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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des R in R, vertreten durch Dr. Georg Karasek, Rechtsanwalt in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. April 1998, Zl. IVW 3-BE-322-9-97, betreffend Getränkesteuer vom 1. Jänner 1987 bis 30. April 1996 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Rabensburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. Juni 1996, Zl. 1000/2/1996, setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde u.a. gegen den Beschwerdeführer Getränkesteuer für den Zeitraum vom 1. Jänner 1987 bis 30. April 1996 im Ausmaß von S 369.607,-- fest und verhängte einen Verspätungszuschlag von 10 % (S 36.961,--) sowie einen Säumniszuschlag von 2 % (S 7.392,--).
Dagegen stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 24. Juli 1996 einerseits einen Ablehnungsantrag gegen den Bürgermeister sowie andererseits einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist (mit der Behauptung, seine Unterlagen seien beschlagnahmt worden und habe er noch keine Gelegenheit gehabt, in die Erhebungsergebnisse Einsicht zu nehmen). In eventu (für den Fall, daß seinen beiden Anträgen nicht entsprochen werden sollte) erhob der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid auch Berufung, und zwar mit der Begründung, die Bemessungsgrundlage sei unrichtig ermittelt worden.
Mit Bescheid vom 5. August 1996, Zl. 1000/7/1996, wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist vom 24. Juli 1996 ab.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 14. Oktober 1996 Berufung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Dezember 1996, Zl. 1000/2a/1996 wurden unter Bezugnahme auf die Eingabe vom 24. Juli 1996 der Antrag, die Vertretung des Bürgermeisters zu veranlassen, zurückgewiesen und der Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist sowie die Berufung abgewiesen.
Mit einem nicht datierten, zur Zl. 1000/7a/96, erlassenen weiteren Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde unter Bezugnahme auf eine Sitzung vom 28. Oktober 1996 die Berufung des Beschwerdeführers "gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 24. Juli 1996, Zl. 1000/7/1996" als unbegründet abgewiesen und der "Bescheid der 1. Instanz, Zl. 1000/7/1996" bestätigt. Dieser Berufungsbescheid ist offensichtlich insoweit mit einem Schreibfehler belastet, als er das Datum des erstinstanzlichen Bescheides Zl. 1000/7/1996 (welches richtig 5. August 1996 lauten sollte) auf Grund einer Verwechslung mit dem Datum der gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid (vom 28. Juni 1996) erhobenen Berufung vom 24. Juli 1996 bezeichnet.
Gegen den Berufungsbescheid Zl. 1000/7a/1996 (dessen Datum dabei mit 13. Dezember 1996 angegeben wird und der nach den Behauptungen des Beschwerdeführers am 16. Dezember 1996 zugestellt wurde) erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 30. Dezember 1996 Vorstellung.
Mit Eingabe vom gleichen Tag erhob der Beschwerdeführer aber auch eine Vorstellung gegen den Berufungsbescheid vom 13. Dezember 1996, Zl. 1000/2a/1996, worin er u.a. behauptete, es sei am 16. Dezember 1995 ein Betrag von S 450.000,-- geleistet worden. Es fehle an einer Feststellung der mitbeteiligten Partei, ob und in welcher Höhe diese Zahlung auf allfällige Rückstände angerechnet worden sei.
In weiterer Folge ergingen seitens der belangten Behörde zwei Vorstellungsentscheidungen, und zwar:
a) Die belangte Behörde gab der gegen den Berufungsbescheid vom 13. Dezember 1996 (offenbar Zl. 1000/2a/1996) erhobenen Vorstellung mit Bescheid vom 23. Juni 1997, Zl. IVW3-BE-322-4-97, Folge, behob den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 13. Dezember 1996 und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurück.
b) Andererseits gab die belangte Behörde mit Vorstellungsentscheidung "abgefertigt am 23. Juni 1997", Zl. IVW 3-BE-322-4-97, der Vorstellung vom 30. Dezember 1996 gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Rabensburg vom 13. Dezember 1996 "betreffend Verlängerung der Berufungsfrist" Folge, behob den angefochtenen Berufungsbescheid und verwies auch diese Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung wieder an die mitbeteiligte Marktgemeinde.
Mit Bescheid vom 29. September 1997, Zl. 1000/2a/1997 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag, zufolge Befangenheit des Bürgermeisters seine Vertretung zu veranlassen, neuerlich zurück (Spruchteil I), weiters den Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist ab (Spruchteil II) und auch die Berufung neuerlich ab (Spruchteil III), wobei die Begründung zu den Spruchteilen II und III lautet wie folgt:
"...
II. Der Gemeinderat sieht keinen berücksichtigungswürdigen Grund zur Verlängerung der Berufungsfrist nach § 191 Abs. 3 NÖ Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400-3.
