Index
41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Franz Huber, Rechtsanwalt in Traun, H. -Gruber-Straße 1, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 1997, Zl. Gem(Stb) - 400443/4 - 1997/Ste, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Juni 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. September 1995 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter gleichzeitiger Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und das gemeinsame minderjährige Kind gemäß § 10 Abs. 1 und Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), abgewiesen.
Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag im wesentlichen damit begründet, daß er bereits in Niederösterreich einen Verleihungsantrag gestellt habe, welcher positiv entschieden worden wäre, wenn er nicht seinen Wohnsitz nach Oberösterreich verlegt hätte. Von der belangten Behörde sei die Frage der Staatsbürgerschaftsverleihung jedoch ohne Rücksicht auf die von der Niederösterreichischen Landesregierung in Aussicht genommene Erledigung zu entscheiden.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 12. Jänner 1990 in Österreich. Da er somit die Wohnsitzfrist des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfülle, käme die Verleihung gemäß § 10 Abs. 3 StbG nur bei Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes in Frage. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt sei, stelle keinen derartigen Grund dar. Andere Gründe habe der Beschwerdeführer im Verfahren nicht geltend gemacht.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer macht zunächst Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend und führt dazu aus, die Niederösterreichische Landesregierung habe bereits am 23. Juli 1996 die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer beschlossen. Erst danach sei durch ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 24. Juli 1996 bekannt geworden, daß der Beschwerdeführer bereits am 7. März 1996 seinen Hauptwohnsitz nach Traun verlegt habe. Die Niederösterreichische Landesregierung habe daraufhin in der Sitzung vom 10. September 1996 ihren Beschluß auf Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer wieder aufgehoben. Der Regierungsbeschluß betreffend die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer sei zwar nicht zugestellt worden, gelte aber dennoch bereits als erlassen, weil er von einem Kollegialorgan gefaßt worden sei. Bei Bescheiden von Kollegialorganen seien nämlich Änderungen der Sach- oder Rechtslage nach Beschlußfassung nicht mehr zu berücksichtigen. Die Bescheiderlassung erfolge in solchen Fällen daher bereits mit der Beschlußfassung durch das Kollegialorgan. Der Wohnsitzwechsel des Beschwerdeführers sei daher erst nach Erlassung des Verleihungsbescheides bekannt geworden und hätte von der Niederösterreichischen Landesregierung nicht mehr zum Anlaß genommen werden dürfen, den Verleihungsbeschluß aufzuheben.
Damit gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zum Zustandekommen eines Bescheides ist es erforderlich, daß er erlassen wird. Erst mit seiner Erlassung erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz. Eine rechtswirksame Erlassung eines schriftlichen Bescheides kann nur durch Zustellung bzw. Ausfolgung erfolgen (vgl. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, RZ 426 f; sowie die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 1 ff zu § 62 AVG, und bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 1 ff zu § 62 Abs. 1 AVG wiedergegebene hg. ständige Rechtsprechung). Schon weil eine der Beschlußfassung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1996 entsprechende Erledigung unbestritten niemals zugestellt oder ausgefolgt wurde, ist ein Verleihungsbescheid der Niederösterreichischen Landesregierung niemals rechtlich existent geworden.
Der Beschwerdeführer kann daher daraus keine Rechte ableiten.
Soweit der Beschwerdeführer meint, die Oberösterreichische Landesregierung sei auch deshalb unzuständig, weil ihm die Wohnung in Traun vom Bundesminister für Inneres zugewiesen worden sei und es sich daher bei seinem Aufenthalt in Oberösterreich um einen keinen Wohnsitz begründenden zwangsweisen Aufenthalt handle, ist ihm zu entgegnen, daß die Zuweisung einer Wohnung durch den Bundesminister für Inneres (an einen Flüchtling) keinen Zwang bedeutet, tatsächlich dort Aufenthalt zu nehmen, zumal der Beschwerdeführer selbst ausführt, daß es ihm jederzeit freistehe, seinen Wohnsitz (nach Niederösterreich) zu verlegen.
Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihn darüber zu belehren, daß sie die Sache eigenständig, ohne Bindung an die Ansicht der Niederösterreichischen Landesregierung zu beurteilen habe. Ohne diese Verletzung der Manuduktionspflicht hätte er seinen Wohnsitz sofort wieder nach Niederösterreich verlegt und dort erneut einen Antrag gestellt.
Gemäß § 13a AVG hat die Behörde Personen, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen in der Regel mündlich zu geben und sie über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren. Diese Rechtsbelehrungspflicht bezieht sich somit nur auf Verfahrenshandlungen und ihre Rechtsfolgen, nicht hingegen auf die Folgen von (Rechts-)Handlungen außerhalb des Verfahrens, wie etwas die Möglichkeit der Wohnsitzverlegung, um die Zuständigkeit einer anderen Behörde zu begründen und damit seine Aussichten auf eine positive Erledigung seines Antrages zu erhöhen (vgl. Walter/Mayer, a. a.O. RZ 163).
Soweit der Beschwerdeführer ausführt, es sei ihm anläßlich des erstmaligen Kontaktes mit der belangten Behörde "mitgeteilt worden", daß der Antrag positiv erledigt werde, macht er keine vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechtsverletzung geltend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 97/01/0606).
Da sich der Beschwerdeführer unbestritten erst seit Jänner 1990 in Österreich aufhält, erfüllt er die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht, weil er noch nicht seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat. Von dieser Voraussetzung kann aber gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstellt, entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Februar 1998, Zl. 97/01/0875).
Die vom Beschwerdeführer behauptete Staatenlosigkeit würde nur dann einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstellen, wenn ähnliche oder vergleichbare Voraussetzungen wie für das Bestehen eines Rechtsanspruches auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vorlägen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 94/01/0744). Da ein Staatenloser gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 StbG (u.a.) nur dann einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft hat, wenn er im Gebiet der Republik Österreich geboren und seit seiner Geburt staatenlos ist, und beim 31-jährigen Beschwerdeführer, der sich erst seit 1990 in Österreich befindet, keine Rede davon sein kann, daß bei ihm ähnliche oder vergleichbare Verhältnisse vorliegen, würde auch die behauptete Staatenlosigkeit keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellen. Der Beschwerdeführer zeigt daher mit seiner Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, sich mit seinem Vorbringen, er sei staatenlos, auseinanderzusetzen, keinen relevanten Verfahrensmangel auf.
Die weitere Rüge, die belangte Behörde habe sich mit dem Schreiben einer Arbeitskollegin der Gattin des Beschwerdeführers und der Vermieterin der früheren Wohnung des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt, geht schon deshalb ins Leere, weil aus den beiden Schreiben lediglich hervorgeht, daß der Beschwerdeführer als Mieter "keine Probleme" gemacht hat und seine Gattin von einer Freundin als "hilfsbereit, freundlich und ehrlich" beschrieben wird, welche Umstände keinen Grund darstellen, vom grundsätzlichen Einbürgerungserfordernis des mindestens zehnjährigen inländischen Aufenthaltes abzusehen.
Die belangte Behörde hat daher den Antrag des Beschwerdeführers zu Recht mangels Vorliegens eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgewiesen. Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998010105.X00Im RIS seit
20.11.2000