TE Vwgh Beschluss 2018/5/14 Ra 2017/20/0414

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Veröffentlicht am 14.05.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §19 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §37
AVG §45 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des V J, in W, vertreten durch Dr. Martin Melzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rockhgasse 6/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2017, Zl. I409 2161089- 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, stellte am 12. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Er war zuvor am 16. November 2014 in der Schweiz erkennungsdienstlich behandelt und in der Schweiz am 7. April 2015 einvernommen worden. In der Folge ist er aus der Schweiz ausgereist.

3 Anlässlich der Erstbefragung durch Polizeibeamte gab der Revisionswerber an, er sei wegen der Ebola-Epidemie geflohen, die viele Menschen - auch seinen Vater - das Leben gekostet habe.

4 Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 11. April 2017 gab der Revisionswerber an, er habe Sierra Leone einerseits wegen Ebola verlassen. Andererseits sei sein Vater verstorben, nachdem der Revisionswerber diesem über Anweisung eines verfeindeten Nachbarn eine ihm unbekannte Substanz ins Essen gemischt habe. Die Polizei habe den Revisionswerber zu dem Tod des Vaters befragt und aufgefordert, sich täglich zu melden. Der Revisionswerber sei aus Furcht in die Kirche gelaufen und habe dort andere angetroffen, die aus Furcht vor der Epidemie fliehen wollten. Mit deren Unterstützung habe er das Land mit einer Gruppe von Menschen verlassen.

5 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 17. Oktober 2017 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Mai 2017, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt worden war, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Sierra Leone gemäß § 46 FPG zulässig sei sowie gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) aberkannt werde, abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

6 Begründend führte das BVwG aus, dass es wegen der aufgezeigten Widersprüche des Revisionswerbers vor der Schweizer Behörde und jenen vor der belangten Behörde, hinsichtlich seiner familiären Verhältnisse und seinen Fluchtgründen, keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des BFA gebe, in der es schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe, warum das Vorbringen des Revisionswerbers als nicht glaubwürdig zu qualifizieren sei. Die Beschwerde wende zwar zu Recht ein, dass die Asylbehörde ihre Entscheidung nicht vorrangig auf Widersprüche im Fluchtvorbringen bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme stützen dürfe. Allerdings gelte dies in Bezug auf die Erstbefragung in der Schweiz nicht, weil diese nicht von "uniformierten Staatsorganen durchgeführt werden und im konkreten Fall auch nicht durchgeführt worden seien". Daher komme das BVwG zum Schluss, dass es dem Revisionswerber nicht gelungen sei, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukomme.

7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit wird in der Revision ausgeführt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit abgewichen, obwohl in der Beschwerde auf die Minderjährigkeit hingewiesen worden sei. Überdies sei das BVwG von der Rechtsprechung betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen.

12 Zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit bei der Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass in einem Fall, in dem das fluchtauslösende Ereignis im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren erlebt wurde und diesem Ereignis eine mehrjährige Flucht nachfolgte, eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich ist und die Dichte dieses Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden darf. Es muss sich aus der Entscheidung erkennen lassen, dass solche Umstände in die Beweiswürdigung Eingang gefunden haben und dass darauf Bedacht genommen wurde, aus welchem Blickwinkel die Schilderung der Fluchtgeschichte erfolgte (VwGH 14.12.2006, 2006/01/0362).

13 Insofern die Revision nun die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der unterbliebenen Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Revisionswerbers zum Fluchtzeitpunkt rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass schon aufgrund des keinen Bezug zu einem in der GFK genannten Grund aufweisenden Vorbringens des Revisionswerbers fallbezogen keine asylrelevante Verfolgung erkennbar ist.

Die Entscheidung in der Revisionssache hängt daher nicht von dem vorgebrachten Mangel der Beweiswürdigung ab.

14 Vor dem Hintergrund des oben Gesagten ist dann aber auch nicht zu sehen, weshalb letztlich die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht gegeben gewesen wären (vgl. VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200414.L00

Im RIS seit

29.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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