktmanager B mitgeteilt worden, dass er gekündigt werde. Unrichtig sei, dass der Antragssteller in diesem Gespräch mitgeteilt habe, dass er sexuell belästigt worden wäre. Der Ordnung halber sei auch festzuhalten, dass der Dienstnehmer schon am 10. Dezember 2015 zur Kündigung beim Betriebsrat vom Marktmanager angemeldet worden sei.

Noch am selben Tag habe sich der Antragssteller arbeitsunfähig gemeldet. Der Dienstnehmer habe im Strafverfahren selbst angegeben, dass er sich am selben Tag (18. Dezember) bis 14. Februar 2016 krankschreiben habe lassen. Am 18. Dezember 2015 sei die Kündigung zum 31. März 2016 abgefertigt worden. Der Antragssteller habe sich bis zum Ende des Dienstverhältnisses nicht mehr arbeitsfähig gemeldet, habe also keinen Dienst am Standort zu verrichten gehabt. Auf Wunsch des Antragstellers, mitgeteilt am 8. Februar 2016, sei die Kündigung in eine einvernehmliche Auflösung zum 14. Februar 2016 umgewandelt worden, da dieser schon mit 15. Februar 2016 eine neue Anstellung aufgenommen habe.

Zu den Kündigungsgründen sei auszuführen, dass es im Unternehmen schon zuvor zu wiederholten Konflikten des Antragstellers und zwar nicht nur mit der Bereichsleiterin X gekommen sei. Der Antragssteller sei zwar als Kassier mit einer Stundenverpflichtung von 20 Wochenstunden an sich zuverlässig gewesen und es habe diesbezüglich fachlich nichts auszusetzen gegeben, es sei aber wegen seiner aufbrausenden und emotionalen Art wiederholt zu Konflikten mit Dienstvorgesetzten gekommen.

So sei der Antragsteller etwa im Zeitraum 1. September 2012 bis 1. Februar 2013 in die Filiale Hoher Markt auf eigenen Wunsch in die Fischabteilung versetzt worden. Aufgrund wiederholter Konflikte mit Dienstvorgesetzten und Kollegen sei er jedoch wieder in den alten Standort zurückgenommen worden (da man dort mit seiner Leistung als Kassier zuvor an sich zufrieden gewesen sei). Leider habe sich das Auftreten des Antragstellers in weiterer Folge jedoch auch nicht verbessert. Er sei immer wieder durch seinen unangemessenen, beinahe cholerischen Ton aufgefallen, dies auch gegenüber Dienstvorgesetzten und Kollegen und durchaus auch vor Kunden im Verkaufsraum.

Nachdem X den Bereich übernommen habe, sei die Situation weiter eskaliert. Insbesondere habe der Antragsteller offen gegen die neue Dienstvorgesetzte intrigiert und ihr Inkompetenz vorgeworfen.

Nachdem auch X erklärt habe, mit dem Antragsteller nicht zusammenarbeiten zu können (was im Grunde nur den bisherigen Eindruck bestätigt habe), sei vom Marktmanager B entschieden worden den Antragsteller zu kündigen. Die Mitteilung von X habe also nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Antragssteller habe sich vor der Kündigung zu keiner Zeit diesbezüglich einem Dienstvorgesetzten oder einer Vertrauensperson bzw. den Betriebsrat anvertraut. Es habe daher zuvor keinerlei Veranlassung von Seiten des Unternehmens gegeben irgendwelche Vorkehrungen zu treffen.

Wie sich aus der vorliegenden Anzeige ergebe, habe der Antragssteller erst am 5. Jänner 2016 den behaupteten Sachverhalt zur Anzeige gebracht. Von Seiten des Unternehmens habe man erstmals am 8. Jänner2016 Kenntnis davon erhalten, dass er die „Kündigung nicht akzeptiere" und in weiterer Folge habe man Nachforschungen betrieben. Auch in diesem Schreiben werde die sexuelle Belästigung mit keinem Wort erwähnt. Erst in einem folgenden Telefonat sei erstmals der Vorwurf der sexuellen Belästigung erhoben worden.

Der konkrete Sachverhalt (also der Inhalt der Anzeige) sei erst nach dem 15. Jänner 2016 bekannt geworden. In weiterer Folge sei unmittelbar der Betriebsrat verständigt und in die weitere Korrespondenz mit dem Dienstnehmer bzw. der Arbeiterkammer involviert worden. Selbstverständlich sei X mit den Anschuldigungen konfrontiert worden. X habe diesbezüglich gegenüber dem Unternehmen und insbesondere dem Standortleiter stets glaubhaft und vehement versichert, dass die Anschuldigungen nicht zutreffen.