III. Der Gemeinderat hat sich davon überzeugt, daß der Bürgermeister den Bescheid auf Grund des Berichtes über die vorgenommene Kommunal- und Getränkesteuerprüfung 1991-1995, den die beauftragte Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft 'Österr. Revisions- und Treuhandgesellschaft m.b.H.' aus 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 8 vorlegte, erstellt hat. Deshalb wurde die Berufung abgewiesen und der Bescheid der 1. Instanz vollinhaltlich bestätigt."
Mit einem Bescheid "abgefertigt am 7. April 1998", Zl. IVW 3-BE-322-9a-97, wies die belangte Behörde betreffend "Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist" die gegen einen (nicht in den vorgelegten Akten befindlichen) Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. September 1997, Zl. 1000/7a/1997, erhobene Vorstellung als unbegründet ab. Diese Vorstellungsentscheidung blieb - soweit es aus den vorgelegten Akten ersichtlich ist - unbekämpft.
Gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. September 1997, Zl. 1000/2a/97, erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, wobei er neuerlich behauptete, es sei ihm nicht möglich gewesen, die Abgabenvorschreibungen im einzelnen zu überprüfen und auch die Behauptung aufrecht erhielt, am 16. Oktober 1995 S 450.000,-- bezahlt zu haben.
Die belangte Behörde wies diese Vorstellung mit der im Kopf dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Vorstellungsentscheidung betreffend die Spruchpunkte I und III des Berufungsbescheides als unbegründet ab, wohingegen sie betreffend den Spruchteil II des Berufungsbescheides (also betreffend die Abweisung des Antrages auf Verlängerung der Berufungsfrist) den angefochtenen Bescheid behob und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Marktgemeinde verwies.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wobei sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Nichtvorschreibung einer bereits bezahlten Abgabe verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte nur die Akten des Vorstellungsverfahrens nicht jedoch die Akten der Gemeindeinstanzen vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger hg. Judikatur belastet eine Berufungsbehörde, die über eine (noch) nicht wirksam erhobene Berufung in der Sache eine Berufungsentscheidung fällt, ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. z.B. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch5 unter E6 zu § 66 AVG referierte Judikatur).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer betreffend den erstinstanzlichen Abgabenfestsetzungsbescheid vom 28. Juni 1996abgesehen von der Ablehnung des Bürgermeisters primär einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist gestellt und die Berufung gegen den Abgabenbescheid ausdrücklich "lediglich in eventu" für den Fall erhoben, daß beiden Anträgen nicht entsprochen werden sollte.
Die Erhebung eines Rechtsmittels eventualiter ist zulässig (vgl. dazu Ritz, BAO-Kommentar, Rz 3 zu § 85 BAO mwN).
Mit Rücksicht darauf, daß die belangte Behörde mit dem jetzt angefochtenen Bescheid den Spruchteil II des Berufungsbescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 29. September 1992 aufgehoben und das Verfahren in diesem Umfang - also zur Entscheidung über den damit in den Augen der belangten Behörde noch immer unerledigten Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist - an die mitbeteiligte Marktgemeinde zurückverwiesen hat, ist unter Bedachtnahme darauf, daß mit dem Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 7. April 1998, Zl. IVW 3-BE 322-9a-97 (der ebenfalls betreffend die Verlängerung der Berufungsfrist ergangen ist) die gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 29. September 1997, Zl. 1000/7a/1997, erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen wurde, die entscheidende Frage, ob jene aufschiebende Bedingung, unter der die Berufung erhoben wurde, schon eingetreten ist oder noch nicht, auf Grund der nur teilweise vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens nicht verläßlich zu beurteilen.
Indem die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ganz offensichtlich vor allem auf ihren eigenen Bescheid vom 7. April 1998, Zl. IVW 3-BE-322-9a-97, nicht Bedacht genommen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.
Für das fortgesetzte Verfahren sei bemerkt, daß es dann, wenn die formalen Voraussetzungen für eine meritorische Behandlung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Abgabenbescheid vorliegen werden, Aufgabe der Berufungsinstanz sein wird, insbesondere den Einwand des Beschwerdeführers, es sei bereits eine Zahlung im Umfang von S 450.000,-- geleistet worden, substantiell zu prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung im Rahmen einer gesetzmäßigen Bescheidbegründung so darzulegen, daß dies einer nachprüfenden Kontrolle (sei es durch die Vorstellungsbehörde, sei es durch den Verwaltungsgerichtshof) zugänglich ist. Dem Hinweis in der Gegenschrift, es liege nur eine Bemessung vor, ist zu erwidern, daß der erstinstanzliche Bescheid auch eine ziffernmäßig bestimmte Zahlungsaufforderung enthält.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft den gesondert angesprochenen Umsatzsteuerbetrag, der im Rahmen des pauschal zuzuerkennenden Schriftsatzaufwandes nicht berücksichtigt werden kann.
Wien, am 17. Dezember 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998160143.X00Im RIS seit
20.11.2000