Entscheidungsdatum
20.05.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W115 1434411-1/44E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX und XXXX
A)
beschlossen:
Das Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG idgF eingestellt.
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan auf Dauer unzulässig ist und XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Afghanistan, gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.1. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er in Afghanistan in dem Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX , gelebt habe. Vor ca. vier bis fünf Monaten habe er Afghanistan verlassen. Über den Iran und die Türkei sei er schlepperunterstützt bis nach Griechenland gereist. Dort habe er sich ca. drei Monate aufgehalten und sei schließlich schlepperunterstützt über ihm unbekannte Länder bis nach Österreich gebracht worden. Befragt nach seinen Familienmitgliedern gab der Beschwerdeführer an, dass er verheiratet sei und fünf Kinder habe. Weiters würden sich in Afghanistan noch seine Mutter, sein Bruder und seine beiden Schwestern aufhalten. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der Beschwerdeführer an, dass er in Afghanistan nicht durchgehend in die Schule gegangen sei und daher nicht lesen und schreiben könne. Er habe ca. 15 Jahre als Bäcker gearbeitet. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er in der Provinz XXXX als Bäcker für die Amerikaner gearbeitet habe und aufgrund dieser Tätigkeit Probleme mit den Taliban bekommen habe. Aufgrund der Bedrohung durch die Taliban habe er Afghanistan verlassen. Befragt was er bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte, antwortete der Beschwerdeführer, dass er Angst habe von den Taliban getötet zu werden.
1.2. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am XXXX in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt worden war.
1.3. Nach Zulassung des Verfahrens durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte wurde der Beschwerdeführer am XXXX vor dem Bundesasylamt (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA]; in der Folge belangte Behörde genannt) im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu niederschriftlich einvernommen. Im Verlauf dieser Einvernahme brachte der Beschwerdeführer ergänzend zusammengefasst vor, dass er völlig gesund und arbeitsfähig sei. Er stamme aus der Provinz XXXX und habe gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinen fünf Kindern und seiner Mutter in dem Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , gelebt. Diese würden auch zum jetzigen Zeitpunkt noch dort leben. Eine Schwester von ihm sei verheiratet und lebe ebenfalls in der Provinz XXXX . Seine andere Schwester lebe in der Provinz XXXX . Weiters verfüge er noch über einen Bruder in Afghanistan. Sein Vater sei bereits verstorben. Befragt zu seinen Lebensumständen in Afghanistan gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zusammengefasst an, dass die finanzielle Lage seiner Familie in Afghanistan sehr gut sei und sie viele Grundstücke besitzen würde. Seine Mutter habe eine eigene Landwirtschaft. Er selbst habe seit seinem 15. Lebensjahr als Bäcker gearbeitet. Weiters verfüge er auch noch über Berufserfahrung als Elektriker, Bauarbeiter und Fahrer. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er in der Provinz XXXX als Bäcker für die Amerikaner gearbeitet habe und aufgrund dieser Tätigkeit Probleme mit den Taliban bekommen habe. Die Taliban hätten von ihm verlangt, dass er das Brot, das er für die Amerikaner backen würde, vergiften solle. Er habe sich jedoch geweigert und sei daraufhin von den Taliban bedroht worden. Sie hätten sogar auf ihn geschossen und ihn bei diesem Angriff auch verletzt. Daraufhin habe er beschlossen Afghanistan zu verlassen. Nach Vorhalt von Länderfeststellungen zu Afghanistan durch die belangte Behörde, gab der Beschwerdeführer dazu an, dass die Lage in Afghanistan allgemein sehr schlecht sei.
1.4. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
1.5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten von der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Hinsichtlich Spruchpunkt I. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen glaubhaft zu machen. Die geschilderte Bedrohung durch die Taliban sei in sich widersprüchlich und somit nicht glaubhaft.
Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention noch eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als Zivilperson drohe. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann, bei dem eine grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. So habe der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise gearbeitet und seine Versorgung sei gesichert gewesen. Er habe Berufserfahrung als Bäcker, Elektriker, Bauarbeiter und Fahrer. Zudem lebe seine Familie nach wie vor in Afghanistan und betreibe eine Landwirtschaft.
Die Ausweisungsentscheidung (Spruchpunkt III.) wurde mit einer Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu Lasten des Beschwerdeführers begründet.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde, mit der der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde. In der Begründung wurde der Beweisführung sowie der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde entgegengetreten. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.
2. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt langte der Aktenlage nach am XXXX beim damals zuständigen Asylgerichtshof ein.
2.1. Mit Wirksamkeit 01.01.2014 wurde das nunmehr zur Behandlung der Beschwerde zuständige Bundesverwaltungsgericht eingerichtet.