X sei selbstverständlich darüber aufgeklärt worden, dass derartige Verhaltensweisen im Unternehmen nicht geduldet werden und die Entlassung nach sich ziehe. Weitere Vorkehrungen bzw. Abhilfe seien zunächst nicht zu treffen, da der Antragssteller durchgehend in Krankenstand gewesen sei und mit 9. Februar 2016 über die Arbeiterkammer mitgeteilt habe mit 14. Februar 2016 das Dienstverhältnis vorzeitig einvernehmlich auflösen zu wollen. Diesem Wunsch sei entsprochen worden. Selbstverständlich wäre es A schon aus Gründen der Vorsicht und in Entsprechung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers nicht zugemutet worden, weiterhin mit X zu arbeiten, sofern dieser Dienst zu verrichten gehabt hätte. Üblicherweise werde hier so vorgegangen, dass der Belästigende in eine andere Filiale versetzt werde, es sei denn der Belästigte wünsche seinerseits in eine andere Filiale versetzt zu werden. Bestätige sich der Vorwurf der sexuellen Belästigung werde die Entlassung ausgesprochen.

Die Mitarbeiter im Unternehmen werden auch laufend darüber aufgeklärt, wie in Fällen der sexuellen Diskriminierung oder Belästigung vorzugehen sei und hier seien insbesondere den betroffenen Mitarbeitern auch Anlaufstellen (insbesondere auf Seiten des Betriebsrats) angeboten worden; in den Filialen seien hierfür entsprechende Broschüren und Folder aufgelegen. Der Antragssteller habe hiervon bezeichnender Weise keinen Gebrauch gemacht.

Festzuhalten sei dazu auch, dass im folgenden Strafverfahren X freigesprochen worden sei. Wie sich aus der Entscheidung ergeben habe, sei das Gericht zum Ergebnis gekommen, dass es zu einer derartigen sexuellen Belästigung nicht gekommen sei. X werde hier nicht nur „im Zweifel" freigesprochen.

Das Gericht habe zusammenfassend festgehalten: „Insgesamt vermochte der Zeuge A das Gericht nicht davon überzeugen, dass sich die von ihm erhobenen Vorwürfe gegen die Angeklagte tatsächlich zugetragen haben." Das Gericht habe damit auch den Eindruck bestätigt, den sich die Dienstvorgesetzten von X von der Sachlage gemacht haben. Weitere Maßnahmen (wie etwa auch die Entlassung von X) seien daher nicht erforderlich gewesen.

Aufgrund der glaubhaften Darstellung von X habe es auch keine Veranlassung dafür gegeben, die Kündigung zurückzunehmen oder die sachlichen Motive für Kündigung in Zweifel zu ziehen. Weitere Maßnahmen zur Abhilfe seien nicht erforderlich gewesen.

Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts sei es für die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb die GAW zur Ansicht gelangt sei, dass es sich hier um eine „Schutzbehauptung" handle bzw. die Antragsgegnerin weitere Maßnahmen zur Abhilfe zu treffen gehabt habe. Hiergegen spreche schon die zeitliche Abfolge, nämlich, dass die Kündigungsentscheidung ganz klar vor der Beschuldigung gegen X vom Marktmanager getroffen worden sei. Nicht nachvollziehbar sei weiters, weshalb der Dienstnehmer so lange mit der Anzeige zugewartet habe, obwohl sich dieser auch sonst kein Blatt vor dem Mund genommen habe und in der Vergangenheit auch schon in anderen Angelegenheiten etwa die Arbeiterkammer involviert gewesen oder er mit seinen Dienstvorgesetzten aktiv in Konfrontation gegangen sei.

Der Antragsteller habe auch keine Nachteile aus seiner Beschwerde erlitten. Wie sich aus dem Sachverhalt ergeben habe, sei der Antragsteller schon am 10. Dezember 2015 vom Marktmanager zur Kündigung angemeldet worden, also lange bevor der Dienstnehmer seine Beschwerde vorbrachte habe.

Da der Antragsteller bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durchgehend in Krankenstand gewesen sei, waren darüber hinausgehend keine Maßnahmen zur Abhilfe zu erbringen.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn dadurch diskriminiert wird, indem er/sie schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) angemessene Abhilfe zu schaffen.

