TE OGH 2019/7/10 13Os39/19p

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Veröffentlicht am 10.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Leitner in der Finanzstrafsache gegen Dumitru S***** wegen Finanzvergehen des als Mitglied einer Bande begangenen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38a Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. Jänner 2019, GZ 124 Hv 13/18t-258, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Wertersatzstrafe (einschließlich der zu dieser festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dumitru S***** (richtig) mehrerer Finanzvergehen des als Mitglied einer Bande begangenen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38a Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er vom 18. Februar 2014 bis zum 8. April 2016 im Bereich des Zollamts Klagenfurt Villach vorsätzlich als Mitglied einer Bande von mindestens drei (nämlich elf im Ersturteil genannten) Personen (darunter Gheorghe S*****, Jonce St*****, Branislav I***** und Marian Str*****), die sich zur Tatbegehung verbunden haben, unter Mitwirkung (§ 11 FinStrG) jeweils zumindest eines weiteren Bandenmitglieds eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht, indem er in mehreren Angriffen den Transport von insgesamt 2.503.460 Zigaretten verschiedener Marken, auf die Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer von zusammen 480.538,03 Euro entfielen, mittels Fernreisezug von Serbien nach Österreich organisierte.

In tatsächlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass ein Teil der tatverfangenen Zigaretten nicht, ein anderer Teil hingegen sichergestellt wurde (US 10).

„Gemäß § 19 FinStrG“ sprach es „hinsichtlich der nicht sichergestellten Zigaretten“ eine Wertersatzstrafe von 180.000 Euro aus und setzte für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten fest (US 3).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Ausspruch richtet sich die (zugunsten des Angeklagten) aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Sie wendet ein, dem Angeklagten hätte kein Wertersatz auferlegt werden dürfen, weil bereits mit (rechtskräftigem) Urteil in einem anderen Verfahren den (gesondert verfolgten) Beteiligten Gheorghe S*****, Jonce St*****, Branislav I***** und Marian Str***** „bezüglich sämtlicher nicht sichergestellten Zigaretten“ (anteilig) Wertersatz auferlegt worden sei.

Zwar trifft es zu,

dass § 19 Abs 4 FinStrG – wonach der Wertersatz auf jene Personen aufzuteilen ist, die das Finanzvergehen begangen haben – für den Fall mehrerer Schuldsprüche die anteilsmäßige Minderung des Wertersatzes zwingend anordnet (Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 14) und

dass – wenn der Wertersatz mehreren Personen anteilsmäßig auferlegt wird – die Summe der anteilig ausgesprochenen Wertersatzstrafen den gemäß § 19 Abs 3 FinStrG zu bestimmenden Betrag nicht übersteigen darf (Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 13; vgl auch RIS-Justiz RS0086528).

Allerdings entwickelt die Beschwerde ihre Argumentation – anders als zur gesetzmäßigen Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes geboten (RIS-Justiz RS0099810) – nicht auf der Basis der Feststellungen des angefochtenen Urteils; ebenso wenig macht sie diesbezügliche Feststellungsmängel (RIS-Justiz RS0118580) geltend.

Der im Ersturteil festgestellte Sachverhalt trägt im Übrigen keineswegs die Annahme, dass die Summe jener Wertersatzstrafen, die über andere, welche das Finanzvergehen hinsichtlich der(selben) Gegenstände begangen haben, (bereits rechtskräftig) anteilig verhängt wurden, den gemäß § 19 Abs 3 FinStrG zu bestimmenden Betrag erreicht. Denn danach bleibt (schon) offen, inwieweit „die nicht mehr greifbaren Zigaretten“, hinsichtlich derer über die im Rechtsmittel erwähnten, am 31. August 2017 „wegen §§ 35 Abs 1, 38a Abs 1 lit a, 11 dritter Fall, 44 Abs 1 FinStrG verurteilt[en]“ Beteiligten (anteilig) Wertersatzstrafen von insgesamt 571.212,95 Euro verhängt wurden (US 5), mit den hier tatverfangenen übereinstimmen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass – wie bereits die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend ausführte – dem angefochtenen Urteil im Ausspruch über den Wertersatz (nicht geltend gemachte) materielle Nichtigkeit anhaftet, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das Schöffengericht stellte zwar die Gesamtzahl der tatverfangenen Zigaretten und deren gemeinen Wert (US 5 f: 2.503.460 Stück; 554.890,30 Euro), nicht aber den
– die Strafbefugnis bestimmenden (§ 19 Abs 1 lit a und Abs 3 FinStrG) – gemeinen Wert der nicht sichergestellten Teilmenge der tatverfangenen Zigaretten fest. Solcherart ist den Entscheidungsgründen – Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall begründend (Lässig in WK2 FinStrG § 19 Rz 21 mwN 13 Os 6/16f) – (schon) die Berechnungsgrundlage für den Wertersatz in tatsächlicher Hinsicht nicht zu entnehmen.

Den Ausspruch belastet zudem Nichtigkeit aus Z 11 dritter Fall, weil das Erstgericht die in § 19 Abs 5 FinStrG zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS-Justiz RS0088035 [T3]).

Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Hinzugefügt sei:

1. Zwischen Tat- und Urteilszeitpunkt wurde § 35 Abs 1 lit a FinStrG (mit BGBl I 2015/163, Inkrafttreten am 1. Mai 2016) geändert. Nach dem Urteilssachverhalt (US 5) wurden alle vom Schuldspruch umfassten Taten im zeitlichen Geltungsbereich des § 35 Abs 1 lit a FinStrG aF begangen, dem gegenüber die Normenlage zum Urteilszeitpunkt – in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (RIS-Justiz RS0119085 [insbesondere T1]) – nicht günstiger ist. Sie wären daher gemäß § 4 Abs 2 FinStrG den Tatbeständen der §§ 35 Abs 1 lit a, 38a Abs 1 lit a FinStrG idF BGBl I 2010/104 zu unterstellen gewesen. Die verfehlte Subsumtion nach der (mangels Angabe einer bestimmten Gesetzesfassung) geltenden Gesetzesfassung hat sich in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, aus welchem Grund der darin gelegene Rechtsfehler von Amts wegen nicht aufzugreifen war (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Aufgrund dieses Hinweises besteht bei der Ausstellung der Strafkarte keine Bindung des Erstgerichts an seinen Ausspruch über das anzuwendende Strafgesetz (RIS-Justiz RS0129614; 11 Os 65/16t; 11 Os 77/16g; 15 Os 71/17f).

2. Die Strafe des Wertersatzes kommt – im Sinn des eingangs Dargelegten – jedenfalls insoweit (von vornherein) nicht in Betracht, als nach der im zweiten Rechtsgang zu schaffenden Tatsachenbasis andere, die das Finanzvergehen hinsichtlich der(selben) dem Verfall unterliegenden Gegenstände begangen haben, (im Zuge gesonderter Verfolgung) bereits rechtskräftig zur Leistung von (anteiligem) Wertersatz genau hierfür verpflichtet worden sind (vgl dazu ON 217, ON 226 S 6 und Beilage II./ zu ON 257).

Textnummer

E125671

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0130OS00039.19P.0710.000

Im RIS seit

29.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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