2.2. Mit Schreiben vom XXXX gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er an psychischen Problemen leiden würde. Diesbezügliche Befunde werde er nachreichen. Außerdem habe er vor einigen Wochen erfahren, dass sein Cousin, mit dem seine Ehefrau, seine Kinder und seine Mutter in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt hätten, ermordet worden sei. Bei ihm sei ein Drohbrief gefunden worden. Er würde vermuten, dass die Taliban ihn getötet hätten.
2.3. In weiterer Folge wurden vom Beschwerdeführer integrationsbescheinigende Unterlagen in Vorlage gebracht.
2.4. Mit Schreiben vom XXXX wurde vom Beschwerdeführer das bereits mit Schreiben vom XXXX erstattete Vorbringen hinsichtlich des Todes seines Cousins wiederholt. Darüber hinaus wurden vom Beschwerdeführer Fotos und ein Schreiben in afghanischer Sprache in Vorlage gebracht. Nach den Angaben des Beschwerdeführers sei auf diesen Fotos die Beerdigung seines getöteten Cousins zu sehen. Bei dem vorgelegten Schreiben würde es sich um den Drohbrief handeln, den sein Cousin erhalten habe. Weiters wurde vom Beschwerdeführer eine mit XXXX datierte Bestätigung eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vorgelegt, aus der hervorgeht, dass er an einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Depression und einer Psychosomatose leidet.
2.5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und seinen Fluchtgründen befragt wurde.
2.6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX , GZ XXXX , wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides vom XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt III. wurde der angefochtene Bescheid in Erledigung der Beschwerde behoben und die Angelegenheit gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.
2.7. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der vom Beschwerdeführer gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom XXXX , XXXX , ab und trat sie mit Beschluss vom XXXX , XXXX dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
2.8. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , XXXX , wurde das unter Punkt I.2.6. angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
2.9. Am XXXX wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W115 zugewiesen.
2.10. Am XXXX teilte Rechtsanwalt XXXX unter Berufung auf die erteilte Vollmacht mit, dass der Beschwerdeführer auch im weiteren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht von ihm vertreten werde.
2.11. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers ein Zeugnis hinsichtlich der bestandenen Prüfung Deutsch-A2 durch den Beschwerdeführer vom XXXX in Vorlage gebracht.
2.12. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde vom bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers vorgebracht, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers unter massiven physischen Problemen leiden würde, da sie ohne Hilfe von Familienangehörigen für die Obsorge und Erziehung der fünf Kinder verantwortlich sei. Als Beilage wurde ein in englischer Sprache verfasster Spitalsbefund des " XXXX " vom XXXX , lautend auf die Ehefrau des Beschwerdeführers, in Vorlage gebracht.
2.13. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in der Folge eine mündliche Verhandlung an und übermittelte gleichzeitig aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen wurde von den Parteien vorab nicht erstattet.
2.14. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie sein bevollmächtigter Vertreter teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde war trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen.
Im Rahmen dieser Verhandlung brachte der Beschwerdeführer nach Erläuterung des bisherigen Verfahrensganges und des Akteninhaltes auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Paschtunen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehören würde. Seine Muttersprache sei Paschtu. Daneben spreche er auch noch Dari und Deutsch. Er sei in dem Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX , geboren. An diesem Ort habe er auch gelebt, bis er Afghanistan verlassen habe. Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer an, gesund zu sein. Die in der mit XXXX datierte Bestätigung eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie angeführten Diagnosen würden nicht mehr vorliegen. Er habe keine psychischen Probleme mehr. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht in die Schule gegangen sei und daher nicht lesen und schreiben könne. Er habe auch keine Berufsausbildung absolviert. In Afghanistan habe er ca. 15 Jahre als Bäcker in einer Bäckerei gearbeitet. Weiters habe er als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle gearbeitet und geholfen elektrische Leitungen zu montieren. Zu der wirtschaftlichen Situation seiner Familie in Afghanistan befragt, gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er und seine Familie im Heimatdorf Grundstücke bzw. Felder besitzen würden. Diese seien verpachtet und seine Frau würde von den Einkünften aus dieser Verpachtung leben. Diese seien sehr unterschiedlich. Es hänge davon ab, ob es regne oder nicht. Wenn der Regen ausbleibe, habe seine Familie auch kein Einkommen. Aus diesem Grund werde seine Frau auch von ihm finanziell unterstütz. Ohne diese Unterstützung würden sie und die Kinder nicht überleben können. Seit etwa zwei Jahren lebe seine Ehefrau mit den Kindern und seiner Mutter in einem gemieteten Haus in XXXX . Es gehe ihnen sehr schlecht. Außer seinem Onkel mütterlicherseits würde sich niemand mehr in seinem Heimatdorf aufhalten. Seine beiden Schwestern seien bereits verheiratet und würden sich in der Provinz XXXX bzw. in XXXX aufhalten. Außerdem habe er einen in XXXX lebenden Stiefbruder und einen Neffen in Pakistan. Zu seiner Situation in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass hier auch der Bruder seiner Ehefrau seit sieben oder acht Jahren lebe. Ihm sei der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Sie würden sich ca. einmal wöchentlich treffen. In Österreich habe er bereits Deutschkurse besucht und auch die A2-Prüfung abgelegt. Zurzeit arbeite er als Zusteller für XXXX und XXXX und liefere das Essen an Kunden im XXXX in XXXX aus. Die Fahrzeuge, die er dafür benutze, würden ihm gehören. Im Jahr XXXX habe er eine eigene Pizzeria gehabt. Weiters habe er in Österreich bereits viele Freunde gefunden, darunter seien auch viele Österreicher. Zu seiner Wohnsituation befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er in einer Mietwohnung leben würde. Die Miete teile er sich mit seinen drei Mitbewohnern. Der Mietvertrag laufe auf seinen Namen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung zog der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005) zurück. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erwuchs somit in Rechtskraft. Im Übrigen (hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides) wurde die gegenständliche Beschwerde ausdrücklich aufrechterhalten.