§ 6 Abs. 1 Z 2 GlBG enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht. Danach haben Arbeitgeber/innen auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer/innen nicht durch Belästigungen durch Dritte beeinträchtigt wird. Arbeitgeber/innen haben daher dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der Arbeitnehmer/innen nicht gefährdet werden. Arbeitgeber/innen sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn sexuelle Belästigungen hervorkommen, zum einen, um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben. „Angemessen“ ist die Abhilfe dann, wenn sie geeignet ist, die belästigte Person vor weiteren Belästigungen zu schützen. Um angemessene Abhilfe zu schaffen, bedarf es der Ermahnung, Verwarnung, Versetzung, Kündigung oder allenfalls Entlassung der belästigenden Person, wobei nach herrschender Rechtsprechung das jeweils gelindeste Mittel zu wählen ist. Es ist eine Handlung des Arbeitgebers/ der Arbeitgeberin gefordert, die weitere Belästigungen mit sofortiger Wirkung und effizient verunmöglicht.

Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, muss dem/der Arbeitgeber/in das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der/Die Arbeitgeber/in haftet daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder wusste noch wissen musste. Für eine Haftung des Arbeitgebers genügt Fahrlässigkeit. Bei „Erkennbarkeit“ kommt es auf eine besondere „Bekanntgabe“ durch die betroffene Person nicht mehr an.1

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe des Antragstellers, er sei am 28. November 2015 zu einer sexuellen Belästigung durch seine Vorgesetzte gekommen, wobei von der Antragsgegnerin keine dem GlBG angemessenen Maßnahmen zur Beendigung von bzw. Verhinderung zukünftiger Belästigungen getroffen wurden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Antragsteller von Oktober 2007 bis zum 14. Februar 2016 bei der Antragsgegnerin in der Y-Filiale …im Ausmaß von 20 Wochenstunden beschäftigt und seit ca. vier Jahren als Mitarbeiter mit einer leitenden Funktion tätig war. Am frühen Morgen des 28. November 2015 ereignete sich im Tresorraum in der Y-Filiale eine sexuelle Belästigung durch die damalige Bereichsleiterin und Vorgesetzte, X. Im Verfahren der Gleichbehandlungskommission zu GZ GBK I/707a/16 wurde die Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG bejaht.

Als der Antragssteller nach seinem Krankenstand und Urlaub am 18. Dezember 2015 wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, merkte er, dass ihm sämtliche Befugnisse seiner Führungsposition entzogen wurden. Im anschließenden Gespräch mit dem Marktmanager, B, berichtete der Antragssteller von den sexuellen Übergriffen durch X. B setzte ihn in Kenntnis, dass er ihn kündigen werde, wenn es zu keiner Lösung kommt. Es konnte kein umgehendes und angemessenes Gespräch zwischen X und B festgestellt werden. Der Antragssteller gab den Vorfall der sexuellen Belästigung auch telefonisch der Betriebsrätin, D, und am 6. Jänner 2016 der Personalabteilung weiter. Die Kündigung wurde schlussendlich zu einer einvernehmlichen Lösung umgewandelt.

Der Antragssteller brachte in der mündlichen Befragung vor, dass er am 18. Dezember 2015 nachdem er von seiner Degradierung erfuhr, mit B ein Gespräch führte, in welchem er B von der sexuellen Belästigung durch X erzählte. Nach Angaben des Antragsstellers reagierte B auf die sexuelle Belästigung überhaupt nicht und sagte nur, er (Anm. der Antragsteller) sollte nicht so emotional sein.

Die Betriebsrätin, D, meinte laut Antragsteller „Das interessiere sie gar nicht und wolle sie gar nicht wissen“, als sie der Antragssteller telefonisch von der sexuellen Belästigung durch X verständigte.

Im Gegensatz dazu brachte B vor, er hätte von den Vorwürfen der sexuellen Belästigung erst von der Personalabteilung im Jänner erfahren, als der Antragssteller im Krankenstand war. Somit hätte er darauf nicht reagieren können. B führte in der Befragung aus, dass im Gespräch betreffend der Kompetenzentziehung des Antragstellers, ihn der Antragsteller fragte, ob er vor habe ihn zu kündigen. B erwiderte, dass falls keine Lösung gefunden wird, er gekündigt wird. Der Rechtsvertreter der Antragsgegnerin führte wiederum widersprüchlich auf Nachfrage, wann bzw. von wem der Antragssteller die Funktionen der Bereichsleiterstellvertretung entzogen wurden, folgendes aus: „Es ist richtig, dass er am 18. 12. darüber informiert wurde, dass er zur Kündigung angemeldet ist.“

Da sich die vorgebrachten Schriftsätze und die Befragung des Antragsstellers mit den Befragungen von X und B deutlich unterschieden, war die Glaubwürdigkeit der beteiligten Personen zu überprüfen. Anders als die Antragsgegnerin, konnte der Antragsteller die sexuelle Belästigung und die Meldung dieser Vorwürfe am 18. Dezember 2015 in der mündlichen Befragung glaubhaft darlegen, so wie er es schon im Antrag ausführte. Zudem erschien der Antragsteller dem Senat in der Befragung als authentisch und persönlich betroffen. Im Gegensatz dazu widersprachen sich die Äußerungen von B, X und des Rechtsvertreters der Antragsgegnerin. Der Antragsgegnerin gelang es somit nicht, zu beweisen bzw. den Senat davon zu überzeugen, wie es im Gleichbehandlungsgesetz gefordert ist, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Gegenstand der Überprüfung, ob die Antragsgegnerin eine dem GlBG entsprechende angemessene Abhilfe im Falle einer sexuellen Belästigung gesetzt hat, war, ob diese ihre Verpflichtungen in Bezug auf den mit Vorwürfen der sexuellen Belästigungen konfrontierten Mitarbeiter, erfüllt hat.

Zur anfänglichen Frage hinsichtlich des Vorgehens der Antragsgegnerin im Falle einer sexuellen Belästigung, antwortete B, dass sie (Anm. die Antragsgegnerin) so etwas noch nicht gehabt hatten und im Normalfall Mitarbeiter getrennt werden. Als er gefragt wurde, ob dies in konkreten Fall geschehen sei, antwortete er bloß: „Er war ja nicht da“. Auf Nachfrage, ob es eine Belehrung zum richtigen Umgang mit sexueller Belästigung gegeben habe, replizierte B, dass „es sowas grundsätzlich gibt“ und auf weitere Nachfrage, ob dies im konkreten Fall geleistet wurde: „Da muss ich ehrlich sagen, dass weiß ich nicht mehr. Wir haben das Thema sofort angesprochen, dass so etwas absolut keinen Platz im Unternehmen hat. Wie weit bzw. in welchem Ausmaß kann ich jetzt nicht mehr sagen. Aber angesprochen habe ich es auf jeden Fall.“ An anderer späterer Stelle führte B aus, dass es ein, zwei Gespräche mit X über den Vorfall der sexuellen Belästigung gegeben habe. Einerseits als er vom Personalbüro angesprochen wurde, dass die Kündigung vom Antragsteller beeinsprucht wurde und andererseits als er von der sexuellen Belästigung erfahren habe. Jedoch konnte sich B nicht an die die zeitliche Nähe dieser beiden Gespräche erinnern. Dem Senat erschien diese Ausführung im Vergleich zu der Befragung des Antragsstellers als unglaubwürdig, weil die Äußerungen von B nicht eindeutig sind und er sich mit jeder gestellten Frage an mehr zu erinnern vermochte als zuvor.

X führte zur Frage, ob es zu einer Belehrung gekommen sei, folgendes aus: „Nein, gab es nicht. Er hat mir geglaubt, dass ich es nicht getan habe.“ Die Rechtsvertretung der Antragsgegnerin konnte auf die Frage, wann dieses Gespräch stattgefunden habe auch nicht konkret antworten: „Im Jänner, ein genaues Datum habe ich jetzt nicht.“

Aufgrund dieser Aussagen konnte der Senat nicht von einem angemessenen Gespräch zum Thema sexuelle Belästigung zwischen B und X ausgehen. X verneinte die Maßnahmen glaubwürdig und es wirkte so, als konnte sich B nicht mit Sicherheit erinnern. Einen schriftlichen Nachweis (Gesprächsprotokoll) konnte B nicht vorlegen. Nach der Meinung des Senates haben keine bzw. jedenfalls keine ausreichenden Abhilfemaßnahmen stattgefunden.

Der Senat gewann aufgrund der Ergebnisse der mündlichen Befragungen zusätzlich den Eindruck, dass sich die Betriebsrätin, D, nicht für die Einleitung von Abhilfemaßnahmen ausgesprochen bzw. stark gemacht hat.