Weiters wurde vom bevollmächtigten Vertreter ein Konvolut an integrationsbescheinigenden Unterlagen (darunter eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für das Jahr XXXX lautend auf den Beschwerdeführer, einen beglaubigten Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria - GISA vom XXXX , wonach der Beschwerdeführer zur Ausübung des Gewerbes "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" berechtigt ist sowie einen Mietvertrag vom XXXX lautend auf den Beschwerdeführer) in Vorlage gebracht.
2.15. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie sein bevollmächtigter Vertreter teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde war trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen.
Im Rahmen dieser Verhandlung brachte der Beschwerdeführer nach Erläuterung des bisherigen Verfahrensganges und des Akteninhaltes auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass er gesund sei. Er sei weiterhin berufstätig und sein Einkommen habe sich seit der letzten Verhandlung weiter erhöht. Zudem habe er seine Deutschkenntnisse weiter verbessert. Einmal pro Woche besuche er ein Fitnessstudio und spiele weiters in seiner Freizeit Fußball und Volleyball. Befragt, wann er zuletzt Kontakt mit seiner Ehefrau gehabt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er vor ca. einem Monat mit ihr telefoniert habe. Sie würde weiterhin mit den Kindern und seiner Mutter in XXXX leben. Sie würden dort bei seinem Halbbruder wohnen. Seine Ehefrau lebe noch immer von den Einkünften aus der Verpachtung der familieneigenen Grundstücke, welche im Heimatdorf des Beschwerdeführers liegen würden. Ihre wirtschaftliche Situation würde er als mittelmäßig beschreiben. Zusätzlich würde er seiner Ehefrau auch regelmäßig Geld schicken. Zu dem Gesundheitszustand seiner Frau befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass sie psychische Probleme habe. Auch sein jüngster Sohn sei krank und müsse alle sechs Monate ins Spital zur Blutabnahme. An welcher Krankheit er genau leide, wisse er nicht. Eine seiner beiden Schwestern lebe nach wie vor in der Provinz XXXX . Ihr würde es finanziell sehr schlecht gehen. Seine zweite Schwester, die zuvor in XXXX gelebt habe, würde nunmehr mit ihrer Familie in Amerika leben.
In weiterer Folge wurden ergänzend zu den mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan durch den verfahrensführenden Richter aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers in der heutigen Verhandlung folgende Unterlagen in das Verfahren eingebracht:
-
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 in der Fassung 29.10.2018.
-
UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018
-
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat-Stadt Mazar-e-Sharif aufgrund anhaltender Dürre, anfragende Stelle: BVwG vom 13.09.2018
-
Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif: Landflucht als Folge der Dürre; Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln, auf die Wohnraumbeschaffung und die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler (insbesondere von RückkehrerInnen)
[a-10737], vom 12.10.2018
Nach Erörterung dieser Unterlagen und der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen, gab der Beschwerdeführer dazu an, dass er auf eine Stellungnahme verzichte.
Weiters wurde vom bevollmächtigten Vertreter ein Konvolut an integrationsbescheinigenden Unterlagen (darunter das A2-Zeugnis über die bestandene Deutschprüfung auf A2-Niveau vom XXXX durch den Beschwerdeführer, eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung für das Jahr XXXX , ein Versicherungsdatenauszug der Österreichischen Sozialversicherung vom XXXX sowie Unterlagen über erzielte Einkünfte des Beschwerdeführers in den Monaten XXXX bis XXXX ) in Vorlage gebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch genannten Namen und ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er ist im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX geboren und hat bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan dort gelebt.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Weiters beherrscht er noch die Sprache Dari. Darüber hinaus verfügt er über gute Kenntnisse der deutschen Sprache.
Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig. Er ist verheiratet und hat fünf Kinder. Die Ehefrau und die Kinder sowie die Mutter des Beschwerdeführers leben derzeit bei seinem Halbbruder in XXXX . Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer und seine Familie besitzen im Heimatdorf XXXX Grundstücke bzw. Felder, die derzeit verpachtet sind. Die Ehefrau des Beschwerdeführers hat psychische Probleme, sein jüngster Sohn ist ebenfalls krank. An welcher Krankheit er leidet konnte mangels Angaben des Beschwerdeführers dazu, nicht festgestellt werden. Eine Schwester des Beschwerdeführers ist verheiratet und lebt in der Provinz XXXX . Die zweite Schwester lebt in den USA. Außerdem hat der Beschwerdeführer noch einen in der Provinz XXXX lebenden Onkel.
Der Beschwerdeführer hat regelmäßig telefonischen Kontakt zu seiner Ehefrau.
Die Familie des Beschwerdeführers lebt von den erzielten Einkünften aus der Verpachtung der familieneigenen Grundstücke bzw. Felder sowie der finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan keine Schule besucht und kann in seiner Muttersprache nicht lesen und schreiben. Er hat auch keine Berufsausbildung absolviert. In Afghanistan hat der Beschwerdeführer 15 Jahre lang als Bäcker gearbeitet. Weiters hat er in Afghanistan als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet und u.a geholfen elektrische Leitungen zu montieren.
Der Beschwerdeführer hat im Jahr XXXX Afghanistan verlassen und reiste schlepperunterstützt über den Iran, die Türkei, Griechenland und andere ihm unbekannte Länder nach Österreich ein. Er gelangte unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet und hat dort am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
1.2. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im XXXX aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Bis XXXX hat der Beschwerdeführer Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezogen. Danach führte er eine Pizzeria in XXXX und ist derzeit als Lieferant und Speisenzusteller tätig. Seit XXXX verfügt der Beschwerdeführer über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt". Mit den Einkünften aus dieser Erwerbstätigkeit bestreitet er seinen Lebensunterhalt und ist in der Lage, sich selbst zu erhalten. Dieses Einkommen liegt über der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG. Der Beschwerdeführer wohnt mit drei weiteren Personen in einer Mietwohnung und teilt sich mit ihnen die Miete. Der Mietvertrag läuft auf seinen Namen.
Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und hat am XXXX die Prüfung über deutsche Sprachkenntnisse auf dem Niveau A2 bestanden. In seiner Freizeit besucht der Beschwerdeführer regelmäßig ein Fitness-Center, spielt Fußball und Volleyball. Er ist in Österreich sozial integriert und verfügt über freundschaftliche Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern.
Der Bruder der Ehefrau des Beschwerdeführers lebt ebenfalls in Österreich. Diesen trifft der Beschwerdeführer etwa einmal wöchentlich.
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.
1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Frage, ob der Beschwerdeführer asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates glaubhaft gemacht hat, ist nach Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Heimatprovinz XXXX aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Provinz XXXX ist individuell nicht zumutbar.
Eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat ist möglich und zumutbar. Er kann diese von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der Beschwerdeführer ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatstaates und in Afghanistan gesprochenen Sprachen vertraut. Zudem lebt ein Teil seiner Familie weiterhin in Afghanistan und der Beschwerdeführer und seine Familie verfügen in der Heimatprovinz über Grundstücke bzw. Felder, die derzeit verpachtet sind. Von den erzielten Einkünften, neben der finanziellen Unterstützung durch den Beschwerdeführer, leben seine Ehefrau, seine Kinder und seine Mutter. Der Beschwerdeführer hat bislang nicht in Mazar-e Sharif oder Herat gelebt und verfügt in diesen Städten über keine familiären Anknüpfungspunkte. Angesichts seines Gesundheitszustandes und seiner Arbeitsfähigkeit könnte sich der Beschwerdeführer in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er hat in Afghanistan bereits Berufserfahrung als Bäcker und als Hilfsarbeiter auf Baustellen gesammelt. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
Sohin wäre es dem Beschwerdeführer möglich, in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in eine dieser beiden Städte kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Dem Beschwerdeführer wäre es zudem möglich, wie dies auch bereits vor seinem Verlassen Afghanistans der Fall gewesen ist, für seine Familie zu sorgen.
1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Aufgrund den in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:
1.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, in der Fassung vom Oktober 2018:
[...]
Politische Lage (Verfassung):
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
[...]
Sicherheitslage (Allgemein):
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:
Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
[...]
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).
Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).
Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).
[...]
Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).
[...]
Anschläge bzw. Angriffe auf hochrangige Ziele:
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
[...]
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban:
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh:
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Haqqani-Netzwerk:
Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).
Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).
Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).
Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).
Al-Qaida:
Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).
[...]
Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).
[...]
In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).
Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018).
[...]
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).
[...]
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der