Den Vorwürfen des Antragstellers hätte von seinen Vorgesetzten mehr Beachtung geschenkt werden müssen, denn ohne jegliche Maßnahmen fortzufahren, als hätte es diese Mitteilung niemals gegeben, entspricht nicht den Fürsorgepflichten eines/einer Arbeitgebers/Arbeitgeberin. Selbst bei späterer Kenntnis der Vorwürfe hätte eine abschließende Aufklärung des Vorfalles erfolgen müssen. Sobald die Antragsgegnerin vom Vorwurf der sexuellen Belästigung erfuhr, hätte sie reagieren müssen. Selbst wenn, wie hier vom Rechtsvertreter der Antragsgegnerin vorgebracht, direkte Maßnahmen nicht erforderlich waren, weil der Antragsteller nicht mehr im Unternehmen war, nicht mehr den Dienst versehen und sich auch nicht mehr arbeitsfähig gemeldet hat, kommt einer umfassenden Überprüfung von Vorwürfen auch Präventivcharakter zu. Insbesondere, da X zum Zeitpunkt des Vorfalles eine Führungsposition innehatte und davon auszugehen war, dass sie auch zukünftig MitarbeiterInnen führen wird.

Ergänzend haben sich die Ansprechpersonen und die Zuständigkeiten für den Senat als unklar herausgestellt. Obwohl Mitarbeiter faktisch die Möglichkeit hatten ins Intranet zu gehen, um einen nur schwer auffindbaren Unterpunkt zum Thema sexuelle Belästigung zu suchen, führte X in der Befragung aus, dass normalerweise eher die Führungskräfte Zugang zu den Computern vor Ort hätten. Sie meinte: „Es wird von Mitarbeitern eigentlich nur genutzt, wenn es E-Learning gibt.“ Die von der Antragsgegnerin vorgebrachte Anlaufstelle für sexuelle Belästigungen war dem Antragsteller nicht bekannt. Auf Nachfrage des Senates konnte B nicht beantworten, ob es spezielle Ausführungen zur sexuellen Belästigung gebe, die ausgehängt wurden. In der Stellungnahme wurde dazu jedoch vorgebracht, dass in den Filialen hierfür eigene Broschüren und Folder aufgelegen seien.

Auf Nachfrage führte X aus, dass es Schulungen zum Thema sexuelle Belästigung, Mobbing und dergleichen gegeben hat, sie aber als Bereichsleiterin dort nicht hingehen musste. Da B die Funktion eines Marktmanagers ausübte, welche laut X diese Schulung vermutlich als eine Pflichtschulung besuchen mussten, hätte er X gründlich über den korrekten Umgang gegenüber MitarbeiterInnen belehren müssen. Dies nicht zuletzt, weil X nach ihren Angaben „nicht hinzitiert“ wurde.

Hinsichtlich der von der Antragsgegnerin vorgebrachten internen Revision schenkt der Senat dem Antragsteller Glauben, dass diese nicht aufgrund der sexuellen Belästigung stattfand, sondern u.a. aufgrund der Kassensysteme und damit für das GBK-Verfahren nicht von Relevanz ist.

Die Antragsgegnerin argumentierte, dass der Antragsteller erst am 5. Jänner 2015 die sexuelle Belästigung zur Anzeige brachte. Hierzu ist folgendes festzuhalten: Wie eine EU-weite Erhebung der Grundrechteagentur der Europäischen Union zeigt, sind Scham und Verlegenheit, der Eindruck die erlebte Belästigung sei zu unbedeutend bzw. nicht schwerwiegend genug, Angst vor dem Täter und die Annahme, es werde/könne sowieso nichts getan werden, wichtige Gründe für die Betroffenen den Vorfall nicht zu melden.2 Die Meldung sexueller Belästigung kann als peinlich und entwürdigend wahrgenommen werden, die Reaktion der Betroffenen hängt auch von deren Erwartung ab, ob die Situation im Unternehmen gelöst werden kann.3

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihr vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer sexuellen Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG vor.

Vorschläge

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird die Antragsgegnerin, Y, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und werden folgende Vorschläge zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes und

Schulung der Führungskräfte und der Bereichsleitungsebene.

Wien, 30. April 2019

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 13.

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Gewalt gegen Frauen: eine EU-weite Erhebung, Zeitraum März – September 2012, Ergebnisse veröffentlicht im März 2014.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 59.

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2019
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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